Urteil Landgerichts Göttingen gegen Schaper & Genossen. 1. Kaufmann Fritz Schaper, Göttingen, geb. am in Bad Pyrmont

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Transkript:

31.7.1933 Urteil Landgerichts Göttingen gegen Schaper & Genossen Abschrift Im Namen des Volkes! 4.P.K.M.5/33 Strafsache gegen den 1. Kaufmann Fritz Schaper, Göttingen, geb. am 12.1.1900 in Bad Pyrmont 2. Tischler Albert Weidemeier, Göttingen, geb. am 5.6.1899 in Andreasberg 3. Arbeiter Rudolf Kräußlein, Göttingen, geb. am 4.1.1905 in Sonneberg 4. Arbeiter Peter Ortmanns, Göttingen, geb. am 6.8.1902 in Aachen 5. Dreher Ernst Möhring, Göttingen, geb. am 18.11.1893 in Suhl 6. Schlosser Adolf Kreitz, Göttingen, geb. am 8.1.1904 in Geismar 7. Studenten Martin Strauß, Göttingen, geb. am 18.3.1907 in Pillau wegen Vergehens gegen die V.O. des Reichspräsidenten vom 4.II.1933 Die grosse Ferien-Strafkammer des Landgerichts Göttingen hat in der Sitzung am 31.Juli 1933, an der teilgenommen haben: Landgerichtsrat Meyerhoff als Vorsitzender, Landgerichtsrat Dr. Wynecken Landrichter Lähr, als beisitzende(r) Richter, Gemeindevorsteher König in Olderhausen, Uhrmacher Schramm in Bad Grund als Schöffen, Gerichtsassessor Dr. Effenberg, Referendar Weber als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle, für Recht erkannt: Die Angeklagten sind des Vergehens gegen 18, 9 Ziffer 5 der Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutze des Deutschen Volkes vom 4. Februar 1933 und 47 STGB. schuldig. Es werden verurteilt: Schaper und Weidemeier zu einem Jahr und sechs Monaten Gefängnis, Kräußlein, Möhring und Strauß zu je einem Jahr Gefängnis, Ortmanns und Kreitz zu je 10 Monaten Gefängnis.

Die Angeklagten tragen die Kosten des Verfahrens. Die erlittene Untersuchungshaft wird auf die erkannten Strafen angerechnet. 1 Gründe: Der Rote Stürmer, das Monatsorgan des KPD-Unterbezirks Göttingen, war aufgrund der Verordnung des Reichspräsidenten ( ) vom 4.II.1933, 9 Abs. I Ziff. 5 ( ) auf die Dauer von sechs Monaten verboten worden ( ) Der Rote Stürmer wurde jedoch auch nach dem Verbot heimlich hergestellt und verbreitet. Es erschienen in Göttingen die Nr. 1-3 vom März, April und Mai 1933, an deren Druck und Verbreitung die Angeklagten, die früher der KPD angehörten, beteiligt waren. ( ) Der Angeklagte Möhring hatte die Aufgabe übernommen, die Gelegenheit für die Aufstellung des Vervielfältigungsapparates ausfindig zu machen und für den Hin- und Hertransport dieses Apparates Sorge zu tragen. Als geeigneter Mann hierfür erschien ihm der in der Neustadt wohnende kommunistische Arbeiter Wienert. Am 28.4.1933 suchte Möhring Wienert in dessen Wohnung auf und fragte ihn, ob man bei ihm orgeln könne (Abzug von Matrizen auf einem mit einer Kurbel zu bedienden Handapparat). Nach der Sprechweise der kommunistischen Angeklagten war damit gemeint, ob bei Wienert der Rote Stürmer gedruckt werden könne. Wienert lehnte zunächst ab, ließ sich aber dann doch von Möhring dazu bewegen, seine Wohnung ( ) zur Verfügung zu stellen. (Möhring sagte,) am Morgen des 29. April 1933 würde ( ) der Angeklagte Kreitz kommen und dies besorgen. Am Abend des 28.4.1933 ließ Möhring den Vervielfältigungsapparat durch eine nicht ermittelte Person in die Wohnung von Wienert bringen, der ihn in seinem Keller unterbrachte. Die Matrizen für die Nr. 3 des Roten Stürmer wurden vermutlich von dem flüchtig gewordenen Tischler Kurt Baruch aus Göttingen druckfertig hergestellt. Dieser gab sie, in einem Paket verpackt, am 28.4.1933 auf der Gothmerstraße oder Stumpfebiel dem Angeklagten Strauß. Strauß begab sich jedoch nicht unmittelbar zu Wienert, sondern auf ( ) den Rosdorferweg. Dort gab er das Paket dem Kommunisten Schmidt. Dieser brachte es in seine Wohnung, legte es in die Wohnstube, verließ dann aber selbst das Haus. In seiner Abwesenheit nahm eine nicht ermittelte Person die Matrizen aus dem Paket heraus und brachte sie in Wienerts Wohnung. Am nächsten Morgen kam der Angeklagte Kreitz zu Wienert, um den Druck des Roten Stürmers vorzunehmen. Die Vervielfältigungsmaschine wurde von Wienert und Kreitz aus dem Keller in ein Wohnzimmer der Wienert'schen Wohnung geschafft. -Gegen ½ 8 bis 9 Uhr drehte darauf Kreitz die Druckmaschine, wobei Wienert behilflich war. 2 Es wurden etwa 200 Stücke des roten Stürmers No. 3 hergestellt. Abends wurde der Vervielfältigungsapparat auf Veranlassung von Möhring durch eine nicht ermittelte Person wieder abgeholt. 1 Gefangenenpersonalakte Fritz Schaper, S. 28. 2 Ebenda, S. 29.

Nach einem wohldurchdachten Plan wurde nunmehr die Verteilung der illegalen Druckschriften vorgenommen. Kurze Zeit nach der Herstellung des Roten Stürmers erschien der Angeklagte Kräußlein in der Wohnung des Angeklagten Ortmanns im Maschmühlenweg. Kräußlein versuchte Ortmanns zu bestimmen, die gedruckten Exemplare ( ) in die Wohnung Ortmanns zu bringen. Ortmanns lehnte dies jedoch ab. ( ) Die Ehefrau des Angeklagten Ortmanns (erklärte sich), das Paket bei Wienert abzuholen. Kräußlein warnte sie noch und riet ihr, dass sie sich auf Umwegen zu Wienert begeben sollte. (Dann) kam der Angeklagte Möhring hinzu ( ). Er beschrieb ihr genau die Wohnung des Wienert. ( ) Sie fuhr damit in ihre Wohnung zurück, in der sich ihr Ehemann und Kräußlein aufhielten. Kräußlein ( ) öffnete das Paket, nahm die Roten Stürmer heraus und teilte die Exemplare in 2 Pakete. Das eine Paket war für den Stadtbezirk Göttingen, das andere für den Bezirk Einbeck bestimmt. ( ) Das erste Paket übergab Kräußlein dem Angeklagten Ortmanns mit den Worten: Bring es zu Schaper. ( ) Schaper gab davon dem Angeklagten Weidemeier, der zur Zeit der Tat Zellenleiter der Zelle Maschmühlenweg war, etwa 10 Exemplare und schrieb ihm auf einen Zettel die Namen derjenigen mit der KPD sympathisierenden Personen auf, an welche diese Hefte verkauft werden sollten. Diesen Auftrag erledigte Weidemeier und verteilte 9 Stücke an die Arbeiter Iversen, Kleinhans, Siegmann, Stanko, Ludewig, Heinrich Müller, Heider, Wienecke und Lutropp. Den weiteren Auftrag Schaper's, den Zettel mit den Namen zu vernichten, führte Weidemeier jedoch nicht aus. Er hat diesen Zettel in der Hauptverhandlung überreicht. Den Rest der Roten Stürmer aus diesem Paket behielt Schaper zurück und verkaufte einzelne Stücke davon. Die für den Bezirk Einbeck bestimmten Exemplare nahm Kräußlein selbst an sich. Es war verabredet, dass am nächsten Morgen ein Kurier aus Einbeck auf der Landstraße vor Weende erscheinen und diese Exemplare an sich nehmen sollte. Kräußlein versuchte, diesen Auftrag zu erledigen, traf jedoch den Kurier nicht an und verbrannte daraufhin das Paket. Ein Teil der verteilten bzw. verkauften roten Stürmer No. 3 wurde von der Polizei beschlagnahmt. Von dem Angeklagten Strauß, der bereits ein bis eineinhalb Jahre vorher Artikel für den Roten Stürmer verfasst hatte, wurde dann zusammen mit den beiden Studenten Cordes und Hoffmann der Versuch gemacht, 3 eine neue Nummer des roten Stürmer No. 4 herauszugeben. Der Plan ging von Strauß aus, der ihn auch organisierte. Der Vervielfältigungsapparat war inzwischen wieder in die Wohnung des Wienert gebracht. Strauß beauftragte Hoffmann, den Apparat von Wienert abzuholen. In Hoffmann's Wohnung sollte dann von Cordes und Hoffmann die No. 4, wozu Strauß das Manuskript verfasst, die Matrizen gekauft und bei dem Kommunisten Karl Fischbach auf der Schreibmaschine getippt hatte, gedruckt werden. Wienert übergab Hoffmann den Apparat. Bei dem Versuch, die Maschine in einen Sack verpackt zu befördern, wurde Hoffmann jedoch von der Polizei festgenommen, sodass der Druck unterblieb. 3 Gefangenenpersonalakte Fritz Schaper, S. 30.

Die Vorbereitung des Druckes von No. 4 des roten Stürmers ist nicht Gegenstand dieses Verfahrens. Dieser Sachverhalt ist jedoch herausgezogen worden, weil er bei der Beurteilung des Angeklagten Strauß bei der hier zur Aburteilung stehenden Tat von Bedeutung ist. Dieser Sachverhalt beruht auf den Angaben der Angeklagten und der in der Hauptverhandlung vernommenen Zeugen. Die Zeugin Ortmanns ( ) hat zwar in der Hauptverhandlung die Aussage verweigert. Sie hat aber vor der Polizei eingehende Bekundungen gemacht. Der Zeuge Ippensen, der diese polizeiliche Vernehmung vorgenommen hat, hat bekundet, dass die Zeugin ihre Aussage vor der Polizei unbeeinflußt aus freien Stücken und durchaus glaubwürdig gemacht hat. Der Zeuge Ippensen hat die vor ihm gemachten Bekundungen der Zeugin im Einzelnen wiederholt. ( ) Die Angeklagten Weidemeier, Kreitz und Ortmanns sind geständig. Möhring bestreitet, sich strafbar gemacht zu haben. Er behauptet, er sei in die Angelegenheit verwickelt worden, ohne zu wissen, dass es sich um die Herstellung des Roten Stürmer gehandelt habe. ( ) Erst als Kräußlein das Paket auseinander geteilt habe, habe er gemerkt, dass es sich um den Roten Stürmer gehandelt habe. Er habe sich aber darauf an nichts mehr beteiligt. Möhring nimmt in Abrede, sich um die Aufstellung und den Transport des Vervielfältigungsapparates gekümmert 4 zu haben. Er wird jedoch widerlegt durch die glaubwürdigen Aussagen der Zeugen Wienert und Ippensen und des Angeklagten Ortmanns. (Es kann) ( ) keinem Zweifel unterliegen, dass Möhring in den Plan der illegalen Herstellung des Roten Stürmers von vornherein eingeweiht war und dass er insbesondere Wienert dazu überredete, seine Wohnung für die Aufstellung des Apparates zur Verfügung zu stellen. Tatsächlich aber gehört er, ( ) mit zu den Hauptbeteiligten. ( ) Kräußlein bestreitet, das Paket geöffnet und in zwei Teile geteilt zu haben. Er weigert sich, die Namen der Person zu nennen, die ihm den Auftrag gegeben hat, dem Kurier das Paket zu übergeben. Diese Einlassung ist unglaubwürdig und wird ( ) widerlegt. ( ) Der Angeklagte Schaper gibt zu, ein Exemplar der illegal hergestellten Nr. 1 oder der Nr. 2 des Roten Stürmer, das er von einem unbekannten Mann gekauft habe, an den Arbeiter Wienecke weitergegeben und dafür 10 Pfennig erhalten zu haben. Im übrigen leugnet 5 Schaper jede Beteiligung an der Herstellung und Verbreitung der No. 3 des roten Stürmers. ( ) Zwar hat der Angeklagte Ortmanns diese Behauptung des Angeklagten Schaper in der Hauptverhandlung bestätigt und angegeben, dass er das von Kräußlein erhaltene Paket nicht an Schaper, sondern direkt an Weidemeier abgeliefert habe. Diese Einlassung ( ) ist jedoch unglaubwürdig und steht im Gegensatz zu seiner Bekundung vor der Polizei, die er im übrigen voll aufrechterhalten hat. Danach hat Ortmanns früher erklärt, dass er das Paket dem Angeklagten Schaper übergeben habe. ( ) Ortmanns hat offensichtlich das Bestreben, den schwer vorbestraften Angeklagten Schaper zu schonen. ( ) Dass gerade Schaper dieses Paket zur Weiterleitung an Unterverteiler haben sollte, hätte seinen guten Grund, weil Schaper einer 4 Gefangenenpersonalakte Fritz Schaper, S. 31 5 Ebenda, S. 32

der geistigen Führer der Göttinger Kommunisten ist. Dagegen spielt Ortmanns eine durchaus untergeordnete Rolle. ( ) Hinzu kommt, dass der Angeklagte Weidemeier mit Bestimmtheit bekundet, er habe gesehen, dass Ortmanns das Paket Schaper übergeben habe; ( ) Dann aber spricht entscheidend für ihn, dass Schaper einen Zettel mit Namen übergeben hat, die nach der Behauptung Weidemeiers als Abnehmer für den Roten Stürmer in Frage kamen. 6 ( ) Der Angeklagte Strauß gibt zu, von Baruch das Paket mit den Matrizen erhalten und dem Zeugen Schmidt weitergegeben zu haben. Er bestreitet aber, gewusst zu haben, dass in dem Paket die Matrizen für den verbotenen Roten Stürmer verpackt waren. ( ) Strauß gibt zu, den Versuch der Herausgabe der 4. Nummer des Roten Stürmer organisiert zu haben. Er behauptet, er habe dieses lediglich getan, um seine wegen der Herstellung der Nummer 3 verhafteten Genossen zu decken. Er habe nämlich vorgehabt, von der Nummer 4 einige Exemplare an die Polizei zu senden und ihr dadurch zu zeigen, dass sie die Falschen verhaftet habe und dass die eigentlichen Hersteller sich noch in Freiheit befinden. Den Rest der Nummer 4 habe er dann noch an Gesinnungsgenossen verteilen wollen. Die Darstellung des Angeklagten Strauß ( ) ist schon in sich unglaubwürdig. Strauß ist als Student und bei seiner Stellung in der kommunistischen Partei als geistiger Führer zu bezeichnen. Insbesondere spielt er bei seiner überdurchschnittlichen Intelligenz in der Gruppe der roten Studenten eine führende Rolle. 7 Demnach steht also fest, dass Strauß mit dem Inhalt des Paketes persönlich etwas zu tun hatte (und) ( ) dass Strauß von dem Gesamtplane und dem Inhalt des Paketes genau Kenntnis hatte. (Es haben) ( ) sämtliche Angeklagte gegen die 18, 9 Ziffer 5 der Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutz des deutschen Volkes vom 4. Februar 1933 verstoßen. Bei dem Roten Stürmer handelt es sich um eine nach 9 Ziffer 5 verbotene Druckschrift. Die Angeklagten Möhring, Kreitz und Strauß haben beim Druck des Roten Stürmers mitgewirkt und zwar Möhring, indem er die Gelegenheit für die Aufstellung des Vervielfältigungsapparates ausfindig machte und für den Hin- und Hertransport des Apparates Sorge trug, Strauß, indem er die Matrizen beförderte und Kreitz, indem er die Exemplare durch den Vervielfältigungsapparat drehte. Schaper, Weidemeier, Ortmanns und Kräußlein haben sich an der Verbreitung der illegalen Zeitschrift beteiligt. 8 ( ) Danach ist der objektive Tatbestand des 18 der og. VO. erfüllt. Die Angeklagten haben vorsätzlich gehandelt. (...) Für die Strafzumessung waren folgende Gesichtspunkte maßgebend: ( ) 9 6 Gefangenenpersonalakte Fritz Schaper, S. 33. 7 Ebenda, S. 34. 8 Ebenda, S. 35. 9 Ebenda, S. 36.

( ) Ausserdem sind von Wichtigkeit die Vorstrafen der Angeklagten. Es muss bei allen Angeklagten über das Mindestmaß erheblich hinausgegangen werden. Einmal, um ein weiteres Wirken der Angeklagten für die staatsfeindliche kommunistische Idee und ein erneutes Verbreiten illegaler Schriften zu unterbinden, andererseits deshalb, weil nur eine längere Gefängnisstrafe geeignet ist, die Angeklagten von der Strafwürdigkeit ihrer bisherigen politischen Tätigkeit zu überzeugen. Dass die Angeklagten selbst eine Strafe von wenigen Monaten als eine geringe Sühne für ihre Tat ansehen würden, beweist der Kassiber, den der Angeklagte Strauß in der Haft seinem Freund Hoffmann geschrieben hat. Darin erörtert Strauß die Frage, ob es Zweck habe, aus dem Gefängnis zu entfliehen und kommt zu dem Ergebnis, das sich das Türmen, d.h. das Entweichen erst lohne, wenn eine Strafe von 2 Jahren Zuchthaus zu erwarten sei ( ). Die Angeklagten Schaper und Weidemeier sind erheblich vorbestraft. Weidemeier ist wegen Eigentumsdelikten 2 mal mit über einem Jahr Gefängnis und einmal mit 3 ½ Jahren Zuchthaus vorbestraft; Schaper ist insgesamt 9 mal vorbestraft, davon 6 mal wegen politischer Vergehen. Beide Angeklagte sind führende Kommunisten. Bei Schaper ist dies gerichtsbekannt. Bei Weidemeier ergab die Hauptverhandlung, dass er noch kurz vor der Tat Funktionär der Zelle Maschmühlenweg war. Beide Angeklagte haben die zersetzenden Schriften in erheblichem Umfange verbreitet. ( ) Gegen beide ist ( ) eine Gefängnisstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verhängt worden. Bei den Angeklagten Kräußlein, Möhring und Strauß ist ebenfalls eine gleichmäßige Behandlung und eine Strafe von einem Jahr Gefängnis angemessen, Kräußlein ist einmal wegen Anreizens zur Gewalttätigkeiten mit zwei Monaten Gefängnis vorbestraft. ( ) Strauß behauptet, sich innerlich auf die Ideen des neuen Staates umgestellt zu haben, (...) 10 Im Gegensatz zu den bisher erwähnten Angeklagten erscheint bei Kreitz und Ortmanns eine verhältnismäßig geringere Gefängnisstrafe als ausreichend, um den Strafzweck zu erfüllen. ( ) Eine Gefängnisstrafe von 10 Monaten erscheint genügend und erforderlich. Von einer Bewährungsfrist kann bei der Volks- und Staatsgefährlichkeit des Tuns der Angeklagten keine Rede sein. Die Anrechnung der verbüssten Untersuchungshaft beruht auf 40, 42 STOB. (...) 11 Quelle: Gefangenenpersonalakte Fritz Schaper: Strafgefängnis Hameln. Hauptstaatsarchiv Hannover, Hann. 86 Hameln Acc. 143/90 Nr. 1223. 10 Gefangenenpersonalakte Fritz Schaper, S. 37. 11 Ebenda, S. 38.