Kommunikativer Stil, kulturelles Gedächtnis und Kommunikationsmonopole



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Kommunikativer Stil, kulturelles Gedächtnis und Kommunikationsmonopole Jürgen Bolten (Jena) in: H.K.Geißner (Hg.), Wirtschaftskommunikation in Europa. Tostedt 1999, 113-131 "Ein Ford Mondeo ist ein Ford Mondeo und doch kein Ford Mondeo". So oder ähnlich könnte das Resümee eines verwirrten (wenngleich hypothetischen) Kunden lauten, der nacheinander einen australischen, einen italienischen und einen spanischen Verkaufsprospekt des ersten "Weltautos" zur Kenntnis genommen hat. Das vorgestellte Fahrzeugmodell ist abgesehen von den Ausstattungsmerkmalen und den angebotenen Farbpaletten auf den zweiten Blick zwar das gleiche. Gänzlich unterschiedlich sind jedoch Konzeption und Gestaltung der Verkaufsprospekte. Dies betrifft die verwendeten Bildmotive und Schriftarten ebenso wie den Argumentationsaufbau oder den Prospektumfang: in Australien stehen beispielsweise 16 Seiten zur Verfügung, in Spanien 30 und in Italien 60. Das Beispiel des Mondeo-Verkaufsprospektes ist in generalisierter Form auf nahezu alle anderen Textsorten der Wirtschaftskommunikation übertragbar, die nicht international verbindlichen Normierungen unterliegen: Jeder Kulturraum verfügt über eigene und für ihn signifikanten kommunikativen Stilmittel, die sich im Rahmen der Textproduktion entsprechend materialisieren. Eine angemessene Berücksichtigung dieser kommunikativen als kulturellen Spezifika stellt für die interkulturelle Marketingpraxis vor allem bei Teilstandardisierungsentscheidungen ein Kernproblem dar. Da es gerade kleineren und mittleren Unternehmen schon aus finanziellen Gründen nicht möglich ist, bei der Produktion zielkulturorientierter Texte auf Agenturen der jeweiligen Zielkulturen zurückzugreifen, ist es um so wichtiger, Instrumentarien zu kennen, mit denen kulturspezifische Merkmale kommunikativer Stile beschrieben werden können. Auf dieses eher methodische Know-how soll im ersten Teil des Beitrags eingegangen werden (1). Unter inhaltlich-konzeptionellen Gesichtspunkten stellt sich freilich gerade im Zeitalter internationaler Globalisierungsprozesse auch die Frage, inwieweit Kommunikationsprodukte für eine bestimmte Länderregion zusammengefaßt bzw. standardisiert werden können. Beantworten läßt sich diese Frage entweder (punktuell und relativ kostenintensiv) mit Mitteln der Marktforschung oder aber -was hier aus methodischer Perspektive geschehen soll- auf dem Wege einer historisch-systematischen Analyse der Entwicklung kommunikativer Stile hin zu ihrem status quo: Wie sich dabei zeigen läßt, sind die Spezifika des kommunikativen Stils einer Ethnie Ausdruck ihres kulturellen Gedächtnisses 1, so wie umgekehrt das kulturelle Gedächtnis einer Ethnie wesentlich durch diejenigen geprägt ist, die über längere Zeiträume hinweg in ihr als Kommunikations- und teilweise auch als Medienmonopolisten agieren konnten. Folgerichtig gilt -so die These- daß eine kulturübergreifende Akzeptanz kommunikativer Stile wesentlich von dem Ausmaß abhängt, in welchem die beteiligten Ethnien über Gemeinsamkeiten in ihrer Kommunikationsgeschichte verfügen oder nicht (II). Inwieweit dieser Sachverhalt die derzeit sehr kontrovers geführte Diskussion um die sukzessive Angleichung kommunikativer Stile bis hin zur Herausbildung eines kommunikativen Weltstils berührt, soll abschließend mit einem Hinweis auf die Internet- Unternehmenskommunikation erläutert werden (III). 1. Systemcharakter und Kulturspezifik kommunikativer Stile Um die kulturspezifischen Merkmale kommunikativer Stile in der schriftlichen Wirtschaftskommunikation deskriptiv erfassen und auf dieser Grundlage vergleichen zu können, bietet 1 Die Bezeichnung "kulturelles Gedächntis" wird hier im Sinne von J.Assmann (I) verwendet.

sich methodisch ein Zugang über die Beschreibung der einzelnen Textkonstituenten an. Diese werden - wie in der mündlichen Kommunikation- durch vier Kommunikationsebenen repräsentiert 2 : Ebene mündliche Kommunikation schriftliche Kommunikation verbal lexikalische, syntaktische, rhetorischstlistische Vertextungsmittel; Propositionsfolge lexikalische, syntaktische, rhetorisch-stilistische Vertextungsmittel; Propositionsfolge nonverbal Mimik, Gestik, Körperhaltung, Blickkontakt Bilder, Zeichnungen, Diagramme, Format, Farbe, Layout, Faltweise para- Lautstärke, Stimmlage, Sprechrhythmus, Typographie, Interpunktion, Schreibweise, verbal extraverbal Lachen, Hüsteln, Pausen, Akzent Zeit, Ort, Kommunikationsbeziehung; Kleidung; Kontexte; taktile (fühlbare), olfaktorische (riechbare) Aspekte Zwischenräume, Satzspiegel Zeit (z.b. Erscheinungsweise), Raum (Ort und Modi der Textübermittlung: Medienart); Papierqualität, Zielgruppenorientierung Gemeinsamer Bezugspunkt der vier Kommunikationsebenen sind Propositionen, also Sachverhalte, die es auf eine bestimmte Art und Weise zu kommunizieren gilt. Das Wie der Kommunikation hängt von der spezifischen Art des Verweisungszusammenhangs ab, in den die vier Kommunikationsebenen bei der Explikation eines Sachverhalts jeweils treten. Dieser (synchrone) Verweisungszusammenhang wiederum stellt sich als kommunikatives System dar und repräsentiert als solches gleichzeitig einen bestimmten kommunikativen Stil. Unter diachronen Aspekten sind kommunikative Stile weiterhin geprägt durch die Interdependenz von (a) individuencharakteristischen Merkmalen (Alter, Geschlecht usw.), (b) Sozialisationskontexten (z.b. Bildung, berufliches Umfeld) und (c) kulturellen Wissensbeständen 3. Schematisch läßt sich dies wie folgt verdeutlichen: verbal nonverbal Proposition kultureller Wissensvorrat paraverbal extraverbal sozialisationstypische Merkmale individuencharakteristische Merkmale Abb.1: Konstituenten kommunikativer Stile 2 Zu der Einteilung vgl. ausführlich Bolten/Dathe/Kirchmeyer u.a., Bolten (I) sowie Schröder und Oksaar. 3 Der Begriff des "kulturellen Wissensvorrats" wird hier im Sinne von Habermas verwendet.

Eine synchrone Analyse kommunikativer Stile beschreibt folglich deren spezifische Merkmale im konkreten Einzelfall. Eine Generalisierbarkeit in bezug auf den Kommunikationsstil in bestimmten Kulturräumen kann sie allenfalls empirisch nahelegen. Eine diachrone Betrachtung hingegen ist -aufbauend auf synchronen Analysen- primär an einer Darstellung der soziokulturellen Historizität der Spezifik kommunikativer Stile orientiert. Sie zielt auf Begründung der Generalisierbarkeit bestimmter kommunikativer als kultureller Stile. Der nachfolgende kurze Vergleich zwischen Geschäftsberichten von Ford/USA und Ford/Deutschland aus dem Jahr 1993 soll zunächst unter synchronem Aspekt verdeutlichen, inwieweit auf den ersten Blick scheinbar spezifische Merkmale wie Dynamik - Offenheit - Personenbezug auf US-amerikanischer und Statik - "Geordnetheit" - Technikorientierung auf deutscher Seite tatsächlich als konstitutiv für den jeweiligen kommunikativen Stil gelten können. Voraussetzung wäre, daß sich diese Merkmale sowohl auf den einzelnen Kommunikationsebenen als auch innerhalb ihrers wechselseitigen Zusammenhangs verifizieren ließen. Dies ist in der Tat der Fall: Verbal dokumentiert sich die größere Dynamik und Adressatenzuwendung des US-amerikanischen Geschäftsberichts gegenüber dem deutschen durch einen wesentlich höheren Verbanteil, eine häufigere Verwendung von Eigennamen und einen stringenteren Argumentationsaufbau unter weitgehendem Ausschluß von Nebensatzkonstruktionen aus. 4 Nonverbal entspricht diesem Befund eine erheblich höhere Anzahl von Personendarstellungen gegenüber technischen Abbildungen sowie nicht zuletzt auch die Tatsache, daß Abbildungen und Texte nicht "ordentlich" voneinander getrennt sind, sondern ineinander überfließen. Paraverbal, also vor allem in Hinblick auf das Textlayout, wird dieser Eindruck dadurch verstärkt, daß -anders als im deutschen Text- mittels Spaltenversetzungen, Flattersatz und farbigen Subtitles jegliche Regelhaftigkeit, Statik und "Geordnetheit" vermieden wird. Die so erreichte verbale Stringenz und Dynamik dokumentiert sich extraverbal folgerichtig darin, daß US-amerikanische gegenüber deutschen Geschäftsberichten durchschnittlich nur die Hälfte des Seitenumfangs aufweisen, was bezogen auf die Bindung eine einfache Heftung statt einer aufwendigeren Leimung ermöglicht. 5 Wären die einzelnen Kommunikationsebenen nicht durch derartige Interdependenzen bzw. Entsprechungen charakterisiert, wäre also beispielsweise ein dynamisch-personenbezogener Verbalstil eingebettet in ein starres und technikzentriertes Layout, erwiese sich das gesamte Kommunikationssystem (qua Geschäftsbericht) als System als inkohärent und damit auch als unglaubwürdig. Eine solche Inkohärenz erzeugen allerdings häufig Übersetzungen, die sich nur auf die verbale Ebene eines Textes beschränken, nonverbale, paraverbale und extraverbale Elemente hingegen unverändert lassen. Dies gilt sowohl für freie als auch für eng an den Ausgangstext angelehnte Übersetzungen: Bei freien Übersetzungen resultiert eine Inhomogenität des entsprechenden kommunikativen Systems daraus, daß sich z.b. bei der Übersetzung eines deutschen Geschäftsberichts in amerikanisches Englisch stilistische Dynamik auf der verbalen Ebene und starre Regelhaftigkeit des Layouts auf der nonverbalen Ebene konterkarieren. Bei textnahen Übersetzungen ("deutsches Englisch") erscheint das Kommunikationssystem in sich zwar homogen, es bleibt aber aus amerikanischer Perspektive in seiner Gesamtheit fremd. Ersteres läßt den denkbar schlechtesten Fall einer Textübertragung resultieren, letzteres 4 Ich berufe mich hierbei auf Ergebnisse einer entsprechenden Untersuchung von deutschen, US-amerikanischen, französischen und britischen Geschäftsberichten der Automobilindustrie, die 1994 an der Universität Jena durchgeführt worden ist (Bolten/ Dathe/ Kirchmeyer u.a.). 5 ebd., S.404

erscheint nur dann sinnvoll, wenn mit der bewirkten Fremdheit kokettiert werden soll, um Fremdbildern bzw. Stereotypen gerecht zu werden: So würde beispielsweise eine sehr texttreue Übersetzung von Prospekten deutscher Automobilproduzenten bei unveränderter Übernahme der anderen drei Kommunikationsebenen in den USA zwar als fremd empfunden, unter Umständen aber auch als Beleg für jene Präzision, Perfektion und Technikzentrierung interpretiert, die man von deutschen Autos erwartet. In allen anderen Fällen, in denen entweder die Herkunft von bestimmten Produkten und Dienstleistungen in der Zielkultur nicht allgemein bekannt ist oder wo Assoziationen zu vorherrschenden Stereotypen über die Ausgangskultur wenig sinnvoll erscheinen, bietet sich das Verfahren einer ausschließlich verbalen (textnahen) Übertragung deswegen nicht an, weil das Translationsprodukt aufgrund seines unterschiedlichen kommunikativen Stils unweigerlich den Wahrnehmungsgewohnheiten bzw. den (Normalitäts-)Erwartungen der Zielgruppe und deren "politics of reality" 6 zuwiderläuft. Damit unterliegt es stets der Gefahr, nicht akzeptiert bzw. exterritorialisiert zu werden: So empfinden deutsche Rezipienten Geschäftsberichte USamerikanischer Unternehmen häufig als "chaotisch" und wenig seriös, während US- Amerikaner deutsche Geschäftsberichte eher als langweilig klassifizieren und ihnen nicht zuletzt auch aufgrund ihres voluminösen Umfangs von vornherein eher ablehnend gegenüberstehen. Die Ursachen sowohl für unterschiedliche Wahrnehmungsgewohnheiten als auch für unterschiedliche Konzeptionsweisen kommunikativer Systeme bzw. Stile sind, wie in Abb.1 dargestellt, in der Interdependenz von Individuencharakteristik, Sozialisationstypik und kulturellem Wissensvorrat zu sehen. Kommunikative Stile realisieren sich folglich -in abnehmender Variationsbreite- als individuelle, als soziale und als kulturelle Stile. In Anlehnung an den von Habermas erörterten kommunikationstheoretischen Begriff der Lebenswelt 7 bedeutet dies, daß individuellen und sozialen Varianten des kommunikativen Stils einer Ethnie der ihnen zugrunde liegende kulturelle Wissensvorrat gemeinsam ist. Intrakulturell unterscheiden sich kommunikative Stile hinsichtlich ihrer individuellen und sozialen Variationsbreite, wie man leicht bei einem Vergleich z.b. von Automobilprospekten verschiedener Hersteller eines Kulturraums feststellen kann. Eine zumindest grundlegende Akzeptanz ist bei Rezipienten aus diesem Kulturraum unbeschadet persönlicher Vorlieben oder Abneigungen indes gesichert, weil sie auf der Basis des gleichen gemeinsamen kulturellen Wissensvorrats agieren wie die Textproduzenten. Diese gemeinsame Basis wirkt als Grundlage des Alltagshandelns verständigungssichernd. Stammen Kommunikationsprodukte hingegen aus unterschiedlichen Kulturen, so referieren sie gerade nicht auf einen gemeinsamen kulturellen Wissensvorrat, womit auch die Möglichkeit der "Letztverständigung" im Sinne einer gemeinsamen Akzeptanzgrundlage entfällt. 2. Kommunikationsgeschichte, kulturelles Gedächtnis, und Medienmonopole Schließt man an das Ergebnis der eingangs exemplarisch beschriebenen Unterschiede zwischen den kommunikativen Stilen der US-amerikanischen und deutschen Geschäftsberichte von Ford weiterer Textsortenvergleiche (auch über den Bereich der Wirtschaftskommunikation hinaus) an, so fällt es nicht schwer, die dort als signifikant nachgewiesenen Stilmerkmale mutatis mutandis bestätigt zu finden. Dies legt die Vermutung nahe, daß sich die kommunikativen Stile der Geschäftsberichte als kulturelle Stile 6 Vgl. Patzelt, S.59ff. 7 Habermas, S.205ff. Vgl. auch Bolten (II).

unterscheiden und somit auch auf jeweils unterschiedliche kulturelle Wissensvorräte referieren. Vor diesem Hintergrund stellt sich bei der Textübertragung bzw. -produktion für eine Zielkultur die Frage, aus welchen Gründen ein bestimmter kultureller Stil welche spezifischen Systemmerkmale aufweist und inwieweit auf dieser Basis noch oder nicht mehr eine Kompatibilität in bezug auf den kulturellen Stil der Ausgangskultur besteht. Die Beantwortung der Frage wäre problemlos zu leisten, wenn kulturelle Wissensvorräte in ihrer Komplexität beschreibbar wären. Genau dies ist aber nicht der Fall, was u.a. Assmann im Anschluß an Halbwachs unter dem Aspekt der "Rekonstruktivität des kulturellen Gedächtnisses" sehr plausibel herausgearbeitet hat 8 : "Das kulturelle Gedächtnis verfährt rekonstruktiv, d.h., es bezieht sein Wissen immer auf eine aktuell gegenwärtige Situation. Es ist zwar fixiert auf unverrückbare Erinnerungsfiguren und Wissensbestände, aber jede Gegenwart setzt sich dazu in aneignende, auseinandersetzende, bewahrende und verändernde Beziehung. Das kulturelle Gedächtnis existiert in zwei Modi: einmal im Modus der Potentialität als Archiv, als Totalhorizont angesammelter Texte, Bilder, Handlungsmuster, und zum zweiten im Modus der Aktualität, als der von einer jeweiligen Gegenwart aus aktualisierte und perspektivierte Bestand an objektiviertem Sinn." 9 Gerade die Differenz zwischen der Potentialität als der Gesamtheit des ggf. über Jahrtausende hinweg stabilisierten kulturellen Wissensvorrats einer Ethnie und der Aktualität als der für eine Epoche lediglich verfügbaren Teilmenge dieses Wissensvorrates macht es beispielsweise unmöglich, sämtliche Schemata zu beschreiben, die für eine Ethnie handlungsleitend sind. Beschreiben lassen sich immer nur diejenigen Bestände, die oberflächenstrukturell erfaßbar sind, weil sie zu einem bestimmten Zeitpunkt Relevanz in bezug auf den soziokulturellen Sinn- und Selbstdeutungs- bzw. Identitätsbedarf besitzen. Die jeweils inaktuellen bzw. nicht erinnerten Wissensbestände sind hiervon natürlich nicht abzukoppeln. Sie sind zwar deaktiviert, aber - schon aufgrund der Veränderungsdynamik des Gesamtsystems- tiefenstrukturell über Konnektoren mit den aktivierten Beständen vernetzt. Ihre eigene Aktivierung erfolgt -vergleichbar einem Clustering-Prozeß- dann, wenn der aktuelle Interpretationsvorrat einer Ethnie nicht mehr hinreicht, um Sinn- und Selbstdeutungsprozesse befriedigend durchführen zu können. Anders gesagt: "Das kulturelle Gedächtnis bewahrt den Wissensvorrat einer Gruppe, die aus ihm ein Bewußtsein ihrer Einheit und Eigenart bezieht" 10. Selbstredend versteht sich hierbei, daß die Aktivierung selbst wiederum vom aktuellen hermeneutischen Standort der Ethnienmitglieder abhängt und dementsprechend auch nicht im Sinne einer bloßen Reproduktion früherer Wahrnehmungen und Erfahrungen erfolgt, sondern -wie gesagt- im Sinne einer Rekonstruktion. 11 Der Rekonstruktionsprozeß wiederum kann sich folglich nur im Sinne eines Kommunikationsprozesses vollziehen, so wie umgekehrt nur zuvor produzierte Kommunikate 12 als Fixpunkte einer Rekonstruktion fungieren können. Diese Kommunikate sind freilich bereits im Sinne eines bestimmten kulturellen Stils geformt, dessen Spezifik im Rahmen des Rekonstruktionsprozesses dann zumindest partiell übernommen wird. Dementsprechend ist jedweder kulturelle Wissensvorrat kommunikativ geprägt - wie umgekehrt jede Form der Kommunikation auf einen bestimmten kulturellen Wissensvorrat referiert. Aus diesem Grund sind Untersuchungen zur Kulturspezifik von Managementstilen, zu Organisationsprinzipien, Problemlösungsverhalten, intellektuellen Stilen usw. auch dann, 8 Vgl. ähnlich auch Foucault, S.189. 9 J.Assmann (I), S.13. 10 Assmann (I), S.13. 11 Insofern wird das kulturelle Gedächtnis hier auch eher konstruktivistisch als Produktions- und nicht als Speichermodell verstanden. Vgl.P.M.Hejl, S.325ff. 12 Hierzu zählen Dokumente wie Schrift, Bilder usw., aber auch Monumente und Riten.

wenn sie es nicht zu erkennen geben (oder gar methodisch verkennen), letztlich immer Untersuchungen zu kommunikativen als kulturellen Stilen. Sofern hierbei über einen rein deskriptiven Ansatz hinaus erklärend verfahren wird 13, rückt die Frage in den Vordergrund, weshalb die Formung des gemeinsamen Wissensvorrates i.s. einer kommunikativen Stilbildung auf eine ganz spezifische Weise und nicht anders verlaufen ist. Eine erste Antwort in bezug auf den Untersuchungsgegenstand intellektueller Debatten und Diskurse hat in dieser Hinsicht Galtung in seiner Studie "Struktur, Kultur und intellektueller Stil" gegeben. Galtung differenziert zwischen "gallischem", "teutonischem", "sachsonischem" und "nipponischem" Stil u.a. hinsichtlich der jeweiligen Paradigmenanalyse, der Thesenproduktion und der Theoriebildung 14. Bezogen auf Zentren der US-sachsonischen und der teutonischen Variante gelangt er dabei zu Befunden, die strukturell sehr große Ähnlichkeit zu den eingangs beschriebenen Stilmerkmalen US-amerikanischer und deutscher Geschäftsberichte aufweisen: So zeichne sich der sachsonische Stil in seiner US-Variante durch Datenorientierung, horizontale Strukturierung, Offenheit ('anything goes'), Integration und Induktion aus, während für den teutonischen Stil Theorieorientierung, vertikale Strukturierung, Humorlosigkeit, Polarisierung und Deduktion signifikant seien. 15 Hinsichtlich ihrer Entstehungsbedingungen führt Galtung diese Merkmalsausprägungen auf den Einfluß wissenschaftlicher Denktraditionen wie Empirismus einerseits und Rationalismus andererseits zurück, auf unterschiedliche Gesellschaftsstrukturen und unterschiedliche Einflüsse religiöser Traditionen. Obwohl dies ebenso plausibel ist wie die Hinweise etwa auf Marxismus, Freudianismus und Nationalsozialismus als Kristallisationspunkte des teutonischen Stils, muß man Galtungs Methode anlasten, daß sie allenfalls punktuell zu Ergebnissen führt. Dies würde sich auch dann nicht ändern, wenn man die Aufzählung um durchaus naheliegende Analogien in beliebig vielen anderen sachsonischen bzw. teutonischen Lebensweltbereichen wie z.b. Rechtsprechung, Unternehmensführung oder soziale Interaktion ergänzen würde: Das Resultat wäre eine Episodensammlung, nicht aber eine Entwicklungsgeschichte kultureller Stile, die den immanenten Verweisungszusammenhang ihrer Kommunikate bzw. den Prozeß der Formung kulturellen Wissens transparent werden ließe. Einen solchen entwicklungsgeschichtlich orientierten Ansatz verfolgt R.Münch in seiner Untersuchung zu sozialen Milieus der Wissensproduktion in der Moderne. Auch ihm geht es um die Beschreibung und Erklärung intellektueller Stile, wobei er -am Beispiel Englands, Frankreichs, Deutschlands und der USA als aufeinanderfolgenden historischen Zentren der Wissensentwicklung im 17., 18., 19. und 20.Jahrhundert- vor allem "herausragende soziale Milieus und Medien der Wissensformulierung" 16 für die jeweils spezifischen Entwicklungsformen der Wissensproduktion verantwortlich macht: "In England vermitteln die wissenschaftlichen Gemeinschaften und die methodische Untersuchung dem Wissen vor allem normative Geltung. In Frankreich vermitteln der Salon, das Café und der Essay dem Wissen vor allem Expressivität. In Deutschland vermitteln die Studierstube, das Universitätsseminar und das Werk dem Wissen vor allem Abstraktion. In den Vereinigten Staaten vermitteln das Meeting und der Zeitschriftenaufsatz dem Wissen vor allem eine hohe Wandlungsgeschwindigkeit." 17 13 Bislang liegen für den Bereich der kulturvergleichenden Managementforschung nahezu ausschließlich deskriptive Arbeiten vor. Vgl. Hasenstab, S.91.. Der erste erklärende Ansatz wurde meines Wissens in Galtungs Arbeit "Struktur, Kultur und intellektueller Stil" ausgeführt, die allerdings keinen Wirtschaftsbezug enthält. 14 Galtung, S.156. 15 Galtung, bes. S.179. 16 Münch (II), S.54f. 17 Münch (II), S.55.

Ohne an dieser Stelle inhaltlich näher auf Münchs detaillierte kultursoziologische Erklärungen der spezifischen Formen der Wissensproduktion eingehen zu können 18, stellt sein methodisches Vorgehen in Hinblick auf eine (noch zu schreibende) Geschichte kultureller als kommunikativer Stile vor allem deswegen einen wichtigen Baustein dar, weil es zeigt, daß eine starke Formung intellektueller Stilbildung vor allem dort beobachtet werden kann, wo sich Zentren der modernen Wissenschaftsentwicklung verorten. Die intellektuelle und damit kommunikative Stilbildung selbst vollzieht sich unter dem Einfluß spezifischer sozialer Milieus und Medien und damit natürlich auch unter dem Einfluß eines spezifischen kulturellen Wissensvorrats. Die Tatsache, daß sich die in solchen Zentren gebildeten intellektuellen Stile äußeren Einflüssen gegenüber auch dann als relativ resistent erweisen, wenn sich international bereits ein Bedeutungsverlust dieser Zentren vollzogen hat, verweist auf die Relevanz, die den von Assmann genannten Aspekten der Identitätskonkretheit, der Verbindlichkeit und der Reflexivität 19 in bezug auf die Strukturierung kultureller Gedächtnisse zukommt. So ist für den "teutonischen" Stil unter anderem merkmalsprägend, daß gerade das Selbstverständnis, im 19.Jahrhundert Zentrum der Wissensentwicklung gewesen zu sein, ein Bewußtsein kultureller Identität schafft, das einerseits zur Verbindlichkeit entsprechender Wertperspektiven führt, das andererseits aber auch in permanenter Selbstreflexion qua Fortschreibung, Auslegung, Kritik etc. auf sich selbst Bezug nimmt, um sich dieser Identität zu vergewissern. Auf diese Weise entstehen -in der Regel posthum- "starke" Autorschaften 20 im Sinne von Textkanonisierungen, die über Rezeptionsprozesse wiederum z.b. Bildungsinhalte bzw. -strukturen bestimmen und damit letztlich auf nahezu alle lebensweltlichen Bereiche einwirken. Bezogen auf den "teutonischen" Stil ist in diesem Zusammenhang die deduktive Form der Theoriebildung wie sie von Kant über Hegel bis hin zu Marx praktiziert wurde, zweifellos ein solches zentrales Element, das sich strukturell auch noch in den beschriebenen Ford-Kommunikaten wiederfindet. Aus der Perspektive der Entwicklung kommunikativer als kultureller Stile stellt sich an dieser Stelle freilich die Frage, welche anderen als die von Münch erläuterten Einflüsse stilbildend gewirkt haben und wie ein Nachweis solcher Einflüsse methodisch plausibel vollzogen werden kann. Aufschlußreich wäre es in diesem Zusammenhang, den Gedanken der Zentrenbildung aufzugreifen und historisch zu verfolgen, wobei über den engeren Sinn von Zentren modernen wissenschaftlichen Wissens notwendigerweise hinausgegangen werden müßte. Zu thematisieren wäre -was späteren Untersuchungen vorbehalten bleiben sollinwieweit weltanschauliche, ästhetische, religiöse, politische, wissenschaftliche und ökonomische Zentrenbildungen intrakulturelle Selbstverständigungsprozesse in dem oben beschriebenen Sinn nachhaltig dominiert und so zu einer Sedimentation im kulturellen Wissensvorrat geführt haben. Charakteristisch für derartige Zentren wie z.b. im "teutonischen" Raum politischer Absolutismus, frühbürgerliche Handelsorganisation, Reformation, Aufklärung usw. ist die Tatsache, daß sie in bezug auf intrakulturelle zeitgenössische Selbstverständigungsprozesse einen primären kommunikativen (und identifikatorischen) Bezugsrahmen darstellen. Insofern lassen sie sich auch als "Kommunikationsmonopole" bezeichnen. Um Mißverständnisse auszuschließen: Kommunikationsmonopole sind in der Regel - und zwar spätestens seit der Erfindung des Buchdrucks- nicht institutionell gebunden, sondern eher als virtuelle Diskursgemeinschaften zu verstehen. Gemeinsam ist ihnen ein so hohes Maß an Relevanz, Verbindlichkeit und Kohärenzpotential in bezug auf die Strukturierung sozialer Sinnwelten, daß sie unabhängig von ihrer unmittelbaren historischen Aktualität für eine Ethnie über die 18 vgl. auch Münch (I). 19 J.Assmann (I), S.13ff. 20 A.Assmann (II), S.22f. Vgl. hier auch zum Zusammenhang zwischen moderner Kanonisierung und der Enstehung von Nationalkulturen.

Generationenfolge hinweg identitätssichernde Funktion besitzen. Der Interpretationsvorrat, den Kommunikationsmonopole bereitstellen, referiert einerseits notwendigerweise auf Tradierungen des kulturellen Wissensvorrates 21, andererseits ist er wesentlich geprägt durch das soziale Milieu und die bevorzugten Medien 22 ihres eigenen Entstehungskontextes. Ersteres wahrt die Kontinuität des kommunikativen Systems, letzteres bewirkt eine nicht nur spezifische Korrektur des kommunikativen Stils, sondern eine Korrektur, die sich aufgrund der mit Kommunikationsmonopolen verbundenen Kanonisierungsvorgänge nachhaltig in das kulturelle Gedächtnis einschreibt. Insofern ist die Kulturspezifik kommunikativer Stile in der Tat zu einem wesentlichen Teil Resultat des Formungspotentials historischer Kommunikationsmonopole. Eine solche Entwicklung läßt sich freilich selbst bei Kulturen, die über eine Reihe von Zentrenbildungen im oben beschriebenen Sinn verfügen, nur sehr bedingt und in idealtypischer Weise als intrakulturell-lineare nachzeichnen. Faktisch -und das gilt insbesondere für die "Perepherien" im Sinne Galtungs 23 - liegen immer auch Einflüsse fremdkultureller Zentren vor, die entsprechend auf die Spezifik von Kommunikationsmonopolen und die Formung kommunikativer Stile einwirken. Insbesondere Perepherien, die unter dem Einfluß mehrerer Zentren und gegebenenfalls auch von Kommunikationsoligopolen stehen, weisen hinsichtlich ihres kommunikativen Stils eine Komplexität auf, die eine Differenzierung zwischen intraund interkulturell bedingten Formungsvorgängen kaum mehr erlaubt. Dennoch ermöglicht auch hier das Wissen um die Art und Weise des Einflusses bestimmter Zentren auf intrakulturelle Selbstverständigungsprozesse zumindest eine Aussage darüber, welche fremdkulturellen Stilelemente akzeptiert werden, gerade weil sie historisch als Bestandteile des eigenkulturellen Interpretationsvorrates reklamiert worden sind. Möglichkeiten, Aussagen dieser Art methodisch abgesichert zu treffen, würden Standardisierungsprobleme des interkulturellen Marketing erheblich reduzieren. Sie würden insbesondere dazu beitragen, die eher vage Standardisierungsformel "so global wie möglich, so lokal wie nötig" in Hinblick auf das Ausmaß des Nötigen und des Möglichen zu konkretisieren und weltweit größtmögliche Ländergruppen zusammenzufassen, in denen ein bestimmter kommunikativer Stil mit den jeweiligen eigenkulturellen Normalitätserwartungen noch kompatibel ist. 3. Auf dem Weg zu einem kommunikativen Weltstil? Mit der Evolution der Medientechnologie hin zur weltweiten elektronischen Medienvernetzung hat sich auch die Funktion von Medien grundlegend geändert: Sie sind nicht mehr nur Instrument bestimmter Kommunikationsmonopole, sondern stellen erstmals selbst ein -globales- Kommunikationsmonopol dar. Wäre der Exponent dieser globalen Medienkultur tatsächlich jener 'Migrant', "der kulturelle Herkunft durch Autonomie, d.h. durch die Wahl und kommunikative Erzeugung kultureller Identifikationsmuster ersetzt" 24, würde sich jede weitere Diskussion über die Kulturspezifik kommunikativer Stile erübrigen. Zumindest dort, wo alltagskulturelle Praxis durch elektronische Medien wie Internet dominiert ist, müßte sich -vermittelt über Englisch als lingua franca- sukzessiv eine 21 A.Poltermann, S.32, weist darauf hin, daß z.b. bei den für Hypertext-Animationen notwendigen Übertragungen vom Buch- ins elektronische Speichermedium "als erstes Texte aus traditionellen Kanones ausgewählt und eingelesen werden." 22 Vgl. hierzu A.Poltermann, S.8: "Jedes Medium markiert einen Unterschied zu anderen Medien, indem es bestimmte Informationen bevorzugt, zu denen es ein 'bequemes Verhältnis' hat und die es als mitteilenswert auszeichnet. Kulturen, die ein bestimmtes Medium anderen vorziehen, können sich in diesem Medium -durch die Art, wie es tradiert, und durch das, was es tradiert- repräsentieren." 23 J.Galtung, S.154. 24 A.Poltermann, S.2.

Angleichung sowohl der kommunikativen Stile als auch der Wahrnehmungsgewohnheiten hin zu einem "kommunikativen Weltstil" vollziehen. Was zweifellos einen Traum jeder Marketingabteilung darstellt, ruft in aktuellen Diskussionen freilich eine Reihe von Skeptikern auf den Plan 25. Zu Recht: Gerade weil die globale Medienkultur nur als "eine hybride Kultur, ein 'Zwischen'" 26 existiert, schafft sie Interaktionskontexte, die mit denen von "Interkulturen" merkmalsidentisch sind 27. Dazu zählt auch, daß diese Interaktionskontexte nur oberflächenstrukturell Identifikationsmuster zu erzeugen in der Lage sind, tiefenstrukturell jedoch zwangsläufig auf den jeweiligen kulturellen Wissens- und Interpretationsvorrat referieren. Aus diesem Grund ist die im culture-zapping erworbene Autonomie des Subjekts auch "ständig bedroht" 28 und um so anfälliger für traditionalistische bzw. ethnozentristische Rückgriffe auf tiefenstrukturell vorhandene Interpretationsvorräte. Von daher wird es unter zweckgebundenen Prämissen zwar zur Herausbildung eines kommunikativen Weltstils kommen - er wird allerdings nicht als kultureller Stil manifest werden können. Einen indirekten Beleg hierfür bietet die bei international agierenden Konzernen zu beobachtende Tendenz, Homepages nicht zu standardisieren, sondern den kommunikativen Systemen der Zielmärkte anzupassen 29, womit die Dringlichkeit der Beschreibung und Erklärung kommunikativer als kultureller Stile nochmals deutlich zutage tritt. Literatur: Assmann, Aleida (I), Was sind kulturelle Texte? In: A.Poltermann (Hg.), Literaturkanon - Medienereignis - Kultureller Text, Berlin 1995, S.232-244. Assmann, Aleida (II), Schrift und Autorschaft im Spiegel der Mediengeschichte, in:w.müller- Funk/ H.U.Reck (Hg.), Inszenierte Imagination. Beiträge zu einer historischen Anthropologie der Medien, Wien/New York 1996, S.13-24. Assmann, Aleida und Jan, Das Gestern im Heute. Medien und soziales Gedächtnis, in:k.merten u.a. (Hg.), Die Wirklichkeit der Medien, Bonn 1994, S.114-140. Assmann, Jan (I), Kollektives Gedächtnis und kulturelle Identität, in:j.assmann/ T.Hölscher (Hg.), Kultur und Gedächtnis, Frankfurt/M. 1988, S.9-19. Assmann, Jan (II)Kulturelle Texte im Spannungsfeld von Mündlichkeit und Schriftlichkeit, in A.Poltermann (Hg.), Literaturkanon - Medienereignis - Kultureller Text, Berlin 1995, S.270-300. Bolten, Jürgen/ Dathe, Marion/ Kirchmeyer, Susanne u.a., Interkulturalität, Interlingualität und Standardisierung bei der Öffentlichkeitsarbeit von Unternehmen. Gezeigt an amerikanischen, britischen, deutschen, französischen und russischen Geschäftsberichten, in: D.Baumann/ H.Kalverkämper (Hg.), Fachliche Textsorten. Tübingen 1996, S.389-425. Bolten, Jürgen (I), Öffentlicher Sprachgebrauch, oder was?! Zur diachronischen Textpragmatik und ihrer Anwendung am Beispiel des Themenbereiches Werbegeschichte als Zeitgeschichte in Deutschland, in: K.Böke/ M.Jung/ M.Wengeler 25 vgl. unter anderem eine Reihe von Beiträgen in Münker/ Roesler sowie Galtung, S.185f. 26 A.Poltermann, S.2. 27 J.Bolten (III), S.29f. 28 A.Poltermann, S.2. 29 vgl. z.b. http:/www.ford.com.

(Hg.), Öffentlicher Sprachgebrauch. Praktische, theoretische und historische Perspektiven, Opladen 1996, S.283-300 Bolten, Jürgen (II), Grenzziehungen als interaktionaler Prozeß, in: Jahrbuch Deutsch als Fremdsprache 19, S.255-276. Bolten, Jürgen (III), Grenzen der Internationalisierungsfähigkeit. Interkulturelles Handeln aus interaktionstheoretischer Perspektive, in: Ders. (Hg.), Cross Culture - Interkulturelles Handeln in der Wirtschaft, Sternenfels/ Berlin 1995, S.24-39. Foucault, Michel, Archäologie des Wissens, Frankfurt/M. 5 1992. Galtung, Johan, Struktur, Kultur und intellektueller Stil. Ein vergleichender Essay über sachsonische, teutonische, gallische und nipponische Wissenschaft, in: A.Wierlacher, (Hg.), Das Fremde und das Eigene, München 1985, S.151-193. Habermas, Jürgen, Theorie des kommunikativen Handelns, 2 Bde., Frankfurt/M. 1981. Hasenstab, Michael, Interkulturelles Management. Diss. Univers. Jena 1998. Hejl, Peter M., Wie Gesellschaften Erfahrungen machen oder: Was Gesellschaftstheorie zum Verständnis des Gedächtnisproblems beitragen kann, in: Schmidt, Siegfried J.(Hg.): Gedächtnis. Probleme und Perspektiven der interdisziplinären Gedächtnisforschung, Frankfurt/M. 1991, S.293-336. Münch, Richard (I), Die Kultur der Moderne, 2 Bde., Frankfurt/M. 1993. Münch, Richard (II), Code, Struktur und Handeln: Soziale Milieus der Wissensproduktion, in: Haferkamp, H. (Hg.): Sozialstruktur und Kultur, Frankfurt/M. 1990, S.54-94. Münker, Stefan/ Roesler, Alexander (Hg.), Mythos Internet. Frankfurt/ Main 1997. Oksaar, Els, Problematik im interkulturellen Verstehen, in: B.-D.Müller (Hg.), Interkulturelle Wirtschaftskommunikation, München 1991, S.13-26. Patzelt, Werner J., Grundlagen der Ethnomethodologie, München 1987. Poltermann, Andreas, Literaturkanon - Medienereignis - Kultureller Text. Formen interkultureller Kommunikation und Übersetzung, in: Ders. (Hg.), Literaturkanon - Medienereignis - Kultureller Text, Berlin 1995, S.1-56. Schröder, Hartmut, Interkulturelle Fachkommunikationsforschung. Aspekte kulturkontrastiver Untersuchungen schriftlicher Wirtschaftskommunikation, in: T.Bungarten (Hg), Fachsprachentheorie, Tostedt 1993, Bd.1, S.517-550.