Nukleosynthese. A. Weiss (Max-Planck-Institut für Astrophysik, Garching, Germany)

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Transkript:

Nukleosynthese A. Weiss (Max-Planck-Institut für Astrophysik, Garching, Germany) 27. April 2012

Inhaltsverzeichnis 1 Einleitung 2 1

Kapitel 1 Einleitung Gegenstand Nukleosynthese ist der Teil der Astrophysik, der sich mit der Herkunft, der Erzeugung, und auch der Verbreitung der chemischen Elemente im Universum beschäftigt. Man muss sich die grundlegende Tatsache vor Augen halten, dass alle Atome unseres eigenen Körpers, aber auch die der Erde zu früheren Zeiten in Sternen erzeugt wurden. Woher kamen die Bausteine, die dafür benötigt werden? Welche Elemente wurden wo erzeugt? Gibt es immer wiederkehrende Element- Verhältnisse? Wurden alle Elemente gleichzeitig erzeugt? Der Teil der Physik, der die physikalischen Prozesse der Elemententstehung oder -umwandlung beschreibt, ist die Kernphysik. Sie befasst sich mit dem Aufbau der Atomkerne, ihren Bausteinen, ihrer Struktur, ihrer Stabilität, und den Wechselwirkungen zwischen den Bausteinen. Die Elektronenhülle, die mit dem Kern das Atom bildet und für elektrische Neutralität sorgt, ist Gegenstand der Atomphysik, und hier weitgehend ohne Interesse für uns. Die Bindungsenergie 1 der Elektronen ist von der Größenordnung E atom = 1 2 α2 m e c 2 10 ev (1.1) Dagegen sind die Bindungsenergien der Atomkerne von der Größenordnung E nuk = η(α/2π)m p c 2 η 1MeV, (1.2) wobei α = ( e 2 /hc ) 1/137 die Feinstrukturkonstante ist (e = Ladungseinheit) und η ein Vorfaktor, der die quantenmechanischen Effekte (Tunneleffekt) symbolisieren soll. Es ist also klar, dass wir im Universum nach Orten suchen müssen, an denen hohe Temperaturen von bis zu 10 10 K herrschen müssen (tatsächlich ist diese Zahl um einen Faktor 10 2 bis 10 4 zu hoch), denn dort wird es möglich sein, die Atomkerne auf- oder umzubauen. Geeignete Bedingungen findet man vor allem in Sternen und ganz zu Beginn des Universums, im Urknall. Alternativ zu diesen thermischen Prozessen kann man allerdings auch nicht-thermische finden ( Beschleuniger ), in denen genügend hohe Energien erreicht werden. Das Interesse der Astrophysik richtet sich somit auf Orte, an denen Nukleosynthese stattfinden kann, die Bedingungen, die dort herrschen, und wie sie die Abfolge der Synthese beeinflussen, etc. Nukleosynthese kann man also nicht ohne Verständnis der Orte der Nukleosynthese betreiben, insbesondere, weil diese Orte während der Nukleosynthese veränderliche physikalischen Bedingungen aufweisen können. 1 Energien werden in der Atom- und Kernphysik in ev angegeben; 1eV = 11605K = 1.6 10 12 erg 2

Abbildung 1.1: Absorptions-Spektrum der Sonne mit Fraunhofer-Linien Wir werden daher in dieser Vorlesung folgende Themen betrachten müssen: Elementhäufigkeiten im Universum Beobachtungen, Spektralanalyse, Resultate Kernphysikalische Grundlagen Kernphysikalische Prozesse Kernsynthese im Urknall Kernsynthese in Sternen 1. in ruhigen Brennphasen 2. in Explosionen kosmische Strahlung Schlüsselelemente Nukleosynthese und Energiegewinnung (Kernfusion) Die Sonne... Übersicht Wir werden uns zunächst mit den Elementhäufigkeiten im Universum und den Beobachtungen beschäftigen, die uns Aussagen darüber liefern. Generell kann die Häufigkeit eines chemischen Elements und auch seiner Isotope aus der Spektralanalyse des Lichts gewonnen werden. Dabei macht man sich die Eigenschaft der Atome zunutzen, dass sie, je nach Temperatur und Dichte des Gases, und vor allem in Abhängigkeit von der Zahl der Atome einer Sorte, Licht bei festen Wellenlängen absorbieren. Ein kontinuierliches Schwarzkörper-Spektrum einer Hintergrundquelle zeigt somit dunkle Linien ( Fraunhofer-Linien ; s. Abb. 1.1) bei festen Wellenlängen, die das absorbierende Element charakterisieren. Die Tiefe der Linie gibt dann im Wesentlichen Aufschluss über die Häufigkeit dieses Elements. In den meisten Fällen stammt das Licht von der Oberfläche (der Photosphäre eines Sterns. Durch die Spektralanalyse erfahren wir also nur, welche Elemente sich dort befinden, aber nichts über die chemische Zusammensetzung im Inneren. Dazu benoötigen wir die Theorie des Sternaufbaus. Dennoch liefert die Spektralanalyse wertvolle Hinweise auf die Bedingungen im Innern und auf die frühere Entwicklung des Sterns. Sehr vereinfacht haben wir folgendes Bild über die Elementhäufigkeiten im Universum: 3

1. die Elementhäufigkeiten sind überall sehr ähnlich; aber die kleinen Unterschiede sind sehr relevant! 2. Wasserstoff ist das häufigste Element mit ca. 70% (Massenanteil) 3. Helium ist das zweithäufigste Element mit ca. 28% 4. alle anderen Elements machen zusammen zwischen 0.0001 und 0.04 der Masse aus; die Unterschiede in deren Häufigkeiten sind die Schlüssel zum Verständnis der chemischen Geschichte des Universums 5. dabei ist Sauerstoff das wichtigste dieser Metalle 2 mit ca. 50% Anteil in dieser Gruppe 6. weitere relativ häufige Elemente sind Kohlenstoff, Stickstoff, Neon, Eisen 7. alle chemischen Elemente, solange sie stabil sind oder Zerfallszeiten haben, die dem Alter des Universums entsprechen, wurden im Universum gefunden. Burbidge (Margaret), Burbidge (Geoffrey), Fowler 3 und Hoyle haben 1957 eine sehr wichtige Arbeit geschrieben, die nur noch als B 2 FH zititert wird, und in der das damalige Wissen um die Entstehung der Elemente erstmals zusammenfassend beschrieben wurde. Dieses Bild ist heute noch in weiten Teilen gültig. Danach sind die Elemente folgendermaßen entstanden: H und He im Urknall, alles andere im Wesentlichen in Sternen He auch in Sternen leichte Elemente, von Lithium bis Silizium in gewöhnlichen Sternen bis zum Ende ihres Lebens schwerere Elemente und seltene Erden in speziellen Phasen der Entwicklung von Sternen, meist auch nur in Sternen bestimmter Massen die sehr schweren Elemente in explosiven Brennphasen bei sehr hohen Energien (Supernovae, verschmelzende Neutronensterne, Akkretionstori um Schwarze Löcher?) Die speziellen relativen Element- und Isotopenhäufigkeiten stellen sich oft durch spezielle Situationen ein. Daher können wir aus ihnen auf das Innere von Sternen und die dortigen Bedingungen schließen. Als nächstes wenden wir uns der Kernphysik und Kernreaktionen im allgemeinen Sinne zu. Atomkerne bestehen aus Protonen und Neutronen. Sie sind am stabilsten, wenn etwa die gleiche Anzahl von Protonen und Neutronen vorhanden sind. Instabile Kerne zerfallen, oft durch β-zerfall (Positronen-Zerfall) oder auch Elektronen- Einfang. Betrachtet man die Masse eines Kerns im Vergleich zur Summe der Massen seiner Bestandteile, ergibt sich, dass diese Summe größer ist, der Kern stellt also einen energetisch günstigeren Energiezustand dar. Die Energiedifferenz ist die Bindungsenergie eines Kerns mit Massenzahl A und Ladungszahl Z B(A,Z) = c 2 [Zm p +(A Z)m n m nuc ] = c 2 m (1.3) m nennt man den Massendefekt. Er liefert fast ausschließlich die Energie, die Sterne von ihrer Oberfläche abstrahlen. Für Helium ist z.b. B(4,2) = 26.7MeV. Diese Energie kann gewonnen werden, wenn vier Protonen zu Helium fusionieren. 2 In der Astronomie/Astrophysik werden alle Elemente außer H und He als Metalle bezeichnet, unabhängig, ob sie physikalisch oder chemisch wirklich solche sind. 3 Nobelpreis 1983 für seine Beiträge zur Nukleosynthese 4

Die Bindungsenergie pro Nukleon (für 4 He sind das 6.68 Mev) liegt immer bei etwa 8 MeV und hat ein Maximum bei 56 Fe (8.5 MeV). Das bedeutet, dass man am meisten Energie aus Nukleonen-Fusion gewinnt, wenn man 56 Fe aufbaut. Für schwerere Kerne dagegen muss schon wieder Energie aufgewendet werden. Die Bindung ergibt sich daraus, dass bei sehr kurzen Entfernungen die anziehende starke Wechselwirkung dominiert. Um aber Reaktionsteilnehmer, vor allem die positiv geladenen Protonen, dorthin zu bringen, muss erst die Couloumb-Abstoßung überwunden werden. Dazu benötigt man Energien von etwa 1 MeV. Dies entspräche Temperaturen von 10 10 K. Tatsächlich helfen aber quantenmechanische Effekte mit, den Potential-Berg zu überwinden. Am wichtigsten ist dabei der Tunneleffekt, der von Gamow gefunden wurde. Dadurch können Nukleonen mit nur einem Bruchteil der Energie zu kleinen Radien gelangen, wo sie von der starken Wechselwirkung gebunden werden. Der Tunneleffekt ist vor allem für nicht-resonante Reaktionen wichtig. Außerdem kann der Energiezustand des resultierenden Kerns einen angeregten Zustand haben, in den zu kommen bei bestimmten, resonanten Energien leichter ist. Daher sind typische Temperaturen, bei denen Kernreaktionen ablaufen, meist deutlich niedriger als der Coulomb-Wall andeuten würde. Da die Stärke der Coulomb-Abstoßung mit der Ladung der Reaktionsteilnehmer zunimmt, können tendenziell schwerere Kerne nur bei höheren Temperaturen erzeugt werden als leichtere. Daher findet in Sternen die Nukleosynthese als eine Abfolge von Brennphasen statt, in denen jeweils mehr oder weniger getrennt leichte zu schwereren Elemente fusioniert werden. Diese hydrostatischen Brennphasen werden wir im Detail betrachten. Im Wechselspiel mit der Struktur der Sterne ergibt sich, dass dies alles eine Zwiebelschalenstruktur der Elemente in einem Stern hinterlässt (Abb.??). Am Ende eines Sternlebens kann eine explosive Phase stehen (am bekanntesten und spektakulärsten sind wohl Supernovae). In dieser sind die Temperaturen so hoch, dass alle Elemente gleichzeitig erzeugt und auch wieder zerstört werden können. Oft stellt sich dann ein Gleichgewicht ein, in dem die Häufigkeit eines Kerns aufgrund seiner Masse (Energie) gegeben ist. Das ist das nukleare statistische Gleichgewicht, das uns ebenfalls beschäftigen wird. Im Vergleich zu den Reaktionen, in denen Coloumb-Wälle überwunden werden müssen, sind direkte Neutronen-Enfänge energetisch viel leichter zu bewerkstelligen. Daher werden viele schwere, seltene Elemente auf diesem Weg bei relativ niedrigen Temperaturen erzeugt. Allerdings sind freie Neutronen sehr selten. Man braucht also eine Neutronen-Quelle. Kerne mit sehr vielen Neutronen sind aber schnell instabil, und zerfallen über β-zerfälle, die durch die elektroschwache Wechselwirkung definiert und temperaturunabhängig sind. Die Prozesse des Neutroneneinfangs und der β-zerfälle heißen s- und r-prozess. Schließlich werden wir den Beginn der Kernsynthese im frühen Universum, während des Big Bang (Urknall), besprechen. Damals wurden aus Protonen und Neutronen nur wenige Elemente erzeugt, vor allem 4 He, 3 He, 7 Li, 2 D. Wie der Wettlauf zwischen Reaktionen und Abkühlung des Universums verlief, ist der Schlüssel zum Verständnis dieser frühesten Epoche der Geschichte des Weltalls und der Interpretation der Beobachtungen dieser Elemente. Big Bang Nukleosynthese ist einer der Grundpfeiler der Theorie des heißen Urknalls und des expandierenden Universums. Neben anderen, eher exotischen Kernprozessen, wie zum Beispiel der Spallation von Kernen durch hochenergetische Teilchen der kosmischen Strahlung, werden wir dann noch die Prozesse im Innern der Sonne besprechen, weil es hier gelungen ist, die Kernprozesse direkt nachzuweisen. Das gelang, weil in den Beta-Zerfällen auch Neutrinos entstehen, die den Stern ungehindert und mit Lichtgeschwindigkeit verlassen und in irdischen Detektoren gemessen werden können. Das bekannte Sonnenneutrino-Problem hat vor wenigen Jahren eine Lösung gefunden, die das Bild der Elementarteilchen-Physik verändert hat. Abbildung 1.2 zeigt, wieviele Neutrinos 5

Abbildung 1.2: Erwartete und gemessene Neutrinos aus dem Inneren der Sonne von der Sonne in den verschiedenen Experimenten erwartet wurden (aufgespaltet nach Kernreaktion, die die νs erzeugt), und wieviele tatsächlich gemessen wurden. Das Defizit in den frühen Experimenten stellte das solare Neutrino-Problem dar. 6