DVV. ÄrzteMerkblatt. Fachausschuss Varizellen der Deutschen Vereinigung zur Bekämpfung der Viruskrankheiten e.v.



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Transkript:

DVV ÄrzteMerkblatt Fachausschuss Varizellen der Deutschen Vereinigung zur Bekämpfung der Viruskrankheiten e.v. Varizellen/Zoster 2. Ausgabe 2005

ÄrzteMerkblatt Varizellen/Zoster Ausgabe 2005 ÄrzteMerkblatt Meningokokken Ausgabe 2002 Herausgeber: Deutsches Grünes Kreuz e.v. im Kilian, Schuhmarkt 4, 35037 Marburg VERLAG im KILIAN 2. Auflage 2005 Redaktion: Dr. Ute Arndt Deutsches Grünes Kreuz e.v. Schuhmarkt 4, 35037 Marburg Herstellung: Druckerei Kempkes, Offset- und Buchdruck GmbH, 35075 Gladenbach Autorenschaft: DVV-Fachausschuss Varizellen Prof. Dr. Inge Färber, Jena Prof. Dr. Peter Höger, Hamburg Prof. Dr. Friedrich Hofmann, Wuppertal Prof. Dr. Hans Wolfgang Kreth, Würzburg Prof. Dr. Albert Neiß, München Prof. Dr. Wolfgang Raue, Leipzig Prof. Dr. Burkhard Schneeweiß, Berlin Prof. Dr. Adolf Windorfer, Hannover Prof. Dr. Peter Wutzler, Jena 2

Vorbemerkung Varizellen sind eine akute, hochkontagiöse Viruserkrankung, die weltweit auftritt. Subklinische Infektionen sind selten. Eine Reaktivierung des nach der Primärinfektion latent in den spinalen und zentralen Ganglien persistierenden Varicella-Zoster- Virus führt zum Zoster. Bei bestimmten Risikopersonen wie Immunsupprimierten und Patienten mit malignen Lymphomen können Varizellen und Zoster einen lebensbedrohlichen Verlauf nehmen. Erreger Varizellen und Zoster werden durch das Varicella-Zoster-Virus (VZV) hervorgerufen. Das Virus aus der Gruppe der Herpesviren besteht aus einem 150 bis 200 nm großen ikosaederförmigen Kapsid, in dessen Inneren sich eine doppelsträngige DNA befindet. Dieses Nukleokapsid ist von einer Doppelmembran mit Pseudospikes umgeben. Das Virus, von dem nur ein Serotyp bekannt ist, hat eine geringe genetische Variabilität. Einziger Wirt ist der Mensch. Ein charakteristisches Merkmal des VZV ist die Fähigkeit, lebenslang im Organismus zu persistieren. Latenzorte sind Neurone und Satellitenzellen von spinalen und zentralen Ganglien, in denen das Virus für das Immunsystem unangreifbar ist. Bei Reaktivierung gelangen die Viren über die peripheren Nerven in die Haut, wo sie die typischen Zoster-Effloreszenzen auslösen. Epidemiologie Das VZV ist weltweit verbreitet. In den gemäßigten Klimazonen der nördlichen Hemisphäre kommt es im Winter und Frühjahr zu Erkrankungshäufungen. Die meisten Infektionen treten bereits im frühen Kindesalter auf. Seroepidemiologische Daten zeigen, dass die Durchseuchung mit Varizellen schon im 2. Lebensjahr einsetzt. Im Alter von 4 bis 5 Jahren haben bereits etwa 60 Prozent der Kinder eine VZV- Infektion durchgemacht. Die Durchseuchungsrate erhöht sich bei den 10- bis 11-Jährigen auf 94 Prozent. In den höheren Altersgruppen bis 40 Jahre bestehen Immunitätslücken von 3 bis 5 Prozent. In den Tropen haben viele Erwachsene keine schützenden Antikörper, so dass Einwanderer und ausländische Mitbürger, die aus diesen Gebieten stammen, gefährdet sind an Windpocken zu erkranken. Varizellen in der Schwangerschaft sind mit 0,1 bis 0,7 Fällen pro 1.000 Schwangerschaften relativ selten. Der Zoster tritt gehäuft bei älteren Menschen jenseits des 5. Lebensjahrzehntes auf. Man kann davon ausgehen, dass etwa 20 Prozent der Bevölkerung einmal im Leben an einem Zoster erkranken. Von 1.000 Kindern erkrankt nur eines pro Jahr. 3

Übertragungswege Die Übertragung des VZV erfolgt von Mensch zu Mensch durch Tröpfcheninfektion, direkten Kontakt mit virushaltiger Bläschenflüssigkeit oder Rachensekret. Eine intrauterine Übertragung ist ebenfalls möglich. Varizellen sind hochgradig infektiös. Als Richtwert gilt, dass bei immunkompetenten Personen nach einer länger als einstündigen Exposition eine Übertragung des Erregers wahrscheinlich ist. Bei immuninkompetenten Personen ist dies schon nach 10-minütiger Exposition der Fall. Varizellen sind bereits 1 bis 2 Tage vor Ausbruch der Krankheit ansteckend. Die Infektiosität besteht, solange frische Bläschen vorhanden sind, in der Regel bis zu 1 Woche nach Ausbruch des Exanthems. Zoster ist wesentlich weniger kontagiös als Varizellen. Krankheitsbilder und Therapie Varizellen Die Windpocken haben eine Inkubationszeit von 14 bis 16 (8 bis 23) Tagen. Wurde Varicella-Zoster-Immunglobulin verabreicht, kann sie bis zu 28 Tage betragen. Nach einem Prodromalstadium mit oder ohne Allgemeinsymptomen, in dem sich die Viren zunächst im lymphatischen Gewebe vermehren und sich anschließend hämatogen im gesamten Organismus ausbreiten, tritt das typische juckende Varizellenexanthem auf. Aus makulopapulösen Effloreszenzen entwickeln sich mit klarer Flüssigkeit gefüllte, linsengroße Bläschen, die nach etwa 5 Tagen eintrocknen und dann verkrusten. Durch das Auftreten neuer Exanthemschübe innerhalb der ersten 4 Tage findet man die verschiedenen Effloreszenzen gleichzeitig ( buntes Bild ). Befallen sind vor allem Rumpf, Gesicht, Kopfhaut und die rumpfnahen Abschnitte der Extremitäten. Handflächen und Fußsohlen bleiben meist frei. Die Schleimhäute können ebenfalls Effloreszenzen aufweisen. Die Krusten fallen nach etwa 7 bis 14 Tagen ab. Obwohl Varizellen meist einen milden Verlauf nehmen, sind schwere Erkrankungen bei immungesunden Kindern keine Seltenheit. Besonders gefährdet für komplizierte oder gar lebensbedrohliche Erkrankungen sind außer immunsupprimierten Patienten auch Schwangere, Jugendliche und junge Erwachsene. Die häufigste Komplikation der Varizellen ist eine bakterielle Superinfektion der Haut. Andere Komplikationen wie Zerebellitis (gute Prognose) oder Enzephalitis, interstitielle Pneumonie (besonders Schwangere und Raucher) sowie Thrombozytopenie mit Haut- und Schleimhautblutungen nehmen mit dem Alter zu. Besonders gefährdet sind Patienten mit Immunschwäche, bei denen es zu progredienten Krankheitsverläufen mit schweren Komplikationen kommen kann. Immundefiziente Kinder mit hämatologisch-onkologischen Grunderkrankungen können nach Zweitinfektionen erneut an Windpocken erkranken. Therapie Komplikationslose Windpocken werden rein symptomatisch mit juckreizstillenden Mitteln behandelt. Bei Risikopatienten sollte sofort nach Auftreten der ersten Effloreszenzen die antivirale Therapie mit Aciclovir eingeleitet werden. Aufgrund der geringen Bioverfügbarkeit (18 bis 25 Prozent) muss Aciclovir immer ausreichend hoch dosiert werden; d. h. 3- mal 10 (- 15) mg/kg KG/Tag i. v. (maximal 2,5 g/tag) oder in Ausnahmefällen 4-mal 20 mg/kg KG/Tag p. o. (maximal 5 x 800 mg/tag) über ca.. Außerhalb der zugelassenen Indikation wird Aciclovir auch zur Behandlung schwerer Verlaufsformen der Varizellen bei Schwangeren angewendet. Salicylate dürfen wegen der Gefahr eines Reye-Syndroms nicht verabreicht werden. Prophylaxe Varizellen können durch Impfung verhindert werden (s. Varizellenimpfung: Standard- und Indikationsimpfung). Für Risikopatienten wird nach Varizellenexposition die passive Immunprophylaxe mit spezifischem Immunglobulin (Varicella-Zoster-Immunglobulin, 0,5 ml/kg KG i. m. oder 1 ml/kg KG i. v.) empfohlen. Wichtige Voraussetzung dafür ist die rechtzeitige Gabe innerhalb der ersten 72 Stunden, maximal 96 Stunden nach Expositionsbeginn, das heißt vor Auftreten der primären Virämie. Die Schutzrate bei immunsupprimierten Patienten beträgt etwa 90 Prozent. Kommt es dennoch zu Durchbrüchen, was bei massiver Exposition möglich ist, verläuft die Erkrankung in der Regel mild (mitigierte Varizellen). Die Dauer der Schutzwirkung beträgt mindestens 14, maximal 28 Tage. Die Prophylaxe einer exponierten Person ist grundsätzlich auch mit Aciclovir möglich Dosierung: 4-mal 10 (-20) mg/kg KG/Tag p. o. über 5 bis. 4

Zoster Der Zoster ist die Folge einer Reaktivierung des nach der Primärinfektion latent in den Ganglien verbleibenden VZV. Begünstigt wird dies durch Störungen der Immunabwehr im Alter oder bei bestimmten Grunderkrankungen wie zum Beispiel bei HIV-Infektion, Hodgkin- und Non-Hodgkin-Lymphomen, anderen malignen Erkrankungen sowie nach Knochenmarktransplantation. Erstes Symptom ist ein akuter brennender Schmerz, der über Tage anhalten kann. Innerhalb von 48 Stunden kommt es zur typischen halbseitigen, segmentalen Ausprägung der Zostereffloreszenzen, die sich in Form eines Halbgürtels gruppieren und Tab. 1 Antivirale Therapie des Zoster aus unterschiedlich großen Bläschen bestehen, die später gelblich eintrüben und nach dem Eintrocknen Krusten bilden. Am häufigsten sind thorakale Dermatome betroffen. Mit zunehmendem Lebensalter nimmt der Befall kranialer Dermatome zu. Bei etwa 10 Prozent der Patienten kommt es zu komplizierten Krankheitsverläufen wie Zoster ophthalmicus, Zoster oticus, Befall viszeraler Organe oder hämorrhagischen Läsionen. Die postzosterische Neuralgie (PZN) ist mit einer Inzidenz von ca. 25 bis 30 Prozent die häufigste Komplikation des Zoster im Erwachsenenalter. Es handelt sich dabei um dermatomale Schmerzen, die nach Abheilung der Zostereffloreszenzen fortbestehen oder wieder auftreten und Monate bis Jahre persistieren können. Virustatikum Dosierung Behandlungsdauer Aciclovir i. v. (Infusion) Zovirax Generika Aciclovir (oral) Zovirax 800 Generika Brivudin (oral) Zostex Famciclovir (oral) Famvir Zoster 250mg Valaciclovir (oral) Valtrex Erwachsene 1) : 3 x täglich 5-10 mg/kg KG Kinder: 3 x täglich 10 (- 15) mg/kg KG (maximal 2.500 mg/tag) Erwachsene: 5 x täglich 800 mg Kinder und Jugendliche: 5 x täglich 15 mg/kg KG (maximal 4.000 mg/tag) Immunkompetente Erwachsene: 1 x täglich 125 mg Kinder und Jugendliche 2) : 1 x täglich 2 mg/kg KG (max. 1 x 125 mg/tag) Immunkompetente Erwachsene: 3 x täglich 250 mg bei Zoster ophthalmicus: 3 x täglich 500 mg Immunsupprimierte Patienten ab dem 25. Lebensjahr: 3 x täglich 500 mg Kinder und Jugendliche 2) : 3 mal täglich 125-250 (- 500) mg Immunkompetente Erwachsene: 3 x täglich 1.000 mg 10 Tage 7 (10) Tage 1) Für Patienten mit einem schweren Krankheitsbild, insbesondere für Immunsupprimierte, wird die intravenöse Therapie empfohlen (Höchstdosis über 10 Tage ist zu erwägen). 2) Brivudin und Famciclovir sind für Kinder und Jugendliche nicht zugelassen. Bei Anwendung Abwägung des Nutzen- Risiko-Verhältnisses u. Aufklärung wie unter Studienbedingungen erforderlich. Therapie Die antivirale Therapie des Zoster kann bei Erwachsenen mit Aciclovir, Brivudin, Famciclovir oder Valaciclovir durchgeführt werden (Tabelle 1). Bei einem Behandlungsbeginn innerhalb von 72 h nach dem Auftreten der ersten Zosterläsionen werden die Bläscheneruptionen rasch gestoppt, Verkrustung sowie Abheilung der Läsionen beschleunigt und die Häufigkeit disseminierter Erkrankungen mit Befall innerer Organe reduziert. Außerdem ist ein günstiger Effekt auf den zosterassoziierten Schmerz nachgewiesen. Eine zwingende Indikation für die antivirale Therapie besteht bei immungeschwächten Patienten oder Patienten mit malignem Grundleiden. Bei schweren Krankheitsverläufen ist der intravenösen Aciclovir- Therapie der Vorzug zu geben. Behandelt werden sollten auch alle Patienten mit einem erhöhten PZN-Risiko, das heißt vor allem über 50-Jährige sowie solche mit mehr als 50 Zosterbläschen beziehungsweise mit hämorrhagischen Läsionen oder mit Zoster ophthalmicus und Zoster oticus. Die topische Anwendung von Virustatika ist nicht zu empfehlen, da lokal applizierte Hemmstoffe keinen Einfluss auf Ausbreitung und Abheilung der Zostereffloreszenzen haben. Eine zusätzliche hochdosierte Verabreichung von Steroiden verkürzt die Phase des akuten Zosterschmerzes, bringt jedoch keinen therapeutischen Zugewinn bezüglich der Verhinderung der postzosterischen Neuralgie. Bei Versagen einer konventionellen Analgetikatherapie kann die Steroidbehandlung erwogen werden, wobei mögliche Nebenwirkungen sorgfältig zu beachten sind. Neben der antiviralen Behandlung muss bei auftretenden Schmerzen unverzüglich mit der Schmerztherapie begonnen werden, um einer Chronifizierung des Schmerzes vorzubeugen. Der Dosisaufbau sollte konsequent nach Wirkung bis zur deutlichen Schmerzreduktion erfolgen. Wird unter konsequenter Analgesie keine ausreichende Schmerzlinderung erreicht, ist frühzeitig ein Schmerztherapeut hinzuzuziehen. Die Behandlung sollte nach dem 3-Stufenschema der WHO durchgeführt werden. 5

Fetales Varizellensyndrom Varizellen in der Schwangerschaft können zu schweren Schädigungen des ungeborenen Kindes führen. Bei einer Erkrankung bis zur 20. Schwangerschaftswoche tritt mit einer Häufigkeit von etwa 2 Prozent das fetale Varizellensyndrom auf. Im Vordergrund der Symptomatik stehen narbige Hautveränderungen, Augenerkrankungen, neurologische Defekte und Skeletthypoplasien. Die Letalität beträgt etwa 25 Prozent. Zeichen einer fetalen Infektion kann auch ein Zoster im frühen Kindesalter sein. Bei Zostererkrankungen in der Schwangerschaft besteht kein erhöhtes Risiko für das ungeborene Kind. Prophylaxe Die Immunglobulin-Prophylaxe schützt empfängliche Schwangere vor schweren Varizellen. Ob damit auch die Virämie und die fetale Infektion bzw. das fetale Varizellensyndrom verhindert werden kann, ist fraglich. Neonatale Varizellen Windpocken in den ersten 10 (- 12) Lebenstagen werden durch intrauterine Virusübertragung in der Perinatalperiode verursacht (neonatale bzw. konnatale Varizellen). Erkrankt die Mutter 5 Tage vor bis 2 Tage nach der Geburt an Windpocken, kann es beim Neugeborenen zu lebensbedrohlichen Varizellen kommen. Die Letalität liegt bei 30 Prozent, wobei die häufigste Todesursache eine interstitielle Pneumonie ist. Prophylaxe/Therapie Zur Prophylaxe erhalten Schwangere ohne Varizellenanamnese und ohne Varizellenimpfung innerhalb von 96 Stunden nach Exposition Varicella-Zoster-Immunglobulin. Wenn möglich, sollte die Geburt einige Tage hinausgezögert werden, bis die Mutter Antikörper gebildet und diaplazentar übertragen hat. Neugeborene, deren Mütter bis zu 5 Tage vor bzw. 2 Tage nach der Geburt an Varizellen erkrankt sind, erhalten unverzüglich Varicella-Zoster-Immunglobulin (0,5 ml/kg KG i. m. oder 1 ml/kg KG i. v.). Sie sollten außerdem 10 (12) Tage stationär beobachtet werden, um bei ersten Krankheitserscheinungen sofort mit der i. v. Aciclovir-Therapie beginnen zu können. Exogen erworbene Varizellen in der Neonatalperiode Varizellen nach dem 10. (-12.) Lebenstag sind exogen erworben und haben bei Reifgeborenen eine gute Prognose. Für Früh geborene mit unreifem Immunsystem kann die Erkrankung in den ersten 6 Lebens wochen jedoch bedrohlich sein. Prophylaxe/Therapie Entsprechend einer Empfehlung der Deutschen Gesellschaft für Pädiatrische Infektiologie (DGPI) erhalten gefährdete Frühgeborene (< 28. SSW ; < 1.000 g Geburtsgewicht oder negative VZV-Anamnese der Mutter) innerhalb von 96 Stunden nach Exposition Varicella-Zoster- Immunglobulin (1ml/kg KG i. v.). Bei einer zu erwartenden schlechten Prognose sollten alle Neugeborenen sofort nach Auftreten der ersten Effloreszenzen antiviral (Aciclovir i. v.) behandelt werden. Labordiagnostik Varizellen lassen sich in der Regel klinisch an den typischen Hauteffloreszenzen diagnostizieren. Differentialdiagnostisch kommen bei immunsupprimierten Patienten generalisierte Zoster-Infektionen oder disseminierte Herpes-simplex-Virusinfek tionen in Betracht. Probleme können atypische Verläufe des Zoster bereiten, die vor allem unter Immunsuppres sion zu beobachten sind. Zur Bestätigung oder zum Ausschluss der Erkrankungen stehen eine Reihe labordiagnostischer Verfahren zur Verfügung. Die Methode der Wahl ist die Polymeraseketten reaktion (PCR), mit der sich die virale DNA in Bläscheninhalt, Liquor, EDTA-Blut und Gewebeproben zuverlässig nachweisen läßt. Die Anzüchtung des VZV, die einige Wochen dauern kann, ist nur zu empfehlen, wenn eine molekularbiologische Charakterisierung bzw. Empfindlichkeitsprüfung des VZV erfolgen soll. In der Praxis werden bei Verdacht auf VZV-Infektion meist serologische Untersuchungen unter Einbeziehung von IgM-, IgA- und IgG-Antikörpern durchgeführt. Beim Zoster gestatten sie oft nur eine retrospektive Diagnose, wobei negative Befunde die Erkrankung nicht ausschließen. 6

Varizellenimpfung: Standard- und Indikationsimpfung Die Impfung erfolgt mit einer attenuierten Lebendvakzine (OKA-Stamm). In Deutschland sind zwei Impfstoffe zugelassen, die sich nicht in ihrer Wirksamkeit und Sicherheit unterscheiden (Varilrix,GlaxoSmith- Kline, und Varivax, Sanofi Pasteur MSD). Bei gesunden Personen wird mit der Varizellenimpfung eine Serokonversionsrate von über 97 Prozent erreicht, bei Risikopatienten liegt diese zwischen 80 und 90 Prozent. Kinder vor dem vollendeten 13. Lebensjahr erhalten eine Impfung. Ältere Kinder, Jugendliche und Erwachsene benötigen 2 Impfungen im Abstand von mindestens 4 Wochen. Die Impfung vermittelt einen effektiven Schutz vor Varizellen und ihren Komplikationen. Darüber hinaus hat sie bei Immunsupprimierten einen protektiven Effekt gegenüber Zoster gezeigt. Im Juli 2004 wurde die Varizellenimpfung von der STIKO als Standardimpfung für alle Kinder und Jugendliche in den Impfkalender aufgenommen. Die Impfung ist vorzugsweise im Alter zwischen dem vollendeten 11. bis 14. Lebensmonat durchzuführen. Die STIKO empfiehlt, alle älteren Kinder und Jugendliche ohne Varizellenanam nese zu impfen. Die Nachholimpfungen sollten spätestens im Alter von 9 bis 17 Jahren erfolgen. Weiterhin wird die Varizellenimpfung bei Vorliegen der in der Tabelle 2 aufgelisteten Indikationen empfohlen. In der STIKO-Empfehlung wird auch auf die Möglichkeit der Impfung von empfänglichen Personen mit HIV-Infektion hingewiesen, wenn diese noch über eine funktionierende zelluläre Abwehr (>_ 25 Prozent der altersentsprechenden CD4+-Zellzahl) verfügen. Kontraindikationen sind der Packungsbeilage und Fachinformation des jeweiligen Impfstoffes zu entnehmen. Tab.2 Standard- und Indikationsimpfung gegen Varizellen (STIKO-Empfehlungen, Stand Juli 2004) Standardimpfung Allgemeine Indikation Medizinische Indikation Berufliche Indikation Alle Kinder, vorzugsweise im Alter zwischen dem vollendeten 11. bis 14. Lebensmonat Alle älteren Kinder und Jugendlichen ohne Varizellenanamnese (Nachholimpfungen sollten spätestens im Alter von 9 bis 17 Jahren erfolgen) Seronegative Frauen mit Kinderwunsch 1. Seronegative Patienten: vor geplanter immunsuppressiver Therapie oder Organtransplantation unter immunsuppressiver Therapie (Impfung nicht unter intensiver immunsuppressiver Therapie durchführen; z. B. in der Anfangsphase der Behandlung) Patienten mit Leukämie: Voraussetzung ist Abschluss der immunsuppressiven Therapie und vollständige klinische Remission >_ 12 Monate; vollständige hämatologische Remission (Gesamtlymphozytenzahl >_ 1.200/mm3 Blut)* 2. Empfängliche** Patienten mit schwerer Neurodermitis 3. Empfängliche** Personen mit Kontakt zu 1. und 2. 1. Seronegatives Personal im Gesundheitsdienst, besonders in Pädiatrie, Onkologie, Gynäkologie/Geburtshilfe, Intensivmedizin, Betreuung von Immundefizienten 2. Seronegatives Personal bei Neueinstellungen in Gemeinschaftseinrichtungen für das Vorschulalter *) Anmerkung des Fachausschusses Varizellen der DVV: Patienten mit Leukämie und anderen onkologischen Erkrankungen sollten nur nach vollständiger Remission und Abschluss der Chemotherapie nach Absprache mit dem Therapiezentrum gegen Varizellen geimpft werden. **) Empfänglich bedeutet: keine Varizellenanamnese, keine Impfung und bei Testung seronegativ. Postexpositionsimpfung Die derzeitigen Impfempfehlungen der STIKO sehen die Postexpositionsimpfung für ungeimpfte Personen ohne Varizellenanamnese beziehungsweise mit unbekanntem VZV-Immunstatus vor, die Kontakt zu Risikopatienten haben. Das gilt insbesondere für das Personal im Gesundheitsund Pflegedienst sowie für Personen mit Haushaltskontakten. Eine Wirksamkeit der Impfung kann nur erwartet werden, wenn sie innerhalb von 3 Tagen nach Auftreten des Exanthems beim Indexfall beziehungsweise 5 Tage nach Kontakt mit dem Indexfall erfolgt. 7

Weiterführende Literatur Asano Y, Suga S, Yoshikawa T, et al. Experience and reason: twenty-year follow-up of protective immunity of the Oka strain live varicella vaccine. Pediatrics 1994; 94: 524-526 RKI: Impfempfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO) am Robert Koch-Institut/Stand: Juli 2004. Epid Bull 2004; 30: 236-250 RKI: Mitteilung der Ständigen Impfkommission (STIKO) am Robert Koch-Institut, Neues in den aktuellen Impfempfehlungen der STIKO. Epid Bull 2004; 32: 261 Handbuch Infektionen bei Kindern und Jugendlichen. Deutsche Gesellschaft für pädiatrische Infektiologie e.v. (DGPI) (Hrsg.)/ Redaktionskollegium H. Scholz, B.H. Belohradsky, U. Heiniger, W. Kreth, R. Roos. 4. erw. und überarbeitete Auflage, München, Futuramed-Verlag, 2003; 732-739 RKI: Begründung der STIKO für eine allgemeine Varizellenimpfung. Epid Bull 2004;49;421-424 Varicella-Zoster-Virus-Infektionen: Aktuelle Prophylaxe und Therapie. A. Sauerbrei, P. Wutzler (Hrsg.) Bremen, London, Boston, Uni-Med Verlag AG, 2004 Herausgeber Deutsches Grünes Kreuz e.v. im Kilian Schuhmarkt 4 35037 Marburg Telefon (0 64 21) 2 93-0 Fax (0 64 21) 2 93-1 70 www.dgk.de