Engagement braucht Leadership ein Modellprogramm vor dem Schritt in die Praxis

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Transkript:

Viola Seeger BBE-Newsletter 01/2012 Engagement braucht Leadership ein Modellprogramm vor dem Schritt in die Praxis Das hat einen richtigen Knall bei den Vereinen gegeben, stellt Karen Leonhard von der Freiwilligen-Agentur Halle-Saalkreis e.v. fest. Es muss viele ehrenamtliche Vereinsvorstände überrascht haben, nicht nach dem Vereinsgeschehen gefragt zu werden, sondern nach der Führungsarbeit und dem eigenen Befinden. Angesichts des offenkundig gewordenen großen Unterstützungsbedarfs wundert sich Frau Leonhardt, wie ein solcher blinder Fleck entstehen konnte. Seit Juli 2011 leitet sie eines der Projekte im Modellprogramm Engagement braucht Leadership - Initiativen zur Besetzung und Qualifizierung ehrenamtlicher Vereinsvorstände, das die Robert Bosch Stiftung in Kooperation mit dem Landesnetzwerk Bürgerschaftliches Engagement Bayern durchführt. Weitere Programmpartner sind die Freiwilligenagentur Bremen und das Centrum für bürgerschaftliches Engagement e.v., Mülheim. Noch hat die Praxisphase der Projekte nicht begonnen. Einig sind sich die drei Standorte aber darin, dass schon allein die stadtweite Thematisierung von Fragen der Vorstandsbesetzung und qualifizierung einen Unterschied macht. Die Stiftung ergänzt das Modellprogramm durch die Förderung des Bundesnetzwerks Bürgerschaftliches Engagement, das sich seit Sommer 2011 ebenfalls der Vorstandsfragen annimmt. Vollzieht die Robert Bosch Stiftung mit diesem Programm nach 20 Jahren der Engagementförderung eine Kehrtwende zur Stärkung von Organisationsstrukturen, die angesichts von Sozialen Bewegungen und Social Media nur anachronistisch anmuten können? Bürgerschaftliches Engagement und Vereine Handlungsbedarf? Bürgerschaftliches Engagement ist ordnungspolitisch zu einem konstitutiven Element des Zusammenlebens in Deutschland geworden. Bund, Länder und Kommunen verstehen es zunehmend als Politikfeld. Wesentliche Anliegen der Robert Bosch Stiftung sind inzwischen Realität, wie z.b. die Verbreitung der Idee und der Praxis von Freiwilligendiensten oder eine regelmäßige Engagementberichterstattung. Zukunftsrelevant für das bürgerschaftliche Engagement erscheint derzeit unter anderem die Frage nach seinen infrastrukturellen Grundlagen. Die Entdeckung des bürgerschaftlich Engagierten in den 1990er Jahren richtete die Aufmerksamkeit auf das Individuum. Die organisationsgebundenen Voraussetzungen für das Engagement gerieten in der Fachöffentlichkeit etwas aus dem Blick. Jedoch gilt: Die wichtigste Organisationsform des freiwilligen Engagements ist der Verein (...). Das 1

gilt völlig unverändert für 1999 und 2004 und betraf jeweils 43 % aller freiwilligen Tätigkeiten. 1 Der öffentliche Diskurs hat zwar die Sicherung engagementfördernder Infrastruktureinrichtungen aufgegriffen, damit sind jedoch Freiwilligenagenturen, kommunale Anlaufstellen, Bürgerstiftungen oder ähnliche Institutionen gemeint, nicht die Vereine selbst. In Deutschland gibt es etwa 580.000 Vereine 2. Mitgliedschaft erweist sich gemäß dem Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung noch immer als ein Engagementmotor 3. 54 % der Bevölkerung in Deutschland sind demnach Mitglied in mindestens einem Verein. Eine lebendige Vereinslandschaft stärkt die Lebensqualität und ist Andockpunkt für bürgerschaftliches Engagement. Vermutlich wird sie künftig eher an Bedeutung gewinnen, denn die verlässliche Übernahme von ehrenamtlichen Aufgaben im Gemeinwesen kommt ohne Strukturen kaum aus. Die Herausforderung besteht darin, sie zu erneuern und in Einklang mit den Interessen, zeitlichen Möglichkeiten und demokratischen Gestaltungsansprüchen von poteniellen ehrenamtlichen Führungskräften unterschiedlicher Generationen zu gestalten. Auf der lokalen Ebene stellt sich jedoch die Besetzung ehrenamtlicher Vorstandsposten in Vereinen zunehmend als Problem dar. In Expertenrunden mit Vertretern aus der Wissenschaft, Verbänden, Wirtschaft und der Lokalpolitik im Jahr 2009 wie auch durch die Kurzstudie Vereine ohne Vorstand? 4 ging die Robert Bosch Stiftung der Frage nach, wie ernstzunehmen die allgegenwärtige Klage der Vereine tatsächlich ist. Bei den Recherchen gab es von allen Seiten Zustimmung zur Praxisrelevanz des Themas und gleichzeitig Erstaunen, dass es außer in Sportverbänden seit Jahren kaum Aufmerksamkeit gefunden hat. 1 BMFSFJ (Hrsg.), 2005: Freiwilliges Engagement in Deutschland 1999 2004. Ergebnisse der repräsentativen Trenderhebung zu Ehrenamt, Freiwilligenarbeit und bürgerschaftlichem Engagement, S. 125 2 vgl. http://www.npo-info.de/vereinsstatistik/2011/ 3 WZBrief ZivilEngagement, 02/2010 4 Wolf, André, Zimmer, Annette (2010): Vereine ohne Vorstand? Kurzstudie im Auftrag der Robert Bosch Stiftung zur Problematik der Besetzung ehrenamtlicher Vereinsvorstände in Deutschland, Zentrum für Nonprofit-Management ggmbh, Münster vgl. auch Wolf, André, Zimmer, Annette: Vereine in Deutschland: Vorstände verzweifelt gesucht (2010). In: VM, Fachzeitschrift für Verbands- und Nonprofit-Management, Heft 3/2010, S. 28-37

Als Erklärung für die Besetzungsschwierigkeiten boten sich an die Individualisierung und Flexibilisierung von Lebenswegen und Engagementmustern sowie die stärkere Neigung zu projektförmigem, zeitlich begrenztem Engagement, wachsende Verantwortung von Vorständen gegenüber Empfängern sozialer Hilfeleistungen, Geldgebern und hauptamtlichen Mitarbeitern, ein negatives Image von Vorstandsarbeit im Vergleich zu modernen Engagementformen, unprofessionelles Management der Vorstandsarbeit, besonders auch fehlende Strategien zur Personalentwicklung, das Fehlen geeigneter Unterstützungsangebote sowie weitgehende Ignoranz gegenüber der Problematik seitens der engagementfördernden Infrastruktureinrichtungen. Dessen ungeachtet können unbesetzte Vorstandsposten freilich auch Ergebnis überlebter Ziele und Arbeitsweisen entbehrlich gewordener Organisationen sein. Vorstandsarbeit entzieht sich vordergründig an Effizienz ausgerichteter unternehmerischer Handlungslogik. Ehrenamtlichkeit, komplexe Motivationslagen und die Notwendigkeit der Konsensbildung in der Mitgliedschaft lassen an der Erwerbswirtschaft orientierte Beratungskonzepte häufig scheitern. Vorhandene Unterstützungsangebote Literatur, Seminare, Internetportale behandeln meist steuer- und haftungsrechtliche Fragen oder verfolgen einen breiten Ansatz von Vereinsmanagement und Organisationsentwicklung. Gebraucht werden dagegen Initiativen, die die Gewinnung und Qualifizierung von Vorständen als gestaltbaren Prozess betrachten und auf lokaler Ebene neue Allianzen mit Politik, Verwaltung und Wirtschaft begründen, neuartige und unkonventionelle lokale Praxismodelle ebenso einschließen wie die Schaffung einer kritischen Öffentlichkeit und Kultur der Wertschätzung für den Vorstand als attraktive, wertgebundene und leistbare Führungsaufgabe auf Zeit, zunächst auf die Vorstandsbesetzung fokussieren und sich aus dieser Perspektive weiterführenden Fragen öffnen.

Das Programm Engagement braucht Leadership Das Programm nimmt die ehrenamtlich strukturierten Vereine in den Blick, die lokal zu einer lebendigen Bürgergesellschaft beitragen. Es bietet bisher keine Antworten auf die Frage, wie Vereinsvorstände gewonnen werden können. Seine Innovation besteht zunächst darin, diese Frage nicht mehr nur als Aufgabe dem einzelnen Verein oder Verband zuzuschreiben, sondern beispielhaft die Verantwortungsbereitschaft lokaler Gemeinwesen für eine lebendige Bürgergesellschaft am Ort herauszufordern, gemeinsam Maßnahmen zu entwerfen und umzusetzen. Dieser Beitrag soll gleich einem Tag der offenen Tür einen Blick in die Programmwerkstatt ermöglichen. Zwei Phasen Im Februar 2011 startete die Koordinierungsstelle des Programms beim Landesnetzwerk Bürgerschaftliches Engagement Bayern in der Trägerschaft des Instituts für Soziale und Kulturelle Arbeit (ISKA) in Nürnberg. Ein fachpolitischer Beirat begleitet das Programm. 5 In einem mehrstufigen Verfahren wurden die drei engagementfördernden Infrastruktureinrichtungen in Bremen, Halle und Mülheim an der Ruhr als lokale Partner ausgewählt. Schwieriger als geeignete Partner zu finden, war die Begrenzung auf nur drei. Als entscheidend erwiesen sich bei der Auswahl schließlich Anforderungen aus der beabsichtigten Modellbildung. In der Phase 1 (Juli 2011 bis Februar 2012) entwickeln die drei Projekte in einem partizipativen Prozess gemeinsam mit lokalen Vereinen und anderen Partnern Maßnahmen, die es für Vereine wahrscheinlicher machen, Vorstandsposten zu besetzen. Pro Standort hat die Robert Bosch Stiftung dafür 10.500 bereitgestellt. Sofern daraus überzeugende Konzepte entstehen, erhalten sie eine weitere Förderung für die Umsetzung in Phase 2 (März 2012 bis Mai 2013). Die Phase 1 wurde an den Standorten genutzt, um - Wissen über die Situation von Vereinen und die Bedürfnisse der Vorstände zu generieren, - Vorstände für das Programmanliegen aufzuschließen, - Partner zu gewinnen und Kooperationen zu vertiefen. An erster Stelle sind hier die Politik und Verwaltung der Kommune zu nennen, aber auch Unternehmen oder z.b. die Volkshochschule sind gefragt. Der Verbindung in die Stadtgesellschaft dienen die Steuerungsgruppen in Halle und Mülheim sowie eine Denkwerkstatt in Bremen. 5 siehe www.bosch-stiftung.de/ebl

Während in Bremen Interviews mit Vorständen aus sechs Vereinen auf dem Programm standen, setzte das Team in Mülheim auf eine schriftliche Vollbefragung der Vereine sowie eine Online-Befragungen von Einzelpersonen, um den status quo bzw. die Engagementbereitschaft zu erfahren. Halle dagegen entschied sich für eine Teilbefragung von Vereinen 6. Es folgten unterschiedliche Workshop-Formate zur Ideenerarbeitung und Konzeptentwicklung. Die Ergebnisse werden lokal nochmals zur Diskussion gestellt, ob nun online oder auf einer Stadtkonferenz. Ziel dieser umfangreichen Entwicklungshase ist es nicht nur, geeignete Interventions- und Unterstützungsmaßnahmen zu entwerfen. Es kommt gleichfalls darauf an, die Befassung mit dem Zustand der lokalen Bürgergesellschaft und ihren ehrenamtlichen Führungskräften zu einem gemeinsamen Anliegen zu machen. Nicht die einzelne Freiwilligenagentur führt in Phase 2 ihr Projekt durch, sondern sie übernimmt die Federführung in einem gemeinsamen Prozess. Erste Eindrücke aus den Projekten Mit aller Vorsicht, ohne Anspruch auf Allgemeingültigkeit, lassen sich erste Tendenzen ausmachen. Die Bereitschaft und das Interesse von Vorständen zur Mitwirkung sind an allen drei Standorten unerwartet groß. Vorstände haben es als Anerkennung ihrer Arbeit empfunden, wirklich gefragt zu werden, denn wie Birgitt Pfeiffer, Leiterin der Freiwilligen-Agentur Bremen, weiß, denken sie an Hilfe für sich selbst erst zum Schluss. Eva Winkler, Projektleiterin in Mülheim, ist sich sicher, dass das Projekt keine Chance hätte, wenn die Freiwilligenagentur schon wüsste, was für die Vereine gut ist. Während in den Workshops in Mülheim unter anderem Sportvereine recht prominent vertreten waren, fühlten sich in Halle erwartungsgemäß Seniorenvereine stark angesprochen. Weniger klar waren im Vorfeld das Interesse von Förder- und Elternvereinen und ihr Potential, sich für die Aufgaben im Gemeinwesen einzubringen. Obgleich kein Vorstand wie der andere ist, vermutet Bremen, dass ein markantes Produkt und Ort des Vereinsgeschehens gleich ob Bibliothek oder Werkstatt es leichter machen könnten, Vorstände zu finden. In Halle scheint es, dass sich die Vorstandsfragen je nach Lebensphase des Vereins anders stellen. Das Projekt unterscheidet dabei vorläufig nach den Phasen Gründung, Wachstum und Stagnation. 6 siehe http://freiwilligen-agentur.de/?page_id=3611 (Fragebogen für Vereinsvorstände zum Download)

Aus den Ergebnissen der Vorstandsbefragung 7 hervor, dass in Mülheim geht unter anderem - Vorstandsmitglieder ihr Amt überwiegend ausüben, weil es ihnen Spaß macht, sie gern mit Menschen arbeiten und sich gern für andere einsetzen. - ein gutes Vereinsklima die wichtigste Bedingung für das weitere Engagement im Vorstand bildet. - über 60 % der Vereine gegenwärtig und/oder von früher Schwierigkeiten kennen, Vorstandsposten zu besetzen. - 60 % der Vorstände Nachfolger ausschließlich im Verein, 36 % dagegen im Verein und außerhalb suchen. - als wichtigste Gründe für die Ablehnung von Vorstandsämtern Zeitmangel, zu viel Verantwortung und Aufgaben sind zu umfangreich genannt werden. - über 70 % bei der Ausübung oder Übernahme des Amtes bisher keine Hilfe von außen gesucht haben. Angesichts des breiten Unterstützungsbedarfs, den Vereine formuliert haben, war das letzte Ergebnis nicht zu erwarten. Dazu gehören klassische Fragen des Vereinsmanagements, Öffentlichkeitsarbeit, Finanzen und Recht, aber auch der kollegialen Zusammenarbeit im Vorstand. Hotlines für Beratung in diversen Vereinsangelegenheiten werden ebenfalls gewünscht. Jedoch stellt das Modellprogramm Qualifizierungen allgemeiner Natur nicht in den Mittelpunkt. Vielmehr soll beim Entwerfen von Maßnahmen explizit die Perspektive der Vorstandsbesetzung eingenommen werden, auch wenn dadurch grundsätzliche Fragen von Demokratie, Vereinskultur und Modernisierung auf die Tagesordnung kommen. Erkenntnisse und Orientierungen für die Phase 2 Der Erfolg wird maßgeblich davon abhängen, dass Politik und Verwaltung am Ort das Anliegen als aktive Partner zu ihrem eigenen machen. Das ist nicht automatisch als Angriff auf klamme öffentliche Kassen zu verstehen, sondern zunächst als Frage der Haltung und der politischen Unterstützung. Angesichts der begrenzten Ressourcen erscheint es zweckmäßig, dass sich die lokalen Projekte auf wenige Maßnahmen konzentrieren, von denen eine größere Anzahl Vereine profitieren kann. Alle beteiligten Freiwilligenagenturen haben ein ausgeprägtes Bedürfnis von Vorständen nach Austausch wahrgenommen. Aus den Gesprächen und Workshops wissen die Projektleitungen, dass der Vereinsalltag meist zu wenig Raum und Anlass für Reflexion und strategisches Denken bietet, etwa in der Personalentwicklung oder 7 Es liegen Antworten aus 61 Vereinen vor.

der Verzahnung von Vorstandsarbeit mit dem Engagement der Mitgliedschaft. Anders als in der Wirtschaft fehlt an den Standorten bislang eine Kultur des organisationsübergreifenden und themenbezogenen Austauschs in Führungskreisen. Die Phase 1 hat dafür eine erste Plattform geboten. Als Orientierung bei der Konzepterarbeitung für Phase 2 wurden im Programm folgende Cluster für Interventionsrichtungen erarbeitet, die jeweils diverse Möglichkeiten der Operationalisierung einschließen: - Image von Vorstandsarbeit verbessern und modernisieren, u.a. durch Partnerschaften mit der Kommune, engagementfördernden Einrichtungen und Unternehmen - Demokratisierung und Öffnung von Vereinen - Qualifizierung von amtierenden Vorständen - Organisationsentwicklung und Kooperationen, um Vorstandsarbeit leistbar zu machen - Erschließung von Potentialen außerhalb des Vereins. In Bremen, Halle und Mülheim liegt jeweils eine Vielzahl von Ideen auf dem Tisch 8, vom Wegweiser für Vereine über jährliche Fachtagungen für Vorstände bis zu Coachingangeboten. Es kommt in den nächsten Wochen darauf an, daraus je ein lokal stimmiges, zukunftsfähiges Konzept zu entwickeln: anspruchsvoll und realistisch, traditionsbewusst und mutig, Neues zu erproben. Wofür sich die Projektpartner auch entscheiden, das Programm Engagement braucht Leadership wird ihnen ein Anlass sein, die Arbeit von ehrenamtlichen Vereinsvorständen künftig bei der Stärkung von bürgerschaftlichem Engagement mitzudenken. Die ersten Interessenten für Vorstandspositionen sind bereits über die Freiwilligenagenturen vermittelt. Ohne spezielle Maßnahme hat hier der Diskurs im öffentlichen Raum schon gewirkt. Das ist mehr, als in der Phase 1 erwartet werden durfte. Über den Fortgang informiert die Robert Bosch Stiftung auf der Internetseite des Programms (www.bosch-stiftung.de/ebl) und einer Fachtagung Im Frühjahr 2013. Die Koordinierungsstelle Engagement braucht Leadership lädt voraussichtlich für Juni 2012 zu einem offenen Workshop ein. 8 Siehe auch http://freiwilligen-agentur.de/wp-content/uploads/2011/11/11-10-30-ebl-ideensammlung (Halle)

Viola Seeger ist Projektleiterin in der Robert Bosch Stiftung GmbH, Stuttgart. Sie arbeitet in den Themenfeldern Migration und Integration sowie Bürgerschaftliche Initiative und Ehrenamt. Kontakt: Koordinierungsstelle Engagement braucht Leadership Aline Liebenberg, Tel. 0911/27 29 98-34, liebenberg@iska-nuernberg.de Robert Bosch Stiftung Viola Seeger, Tel. 0711/460 84-48, viola.seeger@bosch-stiftung.de Freiwilligen-Agentur Bremen Birgitt Pfeiffer, Leiterin, info@freiwilligen-agentur-bremen.de Freiwilligen-Agentur Halle-Saalkreis e.v. Karen Leonhardt, stellv. Geschäftsführerin, halle@freiwilligen-agentur.de, Centrum für bürgerschaftliches Engagement e.v., Mülheim an der Ruhr Eva Winkler, Projektleiterin, info@cbe-mh.de