Die Energiewende: Update zu regionalbedeutsamen Themen

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Transkript:

Die Energiewende: Update zu regionalbedeutsamen Themen Aktueller Hintergrund Im Fokus der aktuellen öffentlichen Debatten stehen zwei Themen, die unsere Region im hohen Maße betreffen: Energieeffizienz und Kohleausstieg. Getragen werden diese Debatte von dem in Paris beschlossenen, ambitionierten UN-Klimaschutzabkommen und der Frage nach möglicherweise notwendigen zusätzlichen Umsetzungsmaßnahmen auf Bundes- und Landesebene NRW. Weil die aktuellen politischen Debatten auf Bundes- oder Landesebene auch direkte Auswirkungen auf die Region haben, wird im Folgenden ein Überblick zu den aktuellen, regional bedeutsamen Energiewendethemen gegeben. Dies ergänzt die durch die Vollversammlung der IHK Köln am 24. März 2014 beschlossenen Positionspapiere des DIHK: Resolution der DIHK Hauptversammlung zur Energiewende und Ein neuer Markt für die Energiewende. Die dort getroffenen Aussagen sind weiterhin richtig. Einordnung der Themen in den Zielkanon der Energiewende Die Zielarchitektur der Energiewende in Deutschland zeigt, dass das übergeordnete politische Klimaschutzziel der Bundesregierung, die schrittweise Reduktion der Treibhausgasemissionen um 40 Prozent bis zum Jahr 2020 1 im Vergleich zum Basisjahr 1990 sowie der Kernenergieausstieg durch die beiden Kernziele Ausbau der Erneuerbaren Energien und Steigerung der Energieeffizienz erreicht werden sollen. Quelle: BMWi (2016) Um die erforderliche Reduktion der Treibhausgase zu erreichen, müssen und sollen demnach die Potenziale in der gesamten Volkswirtschaft gehoben werden, nicht nur in der Energiewirtschaft. Auf europäischer Ebene ist der Emissionshandel seit 2005 das zentrale Instrument zur Reduktion der CO2-Emissionen. Ungefähr die Hälfte der CO2-Emissionen in Europa werden in diesem System erfasst, nämlich die CO2-Emissionen aus der Energiewirtschaft, der energieintensiven Industrie und 1 Bis zum Jahr 2050 soll die Reduktion der Treibhausgase 80 95 Prozent betragen. 1

des Luftverkehrs. 2 Durch eine festgelegte jährliche Reduktion der Emissionsrechte werden die CO2- Emissionen kontinuierlich und dem politischen Plan entsprechend durch die kostengünstigste Reduktionsmöglichkeit gemindert bis das angestrebte Ziel erreicht ist. Insofern funktioniert der Emissionsrechtehandel einwandfrei. Damit dies auch so bleibt, ist der Verbleib des Vereinigten Königreichs im EU-Emissionshandelssystem zwingend erforderlich. Aufgrund des stetig knapper werdenden Emissionsrechtebudgets auf der einen und des fortlaufenden Ausbaus der erneuerbaren Energien auf der anderen Seite führt der politische Rahmen der Energiebzw. Klimaschutzregulierung automatisch zu einem sukzessiven Rückgang der Stromerzeugung aus Kohle bis hin zu einem langfristigen Auslaufen. Ein separates Ziel der Energiewende ist ein Kohleausstieg hingegen nicht. Energieeffizienz Die Steigerung der Energieeffizienz kann für viele Unternehmen eine Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit bedeuten. Gleichzeitig können sich in diesem Themenfeld neue Geschäftsfelder und Exportchancen ergeben. DIHK und IHK Köln haben ihre wirtschaftspolitischen Positionen aus dem aktuellen Kurs der Bundesregierung abgeleitet, bei Energieeffizienzmaßnahmen von Unternehmen (noch) auf freiwillige Umsetzungsmaßnahmen der Wirtschaft zu setzen etwa durch Energieeffizienz-Netzwerke und das Informationsangebot zu stärken. Verpflichtende Energieeffizienzmaßnahmen für Unternehmen betrachten wir hingegen insgesamt als ineffizient, da diese nicht die individuell unterschiedlichen Möglichkeiten der Unternehmen adressieren können und daher in vielen Fällen zu unwirtschaftlichen Maßnahmen führen werden. Um die Potenziale zur Energieeffizienzsteigerung in den Unternehmen optimal zu nutzen, sind die gesetzlichen Regelungen jedoch besser aufeinander abzustimmen. Es dürfen keine Nachteile für Unternehmen entstehen, die ihre Energieeffizienz bereits in der Vergangenheit verbessert haben oder neue Investitionen in Energieeffizienz tätigen. 3 Die IHK Köln unterstützt die Unternehmen vor Ort durch ein vielfältiges Angebot an Informationsveranstaltungen zu diesem Thema, einer neu entwickelten Energieberater-Datenbank und individuellen Beratungen. Des Weiteren wird in diesem Jahr bereits die zweite Generation Energie-Scouts ausgebildet und die IHK Köln übernimmt die Schirmherrschaft über Energieeffizienz- Netzwerke in der Region. Durch das Engagement der Unternehmen im Bereich der Energieeffizienz kann die Linie des DIHK weiterverfolgt werden, weitergehende ordnungsrechtliche Energieeffizienz-Vorgaben zu verhindern. Diskussion zum vorzeitigen Ausstieg aus der Kohleverstromung Durch die Umgestaltung des Strommarktes eröffnen sich neue Chancen für Unternehmen, gleichzeitig gibt es, wie in jedem Transformationsprozess, auch Verlierer. Die IHK Köln beobachtet diese Entwicklung und führt dazu mit verschiedenen Unternehmen und Fachverbänden regelmäßig Gespräche. Der politisch forcierte Strukturwandel in der Energiewirtschaft ist eine besondere Herausforderung. In einem stark politisch geprägten Marktumfeld ist Planungssicherheit die Grundvoraussetzung für Investitionsentscheidungen. Für die Gesamtwirtschaft ist es elementar, dass die Wettbewerbsfähigkeit des Standortes erhalten bleibt. Aus der Transformation des Stromsystems folgt als Konsequenz, dass die Stromerzeugung aus Kohle langfristig stark sinken wird 4 : Einerseits werden die erneuerbaren Energien zunehmend ausgebaut. 2 Vgl. Umweltbundesamt (2016). 3 Aktuell können Nachteile beispielsweise dadurch entstehen, dass ein Unternehmen aufgrund steigender Energieeffizienz nicht mehr die starren Kriterien zur Nutzung der Besonderen Ausgleichsregelung erfüllt. Ebenso bestehen Zielkonflikte zwischen der für die Stabilität der Stromversorgung notwendigen Flexibilisierung der Stromverbräuche in den Unternehmen und Energieeffizienzanforderungen sowie bei der Berechnung der Netzentgelte. 4 Für die herkömmliche Kohleverstromung existiert langfristig in Deutschland keine Perspektive. Allerdings sind für die Braunkohle alternative Nutzungsformen, etwa eine stoffliche Nutzung denkbar. Diese Möglichkeiten sollten nicht frühzeitig aufgegeben werden. 2

Andererseits wird dieser Ausbau durch die Verknappung der Emissionsrechte flankiert. Allerdings ist es irrig zu glauben, dass der Ausstieg aus der Kohle linear und kontinuierlich erfolgt. Die Anpassung der Wirtschaft erfolgt anhand realer betriebswirtschaftlicher Faktoren. Die Lebenszyklen von Anlagen zur Stromerzeugung sind in der Regel relativ lang, mit dem Zeithorizont der Energiewende jedoch grundsätzlich vereinbar. Für das Rheinische Revier führen die geplanten Überführungen von Anlagen in die Sicherheitsbereitschaft und die voranschreitende Auskohlung der Tagebaue zu einem voraussichtlichen Reduktionspfad, der mit dem Klimaschutzgesetz NRW, aber auch den europäischen und nationalen Klimaschutzzielen konform geht. 5 Vor diesem Hintergrund ist die aktuelle Debatte über einen gesetzlich vorgezogenen Kohleausstieg mit Sorge zu betrachten. Sie entzieht der Entwicklung die notwendige Planungssicherheit, hat unmittelbare Auswirkungen auf den Wirtschaftsstandort, greift massiv in den Markt und die unternehmerische Gestaltungsfreiheit ein und befördert einen Strukturbruch anstelle eines kontinuierlichen Strukturwandels. Die direkten Auswirkungen eines vorzeitigen Kohleausstieges können an den Folgen für die Ziele des energiewirtschaftlichen Zieldreiecks aufgezeigt werden: Umweltverträglichkeit: Durch den vorzeitig bzw. schneller durchgeführten Kohleaussteig werden bis zum Jahr 2040 kumuliert zwischen 634 Millionen Tonnen CO2 6 und einer Mrd. Tonnen CO2 7 eingespart. Dies entspricht ungefähr der aktuellen Menge der jährlichen Emissionen Deutschlands. Wirtschaftlichkeit: Die Strompreise werden absehbar insgesamt steigen, weil häufiger teurere Gaskraftwerke preissetzend sind. Der mit steigenden Großhandelspreisen verbundene Rückgang der EEG- Umlage kann diesen Effekt nicht vollständig kompensieren. Versorgungssicherheit: Grundsätzlich senkt ein administrativ durchgesetzter nationaler Kohleausstieg die gesicherte Leistung in Deutschland. Der Verlust der benötigten gesicherten Leistung soll durch Gaskraftwerke kompensiert werden. Ab den zwanziger Jahren würde daher ein erheblicher Zubau neuer Gaskraftwerke erforderlich sein. Vor dem Hintergrund des knapper werdenden Emissionsrechtebudgets, der technischen Entwicklung von Stromspeichern und der politischen Prägung des Marktes auf einen reinen energy-only-markt (mit politisch gewünschten Preisspitzen) erscheint es fraglich, ob sich Investoren für neue Gaskraftwerke finden. Es besteht die große Gefahr in eine erhebliche Stromlücke hineinzulaufen. Bei einer zunehmenden Substitution von Kohle durch Gas steigt die Abhängigkeit von Rohstoffimporten, insbesondere aus Russland. Ein schnellerer Abbau gesicherter Leistung führt unweigerlich zu einer erhöhten Anforderung an die Entwicklung von Speichertechnologien und an den Netzausbau, denn die Energiewende wird nur funktionieren, wenn auch das Speichersystem und der Netzausbaus- weiter entwickelt werden. 8 5 So werden in den Jahren 2017/2018 fünf Kraftwerksblöcke mit einer Leistung von knapp 1,5 GW in die Sicherheitsbereitschaft überführt. Der Tagebau Inden ist voraussichtlich Anfang der 2030er Jahre ausgekohlt und das dazugehörige Kraftwerk Weisweiler mit einer Kapazität von 1,8 GW wird entsprechend stillgelegt. Vgl. DEBRIV (2016) Information und Meinungen. 6 Vgl. ewi Energy Research & Scenarios ggmbh Ökonomische Effekte eines deutschen Kohleausstiegs auf den Strommarkt in Deutschland und der EU (2016) 7 Vgl. Agora Energiewende Was bedeuten Deutschlands Klimaschutzziele für die Braunkohleregionen? (2016). 8 Im aktuellen Monitoringbericht der Bundesnetzagentur zum Stand der Umsetzung der Ausbaumaßnahmen im Stromübertragungsnetz nach dem Bundesbedarfsplangesetz (BBPlG) wird sich der Ausbau der HGÜ-Trassen gegenüber den ursprünglichen Planungen insbesondere aufgrund des im letzten Jahr eingeführten Erdkabelvorrangs verzögern. Vgl. Bundesnetzagentur (2016). 3

Die Einschätzung über die Entwicklung der einzelnen Systeme ist mit hohen Unsicherheiten verbunden. Ein zeitlich sehr eng gefasster Kohleausstiegsplan, könnte daher zu unnötigen Schwierigkeiten bei der bevorstehenden Transformation des Energiesystems führen, bei relativ geringem zusätzlichem Umweltnutzen. Spezielle Auswirkungen auf die Region Die aktuell diskutierten neuen Modelle zum Kohleausstieg benutzen das Alter der Kohlekraftwerke als Indikator für den Stilllegungszeitpunkt. 9 Daraus resultiert für das Rheinische Revier ein zügigerer Kapazitätsabbau im Vergleich zu den anderen Revieren aufgrund eines durchschnittlich höheren Anlagenalters. Bis zum Jahr 2025 würde bereits ein erheblicher Anteil der Kapazitäten im Rheinischen Revier vorzeitig abgebaut. Quelle: Agora (2016) Der so diskutierte vorzeitige Kohleausstieg hat direkten Einfluss auf die noch förderbaren Braunkohlemengen und damit auf die Nutzung der Tagebaue und der anschließenden Rekultivierung und Renaturierung. Nach den Agora-Plänen zum Kohleausstieg würden lediglich noch ca. 1.000 Mio. Tonnen Braunkohle von den aktuell genehmigten 2.606 Mio. Tonnen im Rheinischen Revier genutzt. Die Auswirkungen auf die Tagebaue und auf die notwendigen Planungsverfahren zur Renaturierung wurden bisher in der Diskussion nicht berücksichtigt, sind für die Region jedoch elementar wichtig. Des Weiteren wird durch einen schnelleren Ausstieg aus der Braunkohleverstromung die Wertschöpfung in der Region deutlich schneller abgebaut. Um die Auswirkungen des Braunkohleausstiegs in den betroffenen Regionen zu mildern, soll nach den vorliegenden Plänen ein Strukturwandelfonds Braunkohleregionen mit jährlich 250 Mio. Euro ausgestattet und den Regionen zur Verfügung gestellt werden. Die Erfahrung zeigt, dass solche Fonds häufig nicht die gewünschten Erfolge bringen. Es ist sehr fraglich, ob durch dieses Fondsmodell zu erwartende Probleme bei einem dann deutlich schneller aufgezwungenen Strukturwandel abgefedert werden können. 9 Durch die Reduktion der Stilllegungsentscheidung auf das Alter der Anlagen werden wichtige Indikatoren der Wirtschaftlichkeit und auch der Umweltverträglichkeit nicht berücksichtigt. Beispielsweise wird bei siedlungsnahen Kohlekraftwerken häufig ein umfangreiches Fernwärmenetz durch das Kohlekraftwerk betrieben. Dies steigert auf der einen Seite die Gesamteffizienz der Kraftwerke und bedeutet auf der anderen Seite, dass eine administrierte vorzeitige Stilllegung weitreichendere Folgen nach sich zieht. Des Weiteren benötigt die Industrie nicht nur den Strom aus den Kraftwerken, sondern auch den Dampf für die Produktionsprozesse. 4

Insgesamt sehen wir das Modell und das aktuelle Vorgehen beim Kohleausstieg kritisch. Über die Energieversorgung hinausgehende Auswirkungen Obwohl bereits ein umfassender regulatorischer Rahmen existiert, der zu einem Ausbau der erneuerbaren Energien auf der einen Seite und zu der politisch festgelegten Treibhausgasreduktion in den Sektoren des Emissionsrechtehandels führt, versucht die Regierung den Markt zunehmend tiefer zu beeinflussen und zu gestalten. Die immer stärker in den Markt eindringenden politischen Eingriffe in der Energiewende stimmen insgesamt sorgenvoll. Diese zunehmende Regulierungstendenz zeigt ein politisch schwindendes Vertrauen in die innovative Kraft der Unternehmer. Die Kräfte des Unternehmertums, welche regelmäßig zu neuen Innovationen und technologischen Lösungen führen, werden anscheinend von politischer Seite nicht anerkannt. Die Akzeptanz für die Industrie im Speziellen und für die Wirtschaft im Allgemeinen erodiert durch den Steuerungsanspruch der Politik zusehends. Es sollte verhindert werden, dass dieses als Blaupause für weitere (umweltpolitisch motivierte) Eingriffe dient. Der für Investitionen notwendige Vertrauensschutz schwindet durch solche politischen Maßnahmen. Dadurch sinkt insgesamt die Investitionsbereitschaft der Unternehmen und die Attraktivität des Standortes leidet. Die Energiewende wird nur gemeinsam mit den Unternehmen erfolgreich gelingen und international als Vorbild dienen. Dafür ist eine klare unterstützende Industriepolitik notwendig, die das Know-How der Unternehmen vor Ort nutzt. Ausblick Die mit der Energiewende verbundene Transformation wird weiter vorangehen. Die IHK Köln wird den Prozess weiterhin kritisch konstruktiv begleiten und Unterstützung für unsere Mitgliedsunternehmen anbieten. Unsere Erfahrungen fließen auch bei der Interessenvertretung bei Bundes- und Landesthemen durch den DIHK und IHK NRW ein. Die unternehmerische Freiheit und die innovative Kraft der Unternehmen dienen dafür als Richtschnur unserer Argumentation. Für die Energiewende bedeutet dies, dass die bestehende Rahmengesetzgebung wirken muss. Ständige Veränderungen durch Eingriffe in den Prozess zerstören den Markt und das Vertrauen der Wirtschaft in den Standort, schaffen aber auch große Unsicherheit bei den Beschäftigten. Das Klimaschutzziel und die Energiewende werden nur gelingen, wenn die Potentiale der gesamten Volkswirtschaft gehoben und einzelne Sektoren nicht gegeneinander ausgespielt werden. Die Energiewirtschaft und die energieintensive Industrie sind Teil des Emissionsrechtehandels. Dieser führt dazu, dass die Klimaschutzziele in diesen Sektoren sicher eingehalten werden. Die Zielarchitektur der Energiewende in Deutschland sieht vor, auch über dem Emissionshandelssektor (Stromerzeugung und energieintensive Industrie) hinaus weitere Möglichkeiten zur Minderung der Treibhausgasemissionen zu erreichen. Damit dort ebenfalls die Potentiale gehoben werden können, ist es vielmehr Aufgabe der Politik in diesen Sektoren, geeignete Rahmenbedingungen zu schaffen. Beispielsweise kann durch eine smarte Quartiersentwicklung in den Städten viel erreicht werden. Gleiches gilt für den Mobilitätssektor, bei dem die unzureichende Infrastruktur einen der limitierenden Faktoren darstellt. Infrastrukturentwicklung zählt sicherlich zu öffentlichen Aufgaben. In diesen Bereichen sind staatliche Aktivitäten deutlich effizienter, als direkte Eingriffe in den Strommarkt. Gleichzeitig werden auch die Chancen der Energiewende für die Unternehmen gesehen. Wir werden unsere Unternehmen weiter informieren und beraten. Mit den Formaten Energiewirtschaftlicher Dialog und Umweltdialog stehen wir mit unseren Mitgliedsunternehmen im kontinuierlichen Austausch zu aktuellen Themen. 5