Manuskript Beitrag: Hafen ohne Schiffe Das Milliardenprojekt Jade-Weser-Port Sendung vom 2. Dezember 2014 von Martin Gronemeyer und Kersten Schüßler Anmoderation: Unsere Straßen - Schlagloch-Pisten. Die Brücken marode, vom Einsturz bedroht. Und auch die Schienen müssten dringend ausgebessert werden. Bei der Verkehrsinfrastruktur herrscht seit Jahren Investitionsstau. Nur nicht bei den deutschen Seehäfen. Da wird gebaut - koste es, was es wolle. Die Küste ist im Größenwahn. Hamburg will die Elbe immer weiter vertiefen. In Bremerhaven soll ein neuer Hafen entstehen. Und Wilhelmshaven hat schon einen neuen. Der sieht aber ganz schön alt aus. Martin Gronemeyer und Kersten Schüßler machen eine große Hafenrundfahrt. Text: Jahrzehntelang ist Manfred Berger für die Marine zur See gefahren. Er liebt das Meer, den Strand und den Sand. Doch in seiner Heimat Wilhelmshaven wurden Strand und Sand zubetoniert, wurde alles plattgemacht für den Jade-Weser-Port. Vergeblich hatte Berger mit einer Bürgerinitiative dagegen gekämpft. Für ihn bleibt der Hafen ein sinnloses und völlig überflüssiges Projekt. O-Ton Manfred Berger, Bürgerinitiative Bürger gegen den Jade-Weser-Port : Wir hatten genügend Kapazitäten in Hamburg gehabt, in Bremerhaven gehabt. Die Kapazitäten wurden ständig erweitert, ständig ausgebaut, gerade zu diesem Zeitpunkt, sodass hier ein zusätzlicher Hafen, der dann auch eine sehr geringe Kapazität im Vergleich zu den anderen hat, absolut keinen Sinn machte. Eigentlich sollten im Jade-Weser-Port mindestens zehn Schiffe wöchentlich anlegen. Zwei Jahre nach der Eröffnung aber ist die Ruhe an Deutschlands einzigem Tiefwasser-Seehafen gespenstisch.
Hafenchef Mikkel Andersen kann gerade mal ein einziges großes Schiff pro Woche begrüßen - und viel zu wenige Container löschen. O-Ton Mikkel Andersen, Geschäftsführer, Eurogate: Wir haben seit Anfang 2012 ja nicht die Anzahl Container bewegt, die wir gerne bewegt hätten. Richtig viel und entscheidend viel ist es noch nicht geworden. Von Anfang an läuft es nicht gut. Ausgelegt war der Jade-Weser- Port für jährlich bis zu 2,7 Millionen Container. Tatsächlich umgeschlagen wurden 2013 ganze 76.117. Das sind knapp drei Prozent der Kapazität. Dieser Mann wollte den Hafen um jeden Preis: John H. Niemann. Der Präsident der Hafenwirtschafts-Vereinigung Wilhelmshaven hatte Studien vorgelegt, die das Zehnfache der heutigen Auslastung vorhersagten: Zahlen, die auch Politiker berauschten und blendeten. Heute ist der Jade-Weser-Port selbst im Prospekt leer. Doch der Hafen-Lobbyist Niemann findet sogar in der Misere noch eine Rechtfertigung. O-Ton John H. Niemann, Präsident, Wilhelmshavener Hafenwirtschafts-Vereinigung: Wenn sie diesen Hafen heute wieder bauen würden, wäre er 20 Prozent teurer. Das heißt: Es ist die beste Sparkasse, die wir haben können. Das ist zwar jetzt etwas spaßig gesagt, aber Steuergelder sind hier gut verbaut und gut verarbeitet. Und dieser Hafen kommt zum Erfolg. Es geht gar nicht anders bei der Schiffsentwicklung. Wenn wir nicht morgen wieder eine andere Krise haben! Wissen Sie, was uns passiert, morgen? Nein, wissen Sie auch nicht! Was man aber sicher weiß: Der Bürger musste blechen. So sehen gut verbaute, gut verarbeitete Steuergelder aus. 600 Millionen Euro sollen es sein vorsichtig geschätzt. Und doch kann der neue Tiefwasserhafen in Wilhelmshaven seinem Hamburger Konkurrenten längst nicht das Wasser reichen: An der Elbe wurde 2013 mehr als das Hundertfache an Fracht umgeschlagen. Dabei hat auch Hamburg Sorgen, wird längst von anderen Welthäfen abgehängt. Schuld daran gibt man der Elbe. Die sei viel zu flach. Um wettbewerbsfähig zu bleiben, soll der Fluss für viele hundert Steuermillionen ausgebaggert werden. Dass dem nahe gelegenen Tiefwasserhafen Jade-Weser-Port dadurch noch mehr Wasser abgegraben werden könnte, das rührt Hamburgs Hafensenator wenig. O-Ton Frank Horch, parteilos, Wirtschaftssenator Hamburg:
Die Bedeutung, die Gewachsenheit des Hamburger Hafens in allen relevanten Dingen ist zurzeit mit Wilhelmshaven überhaupt nicht vergleichbar. Dann kann man nicht per Diktat und auch nicht von der Politik bestimmen: Da ist jetzt ein Hafen, der hat entsprechend tiefes Wasser, und schon ist die Ware da. Die ganz großen Schiffe sollen also lieber weiter nach Hamburg als an den Jade-Weser-Port. So wie dieses hier: Die 366 Meter lange und 48 Meter breite 'Maersk Edmonton' auf dem Weg nach Antwerpen. Ihr Tiefgang: 12,6 Meter. Auch ohne Elbvertiefung kann sie problemlos auslaufen. Tatsächlich haben im gesamten ersten Halbjahr 2014 laut Hamburger Schiffsmeldedienst nur zwei von 890 großen Container-Schiffen die vorhandene Tiefe der Elbe voll ausgenutzt. Denn selten ist Hamburg der erste Halt, kaum ein Super-Frachter fährt hier voll beladen rein. Herbert Nix ist ein Gegner der Elbvertiefung. Er fordert ein paar der Riesenschiffe einfach Wilhelmshaven zu überlassen, statt in Hamburg erneut hunderte Steuermillionen zu versenken. O-Ton Herbert Nix, Förderkreis 'Rettet die Elbe': Ein vernünftiges norddeutsches Hafenkonzept würde so aussehen, dass die Konkurrenz untereinander, der Häfen Hamburg, Bremen, Wilhelmshaven Jade-Port aufgegeben wird. Denn wir haben in Wilhelmshaven den Jade-Weser-Port das ist erwiesenermaßen ein Tiefwasserhafen und der liegt brach. Doch keines der Bundesländer will auch nur auf das kleinste bisschen Schiffsverkehr verzichten. Dass in Sachen Hafen niemand dem anderen auch nur den geringsten Vorteil gönnt, beklagt schon das Nationale Hafenkonzept der Bundesregierung aus dem Jahr 2009. Zitat: Die derzeitige Aufgabenteilung zwischen dem Bund, den Ländern und Kommunen... erschwert die Identifikation gemeinsamer Ziele und Strategien. Keine gemeinsamen Ziele - keine gemeinsamen Strategien. Es bleibt bei unkoordinierten Investitionen. Selbst der Maritime Koordinator der Bundesregierung, Uwe Beckmeyer, fordert allerorten auch weiterhin ordentlich Steuergeld in die Hafeninfrastruktur zu stecken. O-Ton Uwe Beckmeyer, SPD, Parlamentarischer Staatssekretär, Bundeswirtschaftsministerium: Da gehört Hamburg, da gehört Bremerhaven, da gehört
Wilhelmshaven dazu, weil die Steigerungsraten, die wir in den nächsten Jahren erleben werden beim Umschlag insgesamt, werden das deutlich ausfüllen, was wir dann an Kapazitäten in diesen drei Häfen vorhalten. O-Ton Frontal21: Also, Sie rechnen mit einer Steigerung in den nächsten Jahren bis 2020, 2030? O-Ton Uwe Beckmeyer, SPD, Parlamentarischer Staatssekretär, Bundeswirtschaftsministerium: Ja, auf jeden Fall! So klang das damals beim Jade-Weser-Port in Wilhelmshaven und so klingt es jetzt auch in Bremerhaven. Trotz erheblicher Flaute in der Offshore-Windenergie-Branche, trotz Kurzarbeit und Stellenabbau soll hier bald ein großer Schwerlast-Verlade-Hafen für die gigantischen Windräder auf See entstehen. Zwischen 180 und 250 Millionen soll Bremen für den Hafen aufbringen dabei herrscht in der Kasse der Hansestadt nicht nur Ebbe sondern Haushaltsperre. Der zuständige Hafen-Staatsrat Heiner Heseler will bei dem Projekt trotzdem keineswegs die Segel streichen. O-Ton Heiner Heseler, SPD, Staatsrat für Wirtschaft, Arbeit und Häfen Bremen: Bremerhaven ist das Zentrum in Deutschland, wenn nicht sogar in Europa, in Kontinentaleuropa jedenfalls. Wir setzen, und haben schon seit zehn Jahren auf die Offshore- Windindustrie gesetzt. Da hat es in den letzten ein, zwei Jahren Probleme gegeben, in Zukunft wird dies wieder ein wachsender Bereich sein. Wirklich? Hat doch die Bundesregierung gerade erst die Ziele für den Ausbau der Windkraft auf See radikal gesenkt - um fast 40 Prozent. Deshalb herrscht in dem bereits vorhandenen Offshore- Hafen von Cuxhaven schon jetzt Flaute. O-Ton Dirk Briese, trend:research: Es gibt noch weitere Projekte in Deutschland, es gibt ja auch noch weitere Häfen. Cuxhaven hat viel investiert, im Moment ist in Cuxhaven jetzt nicht so viel los. Das Urteil des Energie-Experten ist daher eindeutig. O-Ton Dirk Briese, trend:research: Das Offshore-Terminal Bremerhaven ist aus unserer Sicht im Moment nicht mehr wirtschaftlich tragfähig. Auch die Bremer Umweltschützer verstehen die Rechnung nicht.
Sönke Hofmann vom Naturschutzbund NABU warnt vor Kosten von bis zu einer halben Milliarde Euro für den nächsten Pleitehafen. Und er fürchtet, der Bau ist nicht mehr zu stoppen. O-Ton Sönke Hofmann, NABU-Bremen: Wir haben es in Bremen leider bei diesem Offshore-Terminal mit zwei ganz, ganz doofen Zufällen zu tun: Wir haben die Sozialdemokratie auf der einen Seite, die in Bremen sofort das Denken ausschaltet, wenn es um das Thema Häfen geht. Und wir haben die Grünen, die sofort das Denken anscheinend ausschalten, wenn es um das Thema Windkraft geht. Und jetzt haben wir einen Windkraft-Hafen und wir haben eine rot-grüne Regierung in Bremen. Das weitere Steuergeldgrab in Bremerhaven scheint also keiner mehr aufhalten zu können. Zumal auch der Maritime Koordinator der Bundesregierung der selbst aus Bremen kommt volles Verständnis für die Bremer Wünsche hat. O-Ton Uwe Beckmeyer, SPD, Parlamentarischer Staatssekretär, Bundeswirtschaftsministerium: Das ist ein Thema, dass die Landesregierung in Bremen für sich als ich sag mal - notwendig erachtet. Ich unterstütze das, wie auch in anderen Bereichen, wir Offshore-Service- Häfen benötigen an der Küste. Doch damit nicht genug Hafenwahn. Jetzt gibt es Überlegungen, direkt neben dem Jade-Weser-Port einen weiteren Hafen zu bauen: ein Flüssiggas-, neudeutsch 'LNG'-Terminal, um unabhängig von Russland Gas anzuliefern. Rund 800 Millionen Euro würde dieser Hafen kosten. Die Wirtschaft zögert. Deshalb soll erst einmal der Staat in Vorleistung gehen. Das möchte der Wilhelmshavener CDU- Bundestagsabgeordnete Hans-Werner Kammer und sieht sich beim Flüssiggas-Hafen von ganz weit oben unterstützt. O-Ton Hans-Werner Kammer, CDU, MdB Wilhelmshaven: Die Bundeskanzlerin hat ja die Notwendigkeit anerkannt, ein LNG-Terminal in Deutschland einzurichten, hat ja auch Wilhelmshaven dabei genannt. Darüber bin ich sehr froh. Zurzeit werden im Ministerium für Wirtschaft und Energie die Bedingungen geprüft, die erforderlich sind, damit es verwirklicht werden kann. Und ich persönlich bin auch der Ansicht, dass Politik der Wirtschaft helfen muss. Helfen heißt dann einmal mehr: Der Steuerzahler muss einspringen. Denn nach Rechnung der Energiewirtschaft ist ein deutscher Flüssiggas-Terminal nur eines: überflüssig. O-Ton Dirk Briese, trend:research:
Also, das LNG-Terminal in Wilhelmshaven wurde immer wieder auch neu gerechnet. Wir haben nie eine Wirtschaftlichkeit des Terminals erreicht gehabt, deswegen wurde auch nie investiert und nie gebaut. Und das ist bis heute auch so. Noch ein Hafen, der sich also nicht rechnet. Die Politik prüft trotzdem, ob man nicht vielleicht doch bauen könnte. Subventionieren, auch wenn nur Verluste in Sicht sind das scheint Deutschlands einziges Hafenkonzept zu sein. O-Ton Sönke Hofmann, NABU-Bremen: Das Nationale Hafenkonzept nennt sich zwar so, ist aber kein wirkliches. Also, es wird überhaupt nicht darauf geschaut, dass man Verkehre bündelt, dass man Spezialhäfen schafft und der eine Hafen was abgeben muss, dafür der andere was bekommt. Bremen und Niedersachsen gönnen sich den Dreck unter den Fingernägeln genauso wenig, wie die Hamburger das tun. Und so bleibt auch der Jade-Weser-Port in Wilhelmshaven bis auf Weiteres leer. Für Manfred Berger war er von Anfang an ein Luftschloss. Heute ist er ein Geisterhafen - der wohl bald Gesellschaft bekommt. Zur Beachtung: Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Der vorliegende Abdruck ist nur zum privaten Gebrauch des Empfängers hergestellt. Jede andere Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtgesetzes ist ohne Zustimmung des Urheberberechtigten unzulässig und strafbar. Insbesondere darf er weder vervielfältigt, verarbeitet oder zu öffentlichen Wiedergaben benutzt werden. Die in den Beiträgen dargestellten Sachverhalte entsprechen dem Stand des jeweiligen Sendetermins.