4. Feministische Herbstakademie: Occupy feministisch!

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Transkript:

4. Feministische Herbstakademie: Occupy feministisch! Der Herbst zeigte sich von seiner sonnendurchfluteten, malerischen Seite, als sich mehr als 30 Frauen aus der LINKEN, aus Gewerkschaften und sozialen Bewegungen und Initiativen in der Bildungszentrale der ver.di-jugend in Naumburg bei Kassel zur mittlerweile Vierten Feministischen Herbstakademie trafen. Occupy feministisch: Zur Wiederaneignung des Arbeitsbegriffs, des politischen Raums und der sozialen Beziehungen das war das Thema der Akademie und zog sich als roter Faden durch das Oktober-Wochenende. Gelungen fanden alle Frauen den Einstieg in unsere Akademie. Auf einer großen bunten Landkarte, auf der Landschaften verschiedenster Stimmungen liebevoll dargestellt waren, konnte bei der Vorstellung Jede ihren gegenwärtigen Gemütszustand markieren. Nach einer kurzen Einführung durch Frigga Haug wurden die drei für Samstag geplanten Workshops, die im Zentrum dieser Herbstakademie standen, vorgestellt. Angelehnt an die Art von Bertolt Brechts Flüchtlingsgesprächen gestalteten die Workshop-Moderatorinnen jeweils einen Dialog zu den Inhalten und unterschiedlichen Sichtweisen zu den drei Workshop-Themen, indem abwechselnd immer ein neuer Gedanke hinzugefügt wurde. Wie in einem Schachspiel wurden unterschiedliche Strategien entwickelt, wobei es nicht ums Gewinnen oder Verlieren ging, sondern darum, unterschiedliche Argumente zu entfalten. Die Workshop-Themen rankten sich um den Begriff der Wiederaneignung des Arbeitsbegriffs, des politischen Raums, der sozialen Beziehungen.

In Vorbereitung auf den Workshop zur Wiederaneignung des Arbeitsbegriffes schrieben die Teilnehmerinnen eine selbst erinnerte Geschichte zum Thema Meine ersten Begegnungen mit dem Arbeitsbegriff. Es machte Spaß, diese persönlichen Texte zu lesen. Wir analysierten sie unter folgenden Aspekten: Wo ist Erstaunliches und Diskussionswürdiges? Wie ist der Kontext? Welches Verständnis von Arbeit liegt den Texten zugrunde? Welche Veränderungen und Verknüpfungen werden deutlich? Welche Vorurteile und welche Gefühle werden ausgedrückt, welche Sprache benutzt? Unsere Diskussion förderte viel Interessantes zutage, zum Beispiel ging es in den Texten um das Schicksal des Wortes helfen. Wenn die Arbeit und so auch das Helfen freiwillig waren, machten sie Freude, wurde man dazu gezwungen, war es eine Bestrafung. Deutlich traten Unterschiede im Verständnis von Arbeit schon im Kindesalter zwischen Ost und West zutage. Und schon früh verbanden Viele Arbeit mit dem Streben nach ökonomischer Unabhängigkeit von den Eltern. Dann ging es in die Theorie. Wir untersuchten den Marxschen Arbeitsbegriff und stellten fest, dass sich mit der Analyse der Lohnarbeit im kapitalistischen System der Arbeitsbegriff verengte. Mehr noch: Aus der Lohnarbeit heraus sind andere Formen der gesellschaftlich notwendigen Arbeit nicht zu erklären. Wir lasen bei Marx, dass er bevor er sich in der Kritik der politischen Ökonomie des Kapitalismus auf die Lohnarbeit konzentrierte Arbeit im Sinne des produktiven Stoffwechsels zwischen Mensch und Natur, deren Teil der Mensch selbst ist, analysierte und diese Arbeit im Gegensatz zur Lohnarbeit für nicht für aufhebbar hält. Im Gegenteil, Selbstbetätigung, Lebensgenuss, Teilhabe am Gemeinwesen, Liebesfähigkeit, allseitige Entwicklung der Individuen, das produktiv füreinander Tätigsein der Menschen sind Stichworte eines umfassenden Arbeitsbegriffs außerhalb der kapitalistischen, entfremdeten Lohnarbeit. Erinnert das nicht deutlich an die konkrete Utopie der Vier-in-Einem-Perspektive?

Im Workshop Wiederaneignung des politischen Raums wurde mittels ausführlicher gegenseitiger Interviews Antwort auf die Fragen gesucht: Was beschäftigt dich beim Stichwort Politik von unten? Was willst du verändern? Die Interviewpartnerinnen kamen jeweils mit einem Kernsatz und drei Schlüsselworten in die Arbeitsgruppe zurück. Dann wurden gemeinsam die Feuerbachthesen 3 und 6 sowie ein Brecht-Zitat bearbeitet, indem die Zitate umformuliert wurden. Widerspruch gab es hier von Frigga Haug zur Umwandlung der 6. Feuerbachthese. Hier geht es um Aneignung. Der Bezugspunkt ist der Mensch als Gattungswesen, der Mensch im Werden. Das ist nicht mit ich zu übersetzen. Die Zurückverlagerung auf das einzelne Individuum führt in die Irre. Thema waren dann Widerstände und Blockaden in der Gesellschaft, in den Strukturen, bei uns selbst, bezogen auf die Vier in Einem Perspektive. Diskutiert wurde im Workshop anschließend über meinen nächsten Schritt. Einig waren sich die Frauen, dass der erste Schritt sein sollte, sich ein Kollektiv zu suchen und nicht einzeln loszulaufen. Im Workshop Wiederaneignung der sozialen Beziehungen ging es um Utopien. Ergebnis war Die neue Teilzeitdiät : Vorgeschlagen wurde von den Teilnehmerinnen, Artikel zu unseren Antworten zum Thema Politik um Zeit verschiedenen Frauenzeitschriften anzubieten. Diese haben im Moment alle den Fokus auf mehr Zeit. Des Weiteren wird ein konkretes Projekt in Duisburg vorgeschlagen. In einem vom Abriss bedrohten Wohngebiet soll ein Nachbarschaftshaus erhalten werden und dort Leben und Arbeiten nach der konkreten Utopie der Vier in Einem Perspektive angeboten werden.

Neben all der intensiven Arbeit kamen auch Fröhlichkeit, gemeinsames Singen und Geschichten Erzählen nicht zu kurz. Die Pausen nutzten wir, um sonnenwarme Herbstluft zu schnuppern.

Am Ende stand die konkrete Verabredung: Die 5. Feministische Herbstakademie findet vom 11. bis 13. Oktober 2013 statt und wird sich unter anderem mit der Frage befassen, welche politischen Aktionsmöglichkeiten angesichts der Großen Krise sich aus der Vier in Einem Perspektive heraus entwickeln lassen. Annegret Gabelin