Fiebersyndrome nicht nur bei Kindern daran denken Stuttgart, 30.11.2013 Kirsten Bienemann Klinik für Kinder-Onkologie, Hämatologie und Klinische Immunologie Universitätsklinikum Düsseldorf
Hereditäre Fiebersyndrome Definition Kurze Darstellung der 4 klassischen hereditären Fiebersyndrome Fallbeispiele Rationelle Diagnostik
Hereditäre Fiebersyndrome Gehören zu den Autoinflammatorischen Erkrankungen (wie z.b. auch M. Still, Gicht) Äußern sich durch episodisch auftretende systemische Entzündungszeichen: Fieber, Serositis, Arthritis, Myalgien, Hautausschläge, erhöhte Entzündungsparameter Sind aus ausgelöst durch genetische Veränderungen, die zu einer konstitutiven Aktivierung proinflammatorischer Signalwege führen (u.a. IL1 beta, TNF alpha ) Betroffene Gene sind Komponenten des angeborenen Immunsystems ( innate immunity )
Die vier klassischen periodischen Fiebersyndrome Familiäres Mittelmeerfieber (FMF) Cryopyrin-assoziierte autoinflammatorische Syndrome (CAPS) TNF-Rezeptor-assoziiertes periodisches Syndrom (TRAPS) Hyper-IgD-Syndrom (HIDS)
FMF Autosomal rezessiv/ko-dominant, variable Penetranz (MEVF/ Pyrin) süd-östlicher Mittelmeerraum Heterozygotenfrequenz bis 1/5 80% vor 20. Lebensjahr Polyserositis Bauchschmerzen Thoraxschmerzen (meist unilateral) Gelenkbeschwerden (Knie>OSG>Hüfte) Myalgien Schwellung des Scrotums Flüchtiges Exanthem der unteren Extremitäten
CAPS Autosomal dominant, Neumutationen (NLRP3) Variable Penetranz Alle ethnischen Gruppen 3 Phänotypen Chronic infantile neurological, cutaneuos and articular syndrome (CINCA): Beginn im Neugeborenen-Alter, Urtikaria, Erythem, faciale Auffälligkeiten, aseptische Meningitis, sensorische Taubheit, Optikusatrophie, destruktive Arthritis,
CAPS Autosomal dominant, Neumutationen (NLRP3) Variable Penetranz Alle ethnischen Gruppen 3 Phänotypen Chronic infantile neurological, cutaneuos and articular syndrome (CINCA): Beginn im Neugeborenen-Alter, Urtikaria, Erythem, faciale Auffälligkeiten, aseptische Meningitis, sensorische Taubheit, Optikusatrophie, destruktive Arthritis, Muckle-Wells Syndrom: Urtikarielles/erythematöses Exanthem, Arthralgien und Arthritiden, grippales Unwohlsein: Kopfschmerzen, Bauchschmerzen, Muskelschmerzen, Schwitzen, Durst, Fatigue, progrediente sensorische Schwerhörigkeit Familiäre Kälteurtikaria: Urtikaria, Konjunktivitis, Arthralgien einige Stunden nach Kälteexposition
TRAPS Autosomal dominant Variable Penetranz Alle ethnischen Gruppen Lange Fieberepisoden, niedrige Temperaturen Kolikartige Bauchschmerzen, erysipelartige Hauterscheinungen, periorbitale Ödeme, Myalgien
Hyper-IgD-Syndrom (HIDS) Enzymdefekt! MVK/Mevalonatkinase Autosomal rezessiv Europa Manifestationsalter in 68% < 1 Jahr Schüttelfrost, Kopfschmerzen, abdominelle Symptomatik, zervikale Lymphadenopathie, Arthritis, makulopapulöses Exanthem, selten Aphthen Impfungen und Virusinfektionen als Trigger!
Langfristige Komplikationen Amyloidose Sensorische Taubheit (CAPS) Unnötige Eingriffe und Therapien Erhebliche Morbidität, Arbeitsunfähigkeit
Amyloidose Tritt bei allen hereditären autoinflammatorischen Syndromen auf Ablagerung von Serum-Amyloid A, v.a. in Niere, Milz, Leber, Nebennieren und Gastrointestinaltrakt. Risikofaktoren: Bestimmte Genotypen Männliches Geschlecht SAA1 Gen-Polymorphismen Umweltfaktoren
Langfristige Komplikationen Amyloidose Sensorische Taubheit (CAPS) Unnötige Eingriffe und Therapien Erhebliche Morbidität, Arbeitsunfähigkeit
Therapie FMF: Colchizin, verhindert Amyloidose in fast allen Fällen, 5-10% non-responder in Bezug auf Attacken, IL1- Inhibitoren TRAPS: Steroide, TNF-Rezeptor-Antagonisten (Etanercept), IL1-Inhibitoren (Anakinra, Canakinumab) CAPS: IL1-Inhibitoren (Anakinra, Canakinumab) HIDS:? Steroide, HMG-CoA-Reduktase-Inhibitoren, TNFalpha-Antagonisten, IL1-Inhibitoren
Pat.1, 14 Jahre Erstvorstellung 03/13 wegen rezidivierenden Hüftschmerzen bds. seit ca. 2 Jahren treten häufig infektassoziiert auf Rö 03/12 unauffällig, MRT 06/12 re. Erguß, V.a. Coxitis fugax, Erguß sonographisch später nicht mehr nachweisbar 5-6 Fieberschübe unklarer Ursache/Jahr, gelegentlich mit Bauschmerzen und Erbrechen, viele stationäre Aufenthalte, mehrere Fieberkrämpfe In Familie väterlicherseits mehrere Fälle von familiärem Mittelmeerfieber bekannt
Untersuchungsbefund, Entzündungsparameter und rheumatologische Diagnostik zum Vorstellungszeitpunkt unauffällig FMF-Genetik: heterozygote Mutation V726A (Mutation, die bereits in heterozygoter Form zur Erkrankung führen kann) Therapieversuch mit Colchizin
Pat. 2, 8 Jahre Erstvorstellung 8/12 wegen rez. Arthralgien seit dem Kleinkindalter v.a. der OSG und Hüften 2-3x/Jahr Rötung und Schwellung mit zentraler Induration an Fußrücken, Schienbein oder Ellenbogen Beim KA immer leicht erhöhte Entzündungsparameter Unklare rheumatische Erkrankung beim Vater
Pat. 2, 8 Jahre Erstvorstellung 8/12 wegen rez. Arthralgien seit dem Kleinkindalter v.a. der OSG und Hüften 2-3x/Jahr Rötung und Schwellung mit zentraler Induration an Fußrücken, Schienbein oder Ellenbogen Beim KA immer leicht erhöhte Entzündungsparameter Unklare rheumatische Erkrankung beim Vater Klinik CRP BSG 19.09.2006 Hüftschmerzen 1,5 18 07.08.2012 keine 0,6 20 18.09.2012 keine 0,5 25
17.12.2012 außerdem Kopfschmerzen Bauchschmerzen Muskelkaterartige Schmerzen beim Bewegen der Augen
Vater, 37 Jahre Exanthem und Konjunktivitis fast permanent in unterschiedlich starker Ausprägung immer wieder ausgeprägte Episoden von Tagen bis Wochen Dauer mit starken Myalgien und Arthralgien, Schmerzen bei Augenbewegung, Kopfschmerzen, dann nicht arbeitsfähig kein Fieber außerhalb oben beschriebener Episoden normal belastbar und arbeitsfähig keine Kälteassoziation beobachtet ständig erhöhtes CRP Beim Vater des Vaters ähnliche Symptomatik
heterozygote NLRP3 Mutation R260W Cryopyrin-assoziiertes periodisches Syndrom, klinisch als Muckle-Wells-Syndrom einzuordnen C. Vater SAA 39 und 146 mg/l 70mg/l HNO-Konsil o.b. Hochtonschwerhörigkeit Urinsed./Sono Nieren o.b. o.b. Seit Therapiestart mit Canakinumab symptomfrei, Normalisierung der Entzündungsparameter
Pat. 3, wbl., 37 Jahre Seit Ende 2004 wiederholt Krankheitsgefühl mit Müdigkeit und Fieber Ab Ende 2008 Symptomatik zunehmend, schubartig verlaufende Beschwerden in Form von Müdigkeit, Myalgien, Schwellungsgefühl und Schmerzen der Finger und weiterer Gelenke, dabei Temperaturen bis 38,5 C Keine Konjunktivitis, kein Exanthem Keine eindeutige Kälteassoziation Zunehmende Arbeitsausfälle, seit 01/12 Vorruhestand
Schwankende CRP-Erhöhungen 2-3 mg/dl BSG und SAA normal Wiederholt Erguß in verschiedenen Gelenken (Sono, MRT) Unter dem V.a. eine undifferenzierte rheumatische Erkankungen intraartikuläre Steroide, orale Steroide (2mg/kg) und Sulfasalazin ohne Effekt Psychosomatische Mitbetreuung, Amitriptylin ohne Effekt
Anfang 2013 V.a. autoinflammatorische Erkrankung Fiebersyndromgenetik 2 unterschiedliche Mutationen im NLRP3-Gen (CAPS) V198M: Mutationen mit niedriger Penetranz (nicht alle Träger entwickeln Krankheitssymptome) (Vater) Q703K: Polymorphismus (genetische Veränderung ohne Krankheitswert) oder Mutation mit sehr niedriger Penetranz? (Mutter) 03/2013 Therapiebeginn mit Canakinumab
Pat. 4, wbl., 42 Jahre Erstvorstellung 10/2013 seit ca. 2009 alle 6 bis 8 Wochen 1-2wöchige Episoden mit subfebrilen Temperaturen, Arthralgien, Myalgien, starker Abgeschlagenheit, etwas Husten Kein Exanthem, keine Konjunktivitis Diagnose Fibromyalgie Früher häufig kolikartige Bauchschmerzen, v.a. Lactoseintoleranz Entzündungsparameter im Intervall nicht erhöht Familienanamnese blande
Fiebersyndrom-Genetik : heterozygote Mutation R92Q im TNF-Rezeptor 1 niedrige Penetranz, mit late-onset TRAPS assoziiert Therapieoptionen: Steroide im Schub? Etanercept als Dauermedikation?
Was macht die Diagnose so schwierig? Seltene Erkrankung, wenig bekannt Hohe klinische Variabilität Symptomatik muß nicht von Kindesalter an bestehen Fieber muß nicht das Leitsymptom sein Einige Symptome können außerhalb der Schübe persistieren Bei Vorstellung ist der Patient häufig asymptomatisch Symptome häufig über viele Jahre fehlinterpretiert
Auch beim Erwachsenen daran denken Häufig lange Krankengeschichte Viele Ärzte involviert Hoher Leidensdruck, Beeinträchtigung der täglichen Aktivitäten bis zur Arbeitsunfähigkeit Typische Vordiagnosen rezidivierende Infektionen Unklassifizierte Arthritis/Kollagenose Fibromyalgie Somatoforme Störung Fatigue
Blau: FMF Gelb: CAPS Grün: TRAPS Rot: HIDS Genetisches Spektrum
Ist die molekulargenetische Diagnostik dennoch hilfreich? Entscheidend für Therapiestrategie Risikoeinschätzung: Amyloidoserisiko bei bestimmten Mutationen höher Psychologische Entlastung für den Patienten Genetische Beratung, gezielte Untersuchung weiterer Familienmitglieder
Fazit schubweise auftretende systemische Entzündungsaktivität mit Manifestation vor allem am Bewegungsapparat und der Haut Allgemeinsymptomatik/Fatigue/Abgeschlagenheit wiederholt unerklärte Erhöhung von Akut-Phase- Parametern.müssen auch beim Erwachsenen an ein Fiebersyndrom denken lassen!
Diagnostisches Vorgehen Detaillierte Anamnese oder Symptomkalender über 3-6 Monate Familienanamnese Ausführliche körperliche Untersuchung (Haut, Konjunktiven, Bewegungsapparat) im Schub Akut-Phase-Parameter im Schub und im Intervall (CRP, BSG, SAA) bei V.a. HIDS: Mevalonsäure im Urin im Schub, IgD im Intervall Genetik
Klinik Therapieindikation Therapiestrategie Genetik
Vielen Dank