Evangelische Kirchengemeinde Poppenweiler Gottesdienst am Jeremia 23,16-29 (Pfarrer Häcker)

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Transkript:

Evangelische Kirchengemeinde Poppenweiler Gottesdienst am 03.06.2018 Jeremia 23,16-29 (Pfarrer Häcker) Liebe Gemeinde, in diesen Tagen ziehen etliche Unwetter übers Land. Wohl allen Gegenden, die nicht betroffen sind und weh denen, die es getroffen hat! Dabei unterscheidet so ein Unwetter nicht, ob die Getroffenen etwas dafür können oder sich so verhalten haben, dass sie es verdient hätten. Das Wesen eines Unwetters oder jedes anderen Unglücks ist es, wenn ich es recht sehe, dass es Gute wie Böse gleichermaßen trifft, keine Unterschiede macht zwischen Arm und Reich, Herkunft und Geschlecht, Alt oder Jung. Und nicht selten fragen sich die Geschädigten: Warum ich? Oder: Wie kann Gott das zulassen? Doch gibt es einen Zusammenhang zwischen Unglück und Gott? Ein zweiter Gedanke zum Einstieg: Seit der letzten US-Wahl sind viele Menschen sehr verunsichert, ob das, was sie in den Medien lesen oder hören, der Wahrheit entspricht oder nicht. Fakt oder Fake heißt die neudeutsche Alternative. Werde ich richtig über etwas Geschehenes informiert oder mit Falschmeldungen manipuliert und hinters Licht geführt? Diese beiden Gedanken prägen auch den heutigen Bibeltext und der ist bereits 2500 Jahre alt! Also sind unsere aktuellen Probleme gar nicht so neu: Was uns Menschen wirklich betrifft, betrifft uns, seit es Menschen gibt. Auf manche Probleme hat der Homo sapiens bis heute keine befriedigende oder dauerhafte Lösung gefunden. Sie bleiben eine Herausforderung. Ich lese zunächst einen Abschnitt aus dem Buch des Profephen Jeremia. Auch er fragt nach Wahrheit und Lüge, nennt Unwetter und Unglück und sieht diese als strafendes Handeln Gottes: 16 So spricht der HERR Zebaoth: Hört nicht auf die Worte der Propheten, die euch weissagen! Sie betrügen euch, sie verkünden euch Gesichte aus ihrem Herzen und nicht aus dem Mund des HERRN. 17 Sie sagen denen, die des HERRN Wort verachten: Es wird euch wohlgehen, und allen, die im Starrsinn ihres Herzens wandeln, sagen sie: Es wird kein Unheil über euch kommen.

18 Aber wer hat im Rat des HERRN gestanden, dass er sein Wort gesehen und gehört hätte? Wer hat sein Wort vernommen und gehört? 19 Siehe, es wird ein Wetter des HERRN kommen voll Grimm und ein schreckliches Ungewitter auf den Kopf der Gottlosen niedergehen. 20 Und des HERRN Zorn wird nicht ablassen, bis er tue und ausrichte, was er im Sinn hat; zur letzten Zeit werdet ihr es klar erkennen. 21 Ich sandte die Propheten nicht, und doch laufen sie; ich redete nicht zu ihnen, und doch weissagen sie. 22 Denn wenn sie in meinem Rat gestanden hätten, so hätten sie meine Worte meinem Volk gepredigt, um es von seinem bösen Wandel und von seinem bösen Tun zu bekehren. 23 Bin ich nur ein Gott, der nahe ist, spricht der HERR, und nicht auch ein Gott, der ferne ist? 24 Meinst du, dass sich jemand so heimlich verbergen könne, dass ich ihn nicht sehe?, spricht der HERR. Bin ich es nicht, der Himmel und Erde erfüllt?, spricht der HERR. 25 Ich höre es wohl, was die Propheten reden, die Lüge weissagen in meinem Namen und sprechen: Mir hat geträumt, mir hat geträumt. 26 Wann wollen doch die Propheten aufhören, die Lüge weissagen und ihres Herzens Trug weissagen 27 und wollen, dass mein Volk meinen Namen vergesse über ihren Träumen, die einer dem andern erzählt, so wie ihre Väter meinen Namen vergaßen über dem Baal? 28 Ein Prophet, der Träume hat, der erzähle Träume; wer aber mein Wort hat, der predige mein Wort recht. Wie reimen sich Stroh und Weizen zusammen?, spricht der HERR. 29 Ist mein Wort nicht wie ein Feuer, spricht der HERR, und wie ein Hammer, der Felsen zerschmeißt? Diese Worte sind der Hammer, liebe Gemeinde! Und ich frage: Was ist wahr und was unwahr? Wer hat recht, wer nicht? Welcher Gottesmann und welche Gottesfrau predigt Gottes Wort richtig und wer falsch? Seit ich religiös denke, treibt mich diese Fragestellung um. Und sie betrifft mich in meiner Biografie ganz wesentlich.

Vermutlich habe ich es hier und da schon erzählt, dass ich in einem sehr frommen Elternhaus aufgewachsen bin. Bereits mit der Muttermilch habe ich die biblischen Geschichten eingenommen und aufgesogen, und ich habe sie genossen, die alten Erzählungen abends am Bett vor dem Einschlafen! Auch erinnere ich mich an meine erste eigene Bibel eine Lutherübersetzung von 1964, und damals dachte ich tatsächlich noch, dass dieser Luther die Übersetzung selbst im Jahr 1964 geschrieben hätte. Ich muss also noch ziemlich jung gewesen sein, schätzungsweise 8 oder 9 Jahre alt. Dann kamen Kinderkirche, Jungschar, Jungenschaft und Jugendkreis dazu, außerdem habe ich als Jugendlicher selbst jahrelang Jungschar geleitet. Es waren wirklich gute und schöne Jahre für mich, die ich nicht missen will. Und immer war ich davon überzeugt, meine Mitmenschen bekehren zu sollen weil sie ja, wenn sie nicht richtig glauben, einmal in die Hölle kommen werden. Davor aber wollte ich sie bewahren Heute funktioniert dieses einfache Denken in Schwarz und Weiß, gläubig und ungläubig, nicht mehr. Schuld daran ist mein Studium. Es hat mich gezwungen, Rechenschaft über meine Gedanken, mein Tun und auch mein Lassen abzulegen. Ich habe schmerzlich entdeckt, dass die wenigsten Fragen der Menschheit eine einfache Antwort kennen. Ich musste einsehen, dass ich nicht auf jedes Problem eine klare Lösung bieten kann. Lösungen gibt es, wenn überhaupt, nur in der immer wieder neuen Auseinandersetzung mit dem Problem, in der immer wieder mühsamen Suche nach einem Weg und zwar in der jeweiligen Situation mit dem jeweiligen Gegenüber. Nicht jede Antwort gilt für jede Person! Das wissen Eltern, die versuchen, ihre unterschiedlichen Kinder wenigstens halbwegs gerecht zu erziehen. Da passt nicht jede Erziehungsmaßnahme für jedes Kind, zwischen Zuckerbrot und Peitsche liegen unzählige Möglichkeiten! Und so musste ich mich in einem jahrelangen, schwierigen Prozess verabschieden von den einfachen Lösungen in Schwarz und Weiß. Ich musste lernen, zuzuhören, gemeinsam zu überlegen, in der jeweiligen Situation genau das Wort Gottes zu finden, das helfen kann. Dieser Prozess hat mein Selbstbild wie mein Weltbild radikal verändert, liebe Gemeinde! Ich kann und will heute weder meine Mitmenschen noch mich selbst einordnen in gerettet verloren, Christ Halbchrist Nichtchrist, rechtgläubig bekehrungsbedürftig. Mir ist die passende Schablone dafür verloren gegangen Gott sei Dank! Dafür habe ich entdeckt, dass es in der ausschließlichen Alternative Schwarz oder Weiß keine bunten Farben gibt die gibt es nur zwischen den beiden Polen!

Andererseits bin ich Pfarrer in einer Landeskirche, die außerordentlich stark vom Pietismus geprägt ist, dessen Ziel ein bewusst christliches Leben in Verantwortung vor Gott und den Menschen ist. Das ist ja durchaus kein schlechtes Ziel, und diese Verantwortlichkeit strebe ich auch an, so gut ich kann. Doch hat auch die Medaille ihre Rückseite: Hier in Württemberg gibt es (im Gegensatz zu den meisten anderen Landeskirchen) viele Pfarrerinnen und Pfarrer, die so predigen, als wäre die Bibel wortwörtlich vom Himmel gefallen, in jedem einzelnen Wortlaut zeitlos gültiges Gotteswort und unabhängig von der jeweiligen Situation als solches zu predigen. Oft geschieht dies dann als warnende Botschaft vor dem Untergang. Wer hat nun recht und wer fährt auf dem falschen Dampfer? Wer beschreitet den schmalen Pfad hinauf zum Himmel, und wer treibt sich mit den Verlorenen auf dem breiten Weg herum, der geradewegs in den Untergang führt? Vielleicht kommt Ihnen diese Fragestellung jetzt doch ziemlich plakativ und übertrieben vor. Aber ich gestehe: Ab und zu treibt mich diese Frage tatsächlich um, liebe Gemeinde! Hin und wieder frage ich mich schon, ob meine Predigt, in deren Mitte ich die Liebe Gottes stellen will und nicht sein drohendes Strafgericht ob diese Predigt tatsächlich richtig ist. Und ob ich nicht doch strenger, drängender, warnender predigen sollte. Auch ist es mir schon passiert, dass mir jemand nach einer Beerdigung vollkommen erbost angerufen hat: So können Sie das doch nicht sagen, dass der Verstorbene jetzt in Gottes Händen ruht Sie haben ihn doch gar nicht gekannt! Aber steht es mir zu, meine Mitmenschen und ihren Glauben zu beurteilen, als wäre ich Gott? Habe ich das Recht, anderen zu sagen, was richtig ist und was falsch? Bin ich als Pfarrer verpflichtet, der geistliche Hüter meines Bruders und meiner Schwester zu sein? Bin ich mitverantwortlich, wenn nach der Konfirmation ein junger Mensch auf die schiefe Bahn gerät womöglich auch deshalb, weil ich ihn nicht gut unterrichtet habe? Ich kenne Kolleginnen und Kollegen, die diese Fragen mit einem eindeutigen und herzhaften Ja! beantworten würden! Und die felsenfest davon überzeugt sind, im Sinne des Propheten Jeremia auf der richtigen Seite zu stehen. Klingen doch dessen Worte so eindeutig, so einfach! Und am Ende steht eben eine ganz klare Warnung: Wer anders lebt als vorgesehen, wird für immer untergehen Aber diese scheinbare Eindeutigkeit gibt es in meiner Wahrnehmung halt nicht bzw. nicht mehr. Deshalb kann ich Sie Ihnen leider auch

nicht anbieten. Und ich finde ausgerechnet bei Jeremia eine Zweideutigkeit, die auch er nicht aufgelösen kann: Bin ich nur ein Gott, der nahe ist, spricht der HERR, und nicht auch ein Gott, der ferne ist? Ja was denn nun? Nah oder Fern? Liebend oder zornig? Retter oder Richter? Was ist falsch, und was ist richtig? Vielleicht brummt Ihnen inzwischen der Kopf in diesem unklaren Hin und Her. Mir wurde im Lauf der Vorbereitung auf diesen Gottesdienst einfach eins klar: nämlich dass nichts so klar und einfach ist, wie wir es gern hätten. Und wieder fallen mir erziehende Eltern ein: Nicht nur, dass sie ihre unterschiedlichen Kinder manchmal leicht unterschiedlich behandeln müssen ab und zu erfährt ein und dasselbe Kind heute diese und morgen die andere Maßnahme. An einem Tag gibt es ein Eis, am anderen nicht obwohl der genauso heiß ist. Und bei der einen Fünf gibt s Trost, bei der anderen Tadel. Wessen Leben ist so eindeutig klar und geradlinig, dass immer alles passt und stimmt und berechenbar ist? Und warum sollte das in einer Gottesbeziehung anders sein? Die menschliche Glaubensgeschichte zeigt schon immer beides: das Erleben von Hilfe und Trost, aber auch die Erfahrung der Gottesferne und der Verlassenheit. Leider lassen sich daraus keine immer gleichen Schlüsse ziehen, die uns ganz sicher zeigen, mit welchem Knopf wir auf gut stellen können und welcher Hebel uns das Verderben bringt. Das kann sehr frustrierend sein aber auch heilsam. Denn wenn es diese klaren Knöpfe und Hebel nicht gibt, können wir auch nicht dafür verantwortlich gemacht werden, wie Gott handelt. Deshalb müssen wir nicht jedes Unwetter als Strafe Gottes sehen und jeden Schicksalsschlag als seinen Schlag. Wie Menschen Gott erfahren ob nah oder fern, ob liebenswert oder überflüssig kann weder befohlen noch herbeigeführt werden. Und so bleibt nur eins: Ich kann einzig für mich selbst immer wieder neu versuchen, Gott zu finden, sein Wort zu verstehen, nach seinen guten Lebensregeln zu handeln. Dazu stehen mir tatsächlich genügend Anleitungen zur Verfügung: in der Bibel, durch eine entsprechende Erziehung oder im regelmäßigen Austausch mit anderen Glaubenden. Insofern sind Menschen, die mir Gottes Wort nahe bringen, extrem wichtig. Und es ist nicht egal, wie mir jemand von Gott erzählt und welche Predigt mich erreicht. Trotzdem ist mein Heil nicht davon abhängig sondern einzig und allein davon, wie Gott mich sieht. Das aber kann kein Mensch

beurteilen, und sei er noch so bibelfest und glaubenstreu. Dementsprechend kann auch niemand mir vorschreiben, wie ich im Einzelnen zu leben und zu handeln habe. Dieses Urteil steht nur Gott selbst zu! Was ist richtig, liebe Gemeinde, und was falsch? Mir bleibt am Ende meiner heutigen Überlegungen der Blick durch ein offenes Fenster: Wenn ein Mensch sich von Gott angesprochen weiß und dann für sich erkennt, was gut ist und was nicht, dann ist das auf jeden Fall eine gute Sache und insofern richtig. Das heißt aber nicht, dass alle Menschen genau so und genau dasselbe glauben müssten. Denn auch sie haben das Recht auf ihre je eigene Gottesbeziehung. Und so sehe ich jedes Wort Gottes, das mich anspricht, als eine Einladung: Komm mit auf den Weg des Glaubens. Vertraue darauf, dass Gott es mit dir gut meint und gut machen will! Amen.