Volksabstimmung vom 19. Mai 2019

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Transkript:

1 Volksabstimmung vom 19. Mai 2019 Botschaft des Regierungsrates Botschaft zur Volksinitiative «Offenheit statt Geheimhaltung / Für transparente Behörden im Thurgau»

2 Inhalt Worum geht es? 2 Die Vorlage im Überblick 3 1. Ausgangslage 3 2. Ziele der Initiative 3 3. Aspekte der Initiative 3 4. Beurteilung der Initiative 4 5. Parlamentarische Beratung 5 6. Stellungnahme des Initiativkomitees 5 Empfehlung an die Stimmberechtigten 7 Initiativtext 7 Worum geht es? Die Volksinitiative verlangt die Einführung des Öffentlichkeitsprinzips im Kanton Thurgau. Damit sollen die Behörden des Kantons, der Politischen Gemeinden und Schulgemeinden verpflichtet werden, jeder Person Einsicht in die amtlichen Akten zu gewähren. Heute verpflichtet die Kantonsverfassung in 11 Absatz 2 die Behörden, über ihre Tätigkeit zu informieren. In zivil-, straf- und verwaltungsrechtlichen Verfahren haben die Beteiligten zudem einen Anspruch auf Einsicht in Akten, die nicht vertraulich sind. Die Initiative verlangt einen Wechsel vom Geheimhaltungsprinzip (Annahme, dass sämtliche Akten geheim sind und nur in bestimmten Fällen herausgegeben werden dürfen) zum Öffentlichkeitsprinzip (Annahme, sämtliche Akten seien öffentlich mit dem Vorbehalt überwiegender öffentlicher oder privater Interessen). Sie will in 11 der Kantonsverfassung einen Absatz 3 einfügen, wonach der Kanton sowie die Politischen Gemeinden und Schulgemeinden Einsicht in amtliche Akten gewähren, soweit nicht überwiegende öffentliche oder private Interessen entgegenstehen. Die Ausgestaltung der Einzelheiten, insbesondere das anwendbare Verfahren und die Definition der betroffenen mit staatlichen Aufgaben betrauten Stellen, wird dem Gesetz überlassen. Die Abstimmungsfrage lautet: Wollen Sie der Volksinitiative «Offenheit statt Geheimhaltung / Für transparente Behörden im Thurgau» zustimmen?

3 Die Vorlage im Überblick 1. Ausgangslage Artikel 16 Absatz 3 der Bundesverfassung und 6 Absatz 1 Ziffer 4 der Kantonsverfassung gewährleisten das Grundrecht der Informationsfreiheit. Die Kantonsverfassung verpflichtet in 11 Absatz 2 zudem die Behörden aktiv, laufend und rechtzeitig über ihre Tätigkeit zu informieren. Die einzelne Person hat abgesehen vom Petitionsrecht gemäss 12 der Kantonsverfassung hingegen kein Recht, von sich aus Informationen von der Behörde zu verlangen. Die Akten sind nicht öffentlich zugänglich; im Kanton gilt das Geheimhaltungsprinzip. Mit der Volksinitiative «Offenheit statt Geheimhaltung / Für transparente Behörden im Thurgau» soll im Kanton Thurgau das Öffentlichkeitsprinzip eingeführt werden. Danach soll jede Person das Recht auf Einsicht in amtliche Akten der Behörden erhalten, soweit diesem Einsichtsrecht keine überwiegenden öffentlichen oder privaten Interessen entgegenstehen. Das Öffentlichkeitsprinzip wurde mittlerweile in beinahe allen Kantonen sowie beim Bund eingeführt. Im Kanton Thurgau verlangten bereits zwei parlamentarische Vorstösse die Einführung des Öffentlichkeitsprinzips. Eine Einfache Anfrage vom 5. Juli 2006 mit dem Titel «Öffentlichkeitsprinzip und Transparenz der Verwaltung und Behörden» beantwortete der Regierungsrat am 12. September 2006 negativ. Ebenso beantragte er eine Motion vom 29. September 2014 mit der Überschrift «Einführung des Öffentlichkeitsprinzips im Kanton Thurgau» am 25. August 2015 zur Ablehnung. Der Grosse Rat sprach sich sodann am 4. November 2015 mit 79:30 Stimmen gegen die Motion aus. Am 16. März 2018 wurde die Volksinitiative zur Einführung des Öffentlichkeitsprinzips mit 4'265 gültigen Unterschriften bei der Staatskanzlei eingereicht. In seinem Bericht zur Volksinitiative vom 4. September 2018 beantragte der Regierungsrat der vorberatenden Kommission des Grossen Rates, die Volksinitiative zwar für gültig zu erklären, dem Rat aber zur Ablehnung zu empfehlen. Der Grosse Rat erklärte am 13. Februar 2019 die Initiative für gültig und stimmte dem Volksbegehren mit 59 Ja-Stimmen zu 50 Nein-Stimmen zu. 2. Ziele der Initiative Die Initiative verlangt einen Wechsel vom Geheimhaltungs- zum Öffentlichkeitsprinzip. Die Verfassung soll jeder Person das Grundrecht auf Einsicht in amtliche Akten zugestehen. Die Initiative will damit die Transparenz, Glaubwürdigkeit und Verantwortung der Behörden für ihre Tätigkeit erhöhen und somit das Vertrauen der Bevölkerung in die Behörden stärken und erhalten. 3. Aspekte der Initiative 3.1 Neue Informationspolitik Die Kantonsverfassung verpflichtet die Behörden in 11 Absatz 2, dass sie über ihre Tätigkeit informieren. Die Behörden haben dabei eine Art Bringschuld gegenüber der Bevölkerung, wobei es in ihrem Ermessen steht, welche Informationen sie mitteilen. Mit dem Öffentlichkeitsprinzip kommt als zusätzlicher Pfeiler die Pflicht hinzu, Einsicht in amtliche Akten zu gewähren. Es liegt dabei eine Holschuld vor: Wer Informationen will, muss beantragen, sie zu bekommen. Das Öffentlichkeitsprinzip regelt somit die Information auf Anfrage. Durch die Volksinitiative sollen verfassungsrechtlich der Anspruch und das Recht auf Einsicht in amtliche Akten gewährt werden. Will die Behörde die Akteneinsicht verweigern, obliegt ihr eine Begründungspflicht.

4 3.2 Anspruch auf Akteneinsicht Nach dem Initiativtext gewähren der Kanton sowie die Politischen Gemeinden und Schulgemeinden Einsicht in amtliche Akten, soweit nicht überwiegende öffentliche oder private Interessen entgegenstehen. Das Akteneinsichtsrecht kann von der Behörde somit nur wegen überwiegender öffentlicher oder privater Interessen eingeschränkt werden. Überwiegende öffentliche Interessen sind beispielsweise die Gefährdung der öffentlichen Sicherheit, die Vereitelung behördlicher Massnahmen oder die Verursachung eines unverhältnismässigen Aufwands. Als überwiegende private Interessen gelten vor allem der Schutz der Privatsphäre sowie das Berufs-, Geschäfts- und Fabrikationsgeheimnis. Überwiegen diese Interessen, wird die Einsicht in die amtlichen Akten teilweise oder gänzlich verweigert. Andernfalls ist der Zugang zu den amtlichen Akten zu gewähren. In der Verfassung wird das Öffentlichkeitsprinzip lediglich im Grundsatz festgesetzt. Entsprechend dem Initiativtext sind die Einzelheiten des neuen Akteneinsichtsrechts, so insbesondere das Verfahren und die betroffenen mit staatlichen Aufgaben betrauten Stellen in einem Gesetz zu regeln. Wie weit der Kreis der unterworfenen Institutionen gezogen werden soll, ist offen. Das entsprechende Gesetz hat dabei die Zuständigkeiten und die Ausnahmetatbestände vom Öffentlichkeitsprinzip festzulegen. Auch wird der Rechtsschutz bei einer Verweigerung der Akteneinsicht gesetzlich festgeschrieben. 3.3 Übergangsbestimmungen Der Initiativtext schränkt das Einsichtsrecht in zeitlicher Hinsicht ein. Einsicht wird demnach nur in amtliche Akten gewährt, die nach der Annahme der Volksinitiative erstellt oder empfangen wurden. Das heisst, die Einsicht in erstellte und empfangene Akten vor dem 19. Mai 2019 wird nicht gewährt. Es soll nicht Einsicht in Aktenbestände verlangt werden können, die Jahre oder Jahrzehnte zurückliegen. Wird die Initiative vom Volk angenommen, hat der Gesetzgeber drei Jahre Zeit, das notwendige Gesetz zu erlassen. Tritt das Gesetz nicht innert dieser Frist in Kraft, muss der Regierungsrat durch eine Verordnung die Ausführungsbestimmungen zum Öffentlichkeitsprinzip erlassen. 4. Beurteilung der Initiative Der Regierungsrat und die kantonale Verwaltung kommen bis heute nach bestem Wissen und Gewissen den rechtlichen Verpflichtungen zur Information der Öffentlichkeit nach. Die Behörden informieren proaktiv und transparent. Die Verwaltung bemüht sich zudem, fortlaufend die wichtigsten Informationen, Berichte, Dokumente und dergleichen der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Dasselbe gilt auch für die Politischen Gemeinden und Schulgemeinden. Die bisherige Informationspolitik hat sich seit Jahren bewährt und wird geschätzt. Die Einführung des Öffentlichkeitsprinzips hätte nicht zur Folge, dass wesentlich grössere Aktenbestände als heute zugänglich wären. So könnte beispielsweise keine Einsicht in laufende zivil-, straf- und verwaltungsrechtlichen Verfahren gegeben werden, weil diese aufgrund der eidgenössischen Zivil- und Strafprozessordnung sowie des kantonalen Verwaltungsrechtspflegegesetzes oder anderer Spezialgesetze von Bund und Kanton vom Öffentlichkeitsgesetz ausgenommen sind. Hinzu kommt, dass die Behörden auch weiterhin an das Amtsgeheimnis nach 15 der Kantonsverfassung gebunden sind. Mit der Einführung des Öffentlichkeitsprinzips wird die zuständige Behörde bei jedem Einsichtsgesuch prüfen müssen, ob der Einsicht überwiegende öffentliche oder private Interessen entgegenstehen. Diese Prüfung wird insbesondere für kleinere Gemeinden und die Schulbehörden einen nicht unwesentlichen Aufwand mit sich bringen, der zeitliche

5 und finanzielle Ressourcen bindet. Bei einem umfangreichen Einsichtsgesuch kann die Bearbeitung ohne weiteres mehrere Tage in Anspruch nehmen. Das Öffentlichkeitsprinzip soll gemäss der Übergangsbestimmung von 99a Absatz 1 der Kantonsverfassung auf amtliche Akten anwendbar sein, die nach der Annahme der Initiative erstellt oder empfangen werden. Diese Bestimmung legt fest, in welche Akten Einsicht verlangt werden kann. Sie beschränkt das Öffentlichkeitsprinzip auf neue Akten. Es soll keine Rückwirkung auf bestehende Akten geben (Rückwirkungsverbot). Gesuche um Einsicht in diese Akten können allerdings erst gestellt werden, wenn die Ausführungsbestimmungen erlassen sein werden. Beispiel: Träten die Ausführungsbestimmungen auf den 1. Juli 2021 in Kraft, könnte ab dann Einsicht in Akten verlangt werden, die am 20. Mai 2019 erstellt worden sind, nicht aber in Akten, die älter sind. Ein Einsichtsgesuch, das am 21. Mai 2019 für Akten vom 20. Mai 2019 gestellt würde, wäre abzuweisen. Die Übergangsbestimmung von 99a Absatz 2 der Kantonsverfassung verlangt, dass der Regierungsrat die nötigen Ausführungsbestimmungen durch Verordnung erlässt, wenn die entsprechende Gesetzgebung nicht innerhalb von drei Jahren in Kraft tritt. Bleibt das Parlament also drei Jahre lang untätig, erlässt der Regierungsrat die Ausführungsbestimmungen. 5. Parlamentarische Beratung Der Grosse Rat befand an seiner Sitzung vom 13. Februar 2019 über die Volksinitiative. Den zu Beginn der Sitzung gestellten Antrag auf Rückweisung an die vorberatende Kommission lehnte der Rat mit 92 zu 19 Stimmen ab. Schliesslich stimmte das Parlament mit 59 zu 50 Stimmen der Initiative zu. Für die Gegnerschaft der Volksinitiative funktioniert die bisherige Informationspraxis der Behörden zuverlässig und kostengünstig. Die Zuständigkeiten und Pflichten zur Information sind nach ihrer Auffassung im Kanton Thurgau bereits heute klar geregelt. 6. Stellungnahme des Initiativkomitees «Ausgangslage Aktuell gilt im Kanton Thurgau das Geheimhaltungsprinzip. Die Behörden entscheiden, worüber informiert wird. Der Thurgau hat in dieser Frage Exotenstatus. Denn der Bund und 21 andere Kantone kennen das Öffentlichkeitsprinzip, d.h. es besteht ein Recht der Bevölkerung auf Einsicht in amtliche Akten, sofern nicht überwiegende öffentliche oder private Interessen entgegenstehen. Was will die Initiative? Sie dreht die Beweislast Heute: Ich muss beweisen, weshalb ich Einsicht in Dokumente will. Neu: Die Behörde muss beweisen, weshalb sie mir keine Einsicht gewährt. Argumente für ein Öffentlichkeitsprinzip Der Öffentlichkeitsgrundsatz ist heute in der Schweiz Standard. Eine direkte Demokratie braucht verlässliche und unabhängige Informationen. Wer Steuern zahlt, darf wissen, wie das bezahlte Geld verwendet wird. Politik soll nicht in der Verwaltung gemacht werden. Transparent arbeitende Behörden sollen gesetzlichen Rückhalt erhalten. Das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die Behörden wird gestärkt. Die Filterung von Informationen durch die Behörden ist undemokratisch.

6 Beispiele zeigen die Notwendigkeit auf: Fall Hefenhofen: Der Untersuchungsbericht zum Tierschutzskandal Hefenhofen empfiehlt ausdrücklich die Einführung des Öffentlichkeitsprinzips zur transparenten Kommunikation. Arbeitsvergaben: Man munkelt, die Schulgemeinde vergebe die Malerarbeiten stets der Firma des Schulpflegers. Fragt man nach, heisst es, das unterstehe dem Amtsgeheimnis. Entsteht mehr Bürokratie? Dafür gibt es in der Praxis keinerlei Anhaltspunkte. Im Kanton Zug zum Beispiel ist das Öffentlichkeitsgesetz kurzgefasst. Das Einsichtsrecht durch die Bevölkerung wird massvoll wahrgenommen. In der Verwaltung ist kein zusätzlicher Personalbedarf entstanden. Die Erfahrungen beim Bund und den anderen Kantonen sind ebenfalls positiv. Ist der Datenschutz gewährt? Ja, auf jeden Fall. Persönliches zu Privatleben, Gesundheit, Sozialhilfe, Steuern, Einkommen, Vermögen oder Stipendien bleibt auch beim Öffentlichkeitsgesetz geschützt. Können so Behörden überhaupt noch erfolgreich arbeiten? Ja. Vom Einsichtsrecht wird erfahrungsgemäss nur selten Gebrauch gemacht. Und was die öffentliche Sicherheit oder heikle Verhandlungen angeht, bleibt geschützt. Mauscheleien nehmen aber ab, da Behörden wissen, dass sie dabei ertappt werden könnten.»

7 Empfehlung Initiativtext Empfehlung an die Stimmberechtigten Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger Der Grosse Rat empfiehlt Ihnen mit 59:50 Stimmen, die Volksinitiative «Offenheit statt Geheimhaltung / Für transparente Behörden im Thurgau» anzunehmen. Der Initiativtext lautet: «Die Thurgauer Verfassung wird wie folgt geändert (kursiv): 11 Öffentlichkeit 1 Rechtssetzende Erlasse müssen veröffentlicht werden. 2 Die Behörden informieren über ihre Tätigkeit. 3 Der Kanton sowie die politischen Gemeinden und Schulgemeinden gewähren Einsicht in amtliche Akten, soweit nicht überwiegende öffentliche oder private Interessen entgegenstehen. 4 Das Gesetz regelt die Einzelheiten, insbesondere das anwendbare Verfahren. 99a Übergangsbestimmungen zu 11 Abs. 3 und 4 Die Präsidentin des Regierungsrates Cornelia Komposch Der Staatsschreiber Dr. Rainer Gonzenbach 1 11 Abs. 3 ist auf amtliche Akten anwendbar, die nach der Annahme dieser Verfassungsbestimmung durch das Volk von einer Behörde erstellt oder empfangen wurden. 2 Tritt die entsprechende Gesetzgebung nach Annahme von 11 Abs. 3 und 4 nicht innerhalb von drei Jahren in Kraft, so erlässt der Regierungsrat die nötigen Ausführungsbestimmungen durch Verordnung.»

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