Besatzer oder Befreier, Freunde oder Partner? Die deutsch-amerikanischen Beziehungen seit 1945 bis heute

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1 Besatzer oder Befreier, Freunde oder Partner? Die deutsch-amerikanischen Beziehungen seit 1945 bis heute Vortrag am 21. Oktober 2015 18.00 Uhr im Männerkreis der Kirchengemeinde St. Urban in Klein Ilsede Meine Herren, es ist mir eine Freude und Ehre heute Abend hier bei Ihnen sein zu dürfen, und Ihnen etwas über die Geschichte der deutschamerikanischen Beziehungen seit 1945 erzählen zu dürfen. Gerade in diesem Jahr haben wir den 70. Jahrestag des Endes des 2. Weltkrieges begangen. 1995 zum 50. Jahrestag des Endes des 2. Weltkrieges stellte der Spiegel in einer seiner Ausgaben die beiden Antagonisten des Weltkrieges vor Adolf Hitler und Franklin D. Roosevelt. Roosevelt führte sein Land auf der Seite Großbritanniens und Stalins Sowjetunion gegen Hitler-Deutschland in den Krieg. Nur sehr zögerlich griffen die USA in die Weltpolitik ein. 1937 bereitete Franklin D. Roosevelt seine Landsleute mit einer Rede in Chicago darauf vor, daß die Epidemie der Gesetzlosigkeit, wie er die totalitären Systeme Deutschlands und Italiens nannte, unter Quarantäne gestellt werden müssten. Diese sog. Quarantäne -Rede gilt als Wendepunkt in der Außenpolitik Roosevelts. Das Jahr 1941 sollte sich zu einem Schicksalsjahr sowohl in der US-Außenpolitik als auch für den weiteren Verlauf des 2. Weltkrieges entwickeln. Am 06. Januar 1941 hielt Roosevelt seine reguläre Jahresbotschaft, die später als sog. Four Freedoms Speech bekannt wurde, vor dem Kongreß, in der er klarmachte, daß es vier Freiheiten gäbe, die es zu sichern gelte: Redefreiheit, Meinungsfreiheit, Freiheit jedes Menschen auf seine Art zu Gott zu beten und die Freiheit von Not und Terror.

2 Roosevelt appellierte damit an die idealistische Tradition in der amerikanischen Außenpolitik, die Freiheit, für die die USA seit ihrer Unabhängigkeit stehen, auch in der Welt gegen Aggressoren wie Hitler- Deutschland, Mussolinis Italiens und Japan zu verteidigen und der einzigen im Kampf verbliebenen Demokratie, Großbritannien, zu helfen. Zu diesem Zweck wurde das sog. Lend and Lease Act am 11.03.1941 durch Roosevelts Unterschrift in Kraft gesetzt, das über Hilfslieferungen, die von den USA verliehen werden sollten, England helfen sollte. Es wurde nötig, da in den 30ern der Kongreß die sog. Neutralitätsgesetze verabschiedet hatte, die amerikanischen Firmen den Handel mit Europa verboten. Roosevelt begründete den Lend and Lease Act mit dem Bild von einem Gartenschlauch, dem man seinem Nachbarn leiht, wenn dessen Haus brennt, ohne Geld für diese Leistung zu verlangen. Am 14. August 1941 unterzeichneten Präsident Roosevelt und Premierminister Winston Churchill auf der im Atlantik liegenden Prince of Wales die sog. Atlantic Charter, die das Bestreben nach einer besseren und sicheren Welt ausdrücken sollte und in der im achten und letzten Punkt die Gründung eines Systems erwähnt wird, das für Sicherheit in der internationalen Politik sorgen soll. Es handelt sich hierbei um die Vereinten Nationen, die als Nachfolger des gescheiterten Völkerbundes 1945 in San Francisco gegründet wurden. Mit dem morgendlichen Angriff der Japaner auf den Stützpunkt Pearl Harbor auf Hawaii am 07. Dezember 1941 wurden selbst die bis dahin noch nicht überzeugten Zweifler gegenüber einer aktiveren weltpolitischen Rolle der USA überzeugt, an der Seite Englands in den Krieg einzutreten. Roosevelt erhielt eine einstimmige Kriegserklärung des Kongresses, die er unterzeichnete.

3 Die Gestaltung der Nachkriegsordnung war Franklin Roosevelt nicht mehr vergönnt, da er am 12. April 1945 in Warm Springs, Georgia, wo er sich für eine kurze Zeit auf Anraten seines Arztes zur Erholung aufhielt, an einem Schlaganfall starb. Sein Vizepräsident, der mit ihm 1944 gewählt und am 20. Januar 1945 ins Amt eingeführt worden war, Harry S Truman, 1945-1953, übernahm die Amtsgeschäfte und sah sich bald nach Kriegsende einer veränderten Weltlage gegenüber. Am Ende des 2. Weltkrieges erstellten die amerikanischen Stabschefs an die Oberbefehlshaber der US-Truppen in Deutschland die Direktive JCS 1067, in der es hieß: Deutschland wird nicht zum Zweck der Befreiung, sondern als besiegter Feindstaat besetzt. Die Allianz aus USA, Großbritannien und UdSSR war nach der Kapitulation Deutschlands und Italiens sehr rasch zerfallen, und es entwickelte sich die Bipolarität zwischen den USA und der UdSSR und den ihnen jeweils zuneigenden Blöcken. Dieses Grundmuster der internationalen Politik sollte für 40 Jahre seine Bedeutung haben und wurde 1946 mit dem sog. Long Telegram von George F. Kennan an Außenminister George C. Marshall und dem ein Jahr später in der Zeitschrift Foreign Affairs erschienen sog. Mr. X -Artikel von George Kennan, begründet ( The Sources of Soviet Conduct ). Die wichtigste Erkenntnis für die US-Außenpolitik war, daß Kennan die sowjetische Außenpolitik als eine Verschmelzung von kommunistisch-ideologischem Eiferertum und zaristischen Expansionsdrang kennzeichnete. Aus dieser Analyse heraus wurde die sog. Containment-Policy (Eindämmungspolitik) entwickelt, die auch als Truman-Doktrin in die Geschichte einging. Diese Politik war nicht automatisch auf eine militärische Eindämmung ausgerichtet; das war die dritte Stufe, sozusagen die ultima ratio. Dieser war sowohl die politische, aber auch die ökonomische Eindämmung vorgeschaltet. Der äußere Anlaß für die Entwicklung dieser Politik war ein drohender

4 kommunistischer Umsturzversuch in Griechenland und der Türkei 1946/47, was zur Folge gehabt hätte, dass die UdSSR die Meerenge am Bosporus kontrolliert und so einen Zugang zum Mittelmeer bekommen hätten. Eng mit der Truman-Doktrin verbunden war das Angebot eines European Recovery Program, dem sog. Marshall-Plan, als Hilfe für den Wiederaufbau in ganz Europa. Allerdings untersagte die sowjetische Führung den osteuropäischen Staaten die Teilnahme an diesem Programm. Das ERP-Programm ist also ein Beispiel für die ökonomische Eindämmung des sowjetischen Expansionsstrebens. Die Truman-Doktrin blieb bis 1989 für die amerikanische Außenpolitik bestimmend. In der Zeit der Truman-Administration entwickelte sich die Deutschlandpolitik der USA durch die strategische Neuausrichtung der Außenpolitik insgesamt überaus positiv. Vom Besatzer und Sieger im 2. Weltkrieg wurden die Vereinigten Staaten aufgrund der Formulierung der Truman-Doktrin und des Marshallplans zur Schutzmacht der sog. Trizone; spätestens aber mit der logistisch aufwendigen Hilfe bei der sowjetischen Berlinblockade 1948/49 mittels der Flüge der sog. Rosinenbomber. Gerade die Rolle der USA bei der Hilfe für Westdeutschland (Luftbrücke, Marshall-Plan) und die entschlossene Westbindung Konrad Adenauers lassen die deutsch-amerikanischen Beziehungen in dieser Phase zu einer Erfolgsgeschichte werden, auch wenn es einen Nährboden für einen latenten Antiamerikanismus immer noch gab, der aber mehr an die Emotionen appellierte (siehe: Morgenthau-Plan und Deindustrialisierung). Während der Eisenhower-Administration, 1953-61, waren die Beziehungen zwischen beiden Staaten ebenso gut, dass man lange von

5 der sog. honeymoon period sprach. Das war vor allem getragen von den Beziehungen zwischen Konrad Adenauer und US-Außenminister John Foster Dulles und ihrem gemeinsamen Kampf gegen den Kommunismus. Beide verband ihr christlicher Glaube; Dulles als Protestant und Adenauer als Katholik und ihr daraus erwachsener Antikommunismus. Aber erste Irritationen gab es in dieser Zeit auch schon (siehe: einerseits die roll back -Strategie mit dem Konzept der massive retaliation, aber auch andererseits die verständliche, realpolitische Weigerung der USA in Krisen <Ungarn (1956), Berlin (1958)> diese Strategien in die Tat umzusetzen und damit einen (Atom)Krieg zu riskieren) Die Strategie der massiven Vergeltung besagte, daß die Vereinigten Staaten einen Angriff der Sowjetunion auf das Gebiet der seit 1949 bestehenden North Atlantic Treaty Organization (NATO) mit dem Einsatz von Atomwaffen massiv vergelten wurde. Dies war nur so lange relativ glaubhaft, bis 1957 mit dem sog. Sputnik - Schock die UdSSR den technologischen Vorsprung der USA eingeholt hatte. Die deutsch-amerikanischen Beziehungen unter John F. Kennedy, 1961-63, litten auf politischer Ebene einerseits unter dem Konflikt der Generationen Adenauer vs. Kennedy und andererseits unter der passiven Haltung der USA während der Berlin-Krise 1961. Nichtsdestotrotz haben seine Ausstrahlung, Jugendlichkeit und sein tragischer, früher Tod zu einer Idealisierung Kennedys auch gerade hier in der Bundesrepublik geführt. Man denke nur an die vielen Straßen, Plätze und Brücken, die über Deutschland verteilt nach diesem Präsidenten benannt wurden (Beispiele: Kennedy-Brücke in Bonn, John- F.-Kennedy-Platz in Braunschweig und das John-F.-Kennedy-Institut für Nordamerikastudien an der Freien Universität Berlin). Die Strategie der

6 massiven Vergeltung wurde unter Kennedy von der flexible response abgelöst, die bis zum Ende des sog. Kalten Krieges ihre Gültigkeit behalten sollte. Beide Strategien waren nicht nur Militärstrategien der US-Außenpolitik, sondern wurden auch zu NATO-Strategien. Die militärische Umsetzung der Truman-Doktrin in dieser Phase im Koreaund Vietnam-Krieg geriet im zweiten Konflikt zu einem vollständigen Desaster der amerikanischen Außenpolitik. Dieses Vietnamtrauma, das sich schon unter John F. Kennedy anzudeuten begann, sollte letztlich auch zu einer gewissen Entfremdung zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den USA führen (siehe: 1968er Generation). Unter Lyndon B. Johnson, 1963-69, kam es auch gerade aufgrund des Vietnamkrieges und der zunehmenden Konzentration der USA auf Vietnam auf politischer Ebene (Regierungsebene) zu einer zunehmenden Entfremdung zwischen der Bundesrepublik und den USA (siehe: Hinwendung der Bundesrepublik zu Frankreich -> Gaullisten in der CDU/CSU wurden im Vergleich zu den sog. Atlantikern um Gerhard Schröder stärker). 1969 wechselten sowohl in den USA als auch in der alten Bundesrepublik die Regierungskonstellationen. Anstelle des Demokraten Johnson zog der Republikaner Richard Nixon in das Weiße Haus ein, der noch 1960 gegen John F. Kennedy knapp unterlag. Und anstelle von Kanzler Kurt Georg Kiesinger wurde Willy Brandt Chef im Kanzleramt in Bonn. Zwar ließ Nixon, der von 1969-74 amtierte, wenig Zuneigung gegenüber Deutschland erkennen; aber die deutsch-amerikanischen Beziehungen waren unter Nixon und Brandt trotz der Sorgen, die Bundesrepublik könnte der UdSSR blind vertrauen, so gut, dass sich die Entspannungspolitik Nixons und die Ostpolitik Brandts sehr gut

7 ergänzten. Quasi im Windschatten von Nixons Entspannungspolitik mit Leonid Breschnew konnte Willy Brandt das erste Mal seit Gründung der Bundesrepublik diplomatische Kontakte zur DDR-Führung aufnehmen. Außerdem wurden in dieser Zeit die KSZE-Verhandlungen angestoßen, die die Gespräche von der Ebene der Supermächte auf die Ebene der europäischen Mittelmächte brachten. Ende der 60er/ Anfang der 70er Jahre wurde nämlich ein neuer diplomatischer Mechanismus für Europa einschließlich der USA, Kanada und der UdSSR beschlossen, der KSZE-Prozeß (Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa). Mit Richard Nixon und seinem Nationalen Sicherheitsberater und später auch Außenminister, Henry Kissinger, gab es erste Zeichen der Entspannung zwischen den beiden Supermächten und auch zwischen den sog. Blöcken in Europa. Gerald Ford, 1974-1977, der Nixon nach dessen wegen der Watergate - Affäre notwendig gewordenen Rücktritt folgte, führte mit Kissinger diese Politik fort. Während die deutsch-amerikanischen Beziehungen unter Präsident Gerald Ford aufgrund der außergewöhnlichen guten, harmonischen, weil vertrauensvollen Beziehungen zu Kanzler Helmut Schmidt sehr gut waren, war das Verhältnis zwischen Schmidt und Fords Nachfolger, Jimmy Carter milde formuliert, gestört. Nachdem nämlich 1976 der damalige Gouverneur von Georgia, James Earl Jimmy Carter, 1977-1981, vor allem auch als Reaktion auf Vietnam und Watergate gewählt worden war und einen Neuanfang darstellen sollte, rückte die realpolitische Linie in der US-Außenpolitik in den Hintergrund. So unternahm Carter nämlich eine 180-Grad-Wende in der Frage der Neutronenwaffe, nachdem er Schmidt zuvor gebeten hatte, sich für die Entwicklung einzusetzen, was dieser unter innenpolitischen Mühen auch getan hat. Carter verschrieb sich der Durchsetzung der Menschenrechte

8 in der amerikanischen Außenpolitik, was unweigerlich zu Spannungen auch mit der UdSSR führte, da diese Carters Streben als Einmischung in innere Angelegenheiten ansah. War 1972 der SALT I (Strategic Limitation Talks)- Vertrag zwischen den USA und UdSSR unterzeichnet und gegenseitig ratifiziert worden, so scheiterte der von Jimmy Carter und Leonid Breschnew unterzeichnete SALT II-Vertrag bei der Ratifizierung im US-Senat, nachdem die Sowjetunion 1979 in Afghanistan einmarschiert war und für dieses Land eine Kriegszeit von über 20 Jahren beginnen sollte. Von Helmut Schmidt wurde Präsident als Amateur im Weißen Haus bezeichnet, was dem deutschamerikanischen Verhältnis auf Regierungsebene nicht sonderlich gut tat. Kein Wunder: War Kanzler Schmidt doch ein Vertreter des Realismus in der Außenpolitik, während Carter mit seinem ihm eigenen Idealismus die Menschenrechte durchsetzen wollte. Schmidt brachte es folgendermaßen auf den Punkt: Wer Visionen hat, soll zum Arzt gehen. Die schlechte Wirtschaftslage und vor allem das Unvermögen des Präsidenten, die US-Geiseln im Iran zu befreien, so empfanden es wohl die meisten Amerikaner, führte 1980 zu der Abwahl des glücklosen Jimmy Carter und zu der Wahl des 40. Präsidenten, Ronald W. Reagan, 1981-1989. Die Nachrüstung, die Anfang der 80er Jahre von der NATO beschlossen wurde, führte z.b. in Deutschland zu antiamerikanischen Demonstrationen, auf denen Reagan vorgeworfen wurde, er sei ein schießwütiger Cowboy. Im Endeffekt legte Reagan allerdings mit dieser Rüstungsoffensive den Grundstein dafür, daß der neue Generalsekretär der KPdSU, Michail Gorbatschow die Notwendigkeit einsah, aus dem Rüstungswettlauf herauszukommen. Die Folgen für die Sowjetunion sollten bald massiv spürbar werden; den sog. imperial overstretch, die Überdehnung ihrer Leistungskraft, sollten auch die USA bald merken.

9 Auf Regierungsebene liefen die Beziehungen zwischen der Bundesrepublik und den USA in der Zeit Ronald Reagans, 1981-89, zu einem überwiegenden Teil sehr harmonisch, auch wenn die deutschamerikanischen Beziehungen auf beiden Seiten des Atlantiks durch eine gemeinsame Aktion, zu der Kohl Reagan eingeladen hatte, belastet waren: 1985 der Besuch in Bitburg auf dem Soldatenfriedhof, auf dem auch Soldaten der Waffen-SS lagen. In der Bevölkerung wurde dem Mann im Weißen Haus damals eher Skepsis und Häme entgegengebracht (siehe: Schauspieler von B-Filmen, Cowboy). Im November 1988 setzte sich das republikanische Gespann George Bush/ Dan Quayle klar gegen die Demokraten Michael Dukakis/ Lloyd Bentsen durch. Das erste Mal seit 1836, seitdem Martin van Buren als Andrew Jacksons Vizepräsident selbst zur Wahl um das Präsidentenamt angetreten war, setzte sich mit George Bush wieder ein amtierender Vizepräsident bei einer Präsidentschaftswahl durch. Unter Präsident George H.W. Bush, 1989-93, erreichten die Beziehungen beider Staaten den guten Grad aus der Zeit unter Eisenhower, Adenauer und Dulles. Vor allem in der Phase des Wiedervereinigungsprozesses passte zwischen Bush und Kohl kein Blatt, da er während dieses Prozesses der einzige Alliierte war, der die Bundesrepublik in ihren Vereinigungsbemühungen von Beginn an unterstützte. Aber schon kurz nach der Wiedervereinigung kam es zu ersten Dissonanzen, was die Beteiligung Deutschlands am 2. Golf-Krieg betraf (siehe: die deutsche Beteiligung durch die Weitergabe von altem NVA-Gerät an die Koalition am Golf und durch die sog. Scheckbuchdiplomatie ).

10 In der Zeit der Präsidentschaft Bill Clintons, 1993-2001, waren die persönlichen Beziehungen zwischen Clinton und Kohl sehr harmonisch; aber durch den fehlenden Ost-West-Konflikt, der früher die Bündnispartner disziplinierte und auf einer Linie hielt, brachen immer öfter Konfliktpotentiale in Fragen des Umweltschutzes, des Völkerrechts und in handels- und wirtschaftspolitischen Fragen auf nicht zuletzt, weil auch schon bei Clinton vor allem seit 1997 (zweite Amtszeit) ein gewisser Unilateralismus einsetzte. Unter Präsident George W. Bush, 2001-2009, setzte sich der Trend zum Unilateralismus vor allem bis 2005 weiter fort und ließ eine Entfremdung der Bündnispartner erkennen, die nur kurzzeitig von der uneingeschränkten Solidarität (G. Schröder) nach 9/11 überdeckt wurde. Das Verhalten von Kanzler Schröder und seiner Regierung im Wahlkampf 2002 zerschnitt das Tischtuch zwischen beiden Staaten auf Regierungsebene endgültig (siehe auch: der Vergleich Bushs mit Hitler durch Justizministerin Däubler-Gmelin). Dabei war nicht vom Beginn von Bushs Präsidentschaft klar, wohin die außenpolitische Reise gehen würde. Der Präsident selbst hatte anders als sein Vater kein außenpolitisches Profil. Seine Sicherheitsberaterin Condoleezza Rice war keine Unbekannte in Deutschland (im außenpolitischen Stab von Vater Bush bei der Wiedervereinigung) und außerdem eine klare Realistin mit Konzentration auf dem nationalen Interesse. Sein Außenminister Colin L. Powell war pragmatisch, an internationaler Kooperation interessiert und ebenfalls aus Zeiten von Vater Bush den Deutschen kein Unbekannter. Allerdings gab es noch Donald Rumsfeld, Paul Wolfowitz und Richard Cheney als Vertreter der republikanischen Rechten mit einer dezidiert hegemonialen außenpolitischen Vorstellung für ihr Land. In der ersten Phase (bis 2006) setzten sich die eher

11 unilateral und hegemonial orientierten Rumsfeld, Cheney und Wolfowitz in der Bushadministration durch, was letztlich zu einem Konfrontationskurs mit den europäischen Verbündeten ( I m not convinced, Mr. Secretary!, Bundesaußenminister Joschka Fischer gegenüber Colin L. Powell Anfang 2003 vor den UN) führte. Mit der Entlassung Rumsfelds und mit dem moderaten Robert Gates als Verteidigungsminister versuchte die Bushadministration wieder an die traditionelle Europapolitik anzuknüpfen, indem sie versuchte die transatlantischen Beziehungen wieder zu revitalisieren. Mit dem Kanzlerwechsel zu Angela Merkel normalisierte sich das deutschamerikanische Verhältnis nicht nur, sondern verbesserte sich spürbar. Präsident Barack Obama, seit 2009, wurde gerade hier in Deutschland mit vielen Erwartungen überschüttet. Man erhoffte sich eine multilaterale Außenpolitik der USA und auf eine Neubelebung der transatlantischen Partnerschaft. Dabei setzte man Hoffnungen in seine Person, die nicht zu erfüllen waren so z.b. in die Frage des Klimaschutzes bei dem Gipfel in Kopenhagen. Die fehlenden Erfolge führten zu einer Enttäuschung in Europa, übersahen aber dabei, dass er innenpolitisch auf den Kongress Rücksicht nehmen musste. Hier rächten sich die von Obama im Wahlkampf geschürten Erwartungen nach einem Wandel, den er scheinbar mit einem Yes, we can ganz einfach in die Tat umsetzen könnte. Dabei war eigentlich auch von Anfang klar, daß Obama die Zusammenarbeit mit seinen europäischen Verbündeten und natürlich auch mit Deutschland danach beurteilen würde, ob Europa willens ist, gemeinsam mit den USA den Herausforderungen zu begegnen. So äußerte sich Obamas Vize Joe Biden schon im Februar 2009: Amerika wird mehr tun, das ist die gute Nachricht. Die schlechte Nachricht ist, daß Amerika auch von seinen Partnern mehr verlangen

12 wird. Die realpolitischen Bedingungen holten ihn sehr schnell wieder ein, sobald er den Amtseid am 20. Januar 2009 abgelegt hatte. Und auch nach seiner Wiederwahl 2012 wurde er gerade auch hier in Deutschland zu einer Lichtgestalt, einem Superstar glorifiziert, so daß die Enttäuschung über diesen Präsidenten und die amerikanische Politik nach den Enthüllungen Edward Snowdens (Bespitzelung, NSA-Affäre) einfach nur so groß ausfallen mußte, wie sie es tat. Allerdings ist dabei auch zu sagen, daß diese Bespitzelung schon vor Obamas Amtszeit anfing, aber eben auch nicht von ihm beendet wurde. Zusammenfassend kann man feststellen, dass die deutschamerikanischen Beziehungen seit 1945 immer wieder sog. Wechselbädern (Marion Gräfin Dönhoff) unterworfen waren, so dass es nicht nur harmonische Phasen, sondern vor allem auch immer wieder Phasen von Dissonanzen in den Beziehungen beider Staaten gab. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!