Lernfeldorientierter Ansatz in der Berufsausbildung Chancen und Risiken



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Transkript:

Lernfeldorientierter Ansatz in der Berufsausbildung Chancen und Risiken Harald Linke, Holger Rohland Didaktik der Informatik Technische Universität Dresden Hans-Grundig-Straße 25 01307 Dresden hl7@inf.tu-dresden.de hr8@inf.tu-dresden.de Abstract: Der vorliegende Beitrag beschreibt unseren Standpunkt zur aktuellen Diskussion zum lernfeldorientierten Ansatz in der Berufsausbildung. Ausgehend von der Analyse bestehender alter (fachsystematisch konzipierter) und in Ansätzen neuer (lernfeldorientierter) Lehrpläne der sächsischen Berufsfachschule soll der Versuch unternommen werden, den scheinbaren Widerspruch zwischen Fachsystematik einerseits und Lernfeldorientierung andererseits aufzulösen. Im Ergebnis ist ein Modell entstanden, welches eine Kombination zwischen Fach- und Lernfeldsystematik und daraus folgende Notwendigkeiten für die Entwicklung brauchbarer Curricula darstellt. Das Modell scheint geeignet, einige wesentliche Kritikpunkte des reinen Lernfeldkonzepts zu entkräften. 1 Vorbemerkungen Die Einführung des Lernfeldkonzepts als Strukturvorgabe für die Rahmenlehrpläne durch die KMK zielte darauf ab, den im Jahre 1995 formulierten Grundkonsens, nach dem der Unterricht der Berufsschule grundsätzlich handlungsorientiert sein soll, abzustützen. Damit will man dem Problem der Trennung der Lernorte im dualen System (Betrieb und Schule) mit völlig unterschiedlichen Vermittlungsansätzen begegnen. Seit der Einführung dieses Konzepts in der dualen Ausbildung vor nunmehr ca. 5 Jahren (aufgrund der zeitlichen Nähe zur Einführung besonders ausgeprägt und vollständig realisiert im Bereich der dualen IT Berufe) hat sich eine breite Diskussion zu diesem Ansatz entwickelt. Dabei ist ein sehr großes Spektrum an Meinungen zu registrieren. Diese reichen von vorbehaltloser Unterstützung bis hin zu klarer Ablehnung des Lernfeldkonzepts. 249

2 Pro und Kontra Der entscheidende Vorteil der Lernfelder liegt nach Bader (vgl. [Ba98]) in deren Orientierung an betrieblichem Handeln, wobei er betont, dass "Lernfelder nicht einfach in den Unterricht abgebildete berufliche Handlungsfelder (sind), sondern didaktischmethodische Konstrukte, die durch Reflexion und Rekonstruktion beruflichen Handelns gewonnen werden." Damit seien "Lernfelder... didaktisch begründete und für den Unterricht aufbereitete Handlungsfelder." Insbesondere diese Angleichung betrieblichen und schulischen Lernens heben die Befürworter dieses Konzepts hervor. Sie sehen dabei die wesentlichen Vorteile darin, dass: - Lernfeldlehrpläne die Möglichkeit eröffnen, betriebliches Handeln zum zentralen Gegenstand des Unterrichts zu machen. - solche Curricula die Aufnahme neuer Lerninhalte ermöglichen und einen neuen didaktischen Ansatz zu deren Vermittlung darstellen. - damit Kompetenzen im Sinne umfassender beruflicher Handlungskompetenz integriert werden können, die bisher durch Fächer voneinander getrennt waren. Dem kann im Grundsatz zugestimmt werden, jedoch gehen die daraus erwachsenden Chancen mit einer Vielzahl von Problemen und Risiken einher. Die wesentlichen Kritikpunkte am Lernfeldkonzept beziehen sich vor allem auf folgende Sachverhalte: - Lernfeldlehrpläne enthalten keine verbindlichen Vorgaben zu fachlichen Kompetenzen. - Die Tätigkeit auf Lehrplanebene wird auf den Lehrer verlagert, der das weder fachlich noch zeitlich im geforderten Umfang realisieren kann. - Offene Lehrpläne stehen im diametralen Gegensatz zu zentralen Prüfungen, die Prüfungsanforderungen wirken als "heimlicher Lehrplan". - Es entstehen massive Probleme auf Seiten der Schulorganisation (Unterrichtsplanung, -taktung, Lehrerarbeitszeiten etc.). - Lehrer tun sich schwer mit den (scheinbar?) höheren Anforderungen an ihre eigene Tätigkeit. Der schwerwiegendste Kritikpunkt wird am treffendsten durch folgende Aussage von Hansis (vgl. [Ha00]) widergespiegelt: 250

"Handlungs- und Fachsystematik stehen in einem komplementären Verhältnis. Das gilt für die curricularen Ebenen ebenso wie für die unterrichtliche Ebene. Lernfeldstrukturierte Lehrpläne kommunizieren sich nicht ausreichend selbst, die umfängliche curriculare Ausgestaltung vor Ort benötigt ebenso wie die unterrichtliche Umsetzung Angaben über die handlungs- wie über die fachsystematischen Bezüge in den Rahmenlehrplänen. Der Rückgriff auch auf Fachstrukturen ist sowohl inhaltlich didaktisch als auch unterrichtsorganisatorisch geboten. Das Konzept wird dadurch nicht gefährdet, eher gefördert." Selbst Bader (vgl. [BA99]) gibt zu bedenken, dass "der eigentliche Kern des Problems, nämlich durch welche Art von Systematisierung die Entwicklung von Handlungskompetenz am wirkungsvollsten gelingt,... wissenschaftlich noch weitgehend ungeklärt (ist)"! Das im folgenden beschriebene Modell soll versuchen, einen Kompromiss zwischen fachsystematischer Aneignung von Wissen und handlungsorientierter Lösung von berufsspezifischen Problemen herzustellen und nicht das Lehren und Lernen in Lernfeldern zum neuen Dogma der Unterrichtsgestaltung in der Berufsausbildung werden zu lassen. 3 Säulenmodell 3.1 Ansatzpunkt Ausgangspunkt aller hier dargelegten Überlegungen waren Arbeiten im Rahmen zweier Projekte zur wissenschaftlichen Begleitung der Einführung der Ausbildungsrichtungen Assistent/Assistentin für Softwaretechnologie und Assistent/Assistentin für Multimedia an der Berufsfachschule für Technik an den öffentlichen Schulen des Freistaates Sachsen. Die Evaluierung der bestehenden Lehrpläne zeigte recht schnell die Notwendigkeit, ein Modell zu entwickeln, welches die Vorzüge eines fachsystematischen Vorgehens mit denen des lernfeldorientierten Ansatzes verknüpft. Neben der Analyse der bestehenden Lehrpläne und einer intensiven Betrachtung des Meinungsspektrums zum Thema konnten dabei auch eigene langjährige Erfahrungen der Autoren in der Planung und Gestaltung von Unterricht an berufsbildenden Schulen einfließen. Ansatzpunkt für das Modell ist, dass die positiven Aspekte des Lernfeldkonzepts bislang vor allem deshalb nicht zum Tragen gekommen sind, weil dessen Einführung einen gravierenden Bruch im vom Schüler erlebten Grundansatz von Unterricht darstellte. Der abrupte Übergang von Fachkonzept der allgemeinbildenden Schule zum Lernfeldkonzept in der beruflichen Bildung sollte unserer Meinung nach durch einen schrittweisen Übergang ersetzt werden. Der Lernende braucht klar definierte fachliche Voraussetzungen für das Arbeiten im Lernfeld und muss das "Lernen in Lernfeldern" lernen. 251

Dem trägt das Modell dahingehend Rechnung, als dass die Vermittlung von Wissen am Beginn der Ausbildung in Form von fachsystematischen Unterweisungen erfolgt, während der lernfeldorientierte Ansatz erst im weiteren Verlauf der Ausbildung zum Tragen kommt. Die genannte Vorgehensweise schafft nicht nur den erforderlichen schrittweisen Übergang vom Fach- zum Lernfeldkonzept, sondern - löst den Widerspruch zwischen notwendiger didaktischer Reduzierung und der Komplexität von Lernfeldern; - leistet einen entscheidenden Beitrag zur Vermittlung fachsystematischer Herangehensweisen an die Erarbeitung neuen Stoffs und legt somit den wesentlichen Grundstein für das heute und in Zukunft unabdingbare lebenslange individuelle Lernen; - erhöht die Akzeptanz des Lernfeldkonzepts bei den Lehrenden, die gleichfalls ihre Lehrmethoden nur schrittweise umstellen müssen. Im weiteren Verlauf der Ausbildung bietet sich dann der Lernfeldansatz an, um die Fachkompetenzen mit Sozial- und Personalkompetenz in Handlungskompetenz umzusetzen. Hier kann der Lehrer dann auf fundierte fachsystematisch erworbene Kenntnisse zurückgreifen, diese in komplexen Aufgabenstellungen vertiefen und verknüpfen. Die Prägung von "soft skills" im Rahmen von kooperativem Arbeiten und Lernen wird hier ihren zentralen Beitrag dazu leisten, berufliche Handlungskompetenz im Sinne gegenwärtigen "Verwendungsbedarfs" herauszubilden. 3.2 Allgemeines Modell Das oben beschriebene Vorgehen lässt sich zunächst einmal allgemein am Besten mit dem folgenden Säulenmodell charakterisieren. Unter Lernen in komplexen Lernsituationen (vgl. *) soll dabei die Vermittlung von Fähigkeiten in folgenden Bereichen verstanden werden: - Ideensammlung (durch Einsatz von Techniken wie Brainstorming oder Mindmapping) - Problemlösen (Analyse und Zerlegung komplexer Probleme durch TOP Down Entwurf) - Projektmanagement (durch Einsatz geeigneter Software) - Teamarbeit (schrittweise Vergrößerung des Teams: Einzel-, Partner-, Gruppenarbeit) 252

Ausbildungsverlauf Handlungsorientiertes Vertiefen und Anwenden der erworbenen Kompetenzen (Lernfeld) Fachsystematische Unterweisung 1 Projektarbeiten Fachsystematische Unterweisung 2 Fachsystematische Unterweisung n Lernen in ko mplexen berufsbezogenen Lernsituationen (*) Abb 1 - allgemeines Säulenmodell Ausgehend von diesem Modell ist es also erforderlich: I. einen Kanon an fachsystematischen Unterweisungen für die Kernqualifikation am Beginn der Ausbildung und II. ein Lernfeldspektrum für den weiteren Verlauf der Ausbildung zu definieren, sowie III. die grundsätzlichen Anforderungen an die unterschiedliche Gestaltung von Lehrplänen in diesen beiden Bereichen zu beschreiben Exemplarisch sollen an dieser Stelle der Kanon notwendiger fachsystematischer Unterweisungen, Beispiele für Lernfelder und für Lehrpläne im Bereich der IT Assistentenausbildung an der sächsischen Berufsfachschule dargestellt werden. 3.3 Fachsystematik am Beginn der Ausbildung Im Bereich der IT Assistentenausbildung an der Berufsfachschule gibt es gegenwärtig eine unüberschaubare Vielfalt von Berufen. Im Rahmen der Projekte wurde die Notwendigkeit der Entwicklung eines einheitlichen Berufsbildes "IT Assistent" mit einer technik- bzw. anwendungsorientierten Spezialisierung herausgearbeitet. Damit soll vor allem für die Unternehmen eine wesentlich höhere Transparenz der Ausbildung und damit verbunden auch eine höhere Akzeptanz der Abschlüsse erreicht werden. 253

Im Interesse der möglichst vielseitigen Einsetzbarkeit der Absolventen war eine einheitliche Grundausbildung eine weitere Prämisse. Aus diesem Grund wurde ein Kanon an fachspezifischen Unterweisungen entwickelt, der - allen Schülern Kernkompetenzen im IT Bereich verschafft - eine auf die jeweilige Spezialisierung ausgerichtete vertiefte Behandlung der besonders relevanten Wissensgebiete enthält - sich an den bestehenden Fächern alter Lehrpläne orientiert - die Voraussetzungen für lernfeldorientiertes Arbeiten im weiteren Ausbildungsverlauf schafft Ausgehend von der Analyse der vorhandenen Lehrpläne und abgeleitet aus den (durch Umfragen bei sächsischen Unternehmen abgesicherten) potenziellen Einsatzgebieten von nichtakademischen IT - Fachkräften erscheinen folgende Kernqualifikationen für IT Assistenten sinnvoll: technikorientierte Ausbildung fachlicher Bereich Unterrichtsstunden anwendungsorientierte Ausbildung fachlicher Bereich Unterrichtsstunden Wirtschaftskunde Computer-/Elektrotechnik Betriebssysteme/Netze Programmierung Datenbanken Präsentation/WEB Design Fachenglisch Mathematik Projektarbeit 160 h 160 h 120 h 220 h Wirtschaftskunde Computertechnik Betriebssysteme/Netze Programmierung/SE Datenbanken Präsentation/WEB Design Fachenglisch Mathematik Projektarbeit 160 h 120 h 160 h 220 h Summe: 1060 h Summe: 1060 h Unterschiede ergeben sich in den profilbestimmenden Bereichen: Computer- /Elektrotechnik und Betriebssysteme/Netze auf Seiten der technikorientierten Ausbildung, Programmierung/Software engineering sowie Präsentation/WEB Design bei der anwendungsorientierten Ausbildung sind jeweils mit der doppelten Stundenzahl gegenüber der anderen Spezialisierungsrichtung vorgesehen. In allen Bereichen sind in fachsystematischer Weise anwendungsbereite Kompetenzen zu entwickeln die dann im weiteren Verlauf der Ausbildung als gesicherte Grundlage für das Arbeiten in Lernfeldern angesehen werden dürfen. 254

3.4 Lernfeldsystematik im weiteren Verlauf der Ausbildung Das Konstruieren von Lernfeldern wird bei Bader (vgl. [Ba00]) detailliert beschrieben. Im Mittelpunkt steht dabei die Orientierung an Arbeitsprozessen. Dies setzt deren theoretische Konzeptualisierung voraus. Bader stellt dazu fest: "Für das hier zu bearbeitende Problem, Lernfelder mit Orientierung an Arbeitsprozessen zu konstruieren, halte ich einen Ansatz für zielführend,...: die Ablaufstruktur eines soziotechnischen Handlungssystems." Weiter heißt es bei Bader: "Als Modellvorstellung wird angenommen, dass berufliche Handlungskompetenz sich im denkenden und handelnden Umgang mit Technik in den Phasen Planen, Entwickeln, Fertigen... Beseitigen entfaltet und dass diese Handlungskompetenz sich insbesondere im Prozess theoretischer Aufklärung und Anleitung von Praxis entwickelt". Als problematisch erweist sich dabei, dass es in der Mehrzahl der analysierten Lehrpläne im Bereich der IT Berufsausbildung nicht gelungen ist, den Lernfeldansatz so umzusetzen, dass eine den Intentionen dieses Ansatzes entsprechende Verbesserung der Qualität der Berufsausbildung erreichbar erscheint. Vielfach sind die sogenannten "Lernfelder" nichts anderes als Fächer in einer anderen Darstellungsform, jedenfalls ist der Bader'sche Konstruktionsansatz vom beruflichen Handlungsfeld zum Lernfeld nicht oder nur zum Teil erkennbar. Dieser nur äußerliche Neubau der Unterrichtskonzepte, bei dem vor allem auf Schlagwörter wie Teamteaching und Denken in vernetzten Strukturen gesetzt wird, ohne dass dies inhaltlich und organisatorisch unterlegt wird, führt dazu, dass zwar von Lernfeldern gesprochen wird, in Wirklichkeit aber weiter in Fächern gedacht und unterrichtet wird. Der Ansatz, Schulleitern und Lehrern vorzuwerfen, dass sie zu wenig flexibel sind, scheint dabei zu kurz zu greifen. Notwendig erscheint hier eine Ausbildung zum Lernfeldkonzept in den beruflichen Didaktiken der Berufsschullehrerausbildung ebenso wie eine intensive Schulung der bereits im Unterrichtsprozess stehenden Lehrer. Vor allem aber bedarf es einer dem Lernfeldkonzept gerecht werdenden Konzeption der Ausbildung auf der Basis von Lehrplänen, die dieses Konzept sinnvoll widerspiegeln. Das vorgestellte Säulenmodell bildet einen geeigneten Ansatz für eine solche Konzeption. Im Folgenden soll deshalb das allgemeine Modell - durch exemplarische Umsetzung in einem Lernfeld deutlich gemacht und - anschließend hinsichtlich seiner Konsequenzen für die Lehrplangestaltung betrachtet werden. 255

Beispiel für das Zusammenwirken von Fachsystematik und Handlungsorientierung in der Ausbildung von IT Assistenten (anwendungsorientierte Ausbildung): Ausbildungsverlauf Datenbanken Lernfeld: lokal und global vernetzte Datenbankanwe ndungen (Planen, Entwickeln und Implementieren von einfachen und komplexen Datenbanklösungen für den Einsatz im Firmennetz und als Basis für vielfältige ONLINE Lösungen wie E-Shops, Suchmaschinen, Gästebücher etc.) Projektarbeiten Programmierung Präsentation und WEB - Design Lernen in komplexen berufsbezogenen Lernsituationen (*) Abb 2 Säulenmodell Beispiel Software 4 Konsequenzen für die Lehrplanarbeit Die mit dem Säulenmodell vorgestellte Herangehensweise muss im Folgenden durch eine zielgerichtete Erarbeitung adäquater Lehrpläne untersetzt werden. Der wichtigste Effekt, den die Lehrpläne dabei zu leisten haben, ist die Beschreibung eines klar umrissenen Spektrums zu vermittelnder Kompetenzen. Wenn man die angestrebte Handlungskompetenz als Zusammenwirken von Fach-, Sozial- und Personalkompetenz versteht, so wird deutlich, was Lehrpläne auch im Umfeld des Lernfeldkonzepts leisten müssen: Es geht vor allem darum, zu definieren, welche fachlichen Inhalte in welcher Form und Reihenfolge zu vermitteln sind ganz im Sinne der von den Unternehmen geforderten Transparenz der Ausbildung im Interesse einer Überprüfbarkeit eines vorhandenen Kompetenzniveaus und einer (wenn möglich sogar international) vergleichbaren Qualität der Abschlüsse. 256

Der Lehrplan muss zuallererst ein inhaltlich und didaktisch fundierter Leitfaden für die Vermittlung von Fachkompetenz als tragender Säule für die angestrebte Handlungskompetenz sein und zwar unabhängig davon, ob der Lehrplan fachsystematisch oder lernfeldorientiert angelegt wird. Nur so können alle Lehrer in die Lage versetzt werden, ihre Schüler auf ein Kompetenzniveau zu führen, welches es ihnen in gleichem Maße ermöglicht, heutige Arbeitsaufgaben zu lösen und gleichzeitig den Herausforderungen zukünftiger Entwicklungen zu begegnen. Entsprechend des dargestellten Primats fachsystematischen Vorgehens am Beginn und lernfeldorientierten Arbeitens im weiteren Verlauf der Ausbildung müssen dann auch unterschiedliche Lehrpläne geschaffen werden. Der Unterschied zwischen fachsystematischem und lernfeldorientiertem Lehrplan soll dabei im Bereich der Behandlung von Datenbanken dargestellt werden. Zum einen liegen dafür eigene jahrelange Unterrichtserfahrungen vor zum anderen bietet sich hier fachsystematisches wie handlungsorientiertes Herangehen geradezu an. So könnten die ersten Schwerpunkte des Lehrplans aussehen (fachsystematischer Ansatz): 1 Grundlagen Datenbanken Zeitrichtwert: 10 Ustd. Lehrplanschwerpunkt Grundbegriffe Architektur eines Datenbanksystems theoretische Grundkenntnisse/ Begriffe - Datenbank, Datenbankmanagementsystem, Datenbanksystem, Datenbankschnittstellen - Redundanz, Konsistenz, Integrität, Datenunabhängigkeit - 3 Schema - Architektur, ANSI SPARC Modell konzeptuelles Schema und Datenmodelle - hierarchisches, netzwerkorientiertes, relationales Datenmodell - objektrelationales und objektorientiertes Datenmodell 2 Informationsmodellierung und logischer Entwurf Zeitrichtwert: 20 Ustd. Lehrplanschwerpunkt Entity Relationship - Modell Transformation aus dem ER Modell in das relationale Modell relationales Modell theoretische Grundkenntnisse/ Begriffe - Entität, Entitätstyp, Attribute, Schlüsselattribute Beziehungstypen - Transformationsregeln - Normalisierung: 1., 2. und 3. Normalform - Relationen, Primär- und Fremdschlüssel, Umsetzung der Beziehungstypen im relationalen Modell 257

Die weiteren Schwerpunkte wären dann 3 Datenbanknutzung Zeitrichtwert: 30 Ustd. 4 Datenbanksprache SQL Zeitrichtwert: 40 Ustd. Im Unterschied dazu wird der Lehrplan zum Lernfeld "Lokal und global vernetzte Datenbanken" (lernfeldorientierter Ansatz) schon vom Aufbau her anders zu strukturieren sein. Hier sei insbesondere auf die Spalte "Benötigte fachliche Vorkenntnisse" hingewiesen, in der deutlich wird, welche fachsystematisch erworbene Kompetenzen in die Arbeit in diesem Lernfeld einfließen. Auch hier seien exemplarisch die ersten beiden Lehrplanschwerpunkte dargestellt: 1 Planung einer komplexen Datenbankanwendung Lehrplanschwerpunkt Pflichtenhefterstellung Inhalte - Analyse der Unternehmensanforderungen (IST- Zustand) - Beschreibung der zu erstellenden Lösungen (SOLL Konzept) - Datenstruktur (ER Modell, Relationenmodell) - Beschreibung der Nutzerschnittstelle (Formulargestaltung, Interaktionsmöglichkeiten) Benötigte Vorkenntnisse BWL, Softwareengineering Datenbanken Präsentation - Spezifikation der Systemanforderungen (Hardware, benötigte Software) 2 Realisierung einer lokalen Datenbankanwendung Computertechnik Betriebssysteme/ Netze Lehrplanschwerpunkt Erstellung der Datenbasis Realisierung der Nutzerschnittstelle Inhalte - Implementierung der Datenbank - Gestaltung von Formularen zur Datenerfassung - Datenerfassung bzw. import aus bestehenden Lösungen - Gestaltung von Formularen zur Navigation und Interaktion - Gestaltung von Formularen und Berichten zur Datenausgabe - Erstellung von Abfragen zur Selektion und Modifikation der Daten Benötigte Vorkenntnisse Datenbanken Datenbanken, Programmierung 258

Als weitere Schwerpunkte kämen hier in Frage: 3 Administration von Datenbankanwendungen in Mehrbenutzerumgebungen 4 Realisierung einer ONLINE Datenbankanwendung 5 Test und Dokumentation einer komplexen Datenbankanwendung 6 Präsentation der Anwendung Zeitrichtwerte entfallen, da dies bei handlungsorientiertem Vorgehen kaum sinnvoll erscheint (es sollte sowohl möglich sein, Projekte parallel als auch nacheinander zu bearbeiten, so wie dies auch in der betrieblichen Praxis vorkommt, der Umfang einzelner Beispiele wird stark differieren und z.t. erst in der Planungsphase festlegbar sein). So wie hier exemplarisch dargestellt, müssen Lehrpläne zentral und langfristig in enger Kooperation von Kultusbehörden, Vertretern der Lehrerschaft, Repräsentanten von klein- und mittelständischen Unternehmen und nicht zuletzt von Mitarbeitern der fachwie erziehungswissenschaftlichen Bereiche der Universitäten und Hochschulen entstehen und dies muss zwangsläufig mit der bis heute nicht realisierten grundlegenden Untersuchung betrieblicher Handlungsfelder beginnen! Literaturverzeichnis [Ba00] Bader, R.: Stand der wissenschaftlichen Forschung zum Lernfeld-Konzept, Handreichung zum Referat im Rahmen eines Einführungsseminars der KMK für Mitglieder in Rahmenlehrplan-Ausschüssen, ausgerichtet vom Sächsischen Staatsinstitut für Bildung und Schulentwicklung vom 04. bis 06.12.2000 in Leipzig. [Ba98] Bader, R.: Das Lernfeld-Konzept in den Rahmenlehrplänen, in: Die berufsbildende Schule, Nr. 50, 7-8/98, S. 211. [Ba99] Bader, R.: Lernfelder. In: Die berufsbildende Schule, Nr. 51, Heft 1, 1999, S. 3-4., Erläuterungen und Kommentar zum Lernfeldkonzept. [Ha00] Hansis, Hermann: Lernfeldorientierung in kaufmännisch-verwaltenden Berufen Zur Verknüpfung von Handlungs- und Fachsystematik aus schulpraktischer Sicht. In: Lipsmeier, A. / Pätzold, G. (2000): Lernfeldorientierung in Theorie und Praxis, Beiheft 15 zur Zeitschrift für Berufs- und Wirtschaftspädagogik, Stuttgart, S. 123-134. 259