Bewusst einkaufen Menschenwürde achten

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Transkript:

Bewusst einkaufen Menschenwürde achten Beitrag von Jürgen Quack zum Abend Fair statt billig - Menschenwürde und bewusstes Einkaufen am Internationalen Tag der Menschenrechte 10.12.2007 in der City-Kirche Reutlingen Billig muss nicht unbedingt mit unfair verbunden sein. Billig kann verschiedene Gründe haben: - gute Gründe wie: effektive Produktion oder gutes Management - schlechte Gründe wie: schlechte Qualität (bei den verwendeten Rohstoffe oder in der Verarbeitung); Produktion unter ökologisch bedenklichen Bedingungen oder eben unfair unfair kann wiederum Unterschiedliches heißen: z.b. unfaire Gehälter für die Verkäuferinnen hier oder unfaire Erlöse für die Produzenten Der faire Handel konzentriert sich auf faire Erlöse für die Produzenten und zwar vor allem für Produzenten in den Entwicklungsländern. Dabei geht es vor allem um die Produktion von Waren, die von dort in die Industrieländer exportiert werden. Sie alle kennen die klassischen Artikel des Fairen Handels, wie sie bisher vor allem in Weltläden und jetzt zunehmend auch in anderen Läden angeboten werden: Kaffe, Tee, Honig, Bananen, Kunsthandwerk, Textilien. Faire Erlöse sind Erlöse, mit denen der Bauer oder der Handwerker seine Familie ernähren kann, Kinder zu Schule schicken und mit denen er im Falle von Krankheit Hilfe in Anspruch nehmen kann. Anfänge des Fairen Handels Begonnen hat die Bewegung des Fairen Handels in den 70er Jahren. Sie ist von der Entstehung her ein Instrument der Entwicklungshilfe. Entwicklungshilfe hier verstanden als Hilfe, um den Menschen der 3. Welt Rahmenbedingungen zu schaffen, dass sie von ihrer eigenen Hände Arbeit leben können. Also ein Aspekt der Hilfe zur Selbsthilfe. Hintergrund der Entwicklung des Fairen Handels waren und sind zwei Beobachtungen: Kleinproduzenten in der 3. Welt egal ob Bauern oder Handwerker sind zum einen in der Regel extrem abhängig von Zwischenhändlern, die z. T. zu niedrigsten Preisen die Produkte aufkaufen. Dazu kommt als zweites bei vielen Produkten eine extreme Abhängigkeit von Weltmarktpreisen z.b. bei Kaffee die von den Produzenten selber nicht beeinflussbar sind. Ziel ist es also zum einen, den Produzenten einen angemessenen Erlös für ihre Produkte zu geben und sie zweitens ein Stück weit unabhängig vom schwankenden Weltmarktpreis zu machen. Um das zu erreichen, sind einige Schritte notwendig: 1. die Kleinerzeuger müssen sich zu Genossenschaften zusammenschließen, damit nennenswerte Mengen von Waren zusammenkommen, über deren Preis dann verhandelt werden kann

2 2. Standards über die Qualität der Waren müssen entwickelt werden. Garantierte Preise können nur zugesichert werden, wenn auch die Qualität gesichert ist. Ich verzichte darauf, die Geschichte zu referieren, wie sich in den vergangenen 35 Jahren das Netz des fairen Handels über verschiedene Schritte aufgebaut und entwickelt hat. Es gab da nicht einen großen Ruck oder einen Zauberspruch, sondern es waren viele kleine Zwischenschritte nötig, die aber alle in die richtige Richtung gingen. - Ich skizziere das heutige System, von dem ca. 5 Mio Bauern und Handwerker im Süden der Welt profitieren. Dabei werden jährlich Waren im Wert von ca. 1 Mrd US-Dollar umgesetzt. 1 Das ist nicht wenig, aber es ist gleichzeitig nicht viel, wenn man bedenkt, dass der Einzelhandel allein in Deutschland jedes Jahr Waren im Wert von 370 Mrd Euro umsetzt. 2 Aber das Wachstum des Fairen Handels beträgt in Europa jährlich 20% und wir meinen, das es noch große Kapazitäten für eine Ausweitung gibt. Die Struktur des Fairen Handels Das Dach der Bewegung ist die Fairtrade Labelling Organizations International (FLO), gegründet 1997, mit Sitz in Bonn. Unter diesem Dach arbeiten drei Organisationen zusammen: zum einen die Produzentennetzwerke der Länder der 3. Welt, zweitens die Importeuren der 1. Welt und drittens die Siegelinitiativen. Schlüssel und Kern der Bewegung sind die Siegelinitiativen. Die bekannteste für Deutschland ist der TransFair Verein. Das TransFair-Siegel auf den Produkten macht deutlich: dieses Produkt, diese Ware ist fair gehandelt. (Daneben gibt es natürlich auch Waren, die ohne dieses Siegel fair gehandelt werden, vor allem Produkte, die in kleinen Mengen hergestellt werden.) Der Transfair Verein mit vollem Namen heißt er Verein zur Förderung des Fairen Handelns mit der 3. Welt mit Sitz in Köln hat 36 Mitgliedsorganisationen aus den Bereichen Entwicklungshilfe also vor allem Brot für die Welt und Misereor aber auch aus den Bereichen Umweltschutz, Verbraucherschutz und Genossenschaftswesen. Dieser Verein TransFair überwacht das Regelwerk und vergibt das TransFair-Siegel an Produkte, bei deren Erzeugung und Handel die vereinbarten Regeln eingehalten werden. Bevor ich das an zwei Beispielen deutlich mache, weise ich auf eine wichtige Besonderheit des Fairen Handels hin: die Preise bzw. Erlöse werden hier wie auch die erforderlichen Qualitätsstandards - gemeinsam von Erzeugern und Händlern festgesetzt. Es entscheidet nicht eine Seite allein, was fair bzw. unfair heißt. Es ist also ein Modell, das nicht ohne weiteres auf andere Bereiche der Wirtschaft übertragen werden kann. Aber auch für andere Bereiche der Wirtschaft ist es wichtig zu wissen, dass es dieses Modell gibt und dass es funktioniert, und dass es sich ausbreitet. Schauen wir uns noch einige Einzelheiten an: Der Erlös: zum einen soll der Erlös den Produzenten also den Bauern und Handwerkern - ein gesichertes Leben ermöglichen. Zum anderen wird jeweils festgelegt, dass auch die 1 Jährlicher Umsatz der Weltläden in der EU: 120 Mio Euro (Quo vadis, S. 29) 2 Grenzenlos billig? S. 53

3 Gemeinschaft einen bestimmten Anteil bekommt ( Premium genannt), um z.b. einen Traktor oder einen LKW kaufen zu können oder eine Schule für das Dorf bauen zu können. Die Kontrolleure: Zum Aufbau der Genossenschaften und zur Verbesserung der Produktion sind 70 Berater tätig, die Erfahrungen von einem Projekt ins andere bringen. Sie kontrollieren aber auch im Auftrag der FLO die Einhaltung der vereinbarten Standards, was die Qualität des Produktes und die Einhaltung ökologischer Standards betrifft. So ist z.b. der Einsatz bestimmter Pestizide verboten. Wenn für ein Produkt noch strengere ökologische Kriterien vereinbart und eingehalten werden, so dass eine Bio-Qualität erreicht wird, dann gibt es einen Zuschlag für den Produzenten. - Wenn die Standards allerdings nicht eingehalten werden, kann das Label fair gehandelt auch entzogen werden. Das Label: Das Label wird für bestimmte Produkte verliehen, also nicht automatisch für alle Produkte einer Genossenschaft. Die klassischen Produkte sind Kaffe, Kakao und Tee. Später kamen weitere Lebensmittel, Kunsthandwerk, Textilien, Spielzeug und Blumen dazu. Im vergangenen Jahr hatten 750 verschiedene Produkte das FairTrade-Label 3. Das Spektrum weitet sich immer mehr aus. Die Produzenten: Auf Seite der Erzeuger sind es nicht nur Genossenschaften von Kleinbauern, die für bestimmte Produkte das Label beantragen können. Auch Plantagen, auf denen lohnabhängige Arbeiter beschäftigt werden, können das Label für bestimmte Produkte beantragen. Hier kommen dann zusätzliche Anforderungen hinzu. Das sind vor allem die Beachtung der Kernarbeitsnormen 4 der International Labour Organization (ILO), die z.b. die Selbstorganisation der Arbeiter der Plantage betreffen. Das Beispiel Kaffee Zwei Drittel der Kaffee-Ernte stammt von Großplantagen, die Großgrundbesitzern oder multinationalen Lebensmittelkonzernen gehören. Ein Dritteln stammt von kleinen Kaffeebauern. Der Weltmarktpreis schwankt sehr. Ein Dürre oder zuviel Regen in einem wichtigen Anbauland kann den Preis in den anderen Anbauländern nach oben treiben. Ein gutes Anbaujahr lässt ihn nach unten sacken. Ein Absacken des Preises wird von den Kaffeetrinkern im Norden der Welt in der Regel mit Freude zur Kenntnis genommen, aber die Kaffeebauern leiden darunter. Im Schnitt bekommen sie vom Endpreis des Kaffees etwa 5%. Wenn also ein Pfund Kaffee hier 5 Euro kostet, dann bekommt der Bauer davon 25 Cent. Wenn der Bauer sich einer Genossenschaft anschließt und diese sich am Fairen Handel beteiligt, dann ist gewährleistet, dass er von seinem Lohn leben kann und auch die Genossenschaft oder das Dorf sich entwickeln kann. Wenn der Endpreis des Kaffees um 5% erhöht wird und gewährleistet ist, dass dieser Mehrerlös in voller Höhe beim Produzenten ankommt, dann hat sich sein Einkommen verdoppelt. Ein kleiner Einsatz hier und eine große Wirkung dort. 3 Quo vadis, S. 8 4 Kernarbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO, engl. ILO): Verbot von Kinder- und Zwangsarbeit; Vereinigungsfreiheit und Recht auf Tarifverhandlungen; Existenzsichernde Löhne; Geregelte Arbeitszeiten; Einhaltung von Gesundheits- und Sicherheitsbestimmungen; Recht auf stabile Beschäftigungsverhältnisse

4 Der konkrete Erlös, den er bekommt, ist unterschiedlich je nach Qualität des Kaffees, Höhe der Produktionskosten und der regionalen Struktur des Anbaugebietes. Er liegt auf jeden Fall höher als der Weltmarktpreis. Das Beispiel Orangensaft Im traditionellen Handel bekommt ein Orangenpflücker für die 16 Orangen, die zur Herstellung von 1 Liter Saft notwendig sind, 0,025 Cent. Wenn dieser Liter dann bei einem Discounter für 50 Cent verkauft wird, dann erhält der Orangenpflücker von diesem Verkaufspreis 1/2000. Ein Aufschlag von nur 1 Cent, der voll an den Orangenpflücker weitergegeben würde, würde sein Gehalt um das 40-fache erhöhen. 5 Das Problem mit den Supermarktketten Fair gehandelte Produkte gab es früher fast nur in Welt-Läden ( Eine-Welt-Läden ). Von der Menge der gehandelten Waren her war es eine Nische. Wir wollen heraus aus der Nische. Möglichst viele Waren sollen fair gehandelt werden, also so, dass sie den Produzenten ein erträgliches Leben und gute soziale und ökologische Arbeitsbedingungen ermöglichen. Fairer Handel sollte eigentlich der Normalfall und nicht die Ausnahme sein. Wir wollen zeigen, dass Fairer Handel auch dort möglich ist, wo Tariflöhne gezahlt werden und nicht nur in Weltläden, wo im Verkauf ausschließlich Ehrenamtliche tätig sind. Das ist über die Weltläden allein nicht zu erreichen. Daher beliefern die Importeure des Fairen Handels, also z.b. die GEPA (Gesellschaft zur Förderung der Partnerschaft mit der 3. Welt), seit den 90er Jahren zunehmend auch Supermärkte mit Waren, die das FairTrade-Label tragen. So gibt es in der Supermarkt-Filiale, in dem ich einkaufe, ein größeres Angebot von fair gehandelten Waren. Wir hoffen, dass diese auch fleißig gekauft werden, denn dann wird die Kaufhaus-Kette den Anteil an fair gehandelten Waren erhöhen. Insgesamt gibt es heute fair gehandelte Artikel, genauer gesagt: Artikel mit dem TransFair-Label, nicht nur in den 800 Weltläden in Deutschland 6, sondern auch in 27.000 Supermärkten und Bioläden. 7 Das wollen wir und das wollen wir ausweiten. Nun aber das Problem: Fair gehandelte Waren gibt es dadurch auch in Ketten und Läden, die aus anderen Gründen in die Kritik geraten sind, z. B. wegen zu niedriger Löhne für die Verkäuferinnen oder wegen schlechter Arbeitsbedingungen. Oder die gleich neben einigen fair gehandelten Produkten auf dem gleichen Regal andere Produkte anbieten, die durch Ausbeutung oder durch Einsatz von gefährlichen Pestiziden erzeugt wurden. - Da gibt es eine Ideologie-Debatte unter den Beteiligten am Fairen Handel. Einige Leute meinen, dass GEPA solche Läden und Ketten nicht beliefern soll. Andere meinen, dass es wichtig ist, dass der Faire Handel sich ausweitet, damit möglichst vielen Erzeuger in der 3. Welt faire Preise bekommen und damit möglichst vielen Menschen hier bei uns deutlich wird: fairer Handel ist möglich, fairer Handel ist ein win-win-modell, das sich für alle Beteiligten lohnt. 5 Grenzenlos billig, S. 24 6 Wikipedia Art Weltläden 10.12.07. In Europa gibt es 2400 Weltläden (Homepage Weltladen Dachverband 10.12.07) 7 Quo vadis, S. 7

5 Sie finden es gut, dass auch bei Discountern Waren stehen, für die nicht gilt Geiz ist geil, sondern fair gehandelt. Sie sehen darin eine Bresche in der Geiz ist Geil-Mauer, die ausgeweitet werden kann. Ein letztes Argument: Der Faire Handel hat ein Wachstum von 20%. Er findet zunehmen Interesse bei den Verbrauchern, jedenfalls bei den finanziell besser gestellten. Wenn TransFair oder die GEPA sich bestimmten Ketten oder Läden verweigern würden, dann werden diese eigene Maßstäbe für fairen Handel festlegen und eigene Siegel dafür schaffen 8. Denn die Bezeichnung fair gehandelt ist ebenso wenig geschützt wie die Bezeichnung bio. Wenn wir wollen, dass da, wo fair gehandelt draufsteht, auch fair gehandelt drinn ist, dann müssen wir auf die Verbreitung und Bekanntmachung des Siegels von Transfair setzen. Denn da ist fair gehandelt drin. Diskutiert wird allerdings auf der Ebene des vorhin erwähnten Dachverbandes FLO, ob es möglich ist, bestimmte Abkommen mit transnationalen Unternehmen wie Nestlé oder mit international tätigen Discountern wie Lidl zu treffen. Darin sollten die Unternehmen sich zur Einhaltung der Basisstandards der Internationalen Arbeitsorganisation IAO (engl. ILO) verpflichten, wie es die deutschen Unternehmen ja schon müssen. 9 Es gibt noch weitere Pläne: Nehmen wir z.b. Bauwolle. Im Augenblick kann TransFair zwar für die Baumwolle selber ein TransFair-Siegel geben. Aber danach kommt eine so vielschichtige Weiterverarbeitung mit so vielen Akteuren, dass ein reines Produktsigel nicht sinnvoll ist. Der TransFair-Verein hat daher eine Arbeitsgruppe eingesetzt, die prüfen soll, wie das reine Produkt-Sigel TransFair verknüpft werden kann mit einer Zertifizierung einer sozialverantwortlichen Unternehmenspolitik. Dadurch sollen soziale und ökologische Mindeststandards für die gesamte Verarbeitungskette gesichert werden. 10 Hier treffen wir uns dann mit der Clean Cloth Campaign. Grundsätzlich sehen wir das Bemühen um fairen Handel also um faire Erlöse für Produzenten in der 3. Welt - als einen Aspekt des Bemühens um eine nachhaltige Wirtschaft. Oder wie es beim Ökumenischen Rat der Kirchen genannt wird, um eine Wirtschaft für das Leben im Gegensatz zur jetzt noch vorherrschenden Wirtschaft des Todes. Darin gehören die sozialen und die ökologischen Aspekte zusammen. Darin müssen die Bedürfnisse der Produzenten in der 3. Welt ebenso wie die der Arbeitenden in Deutschland berücksichtigt werden. Von fairen Bedingungen profitieren alle ob im Fußball, im Radsport oder im Welthandel. Literatur: Quo vadis, Fairer Handel? Dokumentation einer Veranstaltung von DEAB, Ver.di und Brot für die Welt am 18.11.2006 in Stuttgart Grenzenlos billig? Globalisierung und Discountierung im Einzelhandel. Hrsg. Ver.di und WEED, 2005 8 z.b. Rainforest Alliance (deren Schwächen referiert Quo vadis S. 34) oder Common Code of the Coffee Community (4C Standard), der mit Hilfe der GTZ entwickelt wurde. 9 Quo vadis, S. 6 10 Quo vadis, S. 17

6 Billig oder Wert und Würde? Dokumentation der Ver.di-Tagung für Fairen Handel am 20./21. Juni 2006 Fairer Handel, Themenheft der Verbraucher Initiative, Sept. 2006 EWV / 07-12-10 Fair statt billig