Markenbotschafter: Tipps der Experten Über klug gewählte Testimonials und die Chancen für eine größere Markenpräferenz informieren: Prof. Dr. Henrik Sattler und sein Mitarbeiter Carsten Erfgen, Institut für Marketing und Medien an der Universität Hamburg, sowie Markenexperte Dr. Karsten Kilian, Markenlexikon. Welche Menschen eignen sich - ganz allgemein - mehr als Testimonials, welche weniger? Für Testimonials gilt ganz allgemein: Ein sofort nachvollziehbarer Bezug zur beworbenen Marke muss erkennbar sein. Einfach nur lächelnde Menschen zu zeigen, reicht nicht! Daneben ist es von großer Bedeutung, für was für eine Leistung sich ein Testimonial ausspricht. Die physische Attraktivität eines Testimonials beispielsweise ist nur bedeutsam, wenn ein Produkt beworben wird, das zur Aufwertung der Schönheit und Attraktivität der Kunden beiträgt. Demgegenüber zählt bei Produkten, die keinen direkten Bezug zu Attraktivität aufweisen, vor allem die Vertrauenswürdigkeit und Expertise des Testimonials. Interessant sind in diesem Zusammenhang die Ergebnisse einer Ende Januar 2011 veröffentlichten GfK-Studie für die Zeitschrift TextilWirtschaft. Darin sprachen sich 83% der Befragten dafür aus, dass Modeunternehmen besser Durchschnittsbürger in ihrer Werbung einsetzen sollten, statt viel Geld für prominente Gesichter auszugeben. Nur 26% der 8500 repräsentativ Befragten finden es gut, wenn Prominente als Markenbotschafter auftreten. 60% präferieren stattdessen gut aussehende Models. Prof. Dr. Sattler: Bei der Auswahl eines Testimonials kommt es vor allen Dingen darauf an, dass der Markenbotschafter glaubwürdig wirkt. Zahlreiche Studien belegen die Wichtigkeit der Glaubwürdigkeit - insbesondere wenn es darum geht, mit ei- 1
nem Testimonial das Image der beworbenen Marke zu verbessern. Auch sind sympathische und attraktive Menschen in der Regel besser geeignet. Nicht zuletzt spielt bei prominenten Personen der Grad der Bekanntheit eine entscheidende Rolle. Bekanntere Persönlichkeiten rufen im Gegensatz zu weniger bekannten Personen eine höhere Anzahl starker und einzigartiger Assoziationen hervor, die potenziell auf die beworbene Marke transferiert werden können. Welche Aspekte müssen Unternehmen berücksichtigen, wenn sie sich für einen nicht prominenten Menschen als werblichen Fürsprecher entscheiden? Das Persönlichkeitsprofil des Testimonials sollte aus der Markenidentität abgeleitet werden und sich harmonisch in die kreative Kommunikationsidee einfügen. Meist erfüllt das nicht prominente Testimonial dabei die Funktion eines Stereotyps. Es verkörpert also ein ganz bestimmtes Rollenverständnis, z.b. die fürsorgliche Hausfrau (für Knoppers) oder den erfahrenen Handwerker (für Calgon). Allen nicht prominenten Testimonials und Charakteren gemeinsam ist, dass sie nur geringe Kosten verursachen, nicht für PR-trächtige Skandale sorgen und jederzeit durch neue Schauspieler oder Figuren ersetzt werden können. Wie können Unternehmen prüfen, ob ein Mensch / ein Menschentyp als Testimonial zu ihrer Marke und zu ihrem Produkt passt? Erfgen: Vorabtests von potenziellen Kombinationen von Testimonials und Marken sind wichtig, um in dieser Frage Klarheit zu erlangen. Es hat sich gezeigt, dass es insbesondere auf eine imagebasierte Passung von Testimonial und Marke ankommt, d.h. den Grad der Übereinstimmung der gedanklichen Vorstellungen. Im Gegensatz dazu gibt es bisher kaum wissenschaftliche Belege dafür, dass eine Passung auf der Basis von Expertise Voraussetzung für eine höhere Werbewirkung ist. Die werbende Person muss also nicht zwingend eine hohe Fachkenntnis in der jeweiligen Produktkategorie aufweisen. Ausgehend vom Selbstverständnis der Marke lässt sich ein Persönlichkeitsprofil der Marke erstellen. Hieran angelehnt gilt es in einem zweiten Schritt Stereotypen zu identifizieren, 2
die die damit verbundenen Eigenschaften optimal verkörpern. In einem dritten Schritt gilt es in Castings geeignete Menschen zu identifizieren, die diesem Stereotyp am nächsten kommen. Schließlich gilt es darauf zu achten, dass das Testimonial mit Utensilien ausgestattet und in Umfeldern platziert wird, die es leicht machen, den Stereotyp blitzschnell zu erkennen. So weiß jeder innerhalb eines Bruchteils einer Sekunde, dass ein älterer Mann, der in weißem Kittel und mit Stetoskop auftritt, aller Wahrscheinlichkeit nach ein Mediziner ist. Worauf sollten Unternehmen besonders achten, wenn Sie Produkte und Marken mit Menschen inszenieren? Prof. Dr. Sattler: Unternehmen sollten darauf achten, dass stets die Marke im Mittelpunkt steht. Eine aktuelle Forschungsreihe am Institut für Marketing und Medien der Universität Hamburg beschäftigt sich mit dem sogenannten Vampireffekt. Dieser bezeichnet die Gefahr, dass sich Konsumenten nicht an das beworbene Produkt oder den Markennamen erinnern, weil das Testimonial die ganze Aufmerksamkeit auf sich zieht. Die Ergebnisse zeigen, dass ein Auftreten des Vampireffekts besonders wahrscheinlich ist, wenn ein Testimonial nicht zur Marke passt und wenn es sich um ein Low-Involvement- Produkt handelt, bei dem Konsumenten nur ein niedriges inneres Engagement haben, sich mit dem Produkt intensiv gedanklich auseinanderzusetzen. Wie "natürlich" (realistisch) dürfen nicht-prominente Testimonials sein? Beim Einsatz von Testimonials geht es fast immer vor allem um Glaubwürdigkeit: Kaufe ich dem Testimonial ab, was er sagt bzw. tut oder nicht? Wenn ja, kaufe ich bei entsprechendem Bedarf mit einer höheren Wahrscheinlichkeit auch das beworbene Produkt, falls nein, eher nicht. Zu beachten gilt es dabei, dass die gezeigte Situation bzw. Verhaltensweise nicht zu sehr überzeichnet wird. Geringfügige Übertreibungen werden akzeptiert, aber wenn die Kampagne zu weit hergeholt erscheint, geht die Werbewirkung massiv zurück. Erfgen: Natürlichkeit und Realitätsnähe sind wichtig, um Vertrauen beim Konsumenten zu schaffen. Daher sollten Unternehmen bemüht sein, nur solche nicht-prominenten Testimonials ein- 3
zusetzen, die in ihrer Fürsprache für das beworbene Produkt authentisch wirken. Dies gilt ganz besonders für den Fall, dass ein typischer Konsument als Testimonial verwendet wird. Wodurch strahlen nicht-prominente Testimonials Glaubwürdigkeit besonders gut aus? Prof. Dr. Sattler: Neben der Passung zwischen Testimonial und Marke kann auch der so genannte Nostalgieeffekt positiv auf die Glaubwürdigkeit einzahlen. Wird ein und dasselbe nichtprominente Testimonial über einen längeren Zeitraum hinweg eingesetzt (wie z. B. Herr Kaiser oder Käpt n Iglo), so verfügt der Rezipient der Werbung über Erfahrung aus einer langfristigen Beziehung mit dem Testimonial. Dadurch kann die Glaubwürdigkeit beim Konsumenten gestärkt werden. Eine Empfehlung wäre daher, ein leicht wieder erkennbares Testimonial über einen längeren Zeitraum aufzubauen. Was versteht man unter selbstbestimmten Markenfürsprechern und warum sind sie attraktiv für das Dialogmarketing? Während sich die meisten Testimonials bisher primär aufgrund monetärer Anreize für eine Marke aussprachen, kristallisiert sich mit selbstbestimmten Markenfürsprechern seit kurzem ein neuer Typus heraus. Er verfügt ebenfalls über hohe Reichweite, erfordert jedoch keine Media-Spendings. Typische Markenfürsprecher dieses neuen Typs sind loyale Kunden, die sich mit Weblogs, Foreneinträgen und Kommentaren in Verbraucherforen und sozialen Netzwerken weithin Gehör verschaffen. Hauptgrund für ihr Engagement ist die Begeisterung für eine Marke, der sie bei Facebook, Twitter & Co. Ausdruck verleihen. Aber auch selbstbestimmte Markenfürsprecher erhalten für ihr Engagement häufig einen Gegenwert. Dieser lässt sich meist nicht in Euro ausdrücken, sondern in einem Gewinn an sozialem Status im Bekanntenkreis oder der Internet-Community. Für Markenverantwortliche gilt dabei: Diese neue Form der Markenfürsprache lässt sich nicht ohne weiteres kontrollieren. Vielmehr empfiehlt es sich, die zufälligen, unbeabsichtigten und unautorisierten Fürsprecher der Marke mit einzubeziehen. Etwa, sie gezielt mit Neuigkeiten zu versorgen und ihnen Zugang zu Informationen und Leistungsangeboten zu verschaffen. Dann schreiben sie wie von selbst über die Marke für die Marke! 4
Auf welche mit nicht-prominenten Testimonials verbundenen Krisenszenarien sollten sich Unternehmen vorbereiten? Erfgen: Gerade beim langfristigem Einsatz eines nicht prominenten Werbebotschafters besteht das Risiko, sich sehr stark an eine bestimmte Person zu binden. Bei einem Wechsel des Testimonials - zum Beispiel der Austausch des Gesichts auf der Verpackung von Kinderschokolade - kann es dann leicht zu Irritationen bei den Konsumenten kommen, da das Testimonial zum festen Markenbestandteil geworden ist.. Zur den Personen: Professor Dr. Henrik Sattler ist Experte für Themen des Brand-, Medien- und Preismanagements sowie der Markt- und Konsumentenforschung. Er arbeitet am Lehrstuhl für BWL, Marketing und Branding des Instituts für Marketing und Medien der Universität Hamburg. Im BWL-Handelsblattranking wurde Sattler unter den Top 20-Forschern gelistet. Weitere Infos: www.henriksattler.de. Dr. Karsten Kilian betreibt das Expertenportal www.markenlexikon.com und ist Dozent an mehreren Hochschulen im In- und Ausland. Er arbeitet zudem als Berater in markenstrategischen Fragen vor allem für mittelständische Unternehmen. An der Universität St. Gallen promovierte er über das Thema Markenpersönlichkeit. Carsten Erfgen ist ausgebildeter Diplomkaufmann (CEMS MIM) und arbeitet mit Prof. Dr. Sattler am Institut für Marketing und Medien der Universität Hamburg. Quelle: www.direktplus.de Copyright: 2011 Deutsche Post AG Herausgeber: Deutsche Post AG, 53250 Bonn Telefon: +49 / (0) 228 / 18 20, E-Mail: direktplus@deutschepost.de Handelsregister-Nr.: Registergericht Bonn HRB 6792, USt-IdNr.: DE 169838187 5