5. Wiener Fernsehforschung - aktuell: Bombenstimmung! Informations- und Unterhaltungsvermittlung in Zeiten des Terrors 19. Mai 2017 Provinzgeschichte mit Wirkungen einer ORF-Sendung zur Geschichte Tirols auf Identitätsbewusstsein und politische Einstellungen Mag. Andreas Enzminger und Prof. Dr. Jürgen Grimm Wiener Fernsehforschung - aktuell 2017 1
Filmvorführung: Geschichte Tirols 2
Methodisches Design: Prä-Post-Design t1 vor der Filmrezeption: Fragebogen mit prärezeptiven Tests zu Meinungen, Einstellungen und psychosozialen Eigenschaften; t2 während der Filmrezeption: Film anschauen t3 nach der Filmrezeption: Erinnerungsfragen und Evaluierung des Films; postrezeptive Tests (analog zu t1) ð Wirkung= Differenz der Messung t1 und t3 Die Prä-Post-Methode erlaubt es, kurzfristige Filmwirkungen festzustellen. Diese sind zwar nicht mit langfristigen Wirkungen identisch, können aber verstanden werden als Indikator für Wirkungstendenzen, die sich mit der langfristigen Nutzung ähnlicher Stimuli verfestigen Durchführungszeitraum: Juni 2016 Samplebeschreibung: N= 147 ( 76,2%, 23,8%) Geburtsort: Österreicher 66,2%, Österreicher m. ationshintergrund 33,8% 3
Eindrucksbildung N=149; =96, =49; Male =35, Female=112 Agreement% ( vs. ) (sex) m m Sign m m Sign m beruhigend - angsterregend 4,3 4,4 4,5 4,3 4,3 komisch - tragisch 5,7 5,4 5,5 5,6 5,6 abstumpfend - berührend 5,8 5,5 5,5 5,7 5,7 Emotionale Erregung (in %) 60,3 58,3 59,5 59,8 59,6 uninteressant - interessant 6,6 6,8 6,8 6,7 6,7 altbekannt - neuartig 5,6 6,3!! 5,9 5,8 5,9 Informationsqualität (in %) 73,2 79,8!! 76,5 75,0 75,4 Wiener Fernsehforschung - aktuell 2017 4
Rezeptive Partizipation N=149; =96, =49; Male=35, Female=112 Agreement% ( vs. ) (sex) m m Sign m m Sign m Narratives Verstehen 79,5 78,7 86,7 76,5!!! 79,0 Aufmerksamkeitsfokus 73,6 71,1 78,4 70,6! 72,4 Emotionales Miterleben 49,8 50,9 41,8 53,1!! 50,4 Narrative Präsenz 37,5 40,9 34,0 40,3 38,8 Narratives Engagement (total) 60,2 60,4 60,2 60,2 60,2 Situationsbezogens Involvement 30,2 32,7 37,1 28,8! 30,8 Personenbezogenes Involvement 30,8 29,7 27,2 31,2 30,2 Involvement (total) 30,5 31,2 32,2 30,0 30,5 Sympathische Identifikation mit Pärchen Molling und Welser Sympathische Identifikation mit deutschsprachigen Südtirolern Sympathische Indentifikation mit Tirolern in Österreich Sympathische Identifikation mit Italienischer Staatsmacht 66,1 63,0 55,5 68,4!! 65,3 71,7 65,3 66,1 71,0 69,9 68,8 60,6! 60,8 68,1 66,4 26,8 28,0 24,9 28,3 27,5 Wiener Fernsehforschung - aktuell 2017 5
Einstellungen zur Südtirol-Frage vor der Rezeption N=149; =96, =49 Agreement% Die Südtiroler gehören nach Sprache und Tradition zu Österreich. Die Südtirolfrage ist heute weniger akut, weil die EU alle Grenzen in Europa durchlässiger gemacht hat. Der Wohlstand in Südtirol vermindert die Bereitschaft, Grenzen in Zukunft ändern zu wollen. Die Anschläge in Südtirol waren die logische Folge der von den Siegermächten aufgezwungenen Teilung Tirols. Südtirol hat sich längst von Österreich entfremdet und mit Italien arrangiert. Das Recht der Südtiroler über ihre Staatszugehörigkeit selbst abstimmen zu können, sollte auch heute noch eine demokratische Selbstverständlichkeit sein. Die Identifikation mit Bundesländern und Regionen erschweren das Wiederaufflammen eines aggressiven österreichischen Nationalismus. Der Förderalismus in Österreich steht einem einheitlichen Nationalbewusstsein im Wege. m m Sign m 57,4 53,3 56,1 65,9 66,5 66,1 50,0 55,3 51,8 39,7 41,4 40,3 45,9 46,7 46,2 75,4 67,3! 72,7 28,7 42,0!!! 33,3 37,9 32,9 36,2 Wiener Fernsehforschung - aktuell 2017 6
Wirkungen auf Einstellungen zur Südtirol-Frage N=149; =96, =49 Change of Agreement%, post-pre Die Südtiroler gehören nach Sprache und Tradition zu Österreich. Die Südtirolfrage ist heute weniger akut, weil die EU alle Grenzen in Europa durchlässiger gemacht hat. Der Wohlstand in Südtirol vermindert die Bereitschaft, Grenzen in Zukunft ändern zu wollen. Die Anschläge in Südtirol waren die logische Folge der von den Siegermächten aufgezwungenen Teilung Tirols. Südtirol hat sich längst von Österreich entfremdet und mit Italien arrangiert. Das Recht der Südtiroler über ihre Staatszugehörigkeit selbst abstimmen zu können, sollte auch heute noch eine demokratische Selbstverständlichkeit sein. Die Identifikation mit Bundesländern und Regionen erschweren das Wiederaufflammen eines aggressiven österreichischen Nationalismus. Der Förderalismus in Österreich steht einem einheitlichen Nationalbewusstsein im Wege. Sign d% Sign d% Sign Sign d% *** 12,8 *** 12,8 *** 12,8 *** 8,8 7,0 *** 8,2 ** 6,0 *** 16,7! *** 9,6 *** 14,3 *** 13,4 *** 14,0-0,2-3,0-1,1 2,5 5,5 3,5 ** 6,1-2,6! 3,1-1,2-1,2-1,2 Wiener Fernsehforschung - aktuell 2017 7
Territoriale Identifikation Territoriale Identifikation vor der Rezeption N=149; =96, =49 Agreement% m m Sign m Identifikation mit Tirol 3,8 7,6 5,1 Identifikation mit Österreich 72,9 26,8!!! 57,3 Identifikation mit Europa 83,0 86,3 84,1 Veränderungen nach der Rezeption N=149; =96, =49 Change of Agreement%, post-pre Sign d% Sign d% Sign Sign d% Identifikation mit Tirol *** 5,2 2,0 *** 4,1 Identifikation mit Österreich 1,8-0,6 1,0 Identifikation mit Europa 0,6 0,6 0,6 Wiener Fernsehforschung - aktuell 2017 8
Nationale Identität vor der Rezeption N=149; =96, =49 Agreement% m m Sign d% Verbundenheit mit Land & Leute 60,8 57,8 59,8 Sport & Symbole 25,9 15,8!!! 22,5 Demokratie & Geschichte 56,6 46,5!!! 53,2 Kultur 43,2 33,3!! 39,9 Patriotismus (total) 47,1 38,9!!! 44,4 Generelle Erhöhung 15,9 15,5 15,7 Bereitschaft zur Gewaltanwendung 21,1 28,1! 23,5 Abschottung 14,2 18,1 15,5 Nationalismus (total) 17,1 20,6 18,2 Reflexivität 73,6 79,0 75,5 Diversität 79,2 80,5 79,7 Globalität 82,1 82,6 82,2 Kosmopolitismus (total) 79,3 81,0 79,9 Wiener Fernsehforschung - aktuell 2017 9
Wirkung auf Nationale Identität N=149; =96, =49 Change of Agreement%, post-pre Sign d% Sign d% Sign Sign d% Verbundenheit mit Land & Leute 1,5 1,2 1,4 Sport & Symbole *** -2,3 *** -5,4! *** -3,3 Demokratie & Geschichte *** 4,2-1,6!! ** 2,3 Kultur ** 3,9 2,5 ** 3,4 Patriotismus (total) ** 1,5-0,9! 0,7 Generelle Erhöhung ** 2,9-3,2!! 0,8 Bereitschaft zur Gewaltanwendung 1,7-2,9 0,1 Abschottung * 2,4-2,6! 0,7 Nationalismus (total) ** 2,3-2,9! 0,5 Reflexivität *** 7,6 1,3!! *** 5,5 Diversität *** 2,6 ** 3,6 *** 3,0 Globalität 1,3 *** 4,5! *** 2,4 Kosmopolitismus (total) *** 3,2 ** 3,7 *** 3,3 Wiener Fernsehforschung - aktuell 2017 10
Wirkung auf Heroischen Patriotismus N=149; =96, =49; Male =35, Female=112 Change of Agreement% Sign d% Sign d% Sign Sign d% Für mein Land bringe ich gerne Opfer. *** 6,1 ** 5,8 *** 6,0 Ich setze ich mich für die sozialen Belange meiner Landsleute ein Es ist ehrenvoll, für das Vaterland zu sterben Für meine Landsleute tue ich nur etwas, wenn ich dafür etwas bekomme Man kann seinem Land auch helfen, ohne die Waffe in die Hand zu nehmen. In einem Konflikt können auch Friedensaktivisten patriotische Helden sein. Wenn die Mächtigen eines Landes die Interesse der Allgemeinheit mit Füßen treten, erkennt man die wahren Patrioten an ihrem Einsatz für das Volk. *** 10,6 *** 11,1 *** 10,8 2,6 *** 4,8 ** 3,3 ** 6,4-0,6 ** 4,0-2,4 1,2-1,2 2,4 * 5,0 * 3,3 *** 8,9 * 6,4 *** 8,0 Heroischer Patriotismus (Index) *** 5,0 *** 5,2 *** 5,1 Wiener Fernsehforschung - aktuell 2017 11
Nationen-Sympathie Sympathie für Nationen vor der Rezeption N=149; =96, =49 Agreement% Veränderungen nach der Rezeption m m Sign m Deutschland 59,8 77,3!! 65,7 Italien 76,3 75,5 76,1 Frankreich 63,1 62,4 62,9 Großbritannien 73,8 65,0! 70,8 USA 54,0 52,8 53,6 N=149; =96, =49 Change of Agreement%, post-pre Sign d% Sign d% Sign Sign d% Deutschland -2,5 ** -5,5 ** -3,5 Italien *** -5,4-3,8 *** -4,8 Frankreich 1,5 0,9 1,3 Großbritannien -2,2-1,5-2,0 USA 0,0 1,2 0,4 Wiener Fernsehforschung - aktuell 2017 12
Wirkung auf Einstellungen zur EU N=149; =96, =49 Change of Agreement%, post-pre Sign d% Sign d% Sign Sign d% Ein geeintes Europa darf Nationalstaaten nicht zum Verschwinden bringen. * 4,3 * 6,4 ** 5,0 Die EU ist eine Bedrohung für die Interessen unseres Landes. -2,1 2,6-0,5 Die wirtschaftlichen Vorteile einer EU-Mitgliedschaft überwiegen mögliche Nachteile. * 4,5 4,1 ** 4,3 Die EU ist zur Erhaltung des Friedens notwendig. ** 5,1 ** 5,8 Ein handlungsfähiges Europa benötigt starke gesamteuropäische Institutionen. ** 3,5 *** 7,6 *** *** 5,4 4,9 Die Staaten sollten sich wieder stärker an ihren eigenen Interessen orientieren. -0,1 4,4 1,4 Wiener Fernsehforschung - aktuell 2017 13
Wirkung auf Einstellungen zu Flüchtlingen N=149; =96, =49 Change of Agreement%, post-pre Flüchtlinge müssen sich an das Land anpassen in das sie gehen. Jeder Mensch hat ein Recht auf Asyl, wenn er in seinem Land wegen Krieg und politischer Verfolgung um sein Leben fürchten muss. Es ist Christenpflicht, Flüchtlinge in Not im eigenen Land aufzunehmen. Man kann und sollte nicht jedem Zuwanderer Asyl gewähren wie einem Kriegs- und Bürgerkriegsflüchtling. Angesichts der Anzahl der Flüchtlinge könnten zum Zusammenbruch jeglicher politsicher Ordnung führen. Die einheimische Bevölkerung sollte in sozialen Notlagen Vorrang gegenüber Flüchtlingen haben. Asylrecht bedeutet nicht, dass jeder dorthin gehen kann wo er will. Jeder Staat hat das Recht seine Grenzen nach eigenem Ermessen zu kontrollieren und zu schützen. Sign d% Sign d% Sign Sign d% *** -6,1-3,8 *** -5,3 0,7 2,6 1,4 1,6-0,3 1,0-4,1-0,9-3,0 0,3-1,7-0,4 *** -4,0 *** -4,7 *** -4,2-0,9-1,2-1,0 2,2 0,6 1,7 Wiener Fernsehforschung - aktuell 2017 14
Wirkung auf Einstellungen zur Neutralität Österreichs N=149; =96, =49 Change of Agreement%, post-pre Das außenpolitische Neutralitätsgebot in der österreichischen Verfassung ist heute aktueller den je. Es fällt schwer, angesichts von Menschenrechtsverletzungen in aller Welt, neutral zu bleiben und sich jeder Einmischung von außen zu enthalten. Nur eine konsequente Politik der Nichteinmischung und des Gewaltverzichts kann den Frieden in Europa bewahren. In den Jugoslawien-Kriegen war es richtig, dass die NATO zur Verhinderung von Kriegsverbrechen, militärisch eingegriffen hat. Um den Frieden sicherer zu machen, sollte man mit konkreten Abrüstungsschritten vorangehen. Ich bin generell für Pazifismus und teile die Ansichten der Friedensbewegung. Sign d% Sign d% Sign Sign d% ** 5,8 *** 10,2 *** 7,3 2,4 6,1 * 3,7 2,0 0,3 1,4 ** 5,0 4,1 *** 4,7 * 4,1 * 6,4 ** 4,9 ** 5,0 2,0 ** 4,0 Wiener Fernsehforschung - aktuell 2017 15
Fazit Emotionale Erregung, Narratives Engagement und Involvement unter ÖstereicherInnen mit und ohne ationshintergrund gleichermaßen ausgeprägt. Allerdings höherer Informationsgehalt für migrantische ÖsterreicherInnen. Geringe Identifikation mit Tirol im Gesamtsample aufgrund überwiegend Wien stämmiger Probanden. Der Film trägt aber signifikant zur Erhöhung der regionalen Identifikation insbesondere der GeburtsösterreicherInnen bei. Hoher Kosmopolitismus, mittlerer Patriotismus und geringer Nationalismus unter GeburtsösterreicherInnen. Der Film steigert hochsignifikant den Kosmopolitismus, insbesondere die Reflexivität der Identität und die Aktzeptanz von Diverstität. In geringerem Ausmaß wird gleichzeitig ein nicht gewalttätiger, auf generelle Überlegenheit und Abschottung zielenden Nationalismus bekräftigt. Verstärkte Abgrenzung geht mit Weltoffenheit Hand in Hand. Die Einstellungen zur EU sind unter den StudienteilnehmerInnen sehr positiv. Die Regionalgeschichte Tirols verstärkt diese Einstellung in hochsignifikanter Weise. So trägt die EU aus der Sicht der TeilnehmerInnen u.a. dazu bei, dass frühere Konflikte um Südtirol abgemildert werden oder sogar ganz verschwinden. Pan-Europäsierung und Kosmopolitisierung von Identitätsanteilen wird begleitet von einer gewachsenen Akzeptanz von Flüchtlingen in Österreich sowie einer Affirmation der in der Verfassung verankerten Neutralitätsgebote. Grimm: paneuropäischem Conflict TransformaNon Effekt Danke für die Aufmerksamkeit! Alpbach Forum 2015 Wiener Fernsehforschung - aktuell 2017 16
Grimm: paneuropäischem Conflict TransformaNon Effekt Alpbach Forum 2015 Wiener Fernsehforschung - aktuell 2017 17 17