Clusterkopfschmerz ICD 10: G 44.0
Ärger schlägt auf das schwächste chste Organ, darum so viel Kopfschmerzen. Manfred Hinrich (*1926), Dr. phil., deutscher Philosoph, Lehrer, Journalist, Kinderliederautor, Aphoristiker und Schriftsteller
Cluster-Kopfschmerz ist ein primärer Kopfschmerz Das Leiden tritt ohne bekannte Ursache und somit ohne bisher identifizierbare, krankhafte Veränderung anatomischer Strukturen auf
Definition Clusterkopfschmerz Schwere, einseitige orbitale, frontale und/oder temporale Schmerzattacken von 15-180 Minuten Dauer
Definition Clusterkopfschmerz Die Attacken treten mit einer Häufigkeit von 1 Attacke jeden zweiten Tag bis zu 8 Attacken pro Tag auf
Ipsilaterale Begleitsymptome (mind. 1): Konjunktivale Injektion Lakrimation Kongestion der Nase Rhinorrhoe
Ipsilaterale Begleitsymptome (mind. 1): vermehrtes Schwitzen im Gesicht Miosis Ptosis Lidödem
Die Attacken treten periodisch gehäuft auf Cluster Zwischengeschaltet: Remissionszeiten unterschiedlich langer Dauer
Episodischer Clusterkopfschmerz ICD 10: G 44.01 Chronischer Clusterkopfschmerz ICD 10: G 44.02
Episodischer Clusterkopfschmerz Perioden mit einer Dauer von 7 Tagen bis zu 1 Jahr
Episodischer Clusterkopfschmerz Durchschnittliche Dauer 4-12 Wochen Schmerzfreie Intervalle mind. 14 Tage
Chronischer Clusterkopfschmerz Clusterattacken über > 1 Jahr ohne Remission oder mit nur kurzer Remission < 14 Tage
Nach Verlauf wird unterschieden: Primär chronischer Cluster von Beginn an ohne Remission
Nach Verlauf wird unterschieden: Chronischer Cluster nach primär episodischem Verlauf
Typische tageszeitliche Bindung Häufung der Attacken nachts nachmittags abends 1Uhr bis 3 Uhr 13 Uhr bis 15 Uhr ab 21.00 Uhr
Nächtliches Auftreten zwischen 1.00 Uhr und 3.00 Uhr überwiegt Bei über 50 % der Patienten beginnen die Attacken aus dem Schlaf heraus
Schmerzcharakteristika Clusterattacken treten streng seitenkonstant auf
Schmerzcharakteristika Cluster tritt praktisch immer auf derselben Seite und nie (!) simultan beidseitig auf
Schmerzcharakteristika Ein Wechsel von der einen zur anderen Seite zwischen den verschiedenen Clusterperioden ist extrem selten
Schmerzcharakteristika Schmerzbeginn in > 90 % der Fälle in der Augenregion
Schmerzcharakteristika Ausstrahlung möglich in Stirn, Kiefer, Rachen, Ohr, Hinterhaupt, selten auch Nacken und Schulter
Schmerzcharakteristika Innerhalb von zehn Minuten, aus dem Wohlbefinden heraus extrem starker Schmerz, meist als vernichtend erlebt
Schmerzcharakteristika Patientenbeschreibung: glühendes Messer, das in das Auge gestochen wird oder brennender Dorn, der in die Schläfe gerammt wird
Schmerzcharakteristika Abgrenzung zu Migräne: Bewegungsdrang der Patienten während der Attacke, Bettruhe wird selten eingehalten
Trigger Trigger lösen während der Clusterperiode Clusterattacken aus, in der Remissionsphase nicht
Trigger Bekanntester Auslösefaktor ist Alkohol
Trigger Histamin, Nitroglyzerin Calciumantagonisten (Nifedipin) Blendlicht Citrusfrüchte,Meeresfrüchte Tomatenmark (Thyramin) Aspartam, Citronensäure, Vitamin C Glutamat, Muskat Medikamente (Antidepressiva!!) Nahrungsergänzungsmittel Vitaminmischpräparate etc..
Pathophysiologie unklar Hinweise auf eine aseptische Entzündung im Sinus cavernosus und im Bereich der Vena ophthalmica superior ungeklärter Genese??
Pathophysiologie unklar Es wird angenommen, daß während aktiver Clusterperioden eine basale entzündliche Grundreaktion vorliegt, die attackenweise exazerbiert
Pathophysiologie unklar Beim chronischen Cluster ist die entzündliche Grundreaktion kontinuierlich vorhanden, beim episodischen Cluster periodisch
Während der Schmerzattacke: PET zeigt eine lokalisierte Hirnfunktionsstörung, die womöglich als Schmerzgenerator wirkt
Folge: schmerzhafte Reaktion von Kopfarterien im Versorgungsgebiet des Trigeminusnervs und eine Funktionsstörung autonomer Nerven an Auge und Nase
Epidemiologie Das mittlere Alter beim erstmaligen Auftreten des Clusterkopfschmerzes beträgt 28 bis 30 Jahre
Epidemiologie Bei Kindern und Jugendlichen gibt es Cluster dagegen nur im sehr seltenen Ausnahmefall
Inzidenz 15,6 auf 100.000 Jahr / Männer 4,0 auf 100.000 Jahr / Frauen Prävalenz ca. 0,9 %
Patientenvorstellung
Herr E., M.; geb.: 10.07.1967 (35 Jahre) Diagnose: Episodischer Clusterkopfschmerz [ICD-10: G 44.01]
Anamnese: Seit 7 Jahren starke Schmerzen, immer linke Gesichtshälfte Erstdiagnose mit 28 Jahren
Anamnese: Auftreten phasenweise, Dauer etwa 8-10 Wochen, ca. 2 mal/jahr
Anamnese: Jahreszeitlich unabhängig, ohne Prodromi oder erkennbare Auslöser Zwischenzeitlich absolute Beschwerdefreiheit
Schmerzphasen Auftreten in unregelmäßigen Abständen von mehreren Stunden, meist 1-2 mal nachts aus dem Schlaf heraus
Schmerzphasen oder frühmorgens bzw. spät abends ohne erkennbaren Trigger Geringe Mengen Alkohol sind begünstigend
Schmerzphasen Dauer des Schmerzanfalls 30-60 Minuten, VAS max. 90% anschließend völlige Beschwerdefreiheit
Beginn: - Druck im linken Oberkiefer - Schwellung im Gaumenbereich, Aufhellung dieser Region sowie des lokalen Zahnfleisches
Verlauf: - Starke Schmerzzunahme - Ausstrahlung in Nacken + Stirn - Zuschwellen des linken Auges - Tränenfluß + Rhinorrhoe
Während der Attacke: Bewegungsdrang
Sine effectu: - Dolomo TN - Paracetamol - Thomapyrin - Extraktion 3er Zähne li. Oberkiefer - Triggerpunktinfiltration
Erstvorstellung bei uns 02/03: Im akuten Anfall als erste Wahl Inhalation von 100%igem Sauerstoff über eine Gesichtsmaske mit 5-7 l Fluß für 15-20 min.
Zur Prophylaxe zunächst Verapamil 3x80mg/die, später Steigerung auf Verapamil 2x240mg retard/die.
Aktuelle Medikation: Verapamil 80 mg 1-1-1 Sumatriptan Fertigspritzen 6 mg (z.b. Imigran Fertigspritze) im Anfall s.c.
Clusterkopfschmerz Diagnostik und Therapie
Diagnostik 1. Neurologischer und allgemeiner Untersuchungsbefund 2. Apparative Zusatzbefunde leisten keinen spezifischen Beitrag
Bei Zweifeln Nitro-Test Nach Gabe von 1 mg Nitroglyzerin s.l. läßt sich innerhalb von 30 bis 60 Minuten die Attacke auslösen
Therapie der akuten Attacke 1. Inhalation von 100-%igem O 2 Dosierung: 7 l/min für 15 min über eine Mundmaske. Die Inhalation muß innerhalb der ersten 15 Minuten nach Attackenbeginn erfolgen
Therapie der akuten Attacke 2. Sumatriptan s.c. effektivste Pharma Maßnahme 6 mg Sumatriptan s.c. beenden innerhalb von 15 Minuten 75% der behandelten Attacken
Therapie der akuten Attacke Ergotalkaloide Bei oraler oder rektaler Applikation von Ergotamintartrat ist Zeit bis zum Wirkeintritt unzumutbar lang, daher nur zweite Wahl
Prophylaxe Aufgrund der hohen Attackenhäufigkeit während einer aktiven Cluster-Periode gilt die Regel, daß eine prophylaktische Therapie generell angezeigt ist.
Prophylaxe Die Wahl des Prophylaktikums richtet sich danach, ob es sich um einen episodischen oder um einen chronischen Cluster handelt
Prophylaxe Für viele Substanzen ist Wirksamkeit eher durch empirische Traditionen als durch wissenschaftliche Studien belegt
Prophylaxe Neben der Wirksamkeit steht Verträglichkeit, Dauer der Anwendbarkeit, Einfachheit der Anwendung und Kombinierbarkeit im Vordergrund
Prophylaxe episodischer Cluster Substanz der 1. Wahl: Verapamil Kalzium-Antagonist
Prophylaxe episodischer Cluster Oft unter Verapamil kein komplettes Sistieren der aktiven Clusterkopfschmerzphase
Prophylaxe episodischer Cluster Studien zeigen bei ca. 70 % der Patienten eine Verbesserung von mehr als 75 % der Clusterkopfschmerzparameter
Prophylaxe episodischer Cluster Substanz der 1. Wahl: Verapamil Start mit 3 x 80 mg / Tag Nach Therapieerfolg bis > 500 mg / Tag möglich
Prophylaxe episodischer Cluster Ergotamintartrat auch erste Wahl Erfolgsraten im Sinne eines Sistierens der aktiven Cluster- Periode von über 70 %
Prophylaxe episodischer Cluster Ergotamintartrat auch erste Wahl Dosierung oral oder als Supp., 3-4 mg pro Tag, auf 2 Dosen (2-0-2 mg) verteilt
Prophylaxe episodischer Cluster 2. Wahl: Kortikosteroide Wirksamkeit bei episodischem Cluster 50-70 %, bei chronischem Clusterkopfschmerz ca. 40 %
Prophylaxe episodischer Cluster 2. Wahl: Lithium Valproinsäure Methysergid (2 x 400 mg ret.) (20 mg/kg/die) (HT- Antagonist)
Prophylaxe chronischer Cluster Substanzen der 1. Wahl: Verapamil und Lithium
Prophylaxe chronischer Cluster Verapamil: deutlich bessere Nebenwirkungsrate, bessere Steuerbarkeit der Therapie Lithium: etwas bessere Effektivität Evtl. auch Kombination möglich
Prophylaxe episodischer Cluster 2. + 3. Wahl: Kortikosteroide Valproat Serotonin-Antagonisten Methysergid
Verhaltensmedizinische / nichtmedikamentöse Therapie Cluster wird nur minimal durch psychische Mechanismen beeinflußt.
Verhaltensmedizinische / nichtmedikamentöse Therapie Psychotherapie kann den Clusterkopfschmerzverlauf nicht bedeutsam verändern.
Verhaltensmedizinische / nichtmedikamentöse Therapie Alternative nichtmedikamentöse Therapiemaßnahmen sind beim Clusterkopfschmerz sinnlos und verzögert die Aufnahme einer effektiven Therapie.