Abstimmungsvorlagen 22. September 2013

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Transkript:

Abstimmungsvorlagen 22. September 2013 Aargauische Volksinitiativen 4 «Ja zur ärztlichen Medikamentenabgabe» Vom 12. April 2011 5 «Miteinander statt Gegeneinander» Vom 27. September 2011 1

Hörzeitschrift für lesebehinderte Bürgerinnen und Bürger Für blinde, seh- oder sonst lesebehinderte Bürgerinnen und Bürger bietet der Kanton Aargau die Erläuterungen des Regierungsrats zu den Abstimmungsvorlagen auch kostenlos als Hörzeitschrift an. Diese wird in Zusammenarbeit mit der SBS, Schweizerische Bibliothek für Blinde, Seh- und Lesebehinderte, im international anerkannten Daisy-Format produziert und auf einer CD verschickt. Bücher und Zeitschriften im Daisy- Format können auf speziellen Daisy-Playern, aber auch auf dem Computer oder auf allen MP3-fähigen CD- oder DVD-Playern abgespielt werden. Zusätzlich werden die Daisy-Dateien auf den Abstimmungsseiten des Kantons im Internet bereitgestellt: siehe www.ag.ch/abstimmungsvorschau. Wenn Sie blind, seh- oder lesebehindert sind und die Erläuterungen des Regierungsrats an die Stimmberechtigten zu den Abstimmungsvorlagen in Zukunft als Daisy-Hörzeitschrift erhalten möchten, können Sie diese direkt bei der SBS abonnieren. Bitte melden Sie sich unter medienverlag@sbs.ch oder Telefon 043 333 32 32. Wünschen Sie mehr Informationen? Weiterführende Informationen zu den Vorlagen finden Sie unter dem folgenden Link: www.ag.ch/abstimmungen 2

Sehr geehrte Damen und Herren Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger Der Regierungsrat unterbreitet Ihnen zusammen mit dem Grossen Rat folgende Vorlagen zur Abstimmung: Inhaltsverzeichnis Aargauische Volksinitiativen Einleitung Seite 5 4 «Ja zur ärztlichen Medikamentenabgabe» Vom 12. April 2011 Argumente des Initiativkomitees Seite 13 Abstimmungstext Seite 15 5 «Miteinander statt Gegeneinander» Vom 27. September 2011 Argumente des Initiativkomitees Seite 17 Abstimmungstext Seite 19 Zusammenfassung und Abstimmungsempfehlung Seite 21 3

Volksinitiativen, Einleitung Aargauische Volksinitiativen «Ja zur ärztlichen Medikamentenabgabe» und «Miteinander statt Gegeneinander» Sehr geehrte Damen und Herren Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger Der Grosse Rat des Kantons Aargau hat am 19. März 2013 über die beiden Aargauischen Volksinitiativen «Ja zur ärztlichen Medikamentenabgabe» und «Miteinander statt Gegeneinander» beraten und sich mit 107 zu 18 Stimmen (Initiative «Ja zur ärztlichen Medikamentenabgabe») respektive 111 zu 13 Stimmen (Initiative «Miteinander statt Gegeneinander») gegen die beiden Begehren ausgesprochen. Regierungsrat und Grosser Rat empfehlen Ihnen beide Volksinitiativen zur Ablehnung. Initiativbegehren Beide Volksinitiativen stehen im Kontext der Frage, wer den Patientinnen und Patienten Medikamente soll abgeben dürfen. Gemäss heutiger Regelung in 44 des Gesundheitsgesetzes (GesG) vom 20. Januar 2009 gilt im Kanton Aargau das sogenannte Selbstdispensationsverbot, das heisst die Abgabe von Medikamenten ist im Grundsatz nur den Apotheken erlaubt. Ärztinnen und Ärzte dürfen Medikamente lediglich im Notfall abgeben respektive unmittelbar anwenden. «Ja zur ärztlichen Medikamentenabgabe» Der Staatskanzlei sind am 12. April 2011 die Unterschriftenbogen «Ja zur ärztlichen Medikamentenabgabe» mit 7 994 gültigen Unterschriften eingereicht worden. Die Initiantinnen und 5

Volksinitiativen, Einleitung Initianten verlangen, dass die heute in 44 GesG enthaltene Regelung des Selbstdispensationsverbots durch eine Regelung ersetzt wird, die es den Ärztinnen und Ärzten generell gestattet, Medikamente abzugeben. Die Initiative will den Patientinnen und Patienten die freie Wahl ermöglichen, ob sie ihre Medikamente in einer Apotheke, über eine Versandapotheke oder in einer Arztpraxis beziehen wollen. «Miteinander statt Gegeneinander» Der Staatskanzlei sind am 27. September 2011 zudem die Unterschriftenbogen der Volksinitiative «Miteinander statt Gegeneinander» mit 51 405 gültigen Unterschriften eingereicht worden. Diese Initiative sieht vor, 41 Kantonsverfassung (KV) mit zwei Bestimmungen zu ergänzen. Zum einen soll das geltende Selbstdispensationsverbot ( 44 GesG) nicht nur wie heute im Gesetz, sondern auch in der Kantonsverfassung festgeschrieben werden. Zum anderen soll eine Verfassungsgrundlage zur Förderung der integrierten Versorgung durch den Kanton geschaffen werden. Gemäss den Initiantinnen und Initianten verfüge der Kanton Aargau heute über ein dichtes Apothekernetzwerk. Dieses gewährleiste in Ergänzung zum Hausarztsystem eine gute Beratung und Versorgung der Bevölkerung mit Medikamenten. Qualität und Patientensicherheit würden nur mit einer Ergänzung der Angebote von Arzt und Apotheker realisiert. Die doppelte Kontrolle durch Arzt und Apotheker garantiere die höchste Patientensicherheit. Wie sieht die derzeitige Regelung aus? Im Kanton Aargau gilt aktuell wie bereits erwähnt das Selbstdispensationsverbot mit einem sogenannten Erlaubnisvorbehalt. Es gilt der Grundsatz, dass die behandelnde Ärztin oder der behandelnde Arzt ein Rezept zum Medikamentenbe- 6

Volksinitiativen, Einleitung zug ausstellt, mit welchem die Patientin oder der Patient dann in der Apotheke das benötigte Medikament beziehen kann. Jedoch können Ärztinnen und Ärzte die Bewilligung zur Führung einer Privatapotheke erhalten, «wenn die rasche und für jedermann mögliche Versorgung mit Arzneimitteln nicht durch eine öffentliche Apotheke in einer nahe gelegenen Ortschaft gewährleistet ist» (vgl. 44 Abs. 2 GesG). Dieses System ermöglicht es, Ärztinnen und Ärzten eine Bewilligung der Selbstdispensation zu erteilen, wenn der Zeitaufwand zum Erreichen einer Apotheke mit den öffentlichen Verkehrsmitteln in der Regel mehr als eine Stunde pro Weg beträgt. Zudem ist es den Ärztinnen und Ärzten generell erlaubt, Medikamente im Notfall direkt abzugeben. Ein Notfall liegt vor, wenn aus medizinischer Sicht mit der Abgabe des Arzneimittels nicht so lange zugewartet werden kann, wie im konkreten Fall die Medikamentenbeschaffung in der nächstgelegenen Apotheke dauern würde. Selbstdispensation pro und contra Diskussionen zur Selbstdispensation durch die Ärzteschaft wurden in den vergangenen Jahren in einigen Kantonen geführt, und auch das Volk hatte jeweils Gelegenheit, zur Frage der Erlaubnis oder des Verbots der Selbstdispensation abzustimmen. Die Argumente für oder gegen die Selbstdispensation waren immer dieselben und werden im Folgenden aufgeführt. Pro Selbstdispensation Für die Selbstdispensation werden folgende Argumente vorgebracht: Mündige Patientinnen und Patienten können selber entscheiden, über welchen Kanal sie die Medikamente beziehen wollen. Sie können zwischen der Arztpraxis, der öffentlichen Apotheke 7

Volksinitiativen, Einleitung oder dem Versandhandel entscheiden. Die Selbstdispensation ist eine Dienstleistung der Ärzteschaft, die das Arzt-Patientenverhältnis stärkt. Ärztinnen und Ärzte sind in Pharmakotherapie ausgebildet und können die Patientinnen und Patienten direkt instruieren, und es erfolgt eine unmittelbare Kontrolle über die Medikamentenabgabe und die Therapietreue. Die Medikamentenabgabe ist integrierender Bestandteil der Arzneimitteltherapie und somit Teil der ärztlichen Kerntätigkeit. Die Selbstdispensation ist patientenfreundlich, praktisch, effizient und komfortabel. Sie wird von den Patientinnen und Patienten geschätzt. Angesichts des zunehmenden Mangels an Hausärztinnen und Hausärzten erweist sich ein Kanton mit Selbstdispensation als Standortvorteil gegenüber einem Kanton mit Selbstdispensationsverbot. Contra Selbstdispensation Gegen die Selbstdispensation sprechen die folgenden Argumente: Bei der Abgabe in der Arztpraxis fehlt die Kontrolle durch die Apothekerin oder den Apotheker, das sogenannte 4-Augen- Prinzip. Damit ist die Sicherheit beim Medikamentenmanagement herabgesetzt. Das in den meisten Ländern Europas geltende Prinzip «Wer verschreibt, verkauft nicht» gilt nicht. Dahinter steckt die Überlegung, dass Medikamente im Selbstdispensationsregime möglicherweise nach ökonomischen statt primär nach medizinischen Kriterien verordnet werden, weil die Ärzteschaft ein materielles Interesse daran hat, diejenigen Medikamente zu verkaufen, bei denen die Marge am grössten ist. Durch die Selbstdispensation wird zusätzlich ein Abhängigkeitsverhältnis aufgebaut. Patientinnen und Patienten sind gezwungen, in die Arztpraxis zurückzukehren, wenn das Medikament weiterhin benötigt wird. Das Medikamentensortiment in einer Arztpraxis ist bedeutend kleiner als in einer Apotheke, und die 8

Volksinitiativen, Einleitung Medikamentenbewirtschaftung gehört im Gegensatz zur Apotheke nicht zum ärztlichen Kerngeschäft. Fazit Für den Grossen Rat und den Regierungsrat sind in Bezug auf die Selbstdispensation die folgenden Überlegungen bedeutsam: Das Prinzip «Wer verschreibt, verkauft nicht» wird konsequent umgesetzt, das heisst es erfolgt eine konsequente Trennung der Kompetenzen. In der betreuenden Apotheke kann das 4-Augen-Prinzip umgesetzt werden, indem das Rezept vom Apotheker bzw. der Apothekerin kontrolliert wird. Wechselwirkungen mit zusätzlich gekauften rezeptfreien Produkten können verhindert und Mehrfachverschreibungen oder Kontraindikationen mit verordneten Präparaten erkannt und vermieden werden. Die vernetzte (integrierte) Versorgung, insbesondere von chronisch kranken Patientinnen und Patienten, wird durch die Einbindung aller Beteiligten, speziell aber auch der Apotheken, erleichtert. Die Aufrechterhaltung eines dichten Apothekennetzes, also von ersten Anlaufstellen für geringfügige Gesundheitsprobleme, ist sichergestellt. Häufig werden von den beiden Seiten Kostenüberlegungen zu Gunsten des einen oder anderen Abgabemodells angeführt. Es existieren dazu verschiedene Studien und Statistiken, die sich in ihren Schlussfolgerungen unterscheiden und keine eindeutigen Schlüsse zulassen. Meist sind die Gutachten von der Ärzte- oder der Apothekenseite in Auftrag gegeben, und dementsprechend fallen auch die Resultate aus. Jedenfalls existiert keine Untersuchung von neutraler Stelle, aus der unter Berücksichtigung aller massgeblichen Einflussfaktoren klar hervorginge, welches System (Selbst dis pensation bzw. Selbstdispensationsverbot) gesamtwirtschaftlich mit geringeren Kosten verbunden ist. 9

Volksinitiativen, Einleitung Auch die Krankenkassen legen sich hinsichtlich Wirtschaftlichkeit auf keinen der beiden Abgabekanäle fest. Grosser Rat und Regierungsrat geben der gegenwärtigen gesetzlichen Regelung gegenüber den beiden Volksinitiativen entschieden den Vorzug. Das bestehende System wird versorgungspolitisch als gute und ausgewogene Lösung beurteilt. Es gibt deshalb keinen Anlass, daran etwas zu verändern. Im Sinne eines «2x Nein für den bewährten Status quo» sind beide Volksinitiativen abzulehnen. Die Initiative «Miteinander statt Gegeneinander» verlangt zudem die Förderung der integrierten Versorgung auf Verfassungsebene. Grosser Rat und Regierungsrat haben die Bedeutung einer integrierten Versorgung bereits erkannt und sich zu deren Förderung in der übergeordneten Strategie der Gesundheitspolitischen Gesamtplanung (GGpl) 2010 bekannt. Der Regierungsrat hat mit dem Masterplan «Integrierte Versorgung Aargau» denn auch bereits erste Beschlüsse zur Umsetzung eines entsprechenden Projekts gefasst. Die mit der Initiative diesbezüglich verlangte Verfassungsgrundlage ist dafür nicht erforderlich. Vergleich mit anderen Kantonen und dem Ausland Andere Kantone Die kantonalen Regelungen sind vielseitig. In neun Kantonen wird zwischen der Verschreibung und der Abgabe von Arzneimitteln getrennt. Die Kantone Bern, Graubünden und Schaffhausen (bis Ende 2017) haben Mischsysteme. In allen übrigen Kantonen ist die Selbstdispensation ohne Einschränkung erlaubt. In den Nachbarkantonen ist mit Ausnahme des Kantons Basel-Stadt (Selbstdispensationsverbot) und dem 10

Volksinitiativen, Einleitung Kanton Bern (Mischsystem) die ärztliche Medikamentenabgabe ohne Einschränkung gestattet. Ausland Die Frage des Verkaufs von Arzneimitteln durch Ärzte ist im Ausland kein Thema, da diese Form der Arzneimittelversorgung kaum oder gar nicht existiert. In keinem anderen Land Europas existiert eine uneingeschränkte Selbstdispensation. In einigen Ländern gibt es für abgelegene Gemeinden eine Ausnahmeerlaubnis mit restriktiven Regeln, deren Einsatz an spezifische Bedingungen und Gegebenheiten geknüpft ist, analog zu gewissen Kantonen in der Schweiz. Weltweit ist in den meisten industrialisierten Ländern die Selbstdispensation gänzlich verboten oder ebenfalls nur in abgelegenen Gebieten erlaubt, um die Versorgung sicherzustellen. Argumente der Minderheit im Grossen Rat Im Grossen Rat votierte eine Minderheit für eine Rückweisung der Vorlage an den Regierungsrat mit dem Auftrag, dem Grossen Rat einen Gegenvorschlag zu unterbreiten. Dieser sollte die Abgabe von Medikamenten durch Ärzte im Notfall und als Erstabgabe bei Therapiebeginn vorsehen. Ein solcher Gegenvorschlag würde eine sinnvolle Lösung oder einen Kompromiss ergeben, indem den Ärzten neben der Notfallabgabe auch die Abgabe bei Therapiebeginn erlaubt wäre. Für viele Patientinnen und Patienten sei es heute nur schwer verständlich, wenn sie zu Beginn einer Therapie nach dem Arztbesuch zuerst eine Apotheke aufsuchen müssten, um die Medikamente zu beziehen. 11

Volksinitiativen, Einleitung Dieser Rückweisungsantrag wurde mit 103 zu 20 Stimmen abgewiesen. Problematik des Doppelten Ja Dem Regierungsrat ist es ein wichtiges Anliegen, die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger auf Folgendes aufmerksam zu machen: Es ist offenkundig, dass die beiden vorliegenden Volksinitiativen einander inhaltlich diametral gegenüberstehen. Das heisst: Die Stimmbürgerin bzw. der Stimmbürger wird je nach persönlicher Haltung in der Frage der Medikamentenabgabe die eine der beiden Initiativen unterstützen und konsequenterweise die andere ablehnen. Die dritte Möglichkeit besteht darin, entsprechend dem Vorschlag von Grossem Rat und Regierungsrat beide Initiativen abzulehnen und damit das heute auf Gesetzesebene bestehende Selbstdispensationsverbot zu bestätigen. Grosser Rat und Regierungsrat sind überzeugt, dass die Aargauer Stimmbürgerinnen und Stimmbürger mit dieser etwas speziellen Konstellation umzugehen wissen. Auch wenn deshalb nur theoretisch, kann jedoch nicht mit absoluter Sicherheit ausgeschlossen werden, dass beide Initiativen eine Mehrheit finden (doppeltes Ja). Da im Fall zweier Initiativen eine sogenannte Stichfrage nicht zulässig ist, würde sich die Frage stellen, wie mit einem solchen Widerspruch umzugehen wäre. Aufgrund des bestehenden Vorrangs des Verfassungsrechts gegenüber dem Gesetzesrecht (sogenannte derogatorische Kraft) würde bei einem solchen Abstimmungsergebnis grundsätzlich die Verfassungsbestimmung der Initiative «Miteinander statt Gegeneinander» Geltung erlangen. 12

4 «Im Kanton Aargau dürfen Ärztinnen und Ärzte ihren Patientinnen und Patienten ausser in dringenden Notfällen keine Medikamente abgeben, wenn diese in einer Stunde Wegzeit mit dem öffentlichen Verkehr eine Apotheke erreichen können. Volksinitiative «Ja zur ärztlichen Medikamentenabgabe» Aargauische Volksinitiative «Ja zur ärztlichen Medikamentenabgabe» Das Initiativkomitee macht geltend Mit der Initiative «Ja zur Wahlfreiheit beim Medikamentenbezug» sollen die Patientinnen und Patienten frei entscheiden dürfen, wo sie ihre Medikamente beziehen möchten: bei ihrer behandelnden Ärztin oder ihrem behandelnden Arzt, in einer Apotheke oder über eine Versandapotheke. In allen Deutschschweizer Kantonen ausser im Aargau und in Basel-Stadt dürfen Ärztinnen und Ärzte in ihren Praxen Medikamente abgeben. Dies ist praktisch, sicher und günstig. Dieselben Medikamente werden auch zu einem tieferen Preis abgegeben. Nur mit der Annahme der Initiative erhalten auch die Aargauerinnen und Aargauer eine echte Wahl, wo und zu welchem Preis sie ihre Medikamente beziehen möchten. Ja zur Initiative «Wahlfreiheit» Nein zur Apotheker-Initiative: damit Patientinnen und Patienten im ganzen Kanton Aargau die freie Wahl haben, wo sie ihre Medikamente beziehen wollen damit im Kanton Aargau künftig auch Ärztinnen und Ärzte ihren Patientinnen und Patienten Medikamente abgeben dürfen damit auch in Notfällen eine schnelle, sichere und geeignete Versorgung mit Medikamenten gewährleistet bleibt 13

Volksinitiative «Ja zur ärztlichen Medikamentenabgabe» damit ältere, behinderte, geschwächte und wenig mobile Patientinnen und Patienten ihre Medikamente gleich bei der Ärztin oder beim Arzt beziehen können damit Patientinnen und Patienten keine teuren Zuschläge in den Apotheken bezahlen müssen und Medikamente letztlich günstiger werden» 14

4 Aargauische Volksinitiative «Ja zur ärztlichen Medikamentenabgabe» Volksinitiative «Ja zur ärztlichen Medikamentenabgabe» Die Volksinitiative lautet: Vom 12. April 2011 «Gestützt auf 64 der Aargauischen Kantonsverfassung stellen die unterzeichnenden im Kanton Aargau stimmberechtigten Bürgerinnen und Bürger folgendes Initiativbegehren: 44 des Gesundheitsgesetzes (GesG; SAR 301.100) vom 20. Januar 2009 sei wie folgt neu zu fassen: 1 Ärztinnen und Ärzten sowie Zahnärztinnen und Zahnärzten ist die unmittelbare Anwendung sowie in Notfällen und bei Hausbesuchen die Abgabe von Arzneimitteln gestattet. 2 Ärztinnen und Ärzte können mit Bewilligung des zuständigen Departements eine Privatapotheke führen. 3 Das zuständige Departement erteilt die Bewilligung, wenn die fachgerechte Lagerung, Überwachung und Abgabe der Arzneimittel gewährleistet ist. 4 Inhaberinnen und Inhaber einer Privatapotheke dürfen Arzneimittel lediglich für den eigenen Praxisbedarf abgeben. Der Handverkauf oder die Belieferung von Wiederverkäuferinnen und -verkäufern ist verboten.» 15

5 «Die Initiative «Miteinander statt Gegeneinander» will die Zusammenarbeit aller Leistungserbringer im Gesundheitswesen fördern. Dabei sollen alle das machen, was sie am besten können davon profitieren Patientinnen und Patienten und Prämienzahlende. Volksinitiative «Miteinander statt Gegeneinander» Aargauische Volksinitiative «Miteinander statt Gegeneinander» Das Initiativkomitee macht geltend «Miteinander statt Gegeneinander» stärkt die Zusammenarbeit aller medizinischen Leistungserbringer Ärztinnen und Ärzte, Apothekerinnen und Apotheker, Spitex-Mitarbeitende, Physiotherapeutinnen und Physiotherapeuten und weitere Angehörige der Gesundheitsberufe müssen noch mehr Hand in Hand zu Gunsten der Patientinnen und Patienten zusammenarbeiten. Damit erhöhen sie erwiesenermassen die Qualität und Effizienz der medizinischen Leistungen. «Miteinander statt Gegeneinander» senkt die Kosten im Gesundheitswesen Die geforderte Zusammenarbeit verhindert Doppelspurigkeiten, bietet höchste Sicherheit, ermöglicht wichtige Synergien und senkt die Kosten. Die überlasteten Hausärztinnen und Hausärzte sollen nicht noch Apotheken führen müssen. 17

Volksinitiative «Miteinander statt Gegeneinander» «Miteinander statt Gegeneinander» erhöht die Qualität im Sinne des Patienten Der Status Quo mit einem regional gut verankerten Apothekennetz ermöglicht weiterhin eine kompetente und unkomplizierte Beratung und die Medikamentenversorgung der Bevölkerung, auch bei Bagatellerkrankungen. Hausärztinnen und Hausärzte erhalten die schon lange geforderte und dringend notwendige Entlastung.» 18

Volksinitiative «Miteinander statt Gegeneinander» Die Volksinitiative lautet: Aargauische Volksinitiative «Miteinander statt Gegeneinander» Vom 27. September 2011 5 «Gestützt auf 64 der Aargauischen Kantonsverfassung stellen die unterzeichnenden im Kanton Aargau stimmberechtigten Bürgerinnen und Bürger folgendes Initiativbegehren: Die Verfassung des Kantons Aargau wird wie folgt geändert: 41 Abs. 7 (neu): Der Kanton fördert eine kostengünstige integrierte Grundversorgung mit niederschwelligem Zugang zu medizinischer Versorgung durch optimale Zusammenarbeit zwischen Hausärzten, Apothekern und weiteren Angehörigen der Gesundheitsberufe. 41 Abs. 8 (neu): Die Versorgung mit Medikamenten erfolgt grundsätzlich durch die Apotheker. Ärzte können Medikamente im Notfall sowie in unmittelbarer Anwendung an Patienten abgeben und dort eine Privatapotheke führen, wo in zumutbarer Distanz keine Apotheke verfügbar ist.» 19

Volksinitiativen, Abstimmungsempfehlungen Zusammenfassung Die grosse Mehrheit des Grossen Rats und der Regierungsrat sind der Meinung, dass die Gründe für die Beibehaltung des heute geltenden Selbstdispensationsverbots deutlich überwiegen. Sie beantragen deshalb, die Initiative «Ja zur ärztlichen Medikamentenabgabe» abzulehnen. Ebenfalls zur Ablehnung beantragt wird die Initiative «Miteinander statt Gegeneinander», weil eine Verankerung des heute bereits auf Gesetzesebene bestehenden Selbstdispensationsverbots auf Verfassungsstufe nicht notwendig ist. Abstimmungsempfehlungen Vorlage 4: Volksinitiative «Ja zur ärztlichen Medikamentenabgabe» Der Grosse Rat hat am 19. März 2013 mit 107 zu 18 Stim men das Volksbegehren ohne Gegenvorschlag zur Ablehnung empfohlen. Regierungsrat und Grosser Rat empfehlen Ihnen ein «NEIN» zu dieser Vorlage. Vorlage 5: Volksinitiative «Miteinander statt Gegeneinander» Der Grosse Rat hat am 19. März 2013 mit 111 zu 13 Stim men das Volksbegehren ohne Gegenvorschlag zur Ablehnung empfohlen. Regierungsrat und Grosser Rat empfehlen Ihnen ein «NEIN» zu dieser Vorlage. 21

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