Jahresbericht 2016 Unsere Angebote Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, mit dem vorliegenden Jahresbericht möchten wir Ihnen unsere Arbeit in 2016 vorstellen. Die Ereignisse in der Kölner Silvesternacht einerseits, aber auch die erfreuliche Reformierung des Sexualstrafrechtes andererseits haben unsere Arbeit im vergangenen Jahr thematisch besonders begleitet und geprägt. Wir haben in unserer Öffentlichkeitsarbeit zu beiden Themenkomplexen unterschiedliche Kampagnen durchgeführt. Dazu gehörten beispielsweise die Ausgestaltung der Woche gegen sexuelle Belästigung auf der Straße und die Informationskampagne Nein heißt Nein zum neuen Sexualstrafrecht. Im Mittelpunkt unserer Arbeit stand nach wie vor unser Beratungsangebot für Frauen und Mädchen, die Opfer von sexualisierter Gewalt wurden. Hinter den nüchternen Zahlen unserer Statistik finden sich über 300 Frauen und Mädchen, die 2016 unsere Hilfe aufgenommen haben. Die meisten Betroffenen wendeten sich aufgrund einer Vergewaltigung und in einer akuten Krisensituation an unsere Beratungsstelle. Insgesamt schauen wir auf ein sehr bewegtes und erfolgreiches Arbeitsjahr zurück. Beratung, Krisenintervention und Information Persönliche Beratung nach Terminvereinbarung oder in der offenen Sprechstunde Dienstag 14-16 Uhr Telefonische Beratung während der Präsenzzeiten Montag-Donnerstag 10-16 Uhr Freitag 10-12 Uhr Online-Beratung per Mail und Chat über unsere Online-Beratungsstelle Traumafachberatung Unterstützung bei der Stabilisierung und Verarbeitung der Gewalterfahrung mit traumatherapeutischen Methoden Prozessbegleitung und Unterstützung Begleitung zur Polizei, zu ÄrztInnen, AnwältInnen und im weiteren Gerichtsverfahren Ich wünsche Ihnen einen guten Einblick in unseren Jahresrückblick 2016. Unterstützung bei der Antragstellung im Rahmen des Opferentschädigungsgesetzes Gerlinde Gröger Leiterin Frauen-Notruf Münster e.v. Wir bemühen uns um kurze Wartezeiten. Erstgespräche bieten wir in der Regel innerhalb von 48 Stunden an.
Statistische Angaben zur Beratungsarbeit 2016 1232 2016 In 2016 führten wir insgesamt 1232 Beratungen durch. Die meisten Beratungen fanden in persönlicher Form (646) statt, gefolgt von der telefonischen Beratung (439) und der Online- Beratung (147).. Beratungen insgesamt 12% 15% 19% 646 Persönliche Beratung 3% 51% 439 Telefonische Beratung 147 Online-Beratung Vergewaltigung Sexueller Missbrauch K.O.-Tropfen Sexuelle Belästigung Sonstiges Die erste Kontaktaufnahme erfolgte häufig über Telefon oder E-Mail und mündete meist in einen persönlichen Beratungsprozess. Mit unserer offenen Sprechstunde ermöglichen wir den Ratsuchenden, unsere Angebote ohne vorherige Terminvereinbarung in Anspruch zu nehmen. Der Frauen-Notruf berät Frauen und Mädchen bei allen Formen von sexualisierter Gewalt. Die meisten Kontaktaufnahmen erfolgten aufgrund einer erlebten Vergewaltigung (51%). Bei fast jeder 5. Frau war ein zurückliegender oder aktueller sexueller Missbrauch der Grund für die Kontaktaufnahme. Weitere Themen der Ratsuchenden waren Vergewaltigung im Zusammenhang mit K.O.-Tropfen (12%) und sexuelle Belästigung (15%). Sexualisierte Gewalt findet zum überwiegenden Teil im sozialen Nahbereich statt. Diese Tatsache spiegelte sich auch in unserer Statistik wieder. Über die Hälfte (52%) aller Sexualdelikte fand im Bereich von Ehe, Partnerschaft und Familie statt. Knapp ein Drittel (32%) der Taten ereignete sich zudem im nahen sozialen Umfeld der Betroffenen. In 7% der Fälle handelte es sich um einen fremden Täter. 30,00% 25,00% 20,00% 15,00% 10,00% 5,00% 0,00% Aktuell bis 1 Monat 1-3 Monate 3-12 Monate 1-3 Jahre ab 3 Jahre Wir beraten Frauen und Mädchen unabhängig davon, wie lange die Tat zurück liegt. Viele Betroffene meldeten sich bereits zu einem sehr frühen Zeitpunkt nach der Tat, um Beratung und Krisenintervention in Anspruch zu nehmen. Ein ebenfalls sehr hoher Anteil der Ratsuchenden nahm erst nach einigen Jahren Kontakt zu uns auf. Im Vordergrund standen hier zumeist Hilfen zur nachhaltigen Stabilisierung und Verarbeitung der Gewalterfahrung.
Belästigung bleibt haften Im Frühjahr 2016 erweiterten wir unsere Kampagne Belästigung bleibt haften mit Sommermotiven, aufgenommen am Münsterschen Aasee. Die Plakatreihe hing erneut an allen Münsteraner Litfaßsäulen, um auf sexuelle Belästigung aufmerksam zu machen. Daneben wurden Postkarten zur Kampagne in vielen Münsteraner Cafes und Kneipen verteilt. Die in 2015 konzipierte Kampagne fußt auf unserer Umfrage, die wir zum Thema Street Harassment (Belästigung im öffentlichen Raum) durchgeführt haben. Anti-Street Harassment Week Zum ersten Mal führten wir in Münster die Anti-Street Harassment Week/ Woche gegen sexuelle Belästigung im öffentlichen Raum durch. In der Woche vom 11.04. 15.04.16 machten wir an jedem Tag der Woche mit einer Aktion auf sexuelle Belästigung aufmerksam, z.b. mit der Theaterperformance Ich als Stück Fleisch. Theaterperformance Ich als Stück Fleisch Anlässlich des Internationalen Frauentages zeigten wir die Theaterperformance Ich als Stück Fleisch. In Kooperation mit dem Mädchentheater von Cactus Junges Theater führten wir das Stück über sexuelle Belästigung auf dem Prinzipalmarkt auf. Aufgrund der sehr zahlreichen und positiven Rückmeldungen zeigten wir die beeindruckende Performance ein zweites Mal während der Anti-Street Harassment Week/ Woche gegen Belästigung.
Pfeifen gegen Gewalt Im Oktober starteten wir die Aktion Pfeifen gegen Gewalt. Mit den Pfeifen soll auf sexuelle Belästigung aufmerksam gemacht werden. Mindestens jede 2. Frau wurde in ihrem Leben schon einmal sexuell belästigt. Die Trillerpfeifen wurden von unseren PartyGuides (geschulte ehrenamtliche Teams) im öffentlichen Raum verteilt. Sie konnten auch bei uns im Frauen-Notruf abgeholt werden. Alle 3 Minuten Alle 3 Minuten heißt die Plakat-Ausstellung, die wir 2012 anlässlich unseres 30-jährigen Bestehens entwickelt haben. Die Plakate thematisieren Mythen und Realitäten von sexualisierter Gewalt. Die Ausstellung haben wir in den darauf folgenden Jahren in Münster und Umgebung mehrfach ausgestellt. Wir freuen uns, dass wir Alle 3 Minuten auch in 2016 der Öffentlichkeit zugänglich machen konnten. Über 6 Monate stellten wir die Plakat-Ausstellung im Overberg-Haus der Bezirksregierung Münster aus. Lichteraktion Zum Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen führten wir zum zweiten Mal die Lichteraktion Leben ohne Gewalt durch. Der Schriftzug Leben ohne Gewalt wurde auf dem Prinzipalmarkt vor dem Historischen Rathaus von über 300 Kerzen erhellt. Jede Kerze stand für eine Klientin, die im vorangegangen Jahr Hilfe in unserer Beratungsstelle aufgenommen hat. Mit ausgesprochen hoher Anteilnahme beteiligten sich auch in diesem Jahr zahlreiche Passantinnen und Passanten an unserer Lichteraktion.
Kampagne Nein heißt Nein Am 10.11.2016 trat die Reform des Sexualstrafrechts zur Verbesserung der sexuellen Selbstbestimmung in Kraft. Seitdem gilt der Grundsatz Nein heißt Nein. Mit unserer Plakatkampagne Nein heißt Nein informierten wir über die Reform und den damit einhergehenden Paradigmenwechsel. Mehrere Wochen hingen die Plakate an allen Münsteraner Litfaßsäulen. Die Postkarten zur Kampagne lagen in vielen Bars, Kneipen und Cafes aus. Detaillierte Informationen zur Strafrechtsreform finden sich auf unserer Homepage. Logo SICHER FEIERN Für unsere Präventionskampagne SICHER FEIERN haben wir ein eigenes Logo entworfen. Unter dem Logo werden Aktionen gefasst, die wir in der Partyszene durchführen, z.b. der Einsatz unserer PartyGuides, die auf sexuelle Belästigung und K.O.-Tropfen aufmerksam machen. Das Logo weist teilnehmende Bars, Kneipen, Cafes und Clubs aus, die sich für sicheres Feiern einsetzen. K.O.cktail? Fiese Droge im Glas Die Kampagne Bierdeckel gegen K.O.-Tropfen führten wir zum dritten Mal in Folge an Karneval durch. 25.000 Bierdeckel mit Informationen über K.O.-Tropfen wurden an 20 Münsteraner Bars, Kneipen und Discotheken verteilt. Neben den Informationen über die flüssige Droge finden sich auch Sicherheitstipps auf den Bierdeckeln. Unsere PartyGuides waren an Karneval und weiteren Großveranstaltungen in der Münsteraner Innenstadt unterwegs, um auf die Gefahr von KO.-Tropfen aufmerksam zu machen. Neben Informationsmaterial verteilten sie Spikey (sogenannte Flaschenhalsverschlüsse), die das Verabreichen von K.O.-Tropfen erschweren.
Luisa ist hier! Im Dezember starteten wir die Aktion Luisa ist hier!. Die Aktion ist ein Hilfsangebot für Frauen in der Partyszene, die aus einer unangenehmen Situation heraus möchten. Wenn eine Frau sich z.b. unsicher oder bedroht fühlt, wenn das erste Date die Grenzen überschreitet oder die Frau sexuell belästigt wird, kann sie sich mit der Frage Ist Luisa hier? an das geschulte Thekenpersonal der teilnehmenden Gastronomien wenden und bekommt schnell und unkompliziert Hilfe. In Münster beteiligten sich zum Kampagnenstart bereits 30 Kneipen, Clubs, Bars und Cafes. Video zu Loverboys Im Rahmen unserer Kampagne KEINE CHANCE für Loverboys haben wir ein Video mit dem Titel Kennt Liebe Grenzen? erstellt. Den Film setzen wir in unserer schulischen und außerschulischen Präventionsarbeit ein. Er zeigt die Perspektive eines betroffenen Mädchens und macht deutlich, wie Loverboys junge Mädchen und Frauen in die Prostitution drängen, indem sie ihnen die große Liebe vorspielen. PartyGuides Im Rahmen unserer Kampagnen gegen K.O.-Tropfen und sexuelle Belästigung setzten wir erstmals in diesem Jahr unsere PartyGuides ein. PartyGuides sind geschulte ehrenamtliche Mitarbeiterinnen, die in der Öffentlichkeit und der Partyszene unterwegs sind, um über sexualisierte Gewalt zu informieren und Präventionsmaterial zu verteilen. Wir bedanken uns bei allen, die unsere Arbeit auf vielfältige Weise unterstützt und gefördert haben. für die gute Zusammenarbeit mit unseren KooperationspartnerInnen. bei allen, die Interesse an unserer Arbeit gezeigt haben. Impressum: Frauen-Notruf Münster e.v., Heisstraße 9, 48145 Münster, www.frauennotruf-muenster.de