S P E C T R A A EIN BEITRAG ZU MEHR INSIDERWISSEN 4/01 K T U E L L I:\PR-ARTIK\Aktuell01\Aktuell01_4\Deckbl-Aktuell.doc
- 1 - EIN BEITRAG ZU MEHR INSIDERWISSEN Die rasante Entwicklung der Telefonumfragen gekoppelt mit dem Handyboom der letzten 1-2 Jahre hat zu einem hochinteressanten Phänomen geführt. konnte in groß angelegten experimentellen Studien auf repräsentativer Basis nachweisen, dass die Bevölkerung am Telefon ein sehr andersartiges und oftmals positiveres Antwortverhalten an den Tag legt als im face-to-face Interview. Verwender von Umfragedaten sollten darüber Bescheid wissen, um Ergebnisse optimal deuten zu können. Durch Telefonstichproben wurde in den letzten 1-2 Jahren auch ein selektiveres Publikum rekrutiert, das in bestimmten Fällen die Repräsentativität der Ergebnisse einschränkt, beispielsweise bei politischen Themen, bei der Parteipräferenzmessung oder bei Besitzmerkmalen, wie bei der Verbreitung von Computer und Internet. In den letzten 1-2 Jahren konnte SPEC- TRA feststellen, dass zwischen telefonischen und face-to-face Umfragen häufiger als bisher Unterschiede auftraten. Das Institut ging diesem Phänomen nach und konnte in wissenschaftlich systematisch angelegten Studien wichtige Einsichten gewinnen. Ein knapper Auszug einiger zentraler Erkenntnisse wird in diesem AKTUELL vorgestellt, um zu sensibilisieren und unter anderem auch jenen Medien, die telefonische Umfragen als Lesestoff verarbeiten, wichtige Interpretationshilfen bieten zu können. Methodisch ist so vorgegangen, dass repräsentative face-to-face Befragungen und Telefonbefragungen zu identischen Zeitpunkten mit identischen Fragenprogrammen durchgeführt wurden. Face-to-face Befragungen basierten zumeist auf Stichproben von n=1.000 Personen, die telefonischen Erhebungen in der Regel auf n=500er Stichproben. Erkenntnis 1: In Telefoninterviews werden wesentlich positivere Antworten gegeben als im face-to-face Interview. Mit anderen Worten, die Telefonbefragung bildet eine schönere Welt ab als die persönliche Befragung. Beispielsweise auf die Frage, ob wir derzeit eher in einer glücklichen oder schwierigen Zeit leben, antworten am Telefon 50% der Österreicher mit glückliche Zeit. Im face-to-face Interview sind es nur 32%. Geht man dem Sachverhalt nach, ob sich die Dinge in Österreich derzeit eher in die richtige oder die falsche Richtung entwickeln, so sind es am Telefon 41% die für die richtige Richtung votieren. Im face-to-face Interview sind es dagegen nur 30%. Das Phänomen der positiveren Darstellung bezieht sich beispielsweise auch auf Abfragen zur EU und die EU- Osterweiterung. Im Telefoninterview fällt die grundsätzliche Einstellung der Österreicher zur EU und zur EU- Osterweiterung wesentlich positiver aus als im face-to-face Interview. Erkenntnis 2: Am Telefon neigen die Befragten zu einem Overreporting. Das heißt, die Tendenz, Aussagen zuzustimmen bzw. generell Ja zu sagen, ist gegenüber dem face-to-face Interview markant erhöht. Als bewusstseinsbildendes Beispiel sei hier auf die Abfrage von Markenbekanntheiten verwiesen. Generell ist es so, dass Marken im Telefoninterview einen wesentlich höheren gestützten Bekanntheitsgrad erzielen, wobei dieses Phäno- I:\PR-ARTIK\Aktuell01\Aktuell01_4\f-t-f_vs_telefon.doc
- 2 - men zumeist am stärksten bei mittelgroßen Marken zum Tragen kommt. In diesem Zusammenhang ist auch festzuhalten, dass bei Bewertungs- und Einstellungsfragen die Antwortrate für die Antwortkategorie Ja, stimme zu (zum Unterschied von Nein, stimme nicht zu ) in der Telefonbefragung zwischen 5%- 20% höher ausfällt, was wiederum vielfach dazu führt, dass das Telefoninterview wesentlich positivere Ergebnisse produziert als das persönliche Interview. Erkenntnis 3: Spontane Markenbekanntheiten sowie Antworten auf offene Fragen, die eine ausführlichere Stellungnahme erfordern, fallen im Telefoninterview wesentlich niedriger aus. Als erläuterndes Fallbeispiel sei auf die spontane Markenbekanntheit in einer Lebensmittelkategorie verwiesen. Diese Ergebnisse sind typisch und verdeutlichen, dass im Telefoninterview spontan weniger Marken als im persönlichen Interview genannt werden. Mit anderen Worten, die Bewusstseinspräsenz von Marken wird in der Telefonbefragung unterschätzt. Die Tendenz, am Telefon sparsam zu antworten, drückt sich auch bei offenen Fragen aus, die ausführlichere Stellungnahmen erfordern. Als Richtwert kann gelten, dass im persönlichen Interview doppelt bis drei Mal so viele spontane Aussagen gemacht werden als im Telefoninterview. Erkenntnis 4: Im politischen Bereich stellt das Telefoninterview der Bundesregierung ein deutlich positiveres Zeugnis aus als das face-to-face Interview. Im Telefoninterview finden 40% der Österreicher, dass die Bundesregierung ihre Sache derzeit gut macht, im persönlichen Interview liegt der Wert bei 31%. Der Vergleich, wer derzeit bessere Arbeit leistet, die Bundesregierung oder die Opposition, zeigt dasselbe Phänomen auf. Die Arbeit der Bundesregierung wird im Vergleich zur Opposition am Telefon um 11% besser bewertet. Erkenntnis 5: Das Überprüfen von einfachem Wissen führt im Telefonund face-to-face Interview zu denselben Ergebnissen. Dazu je ein -Fallbeispiel sowie ein Fallbeispiel unseres Partnerinstitutes INRA Deutschland. hat in Österreich im Rahmen einer Politikumfrage folgende Frage gestellt: Von wem wird derzeit die Regierung gebildet? Am Telefon wird von 79% der Bevölkerung spontan die ÖVP+FPÖ genannt, im persönlichen Interview von 81%. Das Ergebnis und damit der Wissensstand ist praktisch identisch. Unser deutsches Partnerinstitut INRA, das sich ebenfalls mit der Problemstellung Telefonbefragung versus face-toface Befragung beschäftigt, konnte dasselbe Phänomen wie nachweisen. Die spontane Wissensabfrage, welche Stabilitätskriterien erfüllt sein müssen, damit ein Land der europäischen Währungsunion beitreten kann, ergab im telefonischen und im persönlichen Interview dasselbe Ergebnis. Identisch war auch in beiden Erhebungsmethoden der Wissensstand der Deutschen, als nach dem Einführungsdatum des Euro gefragt wurde. Erkenntnis 6: Die telefonisch erhobenen Parteipräferenzmessungen unterschätzen zumeist den Anteil der SPÖ- Wähler. In drei systematisch durchgeführten experimentellen Repräsentativuntersuchungen (Februar 2000, Juni 2000 und Februar 2001) liegt der Befund vor, dass I:\PR-ARTIK\Aktuell01\Aktuell01_4\f-t-f_vs_telefon.doc
- 3 - der Anteil der SPÖ-Wähler in Telefonerhebungen zum Teil signifikant niedriger ausfällt als in face-to-face Befragungen (zunächst in den Rohzahlen und dann natürlich auch in den umgerechneten Zahlen). Zusätzlich war es in der letzten Februar-Messung so, dass der Anteil der Grün-Wähler am Telefon markant höher ausfiel. Diese Befunde erfahren eine aktuelle Bestätigung durch die diversen Institutsprognosen im Vergleich zu den faktischen Ausgängen der letzten Landtagswahlen für Wien und das Burgenland. Erkenntnis 7: Bestimmte Besitzstände werden in der telefonischen Erhebung deutlich höher gemessen als in der face-to-face Befragung. Im telefonischen Interview sind es 58% der Haushalte, die einen Computerbesitz angeben, während es im face-to-face Interview nur 38% sind. Derselbe Sachverhalt zeichnet sich für die Internetanschlüsse ab. Das Telefoninterview weist 31% Internetbesitz aus, das face-to-face Interview nur 19%. Das Telefon misst auch einen auffällig höheren Anteil an Autofahrern, der um 12% höher liegt als im persönlichen Interview (76% Autofahrer in der Telefonumfrage, 64% im face-to-face Interview). Die Ursachen der Unterschiede Worauf sind die Unterschiede zwischen Telefonbefragungen und persönlichen Befragungen zurückzuführen? Zunächst spielt der Handyboom eine maßgebliche Rolle. Knapp 60% der Österreicher besitzen ein Handy, wodurch sich der Festnetzanteil auf 70% der Haushalte reduziert hat. Berücksichtigt man weiters, dass etwa 15% der Festnetzanschlüsse Geheimnummern sind (in den Ballungszentren beträgt der Anteil der Geheimnummern sogar bis zu 25%) und nur ein geringer Anteil der Handynummern veröffentlicht ist, dann ist es nicht mehr möglich, echte, repräsentative Randomstichproben zu ziehen. Das Problem kann zwar durch entsprechende Quotierungen und nachfolgende Gewichtungen gemildert werden, bleibt jedoch grundsätzlich bestehen. In diesem Zusammenhang konnte nachweisen, dass in den derzeitigen telefonischen Randomstichproben der Anteil der SPÖ-affinen Wähler unterrepräsentiert ist. Weiters ist es so, dass Personen, die sich zu einem Telefoninterview bereit erklären, oftmals von ihrer Grundeinstellung aufgeschlossener, fortschrittlicher, auskunftswilliger und konsumorientierter sind. Daraus erklären sich auch in bestimmten Bereichen höhere Besitzstände (z.b. Computer, Internet, Führerscheinbesitz, etc.). Das Phänomen, dass am Telefon vielfach eine schönere Welt abgebildet wird als im face-to-face Interview, hat damit zu tun, dass der Mensch in der völlig anonymen Telefonsituation verstärkt dazu neigt, positiver zu antworten. Es ist für viele Menschen psychologisch angenehmer zu sagen ja, die Dinge passen als gegenüber der unbekannten Person auf der anderen Seite der Leitung eine Position der Opposition einzunehmen. Diese Erkenntnis ist mehrfach belegt und weiters dadurch untermauert, dass die Ja- Ja-Ja-Sage-Tendenz im Telefoninterview markant höher ausfällt als im persönlichen Interview. Im persönlichen Interview baut sich dagegen eine Beziehung zwischen Befrager und Befragtem auf. Das Engagement der Zielperson im face-to-face Interview ist ein höheres, was zu einer intensiveren Auseinandersetzung mit den Inhalten der Befragung führt. Dieser Umstand schlägt sich natürlich in einem andersartigen Antwortverhalten nieder. Fazit: Das telefonische Interview ist ein essentielles und unverzichtbares Element I:\PR-ARTIK\Aktuell01\Aktuell01_4\f-t-f_vs_telefon.doc
- 4 - der modernen Markt- und Meinungsforschung. Und die Bedeutung der Telefonbefragung wird in der Zukunft weiter zunehmen. Vor diesem Hintergrund und der rasanten Handy-Entwicklung war es das Ziel von aufzuzeigen, wo die Unterschiede zwischen face-to-face Befragungen und Telefonbefragungen liegen und welche Einflussfaktoren mit zu berücksichtigen sind, um zu fundierten Interpretationen und Schlussfolgerungen zu gelangen. Um in der Zukunft zumindest das Handy versus Festnetz Stichprobenproblem in den Griff zu bekommen, hat den Weg des Random- Digit-Dialing eingeschlagen. Mittels einer speziell entwickelten Software werden die Telefonnummern durch einen Zufallsgenerator generiert, sodass zusätzlich zu allen Festnetznummern auch alle Handy- und Geheimnummern erfasst werden können. Auf diese Weise ist der Zugang zur Grundgesamtheit aller Telefonnummern wieder gewährleistet. Erhebungscharakteristik Face-to-face Stichproben: n=1.000 Personen, repräsentativ für die österreichische Bevölkerung ab 15 bzw. 18 Jahre, Quotaverfahren Telefonstichproben: n=500 bzw. n=600 Personen, repräsentativ für die österreichische Bevölkerung ab 15 bzw. 18 Jahre, Geschichtete Randomstichproben aus dem Telefonbuch Feldzeit: Siehe Angaben auf den Grafiken/Tabellen I:\PR-ARTIK\Aktuell01\Aktuell01_4\f-t-f_vs_telefon.doc
M-2184 / M-2185 - Jän., Febr. '01 / I:/ PR_ARTIK/ Aktuell01_4/ tab-f-t-f_vs_telefon Glückliche oder schwierige Zeiten - 1 - Frage 43a: Was würden Sie sagen: Leben wir derzeit eher in einer glücklichen Zeit oder eher in einer schwierigen Zeit? Diff. face-to-face Telefon- Umfrage 1) umfrage 1) (n=1.004) (n=500) % % % Wir leben derzeit eher in einer - Glücklichen Zeit 32 50 +18 Schwierigen Zeit 51 41-10 Kann nicht sagen 17 9-8 Entwicklung in die richtige oder falsche Richtung? Frage 43: Eine Frage zur Lage Österreichs: Ganz allgemein gesehen, glauben Sie, dass sich die Dinge in Österreich zur Zeit eher in die richtige Richtung oder eher in die falsche Richtung entwickeln? Die Dinge entwickeln sich in Österreich eher in die - Richtige Richtung 30 41 +11 Falsche Richtung 33 34 +1 Kann nicht sagen 37 25-12 Die Bundesregierung im Urteil der Bevölkerung Frage 44b: Wenn Sie an die Arbeit der Bundesregierung denken, macht die Bundesregierung ihre Sache derzeit gut oder weniger gut? Die Bundesregierung macht ihre Sache derzeit - Gut 31 40 +9 Weniger gut 43 37-6 26 23 Kann nicht sagen -3 1) Erhebungszeit: Jänner 2001
- 2 - Regierung und Opposition im Vergleich M-2184 / M-2185 - Jän., Febr. '01 / I:/ PR_ARTIK/ Aktuell01_4/ tab-f-t-f_vs_telefon Frage 46: Wenn Sie jetzt die Arbeit der Regierung und die Arbeit der Opposition vergleichen, wer gefällt Ihnnen dann alles in allem besser: Die Regierung oder die Opposition? Es macht derzeit % % % die bessere Arbeit - Die Regierung 31 42 +11 Die Opposition 17 18 +1 Beide gleich 18 16-2 Kann nicht sagen 34 24-10 Das Wissen, wer derzeit die Regierung stellt Frage 44a: Machen wir einen kurzen Abstecher in die Politik: Nach dem was Sie wissen oder gehört haben, von welchen Parteien wird derzeit die Bundesregierung gebildet? Nach Ansicht der Österreicher wird derzeit die Regierung gebildet von - ÖVP + FPÖ 81 79-2 SPÖ 8 7-1 Grüne 1 0-1 Weiß nicht 10 14 +4 Computer-, Internetpenetration in Österreichs Haushalten Frage: Gibt es einen Computer in Ihrem Haushalt? Hat Ihr Haushalt einen Internetanschluss? Diff. face-to-face Telefon- Umfrage 1) umfrage 1) (n=1.004) (n=500) face-to-face Telefon- Umfrage 2) umfrage 2) (n=1.004) (n=500) Haushaltsbesitz - % % Computer 38 58 +20 Internetanschluss 19 31 +12 57 89 1) Erhebungszeit: Jänner 2001 2) Erhebungszeit: Oktober 2001
M-2184 / M-2185 - Jän., Febr. '01 / I:/ PR_ARTIK/ Aktuell01_4/ tab-f-t-f_vs_telefon Tendenzen des Over- und Underreporting Overreporting bei gestützter Markenbekanntheit - Underreporting bei spontaner Markenbekanntheit - Diff. Diff. face-to-face Telefon- face-to-face Telefon- Umfrage 1) umfrage 1) Umfrage 1) umfrage 1) (n=1.000) (n=600) (n=1.000) (n=600) % % % % % % Große Marken Marke A 94 97 +3 71 61-10 Marke B 88 98 +10 54 44-10 Marke C 86 94 +8 40 34-6 Mittelgroße Marken Marke D 67 84 +17 23 14-9 Marke E 55 65 +10 22 22 +0 Marke F 57 85 +28 18 13-5 Kleine Marken Marke G 36 37 +1 16 6-10 Marke H 19 18-1 13 7-6 Marke I 22 25 +3 11 8-3 1) Erhebungszeit: November 2000-3 -
- 4 - M-2184 / M-2185 - Jän., Febr. '01 / I:/ PR_ARTIK/ Aktuell01_4/ tab-f-t-f_vs_telefon Gleiches Antwortniveau bei Wissensfragen INRA Deutschland INRA Deutschland Diff. face-to-face Telefon- Umfrage 1) umfrage 1) Welche Stabilitätskriterien (n=1.196) (n=1.064) müssen erfüllt sein, um der europäischen Währungsunion % % % beitreten zu können - Prozentsatz von weitgehend "richtiger" Antworten 45 45 +0 Können Sie mir das Einführungsdatum des Euro nennen? Richtig genanntes Datum 22 20-2 Weiß nicht, bzw. falsches Datum 78 80 +2 1) Quelle: 's Partnerinstitut INRA Deutschland
M-2184 / M-2185 - Jän., Febr. '01 / I:/ PR_ARTIK/ Aktuell01_4/ tab-f-t-f_vs_telefon - 5 - Parteipräferenzen Nationalratswahl: Sonntagsfrage Diff. face-to-face Telefon- Umfrage umfrage (n=1.004) (n=500) Messung im Februar 2001 Es würden am nächsten Sonntag wählen- % % % SPÖ 36 30-6 ÖVP 26 28 +2 FPÖ 22 24 +2 Grüne 8 15 +7 LIF 3 2-1 Andere Partei 5 1-4 Es würden am nächsten Messung im Juni 2000 Sonntag wählen- SPÖ 33 31-2 ÖVP 26 28 +2 FPÖ 24 26 +2 Grüne 10 11 +1 LIF 3 2-1 Andere Partei 4 2-2 Es würden am nächsten Messung im Februar 2000 Sonntag wählen- SPÖ 35 31-4 ÖVP 23 24 +1 FPÖ 25 26 +1 Grüne 12 14 +2 LIF 2 3 +1 Andere Partei 3 2-1