Rauchfangswerder Ein Besuch im südlichsten Ort von Berlin von Lothar Gruner Der Schmöckwitzer Werder mit der südlichsten Spitze von Berlin



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Transkript:

Rauchfangswerder Ein Besuch im südlichsten Ort von Berlin von Lothar Gruner Der Schmöckwitzer Werder mit der südlichsten Spitze von Berlin

Wer einmal den südlichsten Ort von Berlin kennen lernen möchte, der ist in Rauchfangswerder richtig. Dieser kleine Fleck gehört zum Ortsteil Schmöckwitz und liegt rund 4 Kilometer von dem ehemaligen Fischerdorf Schmekewitze entfernt. Geschätzt wird Rauchfangswerder vor allem als Naherholungsgebiet und als Wassersportzentrum. Denn der kleine Ort befindet sich praktisch auf einer Halbinsel, umgeben vom Zeuthener See, der zur Bundeswasserstraße der Dahme gehört, und vom Großen Zug mit der Verbindung zum Krossinsee in Richtung Wernsdorf. Man könnte sogar sagen, dass es sich um eine Insel handelt, denn wenn man den OderSpree-Kanal dazu rechnet, wird der Werder ganz von Wasser umgeben. Insgesamt eine wunderschöne, abwechslungsreiche Gegend mit Wasser, Wäldern und Wiesen, die alle zum Schmöckwitzer Werder gehören. Die Schmöckwitzer Flur bildet nämlich die südliche Begrenzung der Müggellandschaft. Und diese liegt mit ihren Kolonien in der herrlichen Umgebung auf einem hochwasserreichen, nachzeitlichen Dünenzug. Ausgrabungsfunde beweisen, dass auch hier in Rauchfangswerder schon in frühen Zeiten alte Siedlungsplätze waren. Immerhin wurden neben Tonscherben, Pfeilspitzen auch Axt- oder Paradedolche gefunden. Sie entsprechen der älteren Bronzezeit und zeigen, dass bereits seit Jahrtausenden fast ununterbrochen Menschen dort gelebt haben müssen. Erwiesen ist, dass es vorwiegend Slawen waren, die sich besonders an Seen und Flüssen niedergelassen haben. Meistens handelte es sich um Fischer, die sich vorwiegend vom Fischfang ernährt haben. Vielleicht erklärt sich davon auch der Name des Ortes, denn die Fischer haben ihren Fang vorwiegend für die SpeisenZubereitung geräuchert und sich für ihre Erwärmung in kühleren Zeiten einen Rauchfang eingerichtet. Außerdem halfen die Rauchfangs bei der gegenseitigen Verständigung auf dem Wasser, denn die Fischer legten für den Verkauf ihrer Fänge lange Wege bis Köpenick zurück. Und so passen die Begriffe Rauch - Fang Werder eng zueinander. Die Halbinsel Rauchfangswerder aus der Luft gesehen

In verschiedenen Quellen und auf älteren Landkarten ersichtlich, wurde der Werder früher in einen nördlichen Teil mit Namen Schmöckwitzwerder, in einen südlichen Teil mit Namen Rauchfangswerder und in einen mittleren Teil mit Namen Bockswerder eingeteilt. Der gesamte Ort Rauchfangswerder selbst zählt heute knapp 500 Einwohner, dazu kommen in den Sommermonaten viele Gäste, die entweder ein Boot, ein Wochenend- oder ein Gartengrundstück ihr Eigen nennen. Denn es gibt dort zahlreiche Bootshäuser und zumeist Siedlerhäuser, Garten- und Wassergrundstücke. Inzwischen reihen sich zahlreiche neue Häuser und Villen in Rauchfangswerder ein. Schade ist nur, dass einzelne alte Häuser, die früher sicher einmal mit viel Liebe und Können erbaut wurden, zusehends verfallen, weil sich keine Interessenten fanden oder finden oder wo die Eigentumsfragen weiterhin unerklärt sind. Für Besucher des Ortes ist jedenfalls gut zu wissen, dass im Nord-Teil die Fähr-, Jacky- und Argo-Allee zu finden sind und im südlichen Teil vor allem der Moßkopfring, der sich praktisch wie in einer Schleife um den südlichen Ortskern windet. Einkaufsmöglichkeiten allerdings findet man heutzutage leider nicht mehr. Es gab auch niemals eine Kirche und eine eigene Schule. Wer heute zum Beispiel an Gottesdiensten teilnehmen, zum Einkaufen oder zur Arbeit gehen möchte, muss sich genauso wie die Schulkinder auf den Weg machen nach Schmöckwitz, Eichwalde, Zeuthen oder Grünau. Historisch betrachtet kann Rauchfangswerder auf eine interessante Geschichte verweisen. Auskunft darüber geben unter anderem eine umfangreiche Orts-Chronik von Herrn Manfred Mäder, die er im Auftrag der Freiwilligen Feuerwehr Rauchfangswerder zusammengestellt und geschrieben hat, und ein Beitrag vom damaligen Grundbesitzerverein Berlin Rauchfangswerder aus dem Jahr 1947 mit dem Verfasser Max Heiß. Ihren Angaben zufolge kaufte der Hausmann Martin Barnack aus Zeuthen im Jahre 1743 rund 33 Morgen Pachtacker vom Alten Fritz. Damit begann die Besiedlung des Landstriches Rauchfangswerder. Der Preußenkönig billigte nämlich am 11. Juli 1743 den Zeuthener Büdnern Barnack, Mielitz und Guthke das Recht zu, auf dem Werder zu siedeln. Sie waren Söhne von alteingesessenen Kossätenfamilien aus Zeuthen und selbst als Kleinbauern beziehungsweise Büdner tätig. Nachweislich besiedelten sie das ganze Territorium des heutigen Rauchfangswerder, wobei Barnak und Mielitz vor allem den nördlichen und Guthke den südlichen Teil der Halbinsel bewirtschafteten. Ihre Nachfolger waren bei Barnack und Brunnert die Familien Jacky, Hellwig und Krause. Bei den Mielitz folgten die Familien Schmidt und Steffen, später Weber und Baumeister Pieckenhagen. Und bei den Guthkes waren es die Familien Waldow und Ebel. Rund 100 Jahre später wurden die Ländereien innerhalb der Familien und durch Zuzüge von Verwandten, von Kindern und Kindeskindern aufgeteilt. In diesem Zusammenhang soll auch nicht unerwähnt bleiben, dass die Fischer Judis und Ranke die Fischereirechte für Rauchfangswerder erhielten. In früheren Zeiten gab es nämlich im Cöpenicker Kietz 24 bis 31 Fischerfamilien. Sie nutzten die Gewässer der Spree und Dahme zum Fischfang bis zum Zeuthener- und Krossinsee. Weiter kann man in den Aufzeichnungen, Chroniken und Grundbüchern lesen, dass man auf der Halbinsel von Rauchfangswerder im Jahre 1870 mit der Parzellierung

der Grundstücke begann. Und schon 10 Jahre später verkaufte man die ersten Parzellen an neue Siedler, zumeist aus Berlin. Alles zusammen führte zur Entwicklung einer Kolonie und damit zum Aufschwung von Rauchfangswerder. Im Januar 1900 zählte man bereits 15 massive Wohnhäuser im Ortsbereich. Die ersten sechs Hauseigentümer, so steht es in der Schrift, die von Max Heiß 1947 verfasst wurde, waren die Familien Jacky, Schmidt, Steffen, Ebel, Göbel und Schulze. Denen gehörte zum Beispiel auch der Privatfriedhof. Dazu stand in der Berliner Morgenpost vom 11.9.2013 unter dem Titel Letzter Halt Rauchfangswerder sinngemäß: In Rauchfangswerder gibt es einen einzigartigen Friedhof. Sechs Männer hätten vor 140 Jahren ein Stück Wald gekauft, um einen Friedhof für ihre Familien einzurichten. Man begrub die Leute dort noch selbst, weil die Verstorbenen nicht auf irgendeinem anderen Friedhof außerhalb ihres Wohnortes begraben werden wollten. Einen offiziellen Bestatter, eine Kapelle oder ein ähnliches Gebäude zur Aufbewahrung der Toten gab es allerdings nicht. Die Verstorbenen aber mussten innerhalb von drei Tagen beerdigt werden. Dazu gehörige Trauerfeiern wurden nach Auskunft des Ortschronisten Manfred Mäder entweder in dem alten Feuerwehrgebäude oder in Räumen von Gasthäusern vorgenommen. Fakt ist, dass der am Schmöckwitzer Damm befindliche Friedhof heute heute noch privat genutzt wird, aber nur noch für Urnenbestattungen. Dieser Privatfriedhof wird von Ralf Weber zusammen mit zwei anderen Bewohnern verwaltet. Ralf Weber ist ein Mann in fünfter Generation, der heute noch als Totengräber tätig ist, so stand es in der Berliner Morgenpost geschrieben. Er macht diesen Job ehrenamtlich, weil sich einer darum kümmern müsse, wie er meint. Tatsache ist, dass auf diesem Friedhof zahlreiche alteingesessene, einflussreiche und verdienstvolle Bürger aus dem Ort ihre letzte Ruhestätte gefunden haben. Ähnliche Privatfriedhöfe soll es in Berlin oder sogar in ganz Deutschland nicht mehr geben. Lange Zeit, so steht es in Chroniken, blieb Rauchfangswerder ein winziger Ort ohne kommunale Bindung. Ursprünglich gehörte Rauchfangswerder zum Landkreis Teltow. Dieser hieß in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts einige Zeit lang TeltowStorkow. Er umfasste den südlich der Spree gelegenen Teil des Umlandes von Berlin und dazu zählten bis 1920 zahlreiche Stadtteile Berlins, so auch Treptow und Köpenick unter anderem mit Schmöckwitz und Rauchfangswerder. Im Teltower Landratsamt erfolgte auch die Verwaltung dieses Gebietes. Polizeilich gesehen aber gehörte Rauchfangswerder zusammen mit Schmöckwitz und Eichwalde zunächst zum Amtsbezirk Waltersdorf und später zum Amtsbezirk Zeuthen. In den Chroniken steht dazu geschrieben, dass zur besseren Regelung des kommunalen Verhältnisses der Kolonie Rauchfangswerder seitens des Landrats des Kreises Teltow im Jahre 1893 Verhandlungen eingeleitet wurden mit dem Ziele, Rauchfangswerder vom forstfiskalischen Gutsbezirk Cöpenick Forst abzutrennen und der Gemeinde Zeuthen zuzulegen. Doch die Zeuthener protestierten dagegen und lehnten die Zugehörigkeit von Rauchfangswerder aus bestimmten Gründen ab. Dazu zählten verschiedene Abgaben und Steuern, die von den Bürgern an Zeuthen gezahlt werden sollten. Konkret lehnten es die Büdner von Rauchfangswerder ab, für Zeuthen bestimmte Gemeindelasten beizutragen. Der Landrat jedoch entschied gegen Zeuthen. Als

Begründung wurde angeführt: Rauchfangswerder müsse als Ortsteil von Zeuthen angesehen werden ebenso wie der Miersdorfer Werder, weil beide Ortsteile wirtschaftlich völlig abhängig von Zeuthen seien. Gerichtlich wurde aber 1901 entschieden, dass Rauchfangswerder nicht mehr zur Gemeinde Zeuthen gehöre, sondern ein Teil des forstfiskalischen Gutsbezirks Grünau-Dahme-Forst sei. Und so wurde die preußische Stadt Köpenick um die Jahrhundertwende auch für Rauchfangswerder zuständig. Und mit der Gebietsreform von 1920 wurde der Ort endgültig in die Gemarkung Groß-Berlin einverleibt. Seit dem ist die Halbinsel mit Rauchfangswerder auch offiziell der südlichste Teil von Berlin. Festgehalten in der Ortschronik von Herrn Manfred Mäder ist weiterhin, dass um das Jahr 1880 die Fährallee im nördlichen Teil von Rauchfangswerder besiedelt wurde. Es entstanden mehrere Häuser, Villen und Bootshäuser. Insgesamt, so Mäder, gab es in dieser Zeit drei Fähr-Anlagen. Sie wurden genutzt für die Überfahrt nach Ziegenhals, nach Miersdorf und Zeuthen. Alle mit Ruderbooten ausgestattet, denn in früheren Zeiten gab es ja noch keine Bootsmotoren. Hier waren also Ruderkräfte, Geschick, Wissen und Können gefragt. Besonders wichtig für die meisten Rauchfangswerder Bürger war vor allem die Fährverbindung hinüber nach Zeuthen. Die Familie Schulze, bekannt auch als Fährschulze, betrieb am Ufer des Zeuthener Sees eine kleine Werft und eine Fähre. Wilhelm Schulze und seine Frau ruderten auf Zuruf und nach Bedarf hinüber nach Zeuthen und zurück, um Leute und Waren einoder auszuladen. Daher der Name Fährallee. Einige andere Quellen berichten, dass Frau Auguste Ebel, eine geborene Waldow, im Jahre 1909 Ländereien im südlichen Teil von Rauchfangswerder an die Herren Rudolph Witte und Friedrich Carl verkaufte. Auch der Büdner August Schmidt veräußerte sein Acker- und Wiesengelände an die Grundstückshändler Witte und Rath. Und der Büdner Friedrich Ebel hat ein Teil seines Besitzes im Jahre 1920 an die Grundstückshändler Wiesenhütter und Klant verkauft. Durch Vergabe weiterer Parzellen an Interessenten aus Stadt und Land nahm die Besiedlung auf der gesamten Halbinsel enorm zu. Es entstanden die Kolonien Rauchfangswerder Süd und Nord. Kein Wunder bei dieser herrlichen Lage umgeben von so viel Grün und Wasser, denn in einem Bogen geht es hier vom Zeuthener See in den Großen Zug, der in den Krossinsee mündet. Gegenüber sieht man die Ufer vom Miersdorfer Werder, welcher zu Zeuthen gehört. Miersdorf war die damalige Kolonie Hankels-Ablage, in dessen Nähe sich auch der Miersdorfer Tonsee befindet. Der Name Hankels-Ablage beruht darauf, dass sich ungefähr 1898 dort die Ablage beziehungsweise Verfrachtungsstelle der Miersdorfer Ziegelei befand. Fest steht also, dass auf der Halbinsel Rauchfangswerder immer mehr Wohnhäuser, Wochenendgrundstücke, Restaurants, kleine und größere Bootshäuser entstanden. Auch Fremde kamen immer mehr dazu. Beispielsweise der Brauereibesitzer Landre später Otto Ladewig, der Goldschmidt Jahn später Frau Marcks, der Schiffer Jacobi, ein Schwiegersohn von Fischer Kindt, der Bäckermeister Broch später Reißner, der Kaufmann Arendt-Kähler sowie die Fischermeister Ranke und Judis. So entwickelte sich Rauchfangswerder Schritt für Schritt zu einem begehrten Ausflugsgebiet und Wassersportzentrum. Die herrliche

Lage mit viel Wald und Wasser boten insgesamt beste Voraussetzungen für den enormen Aufschwung. Nur bei der Infrastruktur, bei Straßen und Verkehrswege haperte es noch einige Zeit. Die feste Verbindungsstraße nach Schmöckwitz beispielsweise entstand erst später. Um 1900 begann der Aufschwung im südlichsten Ort von Berlin Zur gleichen Zeit entstanden neue, schöne Häuser und Villen In der Bucht zwischen dem Nord- und Südteil, die in einigen Quellen als die Baabe bezeichnet wird, entstand um 1900 eines der gefragtesten Lokale der ganzen Gegend. Es handelte sich um das Waldhaus Rauchfangswerder, das von Eduard Rutkowski

immer mehr zu einer Ausflugsgaststätte ausgebaut wurde. Ursprünglich stand dort ein Forsthaus. Rutkowski ließ das Haupthaus mit Hallen und Sälen erweitern und entlang des Ufers Tische und Stühle wie in einem großen Gartenlokal aufstellen. Unter hoch gewachsenen, schattigen Bäumen konnten die Gäste dort nicht nur essen und trinken sondern dabei auch den Blick über das Wasser schweifen lassen und das Treiben der immer zahlreicher werdenden Boote aller Größen und Bauarten verfolgen. Aber nicht nur das. An einer Steg-Anlage vor dem Gartenlokal machten bald auch Dampfer fest. Die Gäste und sogar ganze Gesellschaften kamen immer zahlreicher aus Berlin und aus anderen Gegenden. Interessant in diesem Zusammenhang zu wissen, dass der Besitz mit dem Waldhaus ursprünglich auf die Familie Jacky zurück geht. Nach ihr wurde auch die Jackyallee im früheren Bockswerder benannt. Der Büdner Friedrich Jacky hatte einige Grundstücke parzellieren lassen. Seine Schwiegersöhne, die einige Grundstücke erwarben, waren unter anderen der Zimmermann Josef Müller, auf dessen Grundstück später das Restaurant Zur Linde stand, und der Bootsbauer Hermann Steffen, wo heute das Klubhaus des Vereins Berliner Segler steht. Und schließlich Hermann Hellwig und später der Kaufmann Paul Hellwig. Letztlich verkaufte Jacky 1898 den familiären Stammbesitz an einen Berliner Gastronom und zwar an Herrn Eduard Rutkowski, der dort das Restaurant Waldhaus ausbauen und erweitern ließ. Durch Ideen und Initiativen von Rutkowski begann mit diesem Ausflugslokal ein enormer Aufschwung, der sich auch zum Nutzen des ganzen Ort auswirkte. Ihm folgte die Familie Krause. Fritz Krause hatte das Waldhaus 1919 gekauft und eine noch größere Steg-Anlage für das Anlegen von Dampfern bauen lassen. Besonders an den Wochenenden in den Sommermonaten setzte ein wahrer Boom auf die Halbinsel und in das Ausflugs-Lokal ein. Angaben zu Folge sollen einmal bis zu 3000 Gäste im Waldhaus Platz gefunden haben. Das Ausflugslokal Waldhaus Rauchfangswerder an der Baabe-Bucht Erst der zweite Weltkrieg brachte eine vorüber gehende Flaute. Doch nach Ende des Krieges ging es glücklicherweise in Rauchfangswerder und damit auch im Waldhaus wieder aufwärts. Zunächst führte Olga Krause das Geschäft weiter und zwar bis

1961. Danach wurde das Waldhaus von der Familie Ebeling bewirtschaftet. Günter Ebeling und seine Frau Gerda bemühten sich redlich um die Fortsetzung der gastronomischen Tradition. Im Waldhaus insgesamt wurde also wieder kräftig gefeiert, getanzt, gesungen, gespeist und getrunken. Eine tolle Atmosphäre, die bis 1986 anhielt. Irgendwann aber war Schluss mit Lustig und das Restaurant Waldhaus wurde an den VEB IFA verkauft. Dieser Betrieb wollte aus dem Besitz ein Erholungs- und Schulungszentrum machen. Doch die Wende bedeutete auch für dieses Unternehmen das Aus. Nun hatte die Treuhand die Hand drauf. Da sich aber lange Zeit kein weiterer Interessent zeigte, fiel das gesamte Objekt in einen langen Dämmerschlaf. Das Waldhaus wurde leider irgendwann abgerissen, heute stehen dort zahlreiche Einfamilien-Häuser. Eigentlich schade. Großen Anteil an der zunehmenden Bedeutung des Naherholungsgebietes hatte vor allem der Wassersport. So gründete sich bereits 1885 der Verein Berliner Segler, wobei der Segelsport zunächst vor allem in der Straulauer Wassergegend seinen Anfang machte. Schon zwei Jahre später zählte der Verein 120 Mitglieder und 42 registrierte Boote. Am 15. Mai des gleichen Jahres fand bereits die erste Pokalregatta statt. Und wieder zwei Jahre später war der Verein Mitbegründer des Berliner Wettsegelverbandes. Heute ist der Verein in der Fährallee zu finden. Und im Jahre 2010 feierte man dort das 125 jährige Bestehen. Daneben entwickelten sich über die Jahre viele weitere Sportvereine sowohl im Nord- als auch im Südteil der Halbinsel. Zu den bekanntesten Sportvereinen zählen weiterhin der Segel Club Argo in der Argoallee, der 1909 gegründet wurde, der Wassersportclub Rauchfangswerder im Moßkopfring und die Seglergemeinschaft Rauchfangswerder ebenfalls im Moßkopfring. Segeln war also zu allen Zeiten in Rauchfangswerder Sportart Nummer Eins, was bei dieser herrlichen Wasserlage nicht verwundert. Der älteste Wassersportverein von Rauchfangswerder

Große Verdienste für die Entwicklung von Rauchfangswerder hat auch die Feuerwehr. Am 22.November 1911 fand nämlich die Gründung der Freiwilligen Feuerwehr statt. Zu den Mitbegründern und ersten Wehrleitern zählten Paul Waldow und Emil Kindt. Angefangen hatte alles in einem Schuppen in der Fährallee neben dem Grundstück Müller. Später zog die Feuerwehr in die obere Fährallee auf das Anwesen von Hermann Hellwig. Und in der Zeit zwischen 1957 und 1959 konnte endlich ein richtiges Wehrgebäude am Schmöckwitzer Damm 20 fertig gestellt werden. Das Gründungs-Symbol der Freiwilligen Feuerwehr Die erste Kameradschaft der Feuerwehr von Rauchfangswerder Heute zählt die Freiwillige Feuerwehr 18 aktive und 5 ehrenamtliche Mitglieder. Und seit 2001 gibt es die Jugendfeuerwehr, welcher zeitweise bis zu 28 Mitglieder angehörten. Wehrleiter ist Christian Rößler. Und beim dazu gehörigen Förderverein

zählt man immerhin 22 Mitglieder. Hier ist der 1. Vorsitzende und Ansprechpartner Torsten Range. Wichtig ist, dass diese Feuerwehr heute als selbstständige Freiwillige Orts-Feuerwehr fungiert. Auch der Ortschronist Manfred Mäder, welcher selbst jahrelang Mitglied dieser Feuerwehr war und dort heute noch ehrenamtlich tätig ist, hat zahlreiche Verdienste beim Aufbau und bei der Arbeit der Feuerwehr. Nicht unerwähnt soll an dieser Stelle sein, dass es in Rauchfangswerder seit dem Jahre 1902 einen Grundbesitzer-Verein Berlin-Rauchfangswerder gab. Man zählte damals 20 Mitglieder unter dem Vorsitz des Herrn Kanzleirath a. D. Radestock. Später übernahm der Glaser-Meister Georg Moßkopf das Amt, nun aber in einem gemeinsamen Verein, da es zuvor zwei dieser Organisationen gegeben haben soll. Herr Moßkopf wurde 1935 von dem Kaufmann Willy Braune abgelöst. Nach dem zweiten Weltkrieg wurde der Treuhänder und Graveurmeister Rudolph Werner mit der Leitung des Vereins beauftragt. Dieser Verein hatte die Aufgabe, die Interessen der Grundbesitzer im Ort zu vertreten. Bedingt durch die wunderschöne Lage zwischen Wäldern und Seen zogen verständlicherweise immer mehr Interessenten nach Rauchfangswerder. Besonders auch Künstler, Schauspieler und Sänger entdeckten für sich die herrliche Gegend. Stellvertretend sollen hier nur die Opernsängerinnen Celistina Casapietra und Irmgard Arnold, der Kammersänger Gerhard Frei, der Dirigent Herbert Kegel, der Schauspieler und Sänger Dean Reed, die Schauspielerin Renate Blume, die Schauspieler Heinz Behrens, Horst Schulze und Walter Plathe genannt werden. Vor allem Heinz Behrens, der vielen Fernseh- und Theater-Zuschauern heute noch bekannt ist, machte sich stets verdient für das aktive Leben im Ort. Ein Besuch der südlichsten Spitze von Berlin lohnt sich also auf jeden Fall. Wer einmal nach Rauchfangswerder reisen möchte, der hat vor allem drei Möglichkeiten dorthin zu kommen. Zum einen über die Landstraße Schmöckwitzer Damm - sie zweigt in Schmöckwitz von der Wernsdorfer Straße ab zum anderen mit dem Boot immer entlang der Bundeswasserstraße der Dahme und des Zeuthener Sees bis zur Uferspitze von Rauchfangswerder. Oder mit einer Wanderung durch die Wälder des Schmöckwitzer Werder, wobei man auch direkt am Ufer des Zeuthener Sees, vorbei am Schmöckwitzer Badestrand, am Campingplatz Zeuthen und am Teikyo Hotel, dem früheren Gästehaus des FDGB, sehr entspannt spazieren gehen kann. Erholsam und abwechslungsreich ist der Weg allemal. Wer nicht motorisiert oder gut zu Fuß ist, kann Rauchfangswerder aber auch von Schmöckwitz aus mit dem kleinen öffentlichen Linienbus 168 erreichen. Gemütliche Gastlichkeit findet man in der Kajüte in der Fährallee und in der Heideklause am Eingang des Ortes. Die Kajüte übrigens gilt heute als die südlichste Gaststätte von Berlin. Bleibt zu hoffen, dass der südlichste Ort von Berlin auch in Zukunft eine ruhige und erholsame Idylle für Jedermann bleibt. Berlin Schmöckwitz 2013