Kleine Anfrage mit Antwort. Wortlaut der Kleinen Anfrage des Abgeordneten Stefan Wenzel (GRÜNE), eingegangen am 26.01.2010



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Transkript:

Niedersächsischer Landtag 16. Wahlperiode Drucksache 16/2261 Kleine Anfrage mit Antwort Wortlaut der Kleinen Anfrage des Abgeordneten Stefan Wenzel (GRÜNE), eingegangen am 26.01.2010 Gutachten sollen klären: Wann war die Göttinger Gruppe pleite? (Göttinger Tageblatt vom 19. Dezember 2009) Das Göttinger Tageblatt berichtet mit o. g. Datum, dass die Staatsanwaltschaft Braunschweig sechs Gutachten in Auftrag gegeben hat, um zu klären, wann die Göttinger Gruppe, die im Juni 2007 Konkurs angemeldet hat, pleite war. Mit einem Ergebnis sei nicht vor Mitte des ersten Halbjahres 2010 zu rechnen, so der Bericht. Seit 1999 liegen zwei Gutachten des Prüfungsverbandes Deutscher Banken zur Göttinger Gruppe vor, die offenbar zeigen, dass die Gruppe schon zu diesem Zeitpunkt einen Großteil der Anlegergelder veruntreut hatte und faktisch pleite war. Die Landesregierung hat sich mit Datum vom 19. Februar 2009 (Drs. 16/947) geweigert, die Gutachten öffentlich zu machen. Das Göttinger Tageblatt berichtet am 21. Dezember 2009, dass die Staatsanwaltschaft Braunschweig im jetzt laufenden Verfahren wegen Insolvenzverschleppung mit ihrer Prüfung erst ab dem Jahr 2005 ansetzt. Dieser Prüfung dienen offenbar die sechs neuen Gutachten. Vor diesem Hintergrund frage ich die Landesregierung: 1. Wird die Landesregierung die o. g. Gutachten des Prüfungsverbandes Deutscher Banken nunmehr öffentlich machen? 2. Wie lautet der Auftrag für die sechs neuen Gutachten zur Göttinger Gruppe? 3. Wer sind die Auftragnehmer der sechs neuen Gutachten zur Göttinger Gruppe? 4. Wegen welcher Delikte wird derzeit im Zusammenhang mit der Göttinger Gruppe ermittelt? 5. Wann tritt jeweils Verjährung in Bezug auf die Delikte in Frage Nr. 4 ein? 6. Warum wird in den sechs neuen Gutachten nur der Zeitraum 2005 bis 2007 geprüft? 7. In Frage Nr. 19 (Drs. 16/947) wird berichtet, dass die Emissionsprospekte der Göttinger Gruppe fortlaufend bis zur Einstellung des Emissionsgeschäftes im Jahr 2000 geprüft wurden. In welchen Jahren und durch welche Personen erfolgten die Prüfungen, die in Frage Nr. 19 (Drs. 16/947) erwähnt werden? 8. Welche Zivilgerichte haben die in der Antwort auf Frage Nr. 19 (Drs. 16/947) erwähnten gutachterlichen Stellungnahmen eingeholt? 9. Unter welcher Aktennummer werden die in der Antwort auf Frage 19 (Drs. 16/947) erwähnten gutachterlichen Stellungnahmen bei den jeweiligen Zivilgerichten geführt? (An die Staatskanzlei übersandt am 01.02.2010 - II/721-571) 1

Antwort der Landesregierung Niedersächsisches Justizministerium Hannover, den 24.02.2010-4110 I - 401.201 - Die Kleine Anfrage befasst sich erneut mit der Insolvenz der Göttinger Gruppe. Diese war bereits Gegenstand mehrerer Kleiner Anfragen (Drs. 14/1738, 16/358 und 16/947). Da der Name Göttinger Gruppe nicht exakt die jeweilige konkrete Firmenbezeichnung Göttinger Gruppe Vermögens- und Finanzholding GmbH & Co. KGaA und der Securenta Immobilienanlagen und Vermögensmanagement AG und ihrer Tochterunternehmen darstellt, wird er im Nachfolgenden als Zusammenfassung für sämtliche Unternehmen des Konzernverbundes der Göttinger Gruppe verstanden. In der Sache wird nunmehr unter Berufung auf einen kurzen Zeitungsartikel im Göttinger Tageblatt vom 19. Dezember 2009 u. a. nach neuen Gutachtenaufträgen zur Prüfung des Zeitpunkts, zu dem die Göttinger Gruppe pleite war, gefragt. Ferner wird kritisiert, dass die Staatsanwaltschaft Braunschweig die Prüfung des Zeitpunkts der Insolvenz der Göttinger Gruppe erst ab dem Jahr 2005 ansetzt, obwohl sich doch, so das Vorwort der aktuellen Kleinen Anfrage, aus zwei Gutachten des Prüfungsverbandes Deutscher Banken zur Göttinger Gruppe ergebe, dass diese schon 1999 faktisch pleite gewesen sei. Vor diesem Hintergrund wird der Landesregierung vorgeworfen, sich im Rahmen der Beantwortung der vorangegangenen Kleinen Anfrage (Drs. 16/947) geweigert zu haben, die Gutachten des Prüfungsverbandes Deutscher Banken öffentlich zu machen. Hierbei ist jedoch nicht berücksichtigt worden, dass es der Landesregierung nicht frei steht zu entscheiden, ob sie diese Gutachten veröffentlicht. Da die Insolvenz der Göttinger Gruppe Vermögens- und Finanzholding GmbH & Co. KGaA und der Securenta Immobilienanlagen und Vermögensmanagement AG und die Vorprüfungs- und Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Braunschweig, wie bereits erwähnt, Gegenstand mehrerer Kleiner Anfragen waren, wird auf die Drucksachen 14/1738, 16/358 und 16/947 Bezug genommen. Dies vorangeschickt, beantworte ich die Fragen im Namen der Landesregierung wie folgt: Zu 1: Wie bereits zu Frage 11 der Kleinen Anfrage des Abgeordneten Wenzel (GRÜNE) Göttinger Gruppe: Die Chronik einer angekündigten Insolvenz? (Drs. 16/947) ausgeführt, wurden die vorgenannten Prüfberichte anlässlich der Beteiligung der Verantwortlichen der Göttinger Gruppe an der Partin Bank und des Verbleibs dieser Bank im Einlagensicherungsfonds erstellt. Die darin getroffenen Feststellungen unterliegen der Verschwiegenheitspflicht gemäß 9 des Gesetzes über das Kreditwesen (KWG). Der Staatsanwaltschaft Braunschweig wurden diese Gutachten gemäß 9 Abs. 1 Satz 4 KWG übermittelt, der die Ausnahmefälle regelt, in denen die zur Geheimhaltung Verpflichteten befugt sind, Informationen weiterzugeben. Die Empfänger dieser Informationen unterliegen nach Absatz 1 Satz 5 ebenfalls der Verschwiegenheitspflicht nach 9 Satz 1 KWG. Die Landesregierung ist selbstverständlich an Recht und Gesetz gebunden. Die Entscheidung, ob die im Vorwort der Kleinen Anfrage in Bezug genommenen Gutachten des Prüfungsverbandes Deutscher Banken e. V. zur Göttinger Gruppe veröffentlicht werden, obliegt mithin nicht der Landesregierung. Eine Verletzung der Verschwiegenheitspflicht ist strafbewehrt. Ein Verstoß kann je nach konkreter Fallgestaltung die Straftatbestände der 203 Abs. 2, 204 StGB (Verletzung von Privat- und Geschäftsgeheimnissen, Verwertung fremder Geheimnisse) erfüllen. Darüber hinaus kann eine Strafbarkeit nach 353 b StGB (Verletzung des Dienstgeheimnisses und einer besonderen Geheimhaltungspflicht) gegeben sein. Ferner zieht eine Verletzung der Verschwiegenheitspflicht in der Regel disziplinarische oder arbeitsrechtliche Konsequenzen nach sich. 2

Zu 2: Es gibt keine neuen Gutachtenaufträge. Gegenstand eines Ermittlungsverfahrens gegen Verantwortliche des Göttinger Gruppe Konzernverbundes ist unter anderem der Vorwurf der Insolvenzverschleppung. Nach Abschluss aller angezeigten Ermittlungen hat die Staatsanwaltschaft zu entscheiden, ob Anklage zu erheben ( genügender Anlass zur Erhebung der öffentlichen Klage, 170 Abs. 1 StPO) oder das Verfahren einzustellen ist ( 170 Abs. 2 StPO). Die Staatsanwaltschaft hat die für die Beurteilung des für eine Anklageerhebung erforderlichen sogenannten hinreichenden Tatverdachts notwendigen Tatsachen umfassend zu ermitteln und sämtliche Beweise zu würdigen. Sowohl die Insolvenzverschleppung als auch die Insolvenzstraftaten nach dem Strafgesetzbuch ( 283 ff. StGB) setzen ein Handeln in der Krise, d. h. ein solches bei Überschuldung oder bei drohender oder eingetretener Zahlungsunfähigkeit, voraus. Die Staatsanwaltschaft Braunschweig hat daher die Frage der Überschuldung bzw. der drohenden oder eingetretenen Zahlungsunfähigkeit für sämtliche Gesellschaften der Unternehmensgruppe zu klären. Mit der jeweiligen Begutachtung ist die Wirtschaftsreferentin der Staatsanwaltschaft Braunschweig betraut. Demgegenüber hat die Staatsanwaltschaft Braunschweig keine externen Sachverständigen mit neuen Gutachten beauftragt. Zu 3: Wie bereits in der Antwort zu Frage 2 ausgeführt, sind keine Aufträge an externe Sachverständige vergeben worden. Lediglich die Wirtschaftreferentin der Staatsanwaltschaft Braunschweig ist mit der Erstellung der Gutachten befasst. Zu 4: Das Ermittlungsverfahren 402 Js 51075/04 der Staatsanwaltschaft Braunschweig gegen Verantwortliche der Göttinger Gruppe betrifft Tatvorwürfe der Insolvenzverschleppung, des Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt sowie Buchführungs- und Bilanzierungspflichtverstöße. In dem weiteren Ermittlungsverfahren 402 Js 41982/07 der Staatsanwaltschaft Braunschweig werden Vorwürfe der Untreue und des Bankrotts zum Nachteil des Firmenvermögens sämtlicher Unternehmen des Konzernverbundes der Göttinger Gruppe im Zeitraum der wirtschaftlichen Krise und danach (ab Ende 2005) geprüft. Des Weiteren sind zwei Sammelverfahren - 402 Js 63319/06 und 402 Js 63518/06 - anhängig, in denen zahlreichen (ca. 250) Strafanzeigen atypisch stiller Beteiligter der Göttinger Gruppe wegen Betruges bzw. Kapitalanlagebetruges nachgegangen wird. Die Geschädigten hatten Anzeige erstattet, weil sie die erhofften bzw. in Aussicht gestellten Auszahlungen von Auseinandersetzungsguthaben nach dem jeweiligen Ende der Vertragslaufzeit aufgrund der Insolvenz der Göttinger Gruppe bzw. trotz zivilrechtlicher Vergleichsabschlüsse nicht erhielten. Ermittelt wird in den genannten Sammelverfahren aber auch wegen sämtlicher sonstiger in Betracht kommender Straftaten, wie Untreue zum Nachteil der stillen Beteiligten, Untreue zum Nachteil einzelner Unternehmen der Göttinger Gruppe sowie wegen Verstößen gegen das Kreditwesengesetz. Es werden mithin in den derzeit anhängigen Ermittlungsverfahren gegen die Verantwortlichen der Göttinger Gruppe Vermögens- und Finanzholding GmbH & Co. KG aa und der Securenta Göttinger Immobilienanlagen und Vermögensmanagement AG sowie der Tochterfirmen folgende Straftaten ermittelt: Insolvenzverschleppung gemäß 64 Abs. 1, 84 Abs. 1 GmbHG (bzgl. der GmbHs) bzw. gemäß 130 a Abs. 1 und 4, 130 b und 177 a HGB (bezüglich der GmbH und Co. KG) und gemäß 401 AktG (bzgl. der Aktiengesellschaften) - jeweils nach der zur Tatzeit geltenden Rechtslage, Betrug gemäß 263 StGB und Kapitalanlagebetrug gemäß 264 a StGB, Untreue gemäß 266 StGB, Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt gemäß 266 a StGB, 3

Bankrott gemäß 283 Abs. 1 Nr. 1 StGB, Bilanzierungs- und Buchführungspflichtverletzungen gemäß 283 Abs. 1 Nr. 5 und Nr. 7, 283 b StGB sowie Verstöße i. S. d. 54 KWG. In den Sammelverfahren werden nach Auskunft der Staatsanwaltschaft Braunschweig, die bereits Gegenstand einer entsprechenden Presseberichterstattung war (Göttinger Tageblatt vom 22. Februar 2010), seit Dezember 2009 bislang einzelfall- und anzeigebezogene Einstellungsbescheide gefertigt, da sich nach dem Abschluss der Ermittlungen insoweit, insbesondere nach Auswertung der sichergestellten Daten, kein hinreichender Tatverdacht ergeben hat. Zu 5: Sämtliche in Rede stehenden Straftaten unterliegen der 5-jährigen Verjährungsfrist gemäß 78 Abs. 4 Nr. 3 StGB. Straftaten nach 266 a StGB sind echte Unterlassungsdelikte. Voraussetzung ist daher, dass dem Täter die Erfüllung der Handlungspflicht möglich und zumutbar ist. Die Unmöglichkeit der Zahlung kann auf tatsächlichen oder rechtlichen Gründen beruhen. Auch die Zahlungsunfähigkeit macht die pflichtgemäße Handlung unmöglich (vgl. Fischer, StGB 57. Aufl., 266 a Rn. 14 m. w. N.). Für die Verjährung bedeutet dies, dass die Verjährungsfrist mit dem Erlöschen der Beitragspflicht zu laufen beginnt (Fischer, StGB 57. Aufl., 78 a Rn. 8 m. w. N.). Nach dem bisher vorliegenden Zahlungsunfähigkeitsgutachten für die Securenta AG ist von einer Zahlungsunfähigkeit ab Ende 2005/Anfang 2006 auszugehen. Die Verjährung beginnt mithin frühestens im Dezember 2005. Durch bereits erfolgte verjährungsunterbrechende bzw. verjährungshemmende Maßnahmen ist eine Verjährung vor Ablauf der doppelten Verjährungszeit im Dezember 2015 nicht zu erwarten. Bezüglich der weiteren Unternehmen des Konzernverbundes der Göttinger Gruppe werden laut Mitteilung der Staatsanwaltschaft Braunschweig erforderliche verjährungsunterbrechende Maßnahmen nach Fertigstellung der Zahlungsunfähigkeitsstatii - je nach Ergebnis - unverzüglich geprüft und nötigenfalls umgesetzt werden. Zu 6: Wie bereits in der Antwort zu Frage 2 ausgeführt, sind keine neuen Gutachten in Auftrag gegeben worden. Die Staatsanwaltschaft Braunschweig hat in dem Ermittlungsverfahren 402 Js 51075/04 die Frage der Zahlungsunfähigkeit der Securenta AG geprüft, bevor die Verantwortlichen der Göttinger Gruppe die Eröffnung des Insolvenzverfahrens beantragt hatten. Eine Liquiditätsunterdeckung konnte dabei bis zum Jahresende 2004 nicht festgestellt werden. Das bisher vorliegende Zahlungsunfähigkeitsgutachten für die Securenta AG unter Auswertung der sichergestellten Buchführungsdaten bestätigte dieses Ergebnis und ergab eine Zahlungsunfähigkeit ab Ende 2005/Anfang 2006. Die Ermittlungen - und damit die Begutachtung durch die Wirtschaftreferentin - beschränken sich auf den Zeitraum erst ab dem Jahr 2005 aufgrund der tatbestandlichen Voraussetzungen: Die Insolvenzdelikte gemäß 283 Abs. 1 StGB setzen ein Handeln in der Krise - nämlich bei Überschuldung oder bei drohender oder eingetretener Zahlungsunfähigkeit - voraus, und die Tat ist ferner nur strafbar, wenn der Täter seine Zahlungen eingestellt hat oder über sein Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet oder der Eröffnungsantrag mangels Masse abgewiesen worden ist ( 283 Abs. 6 StGB). Zudem können Zahlungen an Dritte den Tatbestand der Untreue oder des Bankrotts zum Nachteil der juristischen Person nur dann erfüllen, wenn der Täter bei Überschuldung oder bei drohender oder eingetretener Zahlungsunfähigkeit gehandelt hat. Zu 7: Zur Beantwortung verweise ich auf die Antwort zu Frage 19 der vorangegangenen Kleinen Anfrage (Drs. 16/947). Die Staatsanwaltschaft Braunschweig hat die Emissionsprospekte geprüft und dabei die Erkenntnisse externer Gutachten in die Bewertung einbezogen. 4

Zu 8 und 9: Die in der Antwort auf die Frage 19 (Drs. 16/947) erwähnten Gutachten lagen in den folgenden zivilrechtlichen Verfahren vor: Oberlandesgericht Köln - 15 U 58/94 -: Das Gutachten der BDO Deutsche Warentreuhand Aktiengesellschaft vom 14. Februar 1996 sowie die ergänzende schriftliche Stellungnahme der BDO Deutsche Warentreuhand AG vom 20. Mai 1998 wurden im Auftrag des OLG Köln erstattet. Ein weiteres Gutachten des Prof. Dr. Herzig, Universität Köln, vom 25. Mai 2000 ist ebenfalls durch das Oberlandesgericht Köln zur Klärung von Differenzen beauftragt worden. Landgericht Kiel - 6 O 127/99 -: Das Landgericht Kiel hat mit Beweisbeschluss vom 14. Januar 2000 den Diplom-Volkswirt Dr. Jürgen Hansen zum Sachverständigen bestellt. Dieser hat daraufhin im o. g. Verfahren ein Gutachten über steuerliche Vor- und Nachteile der klagenden Prozesspartei durch die Zeichnung von Beteiligungen bei der Göttinger Vermögensanlagen AG erstattet. Oberlandesgericht Celle - 9 U 41/95 -: In dem Verfahren vor dem OLG Celle wurden von der Göttinger Gruppe, konkret der Göttinger Vermögensanlagen AG als Beklagte und Berufungsklägerin, Gutachten namhafter Rechtswissenschaftler vorgelegt. Auf diese Parteigutachten, erstattet von Prof. Dr. Blaurock, Prof. Dr. Medicus und Prof. Dr. Dreher, nahm das Gericht im Urteil vom 15. Mai 1996 Bezug. Ein Gutachtenauftrag durch das Gericht war in diesem Verfahren nicht ergangen. Bernd Busemann (Ausgegeben am 02.03.2010) 5