ID 2016-650 Seite 1 von 14 20.09.2016 Bewertung DAV-Ringhaken der zweiten Christoph Hummel und Florian Hellberg DAV Sicherheitsforschung
ID 2016-650 Seite 2 von 14 20.09.2016 Sachstand vor der Untersuchung am Untersberg Im Jahr 1971 wurden in der Alten Südwand am Untersberg von Pit Schubert an den Standplätzen zehn DAV-Ringe platziert. Bei einer Übung der Bundeswehr brach im Juni 2016 einer dieser Ringe aus (Abb. 1). Es stellte sich heraus, dass es sich um einen Ringhaken der zweiten handelte. Bei diesem System wird mit der Bohrkrone (Abb. 2) ein Loch gebohrt, dann die Bohrkrone mittels Rundkeil im Bohrloch verspreizt (sodass dann der Ringkopf in der Wand platziert ist) und das Bohrloch um den Ankerkopf mit Kunststoff auf Zweikomponentenbasis abgedichtet (Abb. 3). Abb. 1: Foto des im Juni bei einer Übung des Hochgebirgszugs ausgebrochenen Ring-Hakens Abb. 2 Foto DAV Abseil- und Standhaken; Quelle Tätigkeitsbericht 1971-1973, DAV Sicherheitskreis Abb. 3: Einer der untersuchten DAV-Ringe vor dem Ausreißversuch. Deutlich erkennbar die Abdichtung um den Ankerkopf. Bohrkronen sind wegen ihrer Härtung anfällig für Korrosion. Wenn die Abdichtung undicht wird, kann Wasser eindringen und der Anker zu rosten beginnen. Die Bohrkrone korrodiert im Bohrloch. Bei der Analyse des bei der Übung
ID 2016-650 Seite 3 von 14 20.09.2016 ausgebrochenen Hakens bestätigte sich dies an der Bruchfläche. Sie ist komplett korrodiert, es gibt keine Anzeichen für einen frischen Bruch. Vermutlich ist der gesamte Anker durchgerostet und dann bei Belastung gebrochen (Abb. 4). Die Informationen zum Hergang beim Ausbruch sind unterschiedlich ( beim routinemäßigen Drehtest bei der Belastung durch Sturz ins Geländerseil ). Abb. 4: Die Bruchfläche des bei der Bundeswehrübung ausgebrochenen DAV-Rings. Nach momentanem Wissenstand kann man die Ringe dieser an der Größe des Kopfes erkennen, in welchem der Ring befestigt ist (19mm Breite), an der Stärke des Rings (12mm) und am Durchmesser des Rings (ca. 75mm Außendurchmesser). Wir können aber noch nicht ausschließen, dass Kronenbohrhaken-Ringe mit anderen Maßen hergestellt und installiert wurden. Die DAV-Ringe mit Bohrkrone waren eine Zwischengeneration, von der nicht viele gesetzt wurden. Danach wurden M 12 Ringschrauben mit Verbundmörtel als DAV Abseil- und Standhaken eingeführt. Die DAV Abseil- und Ringhaken mit Verbundanker haben nur einen 17mm breiten Kopf und einen 10mm starken Ring. Abb. 5: Einer der DAV-Ringhaken am Untersberg vor dem Auszugsversuch.
ID 2016-650 Seite 4 von 14 20.09.2016 Nach den vorliegenden Informationen sind Haken dieses Typs in folgenden Touren gesetzt worden: - Untersberg Südwand, Alte Südwand Wurde von der Bundeswehr mit SiFo-Material im Zuge dieser Untersuchung am 15.09.2016 saniert. - Untersberg Südwand, Barth-Kamin - Bauernpredigtstuhl Westwand, Rittler-Kante 1997 von Lackner / Fischer saniert. - Bauernpredigtstuhl Westwand, Abseilstellen neben Rittler-Kante - Leutsturm Südwand, Notabstieg vom Kopftörlgrat neben Dreierführe - Christatrum, Südost-Kante 1998 saniert. - Fleischbank Ostwand, Dülfer 2002 saniert. - Fleischbank Südostbank, Wiessner-Rossi 2001 saniert.
ID 2016-650 Seite 5 von 14 20.09.2016 Untersuchung am Untersberg Am 15.09.2016 wurden im Zuge der Sanierung der Alten Südwand am Untersberg Ausreißversuche an den dort 1971 installierten DAV-Ringen durchgeführt. Ziel der Untersuchung war es, die radiale Festigkeit der noch in der Route verbliebenen acht DAV-Ringhaken zu überprüfen und dadurch die Dringlichkeit der Sanierung eventuell noch bestehender DAV-Ringhaken dieser zweiten in anderen Routen zu eruieren. Zwei der zehn ursprünglich von Pit Schubert angebrachten Haken waren im Vorfeld schon saniert worden und befanden sich nicht mehr in der Route. Versuchsaufbau Ein vorausgehender Trupp bestehend aus drei Soldaten unter Leitung durch Heeresbergführer Tobias Rehmaier sanierte die vorhandenen Stände mit jeweils einem Schwerlastanker und einem Verbundanker und installierte ein Geländerseil. An diesem Geländerseil stiegen ein weiterer Soldat und ein Mitarbeiter der DAV Sicherheitsforschung (Christoph Hummel) auf und setzten unterhalb des alten DAV- Rings einen zusätzlichen Haken, mit Hilfe dessen anschließend die Ringe radial ausgezogen werden sollten (Abb. 6). Um möglichst viele vergleichbare Werte zu erhalten, verzichteten wir auf axiale Auszugsversuche, da diese in der Praxis weniger von Bedeutung sind. Abb. 6: Setzen eines zusätzlichen Hakens als Widerlager für den radialen Auszugsversuch.
ID 2016-650 Seite 6 von 14 20.09.2016 Messungen Die Messungen erfolgten der Reihe nach vom ersten Stand am Einstieg bis zum letzten Stand mit DAV-Ring am Ausstieg. Nr. Besonderheit Maximaler Wert 1 Kleinerer Ring, wahrscheinlich kein Ring der 2. Bruchstelle 21,6 kn Ring bricht in Umlenkung, nicht in Schweißnaht; Anker bleibt im Fels 2 DAV-Ring der zweiten 3 DAV-Ring der zweiten 4 DAV-Ring der zweiten 5 DAV-Ring der zweiten 6 DAV-Ring der zweiten 7 DAV-Ring der zweiten 8 DAV-Ring der zweiten 9 DAV-Ring der zweiten 34 kn Abbruch des Versuchs; Anker und Ring bleiben im Fels 20 kn Abbruch des Versuchs; Anker und Ring bleiben im Fels 23,6 kn Abbruch des Versuchs; Anker und Ring bleiben im Fels 36 kn Abbruch des Versuchs; Anker und Ring bleiben im Fels 27 kn Abbruch des Versuchs; Anker und Ring bleiben im Fels 27 kn Abbruch des Versuchs; Anker und Ring bleiben im Fels 27 kn Abbruch des Versuchs; Anker und Ring bleiben im Fels 16 kn Bruch des Ankers Alle der acht eindeutig als DAV-Ringhaken der zweiten identifizierten Anker erfüllten immer noch für die Praxis ausreichende Festigkeitswerte. Einer der getesteten Ringe brach bei einem Wert von 16 kn unterhalb der aktuell gültigen Normanforderung von 25 kn (Abb. 7-9). Die Bruchfläche des Ringhakens Nr. 9 weist nur leichte Korrosionsspuren auf. Vor dem Auszug fiel der Haken durch einen etwas vergrößerten Ausstand auf. Vermutlich versagte dieser Anker primär aufgrund der kurzen Gewindestange des eigentlichen Ankers (siehe Abb. 9). Interessant ist die Tatsache, dass bei beiden ausgebrochenen Ringen der Bruch in der Hülse der Bohrkrone stattfand, genau an der Stelle, an der der Gewindeanker des Rings endet. Beide Anker sind deutlich kürzer als in Abb. 2 dargestellt.
ID 2016-650 Seite 7 von 14 20.09.2016 Abb. 7: Ring Nummer 9 vor dem Auszugsversuch. Abb. 8: Das Bohrloch von Ring Nummer 9 nach dem Bruch.
ID 2016-650 Seite 8 von 14 20.09.2016 Abb. 9: Vergleich der Bruchflächen der beiden ausgezogenen Ringe aus der Untersberg Südwand. Links der im Zuge der Sanierung ausgezogene Ring, rechts der im Juni ausgebrochene Ring. Korrosionsspuren sind an beiden Haken vorhanden. Der eigentliche Materialbruch fand allerdings nicht im Anker, sondern in der Bohrkronen-Hülse statt.
ID 2016-650 Seite 9 von 14 20.09.2016 Schlussfolgerung Über folgende Punkte herrscht nun Klarheit: - DAV-Ringhaken der zweiten können rosten, wenn die Abdichtung nicht mehr dicht ist und Wasser eindringen kann. - Ob bzw. wie stark ein Anker dieser Bauart innen bereits korrodiert ist, kann von außen nicht festgestellt werden. - Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass selbst Ringe ohne Korrosion aufgrund ihrer Bauart bei Kräften unterhalb der Normanforderung brechen. - Die DAV-Ringhaken der zweiten gelten nicht mehr als solide Fixpunkte. Sie sollten in der Praxis wie Normalhaken bewertet werden. - Mittelfristig sollten alle noch vorhandenen Standplätze mit DAV-Ringhaken der zweiten saniert werden. In der Klettergemeinschaft gelten sie weit verbreitet als solide Fixpunkte, was sie heute allerdings nicht mehr sind. Außerdem sind sie für Laien nur schwer von den besseren DAV-Ringen der dritten zu unterscheiden. Handlungsbedarf: Die Eintrittswahrscheinlichkeit eines Hakenbruchs wird als äußerst klein eingeschätzt, da nur noch sehr wenige dieser Haken vorhanden sind und die am Untersberg getesteten Ringe noch für die Praxis ausreichende Bruchkräfte erreichten. Trotzdem sollten baldmöglichst alle noch verbliebenen Ringe dieser Bauart saniert werden. Zu klären gilt es nun in einem ersten Schritt, ob die vorliegende Liste der mit diesen Ringen ausgestatteten Routen vollständig ist oder ob es noch mehr gibt und wer die Routen saniert, in denen noch Stände mit DAV-Ringhaken der zweiten vorhanden sind. Für folgende Routen besteht noch Klärungsbedarf: - Untersberg Südwand, Barth-Kamin??? Wurde die Route bereits saniert? - Bauernpredigtstuhl Westwand, Abseilstellen neben Rittler-Kante??? Ist in dem Dokument vom AK Kaiser nicht erwähnt. Wie sieht es aus? - Leuchsturm Südwand, Notabstieg vom Kopftörlgrat neben Dreierführe??? Am Leuchsturm ist laut AK-Unterlagen nur die Alte Südwand und der Dreierweg saniert. Wie sieht es an diesen Ständen aus? - Predigtstuhl, Bozong-Kamin??? Sind hier DAV-Ringe der zweiten verbaut?
ID 2016-650 Seite 10 von 14 20.09.2016 Anhang Die folgenden Photos zeigen die anderen getesteten Ringe in der Reihenfolge, in welcher sie getestet wurden (von unten nach oben) sowie die beiden abgebrochenen Bohrkronen-Hülsen der schon vor der Untersuchung ausgebrochenen Ringe. Abb. 10: Der kleinere Ringhaken am Einstieg (Nr. 1) Abb. 11: Ring Nummer 2 nach dem abgebrochenen Ausreißversuch deutlich sichtbar sind Korrosionsspuren am Anker
ID 2016-650 Seite 11 von 14 20.09.2016 Abb. 12: Ring Nummer 3 vor dem Auszugsversuch. Abb. 13: Der vierte Stand war bereits saniert worden vom ursprünglichen DAV-Ringhaken war nur noch die Bohrkronen-Hülse in der Wand zurückgelassen worden. Abb. 14: Ring Nummer 4 vor dem Auszugsversuch.
ID 2016-650 Seite 12 von 14 20.09.2016 Abb. 15: Ring Nummer 5 während des Auszugsversuchs. Deutlich sichtbar sind Korrosionsspuren und die Tatsache, dass sich die Abdichtmasse leicht und flächig vom Fels lösen lässt. Abb. 16: Ring Nummer 5 nach dem abgebrochenen Auszugsversuch deutliche Korrosionsspuren. Abb. 17: Ring Nummer 6 vor dem Auszugsversuch.
ID 2016-650 Seite 13 von 14 20.09.2016 Abb. 18: Ring Nummer 7 vor dem Auszugsversuch. Abb. 19: Die Überbleibsel des im Juni ausgebrochenen Rings in der Untersberg-Südwand. Abb. 20: Ring Nummer 8 vor dem Auszugsversuch.
ID 2016-650 Seite 14 von 14 20.09.2016