Weitere Hormone 53 8. Weitere Hormone 8.1. Serotonin Genau wie die beiden Stresshormone Adrenalin und oradrenalin ist auch Serotonin ein biogenes Amin. Es wird größtenteils in der Magen-Darm-Schleimhaut produziert. Das Hormon kommt aber auch im Gehirn und in Thrombozyten 1 vor, in welchen es gespeichert und zum Beispiel bei Blutgerinnung freigesetzt wird. 1 Thrombozyten: Blutplättchen, die bei Verletzungen die Blutgerinnung einleiten. Sie enthalten Enzyme der Glykolyse, des Pentosephosphatzyklus, des itrat-zyklus und der Atmungskette, sowie im Hyalomer biogene Amine (Serotonin). Serotonin (5-Hydroxytryptamin; Abkürzung: 5-HT) entsteht aus L-Tryptophan durch Hydroxylierung 2 an der 5. Stelle und anschließender Decarboxylierung. 2 Hydroxylierung: Die Einführung einer oder mehrerer H-Gruppen in eine organische Verbindung; enzymatisch durch xidoreduktasen. H 1 H 5 H H 2 H H 3 H 2 H 2 H 2 L-Trytophan Serotonin H 2 L-Tryptophan [2-Amino-3-(indol-3-yl)-propionsäure, -Aminoindol-3-propionsäure] L-Tryptophan ist eine für den Menschen essentielle aromatische Aminosäure, die unter anderem als Antidepressivum und Schlafmittel verwendet wird. 8.1.1. Wirkung von Serotonin Serotonin erfüllt sowohl die unktion eines eurotransmitters als auch die eines Gewebshormons. Es wirkt hauptsächlich im limbischen System, dem Hauptort im Gehirn für Gemüt und emotionales Gedächtnis. Dort besitzt Serotonin eine allgemein stimmungsaufhellende und antriebssteigernde Wirkung. Aus diesem Grund wird es auch oft als das Glückshormon bezeichnet. Heu-
Weitere Hormone 54 te weiß man, dass es durchaus einen Zusammenhang zwischen einem Mangel an Serotonin im Gehirn und der Entstehung von Depressionen gibt. Eine verminderte Aktivität von Serotonin wird außerdem auch mit Introvertiertheit und Schlaflosigkeit in Verbindung gesetzt. eben unserem Gemütszustand steuert Serotonin im Zentralnervensystem auch die ahrungsaufnahme, die Schmerzwahrnehmung, den Sexualtrieb und die Körpertemperatur. Weiters spielt das Hormon eine Rolle beim Alkoholkonsum und beim Lernen und Gedächtnis. Im rganismus bewirkt Serotonin eine Verengung der Blutgefäße in der Lunge und den ieren und eine Erweiterung der Blutgefäße in der Skelettmuskulatur. Außerdem beeinflusst das Hormon die Kontraktion des Herzmuskels und die Bewegung der Magen-Darm-Muskulatur (Peristaltik). Die Produktion von Serotonin in unserem Körper lässt sich durch einige aktoren manipulieren. Sonnenlicht regt eine vermehrte Ausschüttung des Hormons an und führt somit zu einer besseren Laune. Auch künstliches, sehr helles Licht hat diesen Effekt auf den Serotonin-Gehalt im Körper. Aus diesem Grund lassen sich Depressionen, die auf fehlende Sonneneinstrahlung zurückzuführen sind, durch eine Lichttherapie beseitigen. In den lichtarmen nördlichen Ländern leiden sehr viel mehr Menschen an Depressionen als im Süden. olglich ist auch die Selbstmordrate in den nördlichen Regionen höher, vor allem während der düsteren Wintermonate. Serotonin ist der einzige Botenstoff, der in gewissem Maße auch über die ahrung beeinflusst werden kann. Kohlenhydrate sorgen dafür, dass die Aminosäure Tryptophan, die im Blut zirkuliert, ins Gehirn gelangt und dort zu Serotonin umgewandelt wird. Die mächtigste Kohlenhydrat-haltige Hirndroge ist Zucker. Besonders die Inhaltsstoffe von Schokolade bewirken, dass im Körper vermehrt Serotonin entsteht. Körperliche Bewegung stimuliert ebenfalls die Bildung von Serotonin, aber auch die von Endorphinen und einigen anderen Hormonen, die direkt oder indirekt die Stimmung positiv beeinflussen. Jeder Ausdauersportler kennt den beglückenden Zustand jenseits des ersten Erschöpfungsgefühls, der auch als Runners High bekannt ist. Es ist also nicht verwunderlich, dass Ausdauersport durchaus zu einer milden Art von Sucht werden kann! Seinen unzähligen physiologischen und psychologischen unktionen entsprechend kommt dem Hormon Serotonin auch eine große therapeutische Bedeutung zu. Man nutzt Serotonin-agonistische 1 Substanzen als Antidepressiva, gegen Angstzustände, bei Migräne (z. B. Sumatriptan), als Prokinetika (z. B. isaprid) und als Appetitzügler
Weitere Hormone 55 (z. B. enfluramin). Serotonin-antagonistische Wirkstoffe kommen beispielsweise in Mitteln zur Verhinderung des Erbrechens, sogenannten Antiemetika, zum Einsatz. 1 Agonist: Vom griechischen Begriff agónistés (= Streiter) abgeleitete Bezeichnung für einen Stoff (oder einen Umweltfaktor), der in die gleiche Richtung wirkt wie ein anderer. Gegensatz: Antagonist 8.1.2. Serotonin als Antidepressivum Die Ursache von Depressionen ist, wie bereits erwähnt, in vielen ällen ein Defizit an Serotonin, aber auch anderer wichtiger Botenstoffe, wie zum Beispiel oradrenalin. Die Hauptaufgabe von Antidepressiva besteht darin, die Verfügbarkeit dieser wichtigen Botenstoffe zu erhöhen. un konnte Serotonin aber bis heute nicht synthetisch hergestellt oder in brauchbaren Mengen aus Pflanzen oder Tieren isoliert werden. Es gibt auch keine Möglichkeit, den Botenstoff in Pillen- oder Spritzform zu verabreichen, um so seinen Spiegel im Körper kontrolliert zu erhöhen. Aus diesem Grund wurden sogenannte Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer entwickelt. Diese Substanzen hemmen, wie ihr ame schon verrät, die Wiederaufnahme von Serotonin in die ervenzellen, wo sie inaktiviert werden. Dadurch kommt es zu einer Erhöhung der erniedrigten Serotoninkonzentration, was in weiterer olge stimmungsaufhellend wirkt. Zu der Gruppe von antidepressiv wirkenden Stoffen gehören zum Beispiel luvoxamin, luoxetin und Paroxetin. luoxetin Selbstverständlich gibt es auch etliche andere Arten von Antidepressiva im Angebot. Sogenannte Tricyclische Antidepressiva hemmen zum Beispiel unspezifisch die Wiederaufnahme verschiedener eurotransmitter. euere Entwicklungen im Bereich Anti- (RS)--Methyl-3-phenyl-3-(4-trifluormethylphenoxy)-propylamin
Weitere Hormone 56 Paroxetin ([trans-4-(4-luorphenyl)-3-([3,4-(methylendioxy)phenoxy]methyl)piperidin H 2 luvoxamin (H 2 ) 4 H 3 (Internationaler reiname) 3 (H 2 ) 2 H2 (E)-5-Methoxy-4'-(trifluormethyl)-valerophenon--(2- aminoethyl)oxim ormel: 15 H 21 3 2 2 depressiva sind die Serotonin-oradrenalin-Wiederaufnahme-Hemmer, die neben der Wiederaufnahme von Serotonin auch die von oradrenalin hemmen. 8.2. Melatonin Das Hormon Melatonin [3-(2-Acetylamino-ethyl)-5-methoxyindol] ist ein Stoffwechselprodukt des Serotonins. Es entsteht durch Acetylierung 1 und anschließender -Methylierung 2. 1 Acetylierung: Die Einführung der Acetyl-Gruppe in organische Verbindungen, die H-, SH- oder H 2 -Gruppen enthalten. Bei der Acetyl-Gruppe handelt es sich um die Atomgruppierung H 3. 5 H 1 3 H H 2 H 2 H 2 5 H 3 H H 2 H 2 H H 3 Serotonin Melatonin
Weitere Hormone 57 2 Methylierung: Bezeichnung für einen Spezialfall der Alkylierung, also der Einführung von Methyl-Gruppen in organische Verbindungen. Die Methyl-Gruppe ist die Atomgruppierung H 3 Man unterscheidet -, -, S- und, wie in diesem all; -Methyl-Gruppen. Melatonin ist ein Gewebshormon, das ausschließlich in der Zirbeldrüse gebildet wird. In erster Linie steuert es unsere innere biologische Uhr. Als so genanntes Schlafhormon wird es im Dunkeln und vor allem nachts produziert und dient dann dem Einschlafen. Melatonin kommt klinisch gegen chronische Schlafstörungen und Jet-Lag zum Einsatz. Im Gegensatz zu Serotonin ist das Hormon synthetisch zugänglich. Die Produktion von Melatonin wird durch das Licht, das der Mensch über das Auge und ein wenig auch über die Haut aufnimmt, beeinflusst. Helles Licht, das auf die etzhaut des Auges trifft, löst ein Signal aus, das die Ausschüttung von Melatonin hemmt. ehlender Sonnenschein führt zu einer Störung des Melatoninhaushaltes. In den lichtarmen Monaten baut der Körper das überschüssige Melatonin tagsüber nicht ausreichend ab. Dadurch gerät das hormonelle Gleichgewicht im Gehirn auseinander und es kommt zu einer Störung im Schlaf-Wach-Rhythmus. Die maximale Sekretion von Melatonin erfolgt zwischen dem ersten und dritten Lebensjahr. Bis zum Erwachsenenalter nimmt die Melatonin-Produktion in der Zirbeldrüse um ca. 80 % ab. Melatonin wird daher manchmal auch als Jugendhormon bezeichnet. Wissenschafter auf dem Gebiet der Altersforschung vermuten, dass dieses Hormon die biologische Alterung verzögert und somit eine lebensverlängernde Wirkung besitzt. Vielleicht ist Melatonin der Schlüssel zur ewigen Jugend, den man schon seit Ewigkeiten sucht! Dem noch relativ wenig bekannten Hormon Melatonin werden noch weitere positive, aber auch einige negative Wirkungen nachgesagt, für die es jedoch bis heute keine handfesten Beweise gibt. Die Ergebnisse der durchgeführten Studien und Tierversuche widersprechen sich nämlich teilweise. Man vermutet, dass Melatonin gegen Krebs schützt, indem es freie Radikale abfängt. Angeblich bietet es auch Schutz vor Alzheimer. Weiters soll das Hormon eine vorbeugende Wirkung gegen Schlaganfall und Herzinfarkt besitzen, indem es Blutgerinnsel verhindert. Melatonin trägt vermutlich auch zur Aktivierung des Immunsystems bei, indem es die weißen Blutkörperchen zur Antikörperbildung stimuliert. Eine negative unktion des Melatonins ist, dass es wahrscheinlich das ortpflanzungssystem inaktiviert.
Weitere Hormone 58 8.2.1. Die Zirbeldrüse Epiphysis (orpus pineale) Die Zirbeldrüse, auch Epiphyse oder Glandula pinealis genannt, sitzt im Bereich des Zwischenhirndachs. Die arbe der Zirbeldrüse ist grau-rötlich. Ihre durchschnittliche Länge beträgt beim Menschen 5-8 mm bei einer Breite von etwa 3-5 mm. Das Gewicht liegt bei ca. 80-500 mg. Melatonin ist die wichtigste Substanz, die von der Zirbeldrüse sezerniert wird, aber auch oradrenalin ist vertreten. Bereits im 17. Jahrhundert wurde erkannt, dass die Zirbeldrüse eine wichtige Bedeutung in unserem Körper besitzt. Damals war der französische Wissenschaftler und Philosoph René Descartes sogar fest davon überzeugt, dass die Zirbeldrüse der Sitz der Seele ist! Heute weiß man, dass die Zirbeldrüse tatsächlich eine große Rolle innerhalb des Zentralnervensystems spielt. Als Stützpunkt unserer Seele würde man sie allerdings nicht mehr bezeichnen. Die eurohormone, die von der Zirbeldrüse ausgehen, haben unter anderem Einfluss auf die Hautfarbe und auf die sexuelle Reifung. Außerdem erfüllt die Zirbeldrüse einige Kontroll- und Koordinierungsfunktionen beim Zusammenspiel der eurotransmitter. Die Zirbeldrüse erhält Impulse vom Sehnerv und es dringen Lichtquanten durch Haut und Schädelknochen zu den Pinealzellen (Zellen der Zirbeldrüse). Dadurch wird unser individueller Biorhythmus mit den rhythmischen Vorgängen der atur (Jahreszeiten, Zyklen der Gestirne) in Gleichklang gebracht.