Wasserwirtschaftliche Kennzahlen zur Bemessung zu viel oder zu wenig Daten?

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Transkript:

Technische Universität Dresden Fakultät Bauingenieurwesen Institut für Wasserbau und Technische Hydromechanik 40. Dresdner Wasserbaukolloquium 2017 Bemessung im Wasserbau Wasserwirtschaftliche Kennzahlen zur Bemessung zu viel oder zu wenig Daten? Marc Scheibel Paula Lorza A3 Saal 3 Der folgende Beitrag beschäftigt sich mit der Vielfalt und dem Umgang von wasserwirtschaftlichen Daten, welche für die Bemessung und den Betrieb wasserwirtschaftlicher Anlagen notwendig sind. Mit der Steigerung der Qualität von Messund Fernerkundungsdaten stiegen allerdings auch parallel die Anforderungen an die Anlagen (und an die Einbindung von Messdaten in den Betrieb). Neben langen historischen Zeitreihen, welche jedoch nur punktuell vorliegen stehen mittlerweile auch flächenmäßig erfasste Klimagrößen durch z.b. Wetterradare oder Satelliten zur Verfügung. Diese jedoch erst seit einem wesentlich kürzeren und damit statistisch noch nicht so repräsentativen Zeitraum. Der Beitrag soll einen Überblick geben welche Daten zur Verfügung stehen und welche Vorteile, aber auch Problemstellungen sich bei der Auswertung für eine entsprechende Anwendung ergeben. Stichworte: Unsicherheiten, Kommunikation, Bemessungsansätze 1 Einleitung Wasserbauliche Anlagen sind aufgrund ihrer meist auf mehrere Dekaden ausgelegten Abschreibungs- und Betriebsdauern während dieser langen Zeiträume regelmäßig auf veränderte Randbedingungen, Anforderungen und Nutzungsansprüchen zumindest zu überprüfen. Oftmals ergeben sich daraus auch Anpassungserfordernisse, welche Maßnahmen in Bau und Betrieb nach sich ziehen. Damit ist es nicht mit einer einmaligen Planung und Bemessung getan sondern eine Daueraufgabe die Anlagen zu prüfen, zu ergänzen, zu ändern oder auch zurück zu bauen. Die Erfordernis des Baus einer Anlage im Wasserbau ergab sich in der Vergangenheit auf der Basis von Erfahrungen einzelner Situationen. Die Bemessungen wurden mittels historischer Aufzeichnungen an einzelnen, punktuellen Stationen über abgeleitete Reihen aufgebaut und mit Modellen ergänzt. Mittlerweile liegen jedoch nicht nur punktuelle Messgrößen vor, sondern werden durch flächenhafte Erfassungen wie Satelliten- oder Radardaten ergänzt. Die Bemessungsgrößen

88 Wasserwirtschaftliche Kennzahlen zur Bemessung zu viel oder zu wenig Daten? werden nun nicht mehr nur durch statistische Auswertungen von historischen Daten ermittelt, sondern auch mit Szenarien möglicher zukünftiger Entwicklungen der Einflussgrößen verglichen. Hierbei handelt es sich nicht nur um die klimatologischen Kenngrößen (aus regionalen und globalen Zirkulationsmodellen zur Klimavorhersagen), sondern auch Randbedingungen wie Flächenentwicklungen, Einwohnerzahlen oder z.b. die Entwicklung des Wasserverbrauches. Durch die Vielfalt der Daten entstehen jedoch neue Unsicherheiten, welche jede Methode der Erhebung und Auswertung mit sich bringen. So entstehen Spannbreiten bei der Bemessung für die Zukunft einer Anlage denn dafür wird sie schließlich bemessen und nicht für die Vergangenheit die berücksichtigt und kommuniziert werden müssen. 2 Eingangsdaten für die Bemessung 2.1 Punkt- und Gebietsniederschlag Abbildung 1: Verteilung der Niederschlagsstationen beim Wupperverband und Auflösung des Rasters Radar Essen (Bildquelle: Wupperverband 2017) Eine wesentliche Eingangsgröße für die Bemessung wasserwirtschaftlicher Anlagen ist der Niederschlag, bzw. der effektive, also zum Abfluss kommende

Dresdner Wasserbauliche Mitteilungen, Heft 58 40. Dresdner Wasserbaukolloquium 2017 Bemessung im Wasserbau 89 Niederschlag. Messungen finden Eingang in unterschiedliche Abflussmodellierungsansätze als Belastungsgröße. In der Praxis liegen in räumlicher und zeitlicher Auflösung unterschiedlich ausgeprägte Datensätze vor. Beim Wupperverband stehen zum Beispiel seit mehr als hundert Jahren Tageswerte zur Verfügung, Schreiberdaten in höherer zeitlicher Auflösung (aktuell in Minuten) seit über 60 Jahren und aufbereitete Radardaten des Deutschen Wetterdienstes seit 15 Jahren (Verteilung der Stationen und Auflösung des Rasters der Radarstation Essen - siehe Abbildung 1). A3 Saal 3 Die Langjährigen Reihen haben den Vorteil statistisch höchst repräsentativ zu sein, da sie bereits mehrere Wetterzyklen durchlaufen haben und trockene wie feuchte Perioden verschiedenster Ausprägung beinhalten. Da die Tageswerte jedoch zur Bemessung urbaner, schnell reagierender Systeme nicht hoch genug aufgelöst sind muss man hier auf die kürzeren Datensätze der Schreiber zurückgreifen. Gerade für konvektive Ereignisse können die kleinräumigen Strukturen der Regenzellen jedoch durch die vorhandene räumliche Dichte nicht ausreichend erfasst werden hier haben die Regenradarerfassungen einen entscheidenden Vorteil (siehe Tabelle 1). Tabelle 1 Kenngrößen der unterschiedlichen Datensätze (Quelle: Scheibel 2017) Messtyp Zeitliche Auflösung Räumliche Verteilung Klimatologische Repräsentanz Tageswerte niedrig niedrig bis mittel hoch Schreiber mittel bis sehr hoch mittel hoch bis mittel Radar hoch hoch niedrig Bei der vergleichenden Betrachtung der Zeitreihen ergeben sich somit Unterschiede bedingt durch die zeitliche durch und räumliche Verteilung. Diese wirken sich auf die abzuleitenden (statistischen) Bemessungsgrößen aus. Beispielhaft zu welchen Spannbreiten eine unterschiedliche Datenbasis führen kann, wird in Abbildung 2 der 10-jährliche Niederschlag mit der Dauerstufe 60 Minuten von 4 verschiedenen Stationen dargestellt und mit der zugehörigen Kachel des KOSTRA-DWD-2000 aus DWD (2005) als blauer Balken verglichen. Einerseits wird mit den roten Balken das Ergebnis für die langjährige Statistik der Stationen (mehrere Jahrzehnte) und mit den grünen Balken für die Serie aus dem vergleichenden Zeitraum der Radardaten (ca. 10 Jahre) gegenübergestellt. Man kann die Zufälligkeit des Auftretens der prägenden Ereignisse dadurch erkennen, das mal die langjährige und mal die kurze Serie höhere Werte liefert.

90 Wasserwirtschaftliche Kennzahlen zur Bemessung zu viel oder zu wenig Daten? Abbildung 2: Statistische Niederschlagsmengen für die Dauerstufe 60 Minuten und eine Wiederkehrhäufigkeit von 10 Jahren an den Untersuchungsstationen (Bildquelle: Wupperverband 2014) Die Unterschiede, welche sich aufgrund der flächenhaften (eigentliche Volumen) Messung des Niederschlages (eigentlich Reflektion) zu der punktbasierten Messung ergeben zusätzliche Unsicherheitsbereiche. Je nach Entfernung und damit Ausrichtung und Auflösung des Rasters und entsprechender Höhe des Niederschlagsscans ergeben sich beeinflusst durch weitere Faktoren unterschiedliche Vergleichswerte (siehe Abbildung 3). Abbildung 3: Ausgewählte Regenschreiberstationen und die zugehörigen Radarpixel unterschiedlicher (drei) Einzelradars nebst Kompositprodukt (links) und der Vergleich der partiellen Serien aus Station und umgebenden Pixeln für eine Dauerstufe 60 Minuten (Bildquelle: Wupperverband 2014) Resultierend gibt es somit aus den bestehenden Untersuchungen bereits Spannbreiten der zur Bemessung entscheidenden Ereignisse von gut 20 %. Ergebnisse aus Scheibel, M. et al. (2014).

Dresdner Wasserbauliche Mitteilungen, Heft 58 40. Dresdner Wasserbaukolloquium 2017 Bemessung im Wasserbau 91 2.2 Historische und Prognosedaten Neben den aufgeführten Unterschieden in den historischen (Mess-)datensätzen ist die Frage wie repräsentativ sind diese auch für zukünftige Systemzustände. Da die Zukunft unbekannt ist lassen sich nur aus den Erfahrungen und unter Abschätzung von zukünftigen Randbedingungen Bemessungszustände für einen längeren Gültigkeitszeitraum entwickeln. Diese bleiben aber immer mit den entsprechenden Unsicherheiten einerseits aus den, den Hypothesen zugrunde liegenden historischen Erkenntnissen, als auch aus der zukünftigen tatsächlichen Entwicklung behaftet. A3 Saal 3 Abbildung 4: Aus der Historie das Wissen für Zukunft ableiten (Bildquelle: Wupperverband 2017) Zusätzlich zu der Ableitung der statistischen Kenngrößen als gültige Bemessungsgrößen für eine geplante Betriebsdauer können aus globalen Zirkulationsmodellen und regionalen Klimamodellen aus dem Bereich der Klimafolgenforschung ebenfalls Abschätzungen für zukünftige Entwicklungen z.b. des Niederschlagsgeschehens getroffen werden. Diese sind allerdings aufgrund der angenommenen Emissionsszenarien und dem störungsanfälligen System Wetter mit noch größeren Unsicherheiten behaftet. Um die Eignung der Modelle für entsprechende Fragestellungen zu überprüfen, werden die sogenannten Referenzzeiträume (Zeiträume in denen Beobachtungen und Modelle verglichen werden ähnlich der hydrologischen und hydraulischen Kalibrierung) betrachtet. Weichen Modell und Beobachtung voneinander ab, gibt es zwei Möglichkeiten: a) Anpassung des Modelles Zugriff der Wasserwirtschaft auf die Modelle ist hier aber nicht gegeben oder b) Bias Korrekturen. Hierbei ist zu beachten, dass nach Korrektur einzelner Parameter wie dem Niederschlag die Wasserbilanz wieder stimmen muss heißt auch weitere Parameter wie Verdunstung müssen angepasst werden. Aufgrund des Aufwandes und der Unsicherheiten durch nachträgliches Justieren alleine des Outputs der Modelle (es wird ja nicht das Modell kalibriert) sollte die Bias Korrektur aber nur in begründeten Fällen, sprich signifikanten Abweichungen durchgeführt

92 Wasserwirtschaftliche Kennzahlen zur Bemessung zu viel oder zu wenig Daten? werden. In Abbildung 5 kann man erkennen, dass für die ausgewählte Station Korrekturen durch den Vergleich überregionaler und allgemeinverfügbarer Produkte zu einer Verschlechterung führen. Abbildung 5: Vergleiche von unterschiedlichen Referenzdatensätzen mit und ohne Bias- Korrektur (Bildquelle: Wupperverband 2016) Beispielrechnungen mit unterschiedlichen Datensätzen von Referenzzeiträumen zeigen auch die Sensitivität auf die Abflussmodellierung (siehe Abbildung 6). Hierbei ist noch zu beachten, dass die Vergleichsdaten meist aus Punktmessungen erhoben sind und lediglich auf ein Raster (z.b. durch Kriging) projiziert werden, was wiederum Unsicherheiten birgt. Abbildung 6: Hydrologische Vergleichsrechnungen mit unterschiedlichen Datensätzen aus Zirkulationsmodellen (Bildquelle: Wupperverband 2016) 2.3 Flächen- und Einwohnerentwicklung Veränderungen und Trends im Einzugsgebiet sind hydrologisch unter Umständen noch prägender als die Entwicklung der Niederschlagsbelastung in Deutsch-

Dresdner Wasserbauliche Mitteilungen, Heft 58 40. Dresdner Wasserbaukolloquium 2017 Fläche [km²] Bemessung im Wasserbau 93 land. Daher gilt es auch immer Vergleichsrechnungen der Signale aus einzelnen Veränderungen getrennt voneinander zu betrachten (unterschiedliche Modellläufe z.b.) um die einzelne Signifikanz erkennen zu können und eine Überlagerung der Effekte (eventuelle auch Ausgleich untereinander) zu vermeiden. Kenngrößen für Flächenentwicklungen und Wasserverbrauchszahlen sind wasserwirtschaftlich gesehen die sensitivsten Parameter. Die Entwicklung in Nordrhein- Westfalen zeigt z.b. einen leichten Rückgang des Flächenverbrauches für Siedlungs- und Verkehrsflächen seit Mitte der 2000er Jahre, stagniert aber in den letzten Jahren immer noch bei ca. 10 ha täglichem Zuwachs. Das eigentlich angestrebte Ziel der Landesregierung NRW von 5 ha bis 2020 ist damit noch nicht zu erkennen aus MKULNV NRW (2017). A3 Saal 3 Wuppertal, krfr. Stadt - Landnutzungsänderungen Landwirtschaftsfläche Waldfläche Siedlungs- und Verkehrsfläche Linear (Landwirtschaftsfläche) Linear (Waldfläche) Linear (Siedlungs- und Verkehrsfläche) 90 80 y = 1,0361x + 78,697 R² = 0,7603 70 60 50 40 30 y = 2,0265x + 40,286 R² = 0,7903 y = -3,153x + 45,687 R² = 0,9489 20 10 0 2000 2005 2010 2015 Jahr Abbildung 7: Entwicklung der Landnutzungsänderung am Beispiel Wuppertal (Bildquelle: Wupperverband 2016, Datenquelle: IT.NRW (2016)) Für ein konkretes Einzugsgebiet müssen also die Flächennutzung bei der Berücksichtigung der wasserwirtschaftlichen Flächen abgeschätzt werden hierzu helfen die Zahlen der statistischen Landesämter Beispielauswertungen für NRW in Abbildung 7 und 8:

Fläche [km²] 94 Wasserwirtschaftliche Kennzahlen zur Bemessung zu viel oder zu wenig Daten? Wuppertal, krfr. Stadt - Landnutzungsänderungen (Landwirtschaftsfläche) Landwirtschaftsfläche Grünland / Wiese Ackerland Linear (Landwirtschaftsfläche) Linear (Grünland / Wiese) Linear (Ackerland) 50 45 40 35 30 25 20 15 10 y = -0,1623x + 9,4795 R² = 0,712 5 0 2000 2005 2010 2015 Jahr Abbildung 8: Entwicklung der Landwirtschaftlichen Flächen am Beispiel Wuppertal (Bildquelle: Wupperverband 2016, Datenquelle: IT.NRW (2016)) Man erkennt auch hier die sich weiteren ergebenen Unsicherheiten aus Entwicklung und Zielen. Ein Beispiel ist die Dimensionierung von Kläranlagen: hierfür wurde in der Vergangenheit aufgrund der statistischen Erhebungen ein viel höhere Wasserverbrauch prognostiziert, als er sich aktuell zeigt (um die 135 Liter pro Einwohner und Tag in NRW siehe Abbildung 9) und somit höhere Reinigungskapazitäten geplant wurden. Abbildung 9: Entwicklung des Wasserverbrauches pro Kopf in NRW (Bildquelle: Wupperverband 2016, Datenquelle: IT.NRW (2016)) 2.4 Gewässerentwicklungen Hier nur erwähnt, aber nicht zu vernachlässigen sind die Veränderungen der Gewässer. Waren es vor Allem in der Historie zuletzt in der Region in den 60er Jahren die technischen Ausbaumaßnahmen, sind es nun (auch vor dem

Dresdner Wasserbauliche Mitteilungen, Heft 58 40. Dresdner Wasserbaukolloquium 2017 Bemessung im Wasserbau 95 Hintergrund der Umsetzung der EU Wasserrahmenrichtlinie) die Renaturierungen der Gewässer, welche für ein verändertes hydraulisches Regime sorgen. Auch hier sind Entwicklungen teilweise nur abzuschätzen, da die Umsetzung der Maßnahmen von unterschiedlichen Randbedingungen wie Flächenverfügbarkeit abhängen. A3 Saal 3 3 Bemessungskonzepte Aus der Vielzahl an Datensätzen und der Überlagerung von Unsicherheitsbereichen, müssen zukünftig Konventionen zur Berücksichtigung getroffen werden. Die Verwendung aller Daten (siehe Abbildung 10) unter Berücksichtigung des Wissens zu Vertrauensbereichen und sich ergebenden Maßnahmenvarianten führt zu notwendiger Kenntnis für die Entscheidungsfindung Daten müssen zu Informationen werden. Bei der Dimensionierung von Talsperren z.b. werden bereits sehr hohe Wahrscheinlichkeiten angesetzt, welche somit bereits ein geringeres Restrisiko erlauben. Beim Betrieb für die Niedrigwasseraufhöhung werden Unsicherheiten aus den Messdaten (hier sehr relevant) jedoch nicht berücksichtig, was zu erhöhten (Verluste für die Wasserbereitstellung) oder zu niedrigen Abgaben (nicht ausreichende Wasserführung für die Biozönose) führen kann. Abbildung 10: Basis für Entscheidungen ein vielfältiger Daten und Informationspool (Bildquelle: Wupperverband 2016) Die Unsicherheit aus Zeitreihen und gerade den Prognoserechnungen sollte eher zur Betrachtung und Verwendung von Phänomen (extreme Dürre oder Hochwasserperioden z.b.) und repräsentativer statistischer Indizes zur Kennzeichnung führen, als viele Varianten der Langzeitsimulation und deren Auswertung heranzuziehen. Ansätze aus der Kombination historisch begründeter und prognostizierter Anfangsbedingungen mit Bemessungsniederschlägen führen zu Sze-

96 Wasserwirtschaftliche Kennzahlen zur Bemessung zu viel oder zu wenig Daten? narien, welche in Ihren Auswirkungen (von bis) betrachtet und für die Bemessung und den Betrieb verglichen werden können. Solche Szenarien können jederzeit fortgeschrieben und in vergleichbaren Situationen zur Entscheidungsfindung herangezogen werden. 4 Umgang in der Kommunikation Die Kommunikation von Unsicherheiten in der Bemessung und dem Betrieb der Anlagen macht Entscheidungsprozesse in der ersten Betrachtung sicher nicht leichter und erfordert ein höheres Maß an die Kenngrößen begleitende Informationen. Aber erstens kann damit der Entscheidungsprozess transparenter gestaltet werden und bei gleichzeitiger Kommunikation der jeweiligen Risiken, Konsequenzen und Handlungsoptionen auch durch geeignete Vorsorge Risiken minimiert werden. Ein Beispiel sind hier die Tendenzen in der Warnung vor markanten Wetterwarnungen, welche durch begleitende Informationen der Unsicherheiten und Entscheidungsfindung verbessert werden sollen und die Einschätzung der Kunden welche Handlungen sich ergeben sollten begleiten. 5 Literatur DWD (2005) KOSTRA-DWD-2000, Starkniederschlagshöhen für Deutschland (1951-2000) [Book], DWD, Offenbach am Main 2005. MKULNV NRW (2017): http://www.flaechenportal.nrw.de, Ministerium für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen, Abgerufen am 12.01.2017 Scheibel, M. et al. (2014): Statistische Auswertungen aus 10 Jahren Radarmessungen und Vergleich mit Regenschreibern. Wetterradar - Anwendungen für die Wasserwirtschaft. Tagungsband zum VDI-Expertenforum, KRdL-Schriftenreihe 49, Düsseldorf, 2014 Autoren: Marc Scheibel Wupperverband Wassermengenwirtschaft Untere Lichtenplatzer Straße 100 42289 Wuppertal Tel.: +49 202 583-246 E-Mail: schei@wupperverband.de Paula Lorza Wupperverband Wassermengenwirtschaft Untere Lichtenplatzer Straße 100 42289 Wuppertal Tel.: +49 202 583-333 E-Mail: pla@wupperverband.de