Versuch Nr. 3 Berechnung eines Röntgen-Pulverdiffraktogramms aus Einkristallstrukturdaten, welche der ICSD entnommen wurden Einleitung: Im ersten Versuch Ihres Praktikums haben Sie mit Hilfe von Einkristallstrukturdaten ein Pulverbeugungsdiagramm berechnet. Ausgegangen sind Sie dabei von einer RES-Datei, welche alle notwendigen Informationen zur Einkristallstruktur enthält und während einer Strukturbestimmung automatisch generiert wird. Weitaus verbreiteter sind sog. CIF-Dateien, die immer dann verwendet werden, wenn Daten zu einer Kristallstruktur, beispielsweise im Rahmen einer Veröffentlichung hinterlegt werden müssen. Hinterlegt werden diese meist in sogenannten Strukturdatenbanken, die gegen Bezahlung der wissenschaftlichen Öffentlichkeit zugänglich sind. Anorganische Kristallstrukturen sind in der sog. ICSD (Inorganic Crystal Structure Database) hinterlegt. Organische und metallorganische Kristallstrukturen sind in der sog. CSD (Cambridge Structure Database) deponiert. Im Rahmen dieses Versuches sollen Sie die ICSD etwas näher kennenlernen, indem Sie dieser Datenbank Strukturdaten entnehmen und für eine gegebene Verbindung ein Beugungsdiagramm berechnen. In der ICSD ist es nicht nötig die gesamte CIF-Datei zu bearbeiten, da alle notwendigen Informationen direkt entnommen werden können. In jedem Fall sollten Sie sich jedoch auch die entsprechende CIF-Datei herunterladen, um bei evtl. auftretenden Problemen Ihre Datei zur Berechnung des Beugungsdiagramms mit den Daten in der CIF-Datei abgleichen zu können. Die ICSD bietet darüber hinaus die Möglichkeit, ist die entsprechende Software vorhanden, sich direkt das entsprechende Beugungsdiagramm berechnen zu lassen. Da jedoch in diesem Experiment, wie in allen anderen Experimenten im Praktikum die Auswertung mit WinXPOW erfolgen soll, müssen Sie wie im ersten Versuch eine entsprechende TIN-Datei erstellen. Lernziele: Grundlagen der Inorganic Crystal Structure Database (ICSD) Berechnung von Beugungsdiffraktogrammen ausgehend von Strukturdaten der ICSD. 1
Verwendete Programme: Auswertesoftware der Inorganic Crystal Structure Database (ICSD) Internet-Browser (Netscape Communicator oder Internet Explorer) Editor zur Bearbeitung von ASCII-Dateien (z.b. NOTEPAD oder TEXTPAD) Programm zur Berechnung von Pulverdiffraktogrammen WinXPOW von STOE & CIE Durchführung: Die Inorganic Crystal Structure Database ist im Institut für Anorganische Chemie über das World Wide Web unter folgendem Link verfügbar: http://icsd-db.uni-kiel.de/icsd/index.html Starten Sie die Auswertesoftware mit der Option: Login or use the Demo Daraufhin erscheint ein Menü, mit dem Sie nach den verschiedensten Kriterien nach Kristallstrukturen suchen können (Abbildung 1). Da Ihnen vom Assistenten die Verbindung(en), für die Sie ein Beugungsdiagramm berechnen sollen genannt worden ist, ist es am einfachsten nach der chemischen Zusammensetzung zu suchen. Abbildung 1: Screen-Shot der ICSD. Gehen wir im folgendem Beispiel einfach davon aus, dass wir ein Beugungsdiagramm für Mangan(IV)oxid (MnO 2 ; Ramsdellite) berechnen wollen, welcher in der Raumgruppe Pnma kristallisiert. In diesem Fall würden wir im Feld Elements Mn O einfügen sowie im Feld Element Count maximal 2 Elemente zulassen. Nach Betätigen der Search-Option erscheint folgende Ausgabe (Abb. 2). 2
Abbildung 2: Screen-Shot der ICSD. Angegeben sind hier natürlich alle bekannten Manganoxide. Auch MnO 2 findet sich mehrfach. Sie sollten einfach immer den aktuellsten Eintrag, hier von 1994 auswählen. Als zusätzliche Schwierigkeit ergibt sich hier den richtigen Eintrag zu erkennen, da die Bestimmung in der Nicht-Standardaufstellung (Raumgruppe Pnam) erfolgt ist, die ganz einfach durch Vertauschen der Zellachsen in die Standardaufstellung (Raumgruppe Pnma) überführt werden kann. Wir Aktivieren also die Option MnO 2 (1994; RG = PNAM) aus und starten die Datensuche mit der Option Pattern. Sollte Sie anschließend die folgende Warnung erhalten, ignorieren Sie diese und Bestätigen einfach mit der Option ok: Space Group PNAM is not a Standard Setting Es erscheint nun ein Neues Fenster (Abbildung 3). Abbildung 3: Screen-Shot der ICSD. 3
Kopieren Sie sich einfach den gesamten mittleren Teil (TITLE FINISH), fügen diesen in einen Texteditor ein und speichern Sie diese Datei als TIN-Datei im entsprechenden Verzeichnis Ihrer Verbindung ab. Wählen Sie am Besten einen Dateinamen, der dem Namen der Verbindung entspricht. TITLE *Ramsdellite-MnO2-[PNAM] Fong, C.;Kennedy, B.J.;Elcombe, [1994] CELL 9.322900 4.453300 2.848200 90.000000 90.000000 90.000000 SPCGRP P N A M ATOM MN 1 0.120300 0.013000 0.250000 ATOM O 1 0.035600 0.231100 0.750000 ATOM O 2 0.284200 0.293400 0.250000 Diese Datei muss noch editiert werden, sodass diese dem Format einer TIN-Datei entspricht. Gehen Sie dabei genauso vor wie im Versuch 1. Im Gegensatz zu Versuch 1 tritt hier ein Problem auf, da Sie den Besetzungsfaktor Ihrer Atome nicht kennen. Den könnten Sie sich mit Hilfe der CIF-Datei oder den International Tables aus der Zähligkeit der entsprechenden Lage zwar ausrechnen, dies würde die Fähigkeiten eines Anfängers jedoch sicherlich überschreiten. Dieses Problem wird später mit dem Programm WinXPOW gelöst. Ihre Datei sollte daher nur das Atomsymbol, die SFAC-Nummer sowie die Koordinaten x, y, z enthalten. Diese Datei sollte nach Bearbeitung folgendermaßen aussehen: TITL Mangan(IV)oxid MnO2 (Ramsdellite) WAVE Cu A1 CELL 9.3229 4.4533 2.8482 90.000 90.000 90.000 ZERR 4 SPGR P N A M SFAC Mn O UNIT 4 8 ATOM 3 MN1 1 0.12030 0.01300 0.25000 O1 2 0.03560 0.23110 0.75000 O2 2 0.28420 0.29340 0.25000 Die Anzahl der Formeleinheiten pro Elementarzelle erhalten Sie aus der entsprechenden CIF- Datei (_cell_formula_units_z 4). Die UNIT-Zeile können Sie einfach vervollständigen, indem Sie Z mit der Formel multiplizieren (MnO2 * 4 = Mn 4 O 8 ; UNIT 4 8) Die CIF-Datei generieren Sie mit dem Befehl Details in der ICSD-Auswertesoftware. Dabei öffnet sich ein neues Fenster, indem Sie den Befehl CIF auswählen. Speichern Sie diese Datei in dem entsprechenden Verzeichnis ihres Versuches ab. Anschließend können Sie sich diese Datei mit einem Editor oder mit Word anschauen. 4
In diesem Fenster finden Sie auch Informationen zur entsprechenden Literaturstelle. Diese benötigen Sie für ihr Protokoll. Im vorliegendem Fall sieht der Eintrag wie folgt aus: Authors: Fong, C.;Kennedy, B.J.;Elcombe, M.M. Reference: Zeitschrift fuer Kristallographie (1994) 209, 941-945. Sie können nun ein Beugungsdiagramm mit WinXPOW berechnen, so wie Sie es in Versuch 1 gelernt haben. Starten Sie das Programm WinXPOW. Starten Sie nun das Programm Theoretical Pattern im Menü Cell und öffnen Sie die von Ihnen veränderte TIN-Datei mit dem Befehl open im Menü File. Ändern Sie den 2-Theta-Bereich auf 5-60 und bestätigen Sie mit ok. Ändern Sie die maximale Intensität auf 10000 und gegebenenfalls die Messgeometrie auf Transmission und bestätigen Sie mit ok. Bei der Berechnung des Diffraktogramms wurden alle fehlenden Besetzungsfaktoren vom Programm auf 1.0 gesetzt. Ob dies so stimmt, hängt von der Zähligkeit der Lage in der ensprechenden Raumgruppe ab. Dies kann mit dem Befehl Atom List im Menü Setup überprüft werden. Anschließend öffnet sich das folgende Menü (Abbildung 4): Abbildung 4: Screen-Shot von WinXPOW. 5
Dort finden Sie eine Liste mit den Atomparametern, welcher der Berechnung zu Grunde liegen. Die 6. Spalte beinhaltet die Besetzungsfaktoren, die im vorliegenden Fall alle 2 betragen. Da natürlich keine 2 Atome die gleiche Position im Kristall einnehmen können, ist diese Angabe unsinnig. Die Besetzung muss immer 1 betragen. Zur Aktualisierung der Besetzungsfaktoren ändern Sie den Menüpunkt Occupancy auf 1 und Bestätigen Sie mit ok. Wiederholen Sie die Prozedur für alle Atome, sodass am Ende alle Besetzungsfaktoren 1 betragen. Das aktive Atom ist jeweils blau unterlegt. Leider müssen Sie hierzu jeweils den Befehl Atom List im Menü Setup ausführen. Während dieser Prozedur ändern sich die Intensitäten des angezeigten Diffraktogramms fortwährend. Erstellen Sie nun eine Grafikdatei für Ihr Protokoll. Speichern Sie die Änderungen in der TIN-Datei und verlassen Sie das Programm. Wenn Sie sich die abgespeicherte TIN-Datei ansehen, können Sie in diesem Fall erkennen, dass sich die Besetzungsfaktoren nun geändert haben (hier 0.5 an Stelle von 1). TITL Mangan(IV)oxid MnO2 (Ramsdellite) WAVE Cu A1 CELL 9.3229 4.4533 2.8482 90.000 90.000 90.000 ZERR 4 SPGR P N A M SFAC Mn O UNIT 4 8 ATOM 3 MN1 1 0.12030 0.01300 0.25000 0.500000 0.01000 O1 2 0.03560 0.23110 0.75000 0.500000 0.01000 O2 2 0.28420 0.29340 0.25000 0.500000 0.01000 Protokoll: Ihr Protokoll sollte folgende Dinge enthalten: 1. Eine Abbildung des berechneten Diffraktogramms für Cu-Kα-Strahlung. 2. Ausgewählte Kristalldaten sowie Quellennachweis der von Ihnen bearbeiteten Verbindung sowie Einzelheiten zur Berechnung des Diffraktogramms (Kristallsystem, Bravais-Typ, Raumgruppe, Gitterparameter (Die Standardabweichungen finden Sie gegebenenfalls in der CIF-Datei), Literatur, 2-Theta-Bereich, Strahlung, Berechnet für Transmission/Reflektion). 3. Alle ins Textverarbeitungsprogramm eingebundenen TIN-Dateien zur Berechnung Ihrer Diffraktogramme. 6
Musterprotokoll: Versuch Nr. 3: Berechnung eines Röntgen-Pulverdiffraktogramms aus Einkristallstrukturdaten, welche der ICSD entnommen wurden Verbindung: Mangan(IV)oxid in Pnma (Ramsdelit) 10000 E Blei(IV)oxid (Plattnerite) in P42/mnm (Range 1) 9000 8000 7000 Absolute Intensity 6000 5000 4000 3000 2000 1000 0 10.0 20.0 30.0 40.0 50.0 2Theta Kristallsystem Orthorhombisch a / Å 9.3229(11) Bravais-Typ Primitiv b / Å 4.4533(7) Raumgruppe Pnma c / Å 2.8482(3) Strahlung CuKα-Strahlung α / - 2- Theta / 3-60 β / - Max. Intensität 10000 γ / - Messmodus Transmission V / Å 3 118.25 Literatur Fong, C.,Kennedy, B.J.,Elcombe, M.M., Z. Krist., 209, 1994, 941-945. TITL Mangan(IV)oxid MnO2 (Ramsdellite) WAVE Cu A1 CELL 9.3229 4.4533 2.8482 90.000 90.000 90.000 ZERR 4 SPGR P N A M SFAC Mn O UNIT 4 8 ATOM 3 MN1 1 0.12030 0.01300 0.25000 0.500000 0.01000 O1 2 0.03560 0.23110 0.75000 0.500000 0.01000 O2 2 0.28420 0.29340 0.25000 0.500000 0.01000 7