Zweite Staatsprüfung für die Laufbahn des höheren Schuldienstes an Gymnasien. Schriftliche Arbeit

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Landeslehrerprüfungsamt Außenstelle beim Oberschulamt Freiburg Staatliches Seminar für Schulpädagogik Freiburg (Gymnasien) Zweite Staatsprüfung für die Laufbahn des höheren Schuldienstes an Gymnasien Schriftliche Arbeit Fach: Physik Kurs: 2000/2002 Thema: Schüleraktivierendes Erlernen der Quantenphysik in Klasse 13 Klassenstufe: 13 Verfasser: Fachleiter: Frank A. Bühner StD Dieter Plappert Versicherung: Ich versichere, dass ich diese Arbeit selbstständig und nur mit den angegebenen Hilfsmitteln angefertigt habe und dass ich alle Stellen, die dem Wortlaut oder dem Sinn nach anderen Werken entnommen sind, durch Angabe der Quellen als Entlehnung kenntlich gemacht habe. Freiburg, 6. September 2001 Im Falle der Aufbewahrung meiner Arbeit im Archiv des Seminars für Schulpädagogik bzw. im Staatsarchiv erkläre ich mein Einverständnis, dass die Arbeit Benutzern zugänglich gemacht werden kann. Freiburg, 6. September 2001

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Inhaltsverzeichnis Einleitung 7 Kapitel 1 Methodisch - didaktische Überlegungen 8 1.1 Warum gerade Quantenphysik? 8 1.2 Voraussetzungen für den Unterricht 9 1.2.1 Das Geschwister-Scholl-Gymnasium (GSG) in Waldkirch 9 1.2.2 Der zeitliche Rahmen 9 1.2.3 Die Unterrichtszeit 9 1.2.4 Der Kurs und die Anwesenheit 10 1.2.5 Fachliches Vorwissen 10 1.2.6 Fazit 10 1.3 Die Unterrichtsziele 10 1.4 Didaktische Modelle zur Einführung der Quantenphysik 11 1.4.1 Das Konzept von Franz Bader 11 1.4.2 Das Konzept von Rainer Müller und Hartmut Wiesner 12 1.4.3 Mein Konzept 13 1.5 Die Methoden 14 1.5.1 Warum schüleraktivierender Physikunterricht? 14 1.5.2 Die verwendeten Methoden 14 1.6 Der Computer als Experimentiertisch 15 1.6.1 Beschreibung der Simulationssoftware 15 1.6.2 Bedienung der Simulationssoftware 15 1.6.3 Fazit 17 Kapitel 2 Die behandelten Themen 18 2.1 Der historische und gesellschaftliche Kontext der Einheit oder einfach: Die Geschichte der Quantenphysik 18 2.1.1 Das Ende der klassischen Physik 18 2.1.2 Die Entdeckung der Quanten 19 2.1.3 Einsteins Beiträge zur Quantentheorie 19 2.1.4 Materiewellen 20 2.2 Das Doppelspaltexperiment 21 2.2.1 Kurzbeschreibung des Doppelspaltexperiments 21 Das Experiment mit Kugeln: 21 Das Experiment mit Wasserwellen 22 Das Experiment mit Elektronen 23 2.3 Die Kopenhagener Deutung 23 3

4 2.3.1 Das Komplementaritätsprinzip 24 2.3.2 Die Störung des beobachteten Systems durch den Beobachter 24 2.3.3 Die Unbestimmtheit 24 2.3.4 Folgerungen der Kopenhagener Deutung 25 2.4 Berührungsfreie Quantenmessung 26 Das Gedankenexperiment: Der Knallertest 26 2.5 EPR-Paradoxon 27 2.5.1 Das Gedankenexperiment 27 2.5.2 Der Bell-Test 28 2.6 Schrödingers Katze 29 2.7 Alternative Deutungen 30 2.7.1 Viele-Welten-Theorie 30 2.7.2 Avancierte und retardierte Wellen 30 Kapitel 3 Die Planung und Durchführung der Einheit mit Reflexionen zu den einzelnen Stunden 31 3.1 Die Stunden 1-4: Die Spaltexperimente 31 3.1.1 Die Vorbereitung der Stunden 31 3.1.2 Dokumentation der ersten Stunde 32 Gedanken zur ersten Stunde 33 3.1.3 Dokumentation der zweiten Stunde 33 Gedanken zur zweiten Stunde 34 3.1.4 Dokumentation der dritten Stunde 34 Gedanken zur dritten Stunde 35 3.1.5 Dokumentation der vierten Stunde 35 Gedanken zur vierten Stunde 36 3.2 Die Stunden 5 und 6: Die Heisenbergsche Unschärferelation 37 3.2.1 Die Vorbereitung der Stunden 37 3.2.2 Dokumentation der fünften Stunde 37 Gedanken zur fünften Stunde: 38 3.2.3 Dokumentation der sechsten Stunde 39 Gedanken zur sechsten Stunde: 40 3.3 Die siebte Stunde: Berührungsfreie Quantenmessung 40 3.3.1 Die Vorbereitung der siebten Stunde 40 3.3.2 Dokumentation der siebten Stunde 41 Gedanken zur siebten Stunde 41 3.4 Die achte Stunde: EPR Paradoxon und Schrödingers Katze 42 3.4.1 Die Vorbereitung der achten Stunde 42 Das EPR-Paradoxon 42 Schrödingers Katze 42 3.4.2 Dokumentation der achten Stunde 43 Gedanken zur achten Stunde 44 3.5 Die neunte Stunde 44

Kapitel 4 Reflexion und Bewertung der Einheit 45 Kommentiertes Literaturverzeichnis 47 Anhang: 48 Anhang 1: Vier Folien zum Beginn der ersten Stunde 48 Anhang 2: a) Arbeitsblatt 50 Anhang 3: Literaturverzeichnis aus der 3. Stunde 58 Anhang 4: Handout in der 3. Stunde 59 Anhang 5: Zusammenfassung der ersten drei Stunden 60 Anhang 6: Text aus [8] 63 Anhang 7: Arbeitsblatt der 5. Stunde 64 Anhang 8 Arbeitsblatt und Hilfen zur berührungsfreien Quantenmessung 65 Anhang 9: Materialien zur 8. Stunde 71 Anhang 10: Die Kursteilnehmer 75 5

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Einleitung Die vorliegende Arbeit dokumentiert die Planung und die Durchführung einer einführenden Einheit zur Quantenphysik im Grundkurs Klasse 13. Zusätzlich zur Dokumentation meiner eigenen Arbeit ist es mir wichtig, dass interessierte Kollegen mit diesem Text einen überdachten Unterrichtsentwurf in der Hand halten, mit dessen Hilfe sie selbst eine Einheit zu diesem Thema, mit sehr viel geringerem Aufwand als es sonst der Fall wäre, planen können. Viele Lehrer haben enormen Respekt vor dem Unterrichten einer Quantenphysikeinheit, die sich mit mehr als dem Photoeffekt, Comptoneffekt oder den Grundzügen des Doppelspaltexperiment beschäftigt. Bei der Erklärung dieser Effekte kann man sich noch recht gut auf klassische oder maximal halbklassische Bilder berufen um mit Hilfe einiger Formeln diverse Größen auszurechnen. Dies zu beherrschen ist jedoch nicht das Ziel meiner Unterrichtseinheit. Für mich ist die Quantenphysik mit ihren Geheimnissen, Deutungsfragen und interessanten Phänomenen etwas, was unseren Alltagserfahrungen sehr stark entgegenläuft. Das passiert in der Schule nicht allzu häufig! Dadurch kann dieses Thema auf interessierte Jugendliche eine große Faszination ausüben. Vielen Lehrern und auch Studiumsabsolventen sind diese Geheimnisse zum Teil über das ganze Studium hindurch verborgen geblieben 1. Meiner Meinung nach liegt das zum Teil daran, dass die Quantenphysik im Studium fast auf rein mathematischem und nicht auf physikalischem Verständnis aufgebaut ist. Das dadurch entstandene abstrakte Verständnis der Quantenmechanik, basiert auf einer, auch für den interessierten Studenten oder Lehrer, sehr schwer durchschaubaren mathematischen Grundlage. Aus diesem Grund könnte man schnell zu der Auffassung gelangen, dass die Quantenphysik für Schüler unzugänglich und uninteressant bleiben muss. Eine weitere Schwierigkeit, auf die man als Lehrer bei der Vorbereitung einer Einheit zur Quantenphysik stößt ist, dass es in der Quantenphysik heute immer noch kein allgemein akzeptiertes didaktisches Konzept gibt. Zwar gibt es mehrere gut durchdachte Konzepte, doch sie unterscheiden sich signifikant und um einen Überblick zu gewinnen, welche Ziele bei den einzelnen Konzepten im Vordergrund stehen, müssen sehr viele verschiedene Werke studiert werden. Ich habe mich in der Vorbereitung vor allem mit zwei Unterrichtskonzepten beschäftigt. Zum einem mit dem Münchner Unterrichtskonzept von Rainer Müller und Hartmut Wiesner und zum anderen mit dem Konzept der rotierenden Zeiger, welches Herr Bader in der aktuellen Ausgabe seines Oberstufenlehrbuchs verwendet, beschäftigt. Ein großes Problem für jeden, der Quantenphysik unterrichtet, ist der sehr eng gesteckte Zeitrahmen. Um einen befriedigenden Überblick über die gesamte Quantenphysik zu geben, müsste man sehr viel mehr Zeit investieren, als im momentanen Lehrplan vorgesehen ist. Deshalb entschied ich mich dafür, den Schülern in die Stunden zwischen dem schriftlichen und mündlichen Abitur, einen Einblick in die alltagsfremden Verhaltensweisen der Quanten und die zugehörigen Deutungen zu geben. Es war natürlich eine besondere Herausforderung, die Faszination der Quantenobjekte in nur neun Stunden zu vermitteln die Mühe hat sich aber gelohnt. 1 Dieses offensichtliche Defizit zu beheben ist auch das Anliegen des Projekts milq (Münchner Internet-Projekt zur Lehrerfortbildung in Quantenmechanik). Es wird in [13] beschrieben und basiert auf dem Münchner Unterrichtskonzept zur Quantenmechanik. 7

Kapitel 1 Methodisch - didaktische Überlegungen Dieses Kapitel beschäftigt sich mit den Gründen, warum ich mir dieses Thema und die daraus resultierenden Lernziele ausgesucht habe. Außerdem werden verschiedene didaktische Modelle und die verwendeten Methoden vorgestellt. Zum Schluss werden noch die äußeren Rahmenbedingungen skizziert. 1.1 Warum gerade Quantenphysik? Insgesamt geht die Tendenz in unserem Schulsystem dahin, die naturwissenschaftlichen Fächer zu stärken, damit sich wieder mehr Abiturienten für Studiengänge in den Naturwissenschaften, den Ingenieurwissenschaften und der Technik interessieren. Dabei gibt es gerade im Bereich der Physik mehrere Probleme. Die Physik in der Schule ist vielerorts zu einem Zweig der Mathematik geworden. Es wird sehr viel, möglicherweise weil die Leistungskontrolle objektiver zu sein scheint, auf Formeln und die damit verbundenen Berechnungsmöglichkeiten Wert gelegt, anstatt sich mit der Physik, die dabei dahintersteht, zu beschäftigen. Dies führt auch bei guten Schülern sehr oft dazu - da die schulische Leistung ja stimmt - dass der dem Mensch inne wohnende Drang nach tieferer Erkenntnis verkümmert. Das ist sicher ein Grund dafür, dass die Physik im Moment ein so unbeliebtes Schulfach ist und auch als Studiengang für den Schüler uninteressant erscheint. Ein weiteres Manko an der Schulphysik sind die behandelten Inhalte. So gut wie alle Theorien und Themen, die im Unterricht behandelt werden, sind schon vollständig bekannt 2 und müssen damit in den Augen der Schüler auch nicht konsequent hinterfragt werden (die WARUM-Frage wird vergessen). Eine der wenigen Möglichkeiten den Schülern im Unterricht zu zeigen, dass die Physik dieses Hinterfragen aber immer bedarf, ist mit einer Einheit über die Geheimnisse der Quantenphysik gegeben. Leider hat die Quantenphysik bisher in der Schulphysik (in Baden-Württemberg) eine eher untergeordnete Rolle gespielt. Das liegt sicher vor allem daran, dass im aktuellen Lehrplan 3 für die Quantenphysik sehr wenig Unterrichtsstunden vorgesehen sind. Dass dies nicht zeitgemäß sein kann, sieht man auch daran, dass im geplanten neuen Lehrplan 4 für das Thema 2 So wird es zumindest von den Lehrern hingestellt. Dass es sich dabei häufig um nie eintretende Idealisierungen handelt, wird dabei oftmals verschwiegen. 3 Bildungsplan, Stand 1994, Seite 745-746 4 Auf beiliegender CD unter D:\CD\LehrplanNEU\bpgyks\Physik, Stand Frühjahr 2001 8

1.2 VORAUSSETZUNGEN FÜR DEN UNTERRICHT Quantenphysik sehr viel mehr Zeit eingeplant ist und damit auch eine wesentlich stärkere Rolle als bisher einnehmen wird. Ich habe versucht auf eine (bei der Quantenphysik oft praktizierte) Mathematisierung weitestgehend zu verzichten. Die Schüler sollten sehen, dass die Quantenphysik, und damit auch die gesamte Physik, mehr als ein Zweig der Mathematik ist! Trotzdem gibt es Phänomene, bei denen jeder an die Grenzen seiner Vorstellungskraft stößt! Am Beispiel der Quantenphysik sollen die Schüler erkennen, wie interessant, wichtig und aktuell die Forschung in der Physik ist, und auf welche Weise auch heute noch viele Probleme stark kontrovers diskutiert werden. Dieses Beispiel kann den Schülern einen Einblick in die immer währende Faszination der Naturwissenschaft Physik geben; darüber hinaus ist es möglich gerade mit diesem Thema auch Brücken zur Philosophie und damit zu den von vielen Naturwissenschaftlern belächelten Geisteswissenschaften zu schlagen. 1.2 Voraussetzungen für den Unterricht 1.2.1 Das Geschwister-Scholl-Gymnasium (GSG) in Waldkirch Das GSG ist ein für meine Zwecke sehr gut ausgestattetes Gymnasium. Um während der Unterrichtszeit mit der Simulationssoftware arbeiten zu können, benötigte ich neben dem Physikraum einen Raum mit zentralem Computerserver, auf dem ich die, für meine Einheit notwendige Software installieren konnte. Die Schüler erhielten dadurch die Möglichkeit selbständig an Problemlösungen arbeiten zu können. Zusätzlich war ein Beamer vorhanden, mit dem die Schüler ihre gewonnenen Erkenntnisse präsentieren konnten. 1.2.2 Der zeitliche Rahmen Im GSG gibt es traditionsgemäß einen Physik-LK. Vielleicht bestand aus diesem Grund mein Grundkurs aus einem überschaubaren Kreis von 12 Schülern. Einer dieser Schüler hatte Physik als drittes Prüfungsfach gewählt. Damit dessen Vorbereitung nicht beeinträchtigt wurde war ich gezwungen, die Einheit in der Zeit zwischen dem schriftlichen und mündlichen Abitur zu halten. Die dadurch verbleibenden 9 Stunden stellte mir Herr Fix, der mich bei meiner Arbeit immer unterstützte, zur Verfügung, obwohl bis kurz vor den mündlichen Prüfungen nicht sicher war, ob dieser eine Schüler auch noch die mündliche Prüfung besuchen musste oder nicht. Dieser eng gesteckte Zeitrahmen war eine große Herausforderung und beschränkte mich in der Stoffauswahl in erheblichem Maße. 1.2.3 Die Unterrichtszeit Zusätzlich erschwert wurde die Arbeit durch die Randlage der Stunden: Dienstag 6.Stunde, Mittwoch 7.Stunde und Donnerstag 1. Stunde. Abiturienten sind nach absolvierter schriftlicher Prüfung in den Grundkursen erfahrungsgemäß nicht mehr sehr motiviert, was anfangs zu vereinzelt phlegmatischem Verhalten geführt hat. 9

KAPITEL 1 METHODISCH - DIDAKTISCHE ÜBERLEGUNGEN 1.2.4 Der Kurs 5 und die Anwesenheit Die Zusammensetzung des Kurses, bezüglich der LK-Wahl, war sehr gemischt: 10 Mathematik, 5 Musik, 4 Englisch, 2 Biologie, 1 Französisch, 1 Deutsch, 1 Geschichte. Das GSG ist ein sehr aktives Gymnasium. Es gibt zum Beispiel mehrere Orchester, eine Theater-AG, und Chöre. Leider bedeutete das für mich, dass ich auch einige Male Abwesenheiten zu beklagen hatte. Zusammen mit den krankheitsbedingten und anderweitigen Abwesenheiten waren im Schnitt nur ca. 80% der Schüler anwesend, wodurch bei manchen Schülern im Unterrichtsverlauf Wissenslücken entstanden. 1.2.5 Fachliches Vorwissen Herr Fix hat bis zum Beginn meiner Einheit die Klasse durch die Lehrplaneinheiten 1-4 geführt. Dabei war für meine Einheit vor allem wichtig, dass die Schüler über solide Kenntnisse im Umgang mit Wellen und deren Nachweis mit Hilfe von Spalt- und Beugungsexperimenten verfügten. Zusätzlich wurde aus LE 5 der Photo- und Comptoneffekt im Unterricht behandelt, sodass der Begriff Photon für die Schüler nicht neu war. Auf diese Kenntnisse konnte ich meistens problemlos zurückgreifen. Schon vorher vorhandene fundierte außerunterrichtliche Kenntnisse vom behandelten Thema schien aber niemand gehabt zu haben. 1.2.6 Fazit Insgesamt waren die Unterrichtsvoraussetzungen sehr gut. Nur die zur Verfügung stehenden Unterrichtsstunden waren sehr knapp bemessen. Dafür war sehr positiv überrascht, wie interessiert und unkompliziert die Schüler an die von mir gebrachten Themen herangingen. Vor allem zwei Schüler entwickelten oftmals sehr scharfsinnige Gedanken und konnten damit ihren Arbeitsgruppen helfen, den richtigen Weg zur Problemlösung zu finden. 1.3 Die Unterrichtsziele Die Ziele, die im Unterricht verfolgt werden, lassen sich in zwei Klassen einteilen. 1. Nichtfachspezifische Bildungsziele: Eigenverantwortliches Erfassen und Erlernen eines schwierigen Sachverhalts. Bildung einer Fachsprache. Schulung des Urteils- und Entscheidungsvermögens. Entfaltung der Persönlichkeit und Begabung. Das Interesse für Naturwissenschaften zu steigern und die Neugier allgemein zu wecken. 5 Bilder in Anhang 10 10

1.3 DIE UNTERRICHTSZIELE Arbeiten in Gruppen zu erlernen oder zu vertiefen und dabei auch leitende Funktionen auszuüben. Fächerübergreifend zu denken und zu arbeiten (hier mit der Philosophie). Selbständiges Entdecken von Zusammenhängen. Kritische Betrachtung von offensichtlichen Fakten. Fähigkeit, eigene Gedanken und Ideen vor der Klasse vorzutragen und zu vertreten. Zu sehen, dass die Physik ein heute immer noch sehr aktuelles und interessantes Forschungsgebiet ist. Abbau von Vorurteilen gegenüber den Geisteswissenschaften. Viele physikinteressierte Jugendliche können sich keinerlei Verbindungen zwischen Naturwissenschaften und Geisteswissenschaften vorstellen und lehnen deshalb oftmals Gedanken, die zu philosophisch erscheinen, ab. Faszination!!!! Diese Bildungsziele sind zum großen Teil auch im Erziehungs- und Bildungsplan verankert. Wie auch schon oben formuliert, liegen meine fachlichen Lernziele weniger im Erlernen der mathematischen Beschreibung der physikalischen Erkenntnisse, als vielmehr im selbständigen Entdecken von physikalischen Phänomenen im Bereich der Quantenphysik. 2. Fachspezifischen Bildungsziele: Qualitatives Kennenlernen der Spaltexperimente mit Quantenobjekten. Kennenlernen einiger Grundprinzipien der Quantenphysik. (zum Beispiel: Was nicht verboten ist, ist zwingend vorgeschrieben ) Welle Teilchen Dualismus als neues Modell zur Beschreibung von Quanten. Die Unschärferelation nach Werner Heisenberg. Kennenlernen der berührungsfreien Quantenmessung. EPR-Paradoxon, damit die Nichtlokalität von Ereignissen. Konsequenzen für unser Weltbild: Determinismus contra Zufall. Basis für das Verstehen der Quantenphysik legen. Insgesamt steht bei meinen Lernzielen eindeutig die Faszination an der (bisher) unbegreiflichen Art und Weise, auf welche Weise sich Quantenobjekte verhalten, im Vordergrund. Die wenigen wirklich notwendigen mathematischen Begriffe, wie zum Beispiel Wahrscheinlichkeitsverteilung oder Standardabweichung, wurden an geeigneter Stelle wiederholt. 1.4 Didaktische Modelle zur Einführung der Quantenphysik Im folgenden Abschnitt möchte ich kurz erläutern, wie mein didaktischer Aufbau entstanden ist und welche Modelle mich dabei wesentlich beeinflusst haben. Hierfür werde ich zwei Konzepte grob skizzieren. 1.4.1 Das Konzept von Franz Bader Das Lehrbuch [3] von Franz Bader enthält ein sehr umfassendes Kapitel zur Quantenphysik und eines zur Atomphysik. 11

KAPITEL 1 METHODISCH - DIDAKTISCHE ÜBERLEGUNGEN Seine Einführung in die Welt der Quanten beginnt mit dem Photoeffekt und der sich daran anschließenden Herleitung, dass es unteilbare kleine Energiepakete, sogenannte Lichtquanten gibt. Auch die Umkehrung des Photoeffekts und der Comptoneffekt werden ausführlich beschrieben. Dabei habe ich aber immer den Eindruck, als ob dabei im Hintergrund die Vorstellung besteht, dass die Photonen kleine lokalisierbare Pakete und damit sehr teilchenähnlich sind. Danach wird das Doppelspaltexperiment diskutiert und die rotierenden Ψ-Zeiger als Hilfe bei der Beschreibung von Quantenobjekten eingeführt. Damit der Autor direkt auf die in seinem Lehrkonzept wichtige Addition von Zeigern aus der Wellentheorie zurückgreifen kann, führt er die Ψ-Zeiger als direkten Ersatz für die E-Zeiger (für Feldstärke) aus der Wellentheorie ein. Nicht das Vorgehen bei der Untersuchung von Interferenzerscheinungen ändert sich im Vergleich zu der klassischen Beschreibung durch Wellen, sondern nur die Interpretation. Im Anschluss daran wird die Wahrscheinlichkeitsinterpretation der Ψ-Zeiger diskutiert. Damit haben die Ψ-Zeiger schon viele Eigenschaften der in der Quantenphysik üblichen Wellenfunktionen, die man beim Lösen der Schrödingergleichung erhält. Nach dem Photon wird auch das Elektron als Quantenobjekt mit Hilfe der Zeiger beschrieben. Beide Objekte werden als Quanten bezeichnet und gleich behandelt! Die Heisenbergsche Unschärferelation wird mit Hilfe des Einfachspaltexperimentes qualitativ hergeleitet und in meinen Augen etwas unsauber und eventuell unverständlich formuliert. Die anschließend behandelte Atomphysik spielt für meine Einheit keine Rolle. Die Exkurse in die Quantenphilosophie, in der die Kopenhagener Deutung, Schrödingers Katze und das EPR-Paradoxon mit Hilfe der Zeiger behandelt werden, runden das Kapitel zur Quantenphysik sehr gut ab. Das sich durch das ganze Buch hindurchziehende Konzept der rotierenden Zeiger ist sicher bei der Berechnung von Interferenzphänomenen oft sehr hilfreich und auch für den Schüler anschaulich, kann aber bei der Diskussion von Quantenobjekten dazu führen, dass der Unterschied von Wellenmodell und Quantenmodell verwischt wird. Den Welle-Teilchen- Dualismus, der oftmals in der Literatur als Beschreibung von Quantenobjekten üblich ist, lehnt Bader für Elektronen und Photonen ab 6. Die Begründung dafür ist meiner Meinung nach nicht sehr aufschlussreich. 1.4.2 Das Konzept von Rainer Müller und Hartmut Wiesner Das Münchner Konzept zur Quantenmechanik [15], das in erster Linie ein vollständig ausgearbeitetes Lehrkonzept und kein Schulbuch ist, beginnt auch mit dem Photoeffekt und der Deutung des Photoeffekts mit Hilfe von Photonen. Besonderen Wert wird im anschließenden Kapitel auf die Eigenschaften, die ein Quantenobjekt hat, gelegt. Dabei wird zwischen dynamischen (d.h. veränderlichen) und nicht dynamischen 7 Eigenschaften (z.b. Ladung und Ruhemasse) unterschieden. In der klassischen Physik lassen sich die dynamischen Eigenschaften beliebig präparieren, wohingegen in der Quantenphysik dieses nicht mehr möglich ist. Deswegen beschäftigt sich ein ganzes Kapitel mit der Präparation von dynamischen Eigenschaften. Die ersten quantentheoretischen Effekte werden am Beispiel eines Interferometers erklärt. Vor allem die für Quanten charakteristische Eigenschaft, dass man ihnen oft keinen eindeutigen Weg zuschreiben kann, wenn man sie nicht beobachtet. 6 [3] Seite 257 7 In [15] Seite 10 ist ein Druckfehler. Es werden auch die Ruhemasse und die Ladung eines Elektrons als dynamische Eigenschaften bezeichnet. Ob hier nur ein nicht fehlt, oder stattdessen statische stehen sollte, ist mir nicht bekannt. 12

1.4 DIDAKTISCHE MODELLE ZUR EINFÜHRUNG DER QUANTENPHYSIK Eine ganz zentrale Rolle spielt in diesem Konzept das Doppelspaltexperiment. Damit werden zuerst für Photonen und dann für Elektronen fast alle für den Unterricht wichtigen Phänomene der Quantenwelt erläutert. Die Wahrscheinlichkeitsinterpretation, die de-broglie- Beziehungen zwischen Impuls und Wellenlänge am Beispiel von Elektronen, die Wellenfunktion und die Zustandsreduktion. Auch der Messprozess wird dabei behandelt. Die Heisenbergsche Unschärferelation wird sehr eng und für den Leser offensichtlich mit der Präparation von dynamischen Eigenschaften in Verbindung gebracht. Bei der Erläuterung der Heisenbergschen Unschärferelation steht nicht das Messen der Eigenschaften im Vordergrund, wie es sonst bei der Erklärung der Unbestimmtheitsrelation oft der Fall ist, sondern die Unmöglichkeit, zwei komplementäre dynamische Eigenschaften gleichzeitig beliebig genau zu präparieren. Die qualitative Aussage, die die Heisenbergsche Unschärferelation macht, wird anhand des Einzelspaltexperiments plausibel gemacht. Die quantitative Formulierung wird sehr genau erläutert. Deutungsfragen und Grenzen der Quantentheorie werden in diesem Konzept nur sehr wenig behandelt. Ein sehr wichtiges Element, das vor allem bei der praktischen Umsetzung dieses Lehrkonzepts eine große Rolle spielt, ist die beiliegende Simulationssoftware zum Interferometer und zum Doppelspaltexperiment 8. Dadurch kann man den Schülern die Möglichkeit geben auszuprobieren, Sachverhalte nachzuprüfen oder auch neue Erkenntnisse zu entdecken. 1.4.3 Mein Konzept Die Parameter, welche für mein Konzept maßgeblich waren, waren erstens die begrenzte Zeit und zweitens die Lernziele, die ich mir vorgegeben hatte. Innerhalb der geplanten neun Stunden kann man keinen vollständigen Überblick über die Quantenphysik geben. Deswegen entschied ich mich dafür, das Doppelspaltexperiment zur Erklärung der Geheimnisse der Quantenwelt in den Vordergrund zu stellen. Mit der Software, die dem Münchner Quantenphysikkonzept beiliegt, war mir ein sehr starkes Medium gegeben, mit dessen Hilfe ich auch schüleraktivierend die zentralen Erkenntnisse der Spaltexperimente nachprüfen und hinterfragen lassen konnte. Damit konnten wir auch die Frage diskutieren, ob die Quanten einen eindeutigen Weg nehmen, wenn man sie nicht beobachtet, Wahrscheinlichkeitsinterpretationen aufstellen und den Welle-Teilchen-Dualismus als neues Modell, das Teilchen- und Wellenmodell ersetzt, einführen. Die Heisenbergsche Unschärferelation habe ich, ähnlich wie in [15], mit Hilfe des Einfachspalts qualitativ erläutert und die mathematische Formulierung ausführlich mit Hilfe von Wahrscheinlichkeitsdichten und Standardabweichungen diskutiert. Das sehr interessante Phänomen der berührungsfreien Quantenmessung habe ich aus dem Konzept von Herrn Bader entnommen. Dabei verzichtete ich auf das Modell der rotierenden Zeiger. Das EPR-Paradoxon und die Erklärung zu Schrödingers Katze habe ich hauptsächlich aus [8] entlehnt, weil sie dort sehr ausführlich und auch für Laien verständlich erklärt werden. Insgesamt kann ich sagen, dass mich vor allem die sehr ausführlich durchgeführte Behandlung des Doppelspaltexperiments in [15] überzeugt hat, ich jedoch aus Zeitgründen auf die Einführung der Präparation von dynamischen Eigenschaften verzichtet habe. Die für meine Lernziele wichtigen Aspekte zur Deutung der Quantenphysik werden in meinen Augen vor allem in [15] zu stark vernachlässigt und in [3] nicht sehr schülergerecht 8 Auf der CD unter D:\CD\Doppelspalt 13

KAPITEL 1 METHODISCH - DIDAKTISCHE ÜBERLEGUNGEN formuliert. Deswegen habe ich mich bei der Behandlung der Deutungsfragen und der Grenzen dieser Deutungen sehr stark an [8] orientiert. 1.5 Die Methoden Die Methodenwahl im Schulunterricht sind im Moment stark im Umbruch. Früher war die Schule fast so etwas wie ein Konsumtempel. Etwas überspitzt formuliert kann man sagen, dass die Schüler in den Unterricht gingen um vorgefertigtes Wissen zu konsumieren und dem Lehrer, der natürlich immer über allem stand, alles zu glauben. Heute geht der Trend immer mehr zur Lernwerkstatt, wobei sich die Schüler selbständig Wissen verinnerlichen sollen und der Lehrer vor allem noch eine lenkende Funktion haben soll. Deshalb ist mein Titel Schüleraktivierendes Erlernen der Quantenphysik in Klasse 13 für meine Unterrichtseinheit auch Programm. Neben der Freude und der Faszination am Stoff ist mein wichtigstes Lernziel, dass die Schüler lernen, sich komplizierte Sachverhalte alleine und in Gruppen anzueignen. Mit derartigen Herausforderungen werden sie auch im Studium und im gesamten späteren Leben konfrontiert werden! 1.5.1 Warum schüleraktivierender Physikunterricht? StD Firnhaber 9 bringt drei sehr schöne Argumente für selbständiges Lernen: 1. Selbständiges Lernen fordert und unterstützt Verstehen. 2. Die Lernenden müssen selbst Phänomene beobachten, Hypothesen entwickeln, Experimente durchführen, miteinander wissenschaftliche Streitgespräche führen. Auf diese Art erleben sie die wesentlichen Elemente physikalischer Erkenntnisgewinnung. 3. Jugendliche sollen Physik als etwas Werdendes erfahren. Insgesamt kann man sagen, dass schüleraktivierender Unterricht zwar meist sehr viel zeitraubender ist, die langfristigen Lernerfolge aber deutlich größer sind als bei den lehrerzentrierten Unterrichtsformen. Zusätzlich erlangt der Schüler Schlüsselqualifikationen wie zum Beispiel höhere Flexibilität bei Problemlösungen, Gruppenarbeitsfähigkeit, Diskussionsfähigkeit und Sozialkompetenz. 1.5.2 Die verwendeten Methoden Die hier kurz beschriebenen Interaktionsformen sind die Methoden, von denen ich mir erhoffte, die gesteckten Lernziele bestmöglichst erreichen zu können. Um immer möglichst viele Schüler gleichzeitig am Unterrichtsgeschehen zu beteiligen und auch um das Interesse an den zu behandelnden Themen zu wecken, wählte ich vorzugsweise die Arbeit in Schülergruppen. Mit möglichst wenig Lehrerinteraktion arbeiteten die Gruppen in der Erarbeitungsphase meist mit den von mir zur Verfügung gestellten Texten. Zusätzlich hatten sie im Computerraum Zugang zu Software, die einige der behandelten Experimente simulieren konnte. Zusätzlich zu den ausgeteilten Texten händigte ich, um die Schüler ein wenig zu lenken, Arbeitsaufträge oder Welche-Frage-muss-ich-stellen-damit-ich-das- Problem-lösen-kann-Checklisten aus. 9 In der Einleitung von: Oberschulamt Freiburg: Eigenverantwortlichkeit im handlungsorientierten Physikunterricht, Februar/März/Juli 2000. 14

1.6 DER COMPUTER ALS EXPERIMENTIERTISCH Durch dieses intensive Erarbeiten von meist komplizierten Sachverhalten sollte neben den fachlichen Erkenntnissen vor allem das kritische und auch logische Denkvermögen geschult werden. Auch die Fähigkeit, in einer Gruppe zu arbeiten, die für das spätere Leben unbedingt vorhanden sein sollte, wird mit dieser Methode verstärkt. Die Ergebnisse wurden von Schülern meistens entweder mit Hilfe des Beamers oder der Tafel präsentiert. Nur die wenigen mathematischen Zwischenbemerkungen (Wahrscheinlichkeitsdichte, Standardabweichung) wurden im Frontalunterricht unterrichtet. Dadurch, dass man die Schüler ihre Ergebnisse vor der Klasse vortragen lässt, üben diese das Reden vor einer Gruppe. Ein positiver Nebeneffekt dabei ist, dass die Mitschüler aktiver zuhören, als sie es bei einem Lehrervortrag tun würden. Eine Ausnahme bildete die achte Stunde. In dieser Stunde arbeiteten die Schüler in Gruppen mit kopierten Materialien und dem Internet. Die dabei gewonnenen Erkenntnisse wurden dann in Expertengruppen ausgetauscht, damit jeder Schüler gleichermaßen gefordert war. Damit konnten sich auch die schwächeren oder redefauleren Schüler bewähren. 1.6 Der Computer als Experimentiertisch Eine wichtige Rolle in meinem Unterricht nahm das computersimulierte Doppelspaltexperiment ein. Im Allgemeinen sind Computerexperimente im Physikunterricht zu vermeiden, wenn man dieselben Experimente auch real durchführen kann. Die Apparaturen, um das Doppelspaltexperiment mit Elektronen oder einzelnen Photonen durchzuführen, sind aber für den Schulgebrauch viel zu teuer und auch zu kompliziert. Da jedoch genau dieses Experiment ein Schlüssel zur Quantenwelt ist, wollte ich auf die Arbeit mit der Simulationssoftware nicht verzichten. 1.6.1 Beschreibung der Simulationssoftware 10 Das Programm zur Simulation der Spaltexperimente stammt von Klaus Muthsam und entstand im Rahmen seiner Zulassungsarbeit am Lehrstuhl für Didaktik der Physik an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Ursprünglich konzipiert wurde die Simulation als Teil der multimedialen Ergänzungen des von Dr. R. Müller entwickelten Lehrkonzeptes zur Quantenmechanik 11 an der gymnasialen Oberstufe. Sie ist sehr gut dafür geeignet, die Schüler selbständig die Grundzüge der Quantenphysik erlernen zu lassen. 1.6.2 Bedienung der Simulationssoftware Die Simulationssoftware hat sehr viele Parameter, an denen man den Ausgang des Experiments beeinflussen kann. Ich will an dieser Stelle nur die für meinen Unterricht wichtigen Einstellungs- und Auswertungsmöglichkeiten vorstellen. Die folgende Abbildung ist ein beschrifteter Screenshot, der den Bildschirm während der Arbeit mit dem Programm zeigt. 10 Die Software befindet sich auf beiliegender CD unter D:\CD\Doppelspalt\Doppelspaltversuch 11 Das Lehrkonzept befindet sich auf beiliegender CD unter D:\CD\Münchner Quantenphysikskript\Münchner Unterrichtsskript 15

KAPITEL 1 METHODISCH - DIDAKTISCHE ÜBERLEGUNGEN Spalt Schirm Objektquelle Beobachtungslampe Abbildung 1.1 Monitor beim Arbeiten mit der Simulationssoftware Die Objektquelle Als Objekte, die aus der Quelle emittiert werden, dienten mir Kugeln, Photonen und Elektronen. Es ist jedoch auch möglich Myonen, Spraydose, Heliumatome und noch vieles mehr auszuwählen. Bei der Versuchsdurchführung mit Hilfe der Kugeln kann man simulieren, welche Ergebnisse man erhält, wenn man annimmt, dass Kugeln (klassische) Teilchen sind. Die Simulation mit Photonen und Elektronen liefert sehr schöne Ergebnisse, die das Quantenmodell zu der Beschreibung dieser Objekte nahe legen. Zusätzlich kann man auch die Emissionsenergie, damit auch die de-broglie-wellenlänge, einstellen. Der Spalt Am Spalt kann man die Spaltbreite, den Spaltabstand und die Spaltanzahl (linker Spalt, rechter Spalt oder beide Spalte) einstellen. Die Beobachtungslampe Um ein Objekt beobachten zu können und damit Informationen über das Objekt zu bekommen, muss man mit ihm in Wechselwirkung treten. Dies geschieht in diesem Fall mit Hilfe einer Lampe, deren Intensität und Frequenz man variieren kann. Vor allem die Abhängigkeit des Schirmbildes von der eingestellten Lampenbeobachtungsfrequenz ist bemerkenswert. Der Schirm Auf dem Schirm werden die Auftreffpunkte der von der Quelle emittierten Objekte markiert. Das sehr schöne an diesem Programm ist aber, dass man nacheinander bis zu drei Fotos von verschiedenen Experimenten schießen und diese anschließend nebeneinander betrachten kann. Damit ist es möglich die Ergebnisse des Experiment mit geöffnetem linken Spalte, geöffnetem rechten Spalt und zwei offenen Spalten zu betrachten und auf Zusammenhänge hin zu untersuchen. Zusätzlich kann man am Schirm auch noch die Vergrößerung des Bildes sehr stark verändern. Dabei bekommt man einen Eindruck wie klein die Effekte werden, wenn 16

1.6 DER COMPUTER ALS EXPERIMENTIERTISCH die geschossenen Objekte eine große Masse haben. In meinem Unterricht wurde diese Thematik jedoch nicht intensiv besprochen. 1.6.3 Fazit Die vorliegende Simulationssoftware ist sehr bedienungsfreundlich und schnell erlernbar. Zusätzlich erwiesen sich die Einstellungsmöglichkeiten der Experimentierapparatur als überaus ausreichend. Einzig und allein die Simulation des Doppelspaltexperiments mit Wasserwellen habe ich vermisst. Dennoch hatte ich mit dieser Simulationssoftware die Möglichkeit das Doppelspaltexperiment in das Zentrum meiner Einführung in die Quantenphysik zu stellen. 17

Kapitel 2 Die behandelten Themen In diesem Kapitel wird kurz die historische Entwicklung der Quantenphysik skizziert und die für die Einheit wichtigen Themen vorgestellt. 2.1 Der historische und gesellschaftliche Kontext der Einheit oder einfach: Die Geschichte der Quantenphysik Die Quantenphysik ist zweifelsfrei die wichtigste Errungenschaft der Naturwissenschaften im 20. Jahrhundert. Die zahllosen Anwendungen, darunter die gesamte moderne Chemie, die Molekularbiologie und somit auch die Medizin, das Verständnis des Atoms an sich, der Laser und die Halbleitertechnik basieren auf quantenphysikalischen Gesetzen. Dieser Abschnitt gibt einen kleinen Einblick in die Entstehungsgeschichte der Quantentheorien. 2.1.1 Das Ende der klassischen Physik Die klassische, auf Newtons Errungenschaften basierende Mechanik ordnet einem physikalischen System eine Anzahl von Größen (sog. dynamische Variablen) zu. Jede dieser Größen besitzt zu jedem Zeitpunkt einen wohl definierten Wert. Kennt man zu einem Anfangszeitpunkt alle Größen eines Systems, so ist die zeitliche Entwicklung dieses Systems vollständig bestimmt. Die Aufgabe der theoretischen Physik bestand darin, Bewegungsgleichungen zu finden welche, in Übereinstimmung mit dem Experiment, die zeitliche Entwicklung dieser Systeme vorhersagen konnten. Die Objekte, mit denen man sich dabei beschäftigte, kann man in zwei Kategorien einteilen: 1. Materie: Die Materie besteht aus genau lokalisierbaren Teilchen. Der Zustand eines Teilchens ist in jedem Augenblick durch seine Lage und seinen Impuls bestimmt. Ein Beispiel hierfür sind Billardkugeln. 2. Strahlung: Die Strahlung gehorcht den Maxwell-Gleichungen. Ihre Variablen sind die Komponenten des elektrischen und magnetischen Feldes in jedem Raumpunkt. Die Strahlung zeigt ein wellenartiges Verhalten, das man durch Interferenz- und Beugungsexperimente beobachten kann. 18

2.1 DER HISTORISCHE UND GESELLSCHAFTLICHE KONTEXT DER EINHEIT ODER EINFACH: DIE GESCHICHTE DER QUANTENPHYSIK Man versuchte jedes neu entdeckte Phänomen in die bestehende Theorie widerspruchsfrei einzubinden. Damit hatte man lange Zeit großen Erfolg, bis Ende des 19. Jahrhunderts Phänomene beobachtet wurden, die nicht mehr mit klassischen Mitteln zu erklären waren. Den wohl bekanntesten Widerspruch gab es bei der Berechnung der Hohlraumstrahlung eines schwarzen Körpers. Die klassischen Berechnungen sagten voraus, dass die Intensität der Hohlraumstrahlung mit steigender Frequenz beliebig stark ansteigen müsste. (Ultraviolett- Katastrophe) Allerdings ließ sich dies mit dem beobachteten Abfallen der Intensität in keinster Weise vereinbaren. 2.1.2 Die Entdeckung der Quanten Als Begründer der Quantenphysik gilt Max Planck, der im Jahre 1900 vor der physikalischen Gesellschaft in Berlin einen Vortrag über die Hohlraumstrahlung eines schwarzen Körpers hielt. In diesem Vortrag steckten aber nicht, wie man meinen könnte, viele physikalischen Vorüberlegungen, sondern eher das Können eines erfahrenen mathematischen Physikers, der durch mathematisches Geschick die beiden bisher existierenden aber unvollständigen Beschreibungen des Spektrums eines schwarzen Körpers zu einer einfachen Formel zusammenfassen konnte. Damit überbrückte er die Lücke zwischen dem Wienschen Gesetz und dem Rayleigh-Jeansschen Strahlungsgesetz. Die neue Formel stimmte in allen Frequenzbereichen mit den experimentellen Befunden überein. Das große Problem aber war die physikalische Deutung der Planckschen Strahlungsformel. Planck selbst beschäftigte sich intensivst mit einer Lösung dieses Problems und kam, wenn auch widerstrebend, zu dem Schluss, dass Atome Energie nur in Portionen von bestimmter Größe, die er Quanten nannte, aussenden oder aufnehmen können. Seine Überlegungen führten ihn zu folgendem Zusammenhang zwischen der Energie und der Frequenz eines solchen Strahlungsquants: E = h ν Die Konstante h ist das nach ihm benannte Plancksche Wirkungsquantum. Damit war das Problem der Ultraviolettkatastrophe behoben. Für seine Entdeckung erhielt Planck 1918 den Nobelpreis. Die Lösung dieses Problems an sich war aber nicht die revolutionäre Leistung in Plancks Arbeit, sondern dass sie aufzeigte, dass die klassische Physik nur beschränkt gültig ist und somit unvollständig sein muss! Es gibt Erscheinungen, die sich nicht mit den Mitteln der Newtonschen Mechanik erklären lassen. 2.1.3 Einsteins Beiträge zur Quantentheorie Auch wenn Einsteins Name vor allem mit der zweiten großen Theorie des 20. Jahrhunderts, der allgemeinen Relativitätstheorie, in Verbindung gebracht wird, ist er zweifellos auch einer der wichtigsten Pioniere der Quantentheorie. Einstein erkannte, dass die Planckschen Gleichungen etwas Grundlegendes über die physikalische Realität aussagten. Das führte zusammen mit dem am Ende des 19. Jahrhunderts von Philipp Lenard und J.J. Thomson unabhängig voneinander entdeckten Photoeffekt, zu einem Wiederaufleben der Korpuskulartheorie des Lichts. In Einsteins 1905 19

KAPITEL 2 DIE BEHANDELTEN THEMEN erschienener Arbeit zur Theorie des Lichts zog er aus diesen beiden Entdeckungen als erster die richtigen Schlussfolgerungen. Er erkannte, dass man die Gleichung E = h ν statt auf die Atome direkt auf die elektromagnetische Strahlung anwenden kann. Dies führt dazu, dass Licht immer in bestimmten Paketen, den sogenannten Lichtquanten auftritt. Damit hatte er einen Widerspruch zu der seit Youngs 12 Spaltexperimenten akzeptierten Wellentheorie des Lichts gefunden und gezeigt, dass Licht nicht eine stetige Welle sein kann. Für diese Arbeit, und nicht für seine allgemeine Relativitätstheorie, erhielt Einstein 1921 den Nobelpreis. Einstein beschäftigte sich noch bis 1911 mit den Vorstellungen über die Quantenstrahlung, bis er zeigen konnte, dass die Quantenstruktur des Lichts eine unausweichliche Folge der Planckschen Gleichungen ist. Er vertrat außerdem die Meinung, dass es für ein besseres Verständnis des Lichts erforderlich werden wird, Teilchen und Wellentheorie miteinander zu verschmelzen. 2.1.4 Materiewellen Die Vorstellung, dass sich Licht manchmal wie eine Welle und manchmal wie ein Teilchen verhalten sollte, wurde von den Physikern erst in den 20er Jahren des 20. Jh. allgemein akzeptiert. Man konnte jetzt aus der Frequenz eines Lichtstrahls die Energie der einzelnen Photonen berechnen. Mit Hilfe der speziellen Relativitätstheorie von Einstein, die auch 1905 veröffentlicht wurde, konnte man den Lichtquanten (Photonen 13 2 2 4 2 2 ) über E = m c + p c einen Impuls zuordnen. Da Photonen keine Ruhemasse haben, reduziert sich diese Gleichung E zu p =.( E 0). Das Photon hatte damit Eigenschaften eines klassische Teilchens. c Warum sollten sich, wenn elektromagnetische Strahlung Eigenschaften eines Teilchenstrom haben kann, die Teilchen eines Stroms aus Elektronen nicht Eigenschaften von Wellen aufweisen dürfen?! 1924 griff Louis de Broglie in seiner Dissertation die Idee des Welle-Teilchen-Dualismus auf und führte sie mathematisch aus, wodurch er eine Theorie der Materiewellen ausgearbeitet hatte, mit der er das Verhalten von zum Beispiel Elektronen beschreiben konnte. Zusätzlich nannte er auch noch Möglichkeiten, wie man diese nachweisen könnte. Für sein Werk erhielt er 1929 den Nobelpreis. Mit der späteren Erkenntnis, dass nicht nur Elektronen und Photonen, sondern alle Teilchen und Wellen im Grunde eine Mischung aus Welle und Teilchen sind, ist der endgültige Bruch mit der klassischen Mechanik vollzogen. Die Entdeckungen der mathematischen Beschreibungen der Quantentheorie wurde vor allem von Schrödinger (Schrödingergleichung / Wellenmechanik), Born/Jordan (Matrizenmechanik; sie enthält alles Wesentliche, was wir heute unter Quantenmechanik verstehen) und Dirac (Quantenalgebra) gemacht. Da sie für meine Einheit kaum eine Rolle spielen, empfehle ich dem interessierten Leser zur Einführung die Werke [5] und [8]. 12 Aus [8] Seite 26 ff 13 Erstmals 1926 von Gilbert Lewis, Berkely so genannt 20

2.2 DAS DOPPELSPALTEXPERIMENT 2.2 Das Doppelspaltexperiment Ein sehr schönes Experiment um in die Geheimnisse der Quantenphysik einzutauchen, ist das Doppelspaltexperiment mit Photonen und Elektronen. Feynman sagte darüber in seiner Einführungsvorlesung zur Quantenmechanik 14 : In Wirklichkeit enthält es das einzige Geheimnis. Bislang hatte ich mir noch nicht allzu viele Gedanken über dieses Experiment gemacht. Spaltexperimente waren für mich ein Medium zum Nachweis von Wellen. Dass man damit, wenn man über genügend experimentelles Geschick verfügt, weit mehr über die Natur der Dinge herausfinden kann, wurde mir erst bei der Lektüre von [4] 15 und [5] 16 richtig klar. Die Physik im Schulunterricht lebt von Experimenten aus denen man Schlussfolgerungen ziehen kann. Leider sind einige Versionen der Doppelspaltexperimente derart kompliziert, dass sie erst in den achtziger Jahren 17 durchgeführt werden konnten und deshalb im Unterricht nicht realisierbar sind. Ein sehr gutes Ersatzmedium ist die Simulationssoftware zu Spaltexperimenten von Klaus Muthsam. Durch diese Software ist es dem Schüler möglich, selbst Entdeckungen zu machen, selbst die Theorien anderer zu überprüfen oder einfach nur auszuprobieren, auf welche Weise die Versuchsapparatur auf Veränderungen reagiert. 2.2.1 Kurzbeschreibung des Doppelspaltexperiments Um der Natur von Elektronen (und damit auch Photonen, da sich beide im Prinzip gleich verhalten) näher zu kommen, stelle ich das Doppelspaltexperiment mit Kugeln, Wasserwellen und Elektronen vor. Ich möchte nur ganz kurz die wichtigsten Beobachtungen erläutern. Eine ausführliche Beschreibung kann in [5] (Seite 18 ff) nachgelesen werden. Das Experiment mit Kugeln: Bei dem Experiment mit Kugeln geht man davon aus, dass man mit einem unstabil gelagerten Maschinengewehr schießt. Die Gewehrkugeln sollen alle dieselbe Energie haben, unzerstörbar sein und in gleichen Zeitabständen das Gewehr verlassen. Den genauen Versuchsaufbau kann man folgender Abbildung entnehmen: 14 [5] Seite 18 15 Seite 157 ff 16 Seite 17 ff 17 1987 wurde das Doppelspaltexperiment mit Elektronen von einer japanischen Forschergruppe in Tokyo erstmals durchgeführt, mit Heliumatomen in den 90er Jahren in Konstanz! 21

KAPITEL 2 DIE BEHANDELTEN THEMEN Abbildung 2.1 18 Doppelspaltexperiment mit Gewehrkugeln Im ersten Versuchsteil öffnet man nur Loch 1 und wartet eine bestimmte Zeit (zum Beispiel eine Stunde 19 ). Man stellt fest, dass die Kugeln an der Auffangwand (oder Schirm) alle in einem Stück ankommen. (damit auch die gesamte Energie!) Die Verteilung P 1 gibt an, wie viele Kugeln an jeder parallel zum Spalt liegenden Linie in der Auffangwand stecken. Entsprechend erhält man, wenn nur Loch 2 geöffnet ist, die Verteilung P 2. Öffnet man nun beide Löcher gleichzeitig für dieselbe Zeit wie oben einen Spalt (zum Beispiel auch wieder eine Stunde), so addieren sich die beiden Verteilungen und man erhält die neue Verteilung P 12 = P1 + P2. Wir erwartet beobachtet man bei diesem Versuch keine Interferenz. Das Experiment mit Wasserwellen Beim Experiment mit Wasserwellen besteht der Aufbau aus einer Wellenquelle, die äquidistante Wellen erzeugt, einer Wand mit zwei Schlitzen und einem Absorber an dem keine Wellen reflektiert sondern absorbiert werden. Versuchsaufbau: Abbildung 2.2 20 Doppelspaltexperiment mit Wasserwellen Der Detektor kann über die Amplitude der Wellen am Absorber die Intensität I der Welle messen. Bei geöffnetem Loch 1 erhalten wir die Intensitätsverteilung I 1 und bei geöffnetem Loch 2 die Intensitätsverteilung I 2. Wichtig ist auch, dass sich die Energie der Wellen stetig über den gesamten Schirm verteilt. Beim Öffnen beider Spalte erhält man auch ein bekanntes Ergebnis. Die Intensitätsverteilungen addieren sich nicht, man muss die Amplituden 21 der Einzelspalte 18 Abb. in [5], Seite 18 19 Natürlich werden die Verteilungen glatter, je länger man das Experiment durchführt. 20 Abb. in [5], Seite 20 22

2.2 DAS DOPPELSPALTEXPERIMENT addieren und erhält dann durch Quadrieren die neue Intensitätsverteilung. Erklären kann man diese Verteilung durch konstruktive und destruktive Interferenz. Das Experiment mit Elektronen Bei diesem Experiment verwendet man als Quelle eine Elektronenkanone. Alle Elektronen, die aus der Quelle austreten, sollen dieselbe Energie haben. Zusätzlich soll die Quelle so schwach sein, dass sich immer nur ein Elektron in der Anordnung befindet. Versuchsaufbau: Abbildung 2.3 22 Doppelspaltexperiment mit einzelnen Elektronen Als Detektor dient ein Elektronenvervielfacher der, gekoppelt mit einem Lautsprecher, beim Eintreffen eines Elektrons klickt. Zuerst stellt man bei dem Versuch fest, dass aus dem Lautsprecher scharfe Klicks zu hören sind. Alle Klicks sind gleich. Man würde, auch wenn man mehrere Detektoren aufstellen würde, nie zwei Klicks gleichzeitig hören. Die Elektronen kommen also als Ganzes an. Wenn man das Experiment über einen längeren Zeitraum mit zwei geöffneten Spalten durchführt, stellt man fest, dass man wie bei dem Versuch mit Wasserwellen ein Interferenzmuster erhält. Aus diesem Muster kann man die Wahrscheinlichkeit berechnen, mit der ein Elektron an einem bestimmten Ort des Schirms auftrifft. Das Ergebnis: Die Elektronen kommen als Ganzes an und bilden trotzdem ein Interferenzmuster Das ist ein Beispiel für den Welle-Teilchen-Dualismus der Quantenobjekte. 2.3 Die Kopenhagener Deutung Dieses und andere, zunächst seltsam anmutende Phänomene der Quantenphysik, erforderten eine in sich schlüssige Deutung. Die Hauptvertreter und Schöpfer der sogenannten 21 Die momentane Höhe der Wasserwelle am Detektor für die Welle am Detektor 1 kann als Realteil von iωt h1e geschrieben werden, wobei die Amplitude h 1 im allgemeinen eine komplexe Zahl ist. 22 Abb. in [5] Seite 22 23

KAPITEL 2 DIE BEHANDELTEN THEMEN Kopenhagener Deutung sind vor allem Nils Bohr und Werner Heisenberg. In zahlreichen Diskussionen entwickelten sie gemeinsam ihre Vorstellungen über die Quantenphysik. Diese Diskussionen führten dazu, dass Bohr im September 1927 in Como einen Vortag hielt, in dem er das Komplementaritätsprinzip einführte und jene Deutung der Quantentheorie vortrug, die in der breiten Öffentlichkeit heute als die Kopenhagener Deutung bekannt ist und die wohl noch gängigste Deutung der Quantentheorie ist. Ihren Haupterfolg verdankte sie vor allem der Tatsache, dass die Ergebnisse bisheriger Experimente keinen Widerspruch zu der Theorie ergeben haben. Außerdem war sie so weit in sich abgeschlossen, dass man von nun an fundamentale Probleme lösen konnte, ohne sich über deren weitere Deutung Gedanken machen zu müssen. Die wichtigsten Stützpfeiler in dieser Deutung will ich kurz aufführen: 2.3.1 Das Komplementaritätsprinzip Ein sehr wichtiges Prinzip der Kopenhagener Deutung ist das Komplementaritätsprinzip. Die Idee, dass Welle und Teilchen zwei komplementäre, das heißt sich ergänzende Facetten eines Quantenobjekts sind, bezeichnet man als Komplementarität. Das bedeutet auch, dass es kein Experiment geben kann, in dem sich ein Quantenobjekt gleichzeitig wie eine Welle und wie ein Teilchen verhält 23. Daraus ergibt sich auch die Notwendigkeit von komplementären Messgrößen. Beispiele dafür sind Ort und Impuls (in der gleichen Koordinatenrichtung) oder Energie und Zeit. Das Komplementaritätsprinzip besagt, dass das Messen einer dieser Größen immer die dazu komplementäre Größe stört und damit unkontrollierbar verändert. Damit ist es in der Quantenphysik unmöglich alle Variablen eines Systems unabhängig voneinander zu messen. 2.3.2 Die Störung des beobachteten Systems durch den Beobachter Jede Beobachtung eines Objekts, sowohl eines klassischen als auch eines quantenphysikalischen, beruht auf einer Wechselwirkung zwischen Objekt und Messgerät. Erst solch eine Wechselwirkung ermöglicht es dem Beobachter, die Wirkung des Objekts auf das Messgerät zu registrieren. Natürlich übt auch das Messgerät eine Wirkung auf das Objekt aus. In der klassischen Physik wird diese Wirkung in der Regel entweder als vernachlässigbar angesehen, oder kann zumindest mit Hilfe einer geeigneten Korrekturtheorie kompensiert werden. In der Quantenphysik trifft das nicht zu. Die Messung bildet einen untrennbaren Teil des Phänomens. Quantitativ wird die minimale Störung eines Systems durch die Messung durch die Heisenbergsche Unschärferelation beschrieben. 2.3.3 Die Unbestimmtheit Eine fundamentale Entdeckung über den Zusammenhang von komplementären Messgrößen machte Heisenberg, wobei er diese nicht herleiten konnte. Er behauptete in seiner Arbeit, dass die in der klassischen Physik unabhängigen Größen Ort und Impuls in folgender Weise zusammenhängen: 23 In [9] Seite 173 ff beschreibt J. Gribbin ein realisiertes Experiment, bei dem sich Photonen gleichzeitig wie Teilchen und wie Wellen verhalten. Ob dies sofort zum Sturz der Kopenhagener Deutung führt, ist mir noch nicht ganz klar. 24