Inhalt. Sarvenaz Ayooghi. Jutta Göricke. Der Katalog erscheint anlässlich der Ausstellung. Suermondt-Ludwig-Museum Aachen,

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Der Katalog erscheint anlässlich der Ausstellung Chambre Privée. Meisterwerke aus dem Wohnzimmer eines Sammlers Suermondt-Ludwig-Museum Aachen, 2018 2020 Impressum Inhalt Ausstellungskonzept und -leitung Bildung/Vermittlung Pia vom Dorp, Renate Szatkowski Druck Grafisches Centrum Cuno, Calbe 6 Förderer, Unterstützer und Dank Gestaltung yella park, Aachen Fotografie Peter Hinschläger, Aachen Haustechnik/Ausstellungsaufbau Manfred Beckers, Andreas Erkes, Harald Küsgens, Costa Leventakos, Boban Mucic, Werner Wosch Konservatorische Betreuung Michael Rief, Ulrike Villwock Bibliothek Gabriela Borsch Sekretariat Gaby Jansen Presse/Marketing Jutta Göricke, Elena Reinders Verwaltung und Finanzen Irit Tirtey, Dieter Haubrich, Jana Härter K ATA L O G Herausgegeben von Redaktion Bildredaktion Übersetzungen Heinrich Becker (EN-DE) Marlene Müller-Haas (NL-DE) Lektorat Dorothée Baganz, Michael Imhof Verlag Gestaltung und Produktion Vicki Schirdewahn, Michael Imhof Verlag Umschlagmotive Vorderseite: Einblick in das Wohnzimmer, Foto: Stadt Aachen_Peter Hinschläger Rückseite: Stadt Aachen_Peter Hinschläger Frontispiz: Stadt Aachen_Peter Hinschläger 2018 Suermondt-Ludwig-Museum Aachen, Michael Imhof Verlag GmbH & Co. KG, Petersberg und die Autoren Michael Imhof Verlag GmbH & Co. KG Stettiner Straße 25 D-36100 Petersberg Tel.: 0661/2919166-0 Fax: 0661/2919166-9 E-Mail: info@imhof-verlag.de www.imhof-verlag.com Printed in EU ISBN 978-3-7319-0754-1 9 Vorwort 11 Einführung Jäger und Sammler. Brueghel, Seghers, Ruisdael: Zu Besuch im Wohnzimmer eines Kunstliebhabers Jutta Göricke 15 Katalog 115 Epilog 119 Anhang 120 Bibliografie 128 Bildnachweis 5

Einführung Jäger und Sammler Brueghel, Seghers, Ruisdael: Zu Besuch im Wohnzimmer eines Kunstliebhabers Das Auge vermag sich kaum sattzusehen: opulente Blumenbouquets im Wechsel mit Silberpokalen, im Vitrinenschrank Meissner-Figuren und barocke Buckelgläser, auf der reich verzierten Rokoko-Kommode eine kostbare Empire-Tischuhr. Alles ist sorgsam arrangiert, getragen von einem hellwarmen Grundton, gerahmt von gerafften Vorhängen, als beträte man ein Stillleben. Der Blick des Kunstkenners aber wird gefesselt von den Gemälden an den Wänden, erlesene Werke des 16. und 17. Jahrhunderts, Flamen und Niederländer. 25 sind es insgesamt, darunter Jan Brueghel d. Ä., Paul Bril, Joos de Momper, Daniel Seghers, Jacob van Ruisdael und Peter Paul Rubens. Selbst an der Bücherwand, die fast ausschließlich mit Kunstbänden bestückt ist, sind zwei kleine Bilder angebracht, ein Adriaen Brouwer und ein Anthonie Verstraelen. Woanders war kein Platz mehr. Das ist das Wohnzimmer der Sammlerfamilie, ein begehbares Stillleben und zugleich gelebte Vision des 91-jährigen Seniors, der den Besucher in seinem Lieblingssessel erwartet, an seiner Seite einer der drei Söhne. Qualität stand immer an erster Stelle, sagt der alte Herr. Aber was Qualität ist, das mussten wir uns erst erarbeiten. Und er erzählt, wie er 1979 in der legendären Münsteraner Stillleben-Ausstellung vor zwei Bildern von Willem Kalf stand, Original und eigenhändige Kopie. Ratlos, weil er die Qualitätsunterschiede nicht zu erkennen vermochte, lud er kurzerhand gegen Honorar und Reisekosten, versteht sich zwei Experten nach Münster ein, die ihm auf die Sprünge helfen sollten. Der Sammler, an sich ein angenehm zurückhaltender Mensch, ließ hier die selbstbewusste und zugleich pragmatische Herangehensweise walten, die wohl nur ein erfolgreicher Unternehmer mitbringt. Der erste Experte reiste aus München an und erklärte und interpretierte und sortierte. Doch ich hab s nicht begriffen, sagt der Sammler. Wenig später lauschte er den Ausführungen des Berliner Experten. Das machte es nicht besser. Ich verstand es immer noch nicht. Aber er war neugierig geworden. Die Erklärungen deckten sich haargenau. Da dachte ich, das könnte doch wohl interessant sein. Das war die Initialzündung für sein Interesse an Kunst, positiv verstärkt durch den Einfluss seiner Frau, die genug hatte von den Jagdtrophäen in ihrem Wohnzimmer. Ja, man mag es kaum glauben, vor 1979 prangten an den Wohnzimmerwänden ausschließlich Jagdtrophäen, Beutestücke des Hausherrn, bis dato ein passionierter Jäger. Die Gattin drängte darf man sagen: glücklicherweise? auf den Kauf des ersten Gemäldes, ein Blumenstillleben von Jan van Os. Der Ehemann bestätigt: Das hat meine Frau mehrheitlich ausgesucht. Und übernahm in der Folge selbst das mehrheitliche Aussuchen, mit wachsender Begeisterung. Die Jagd auf Kunstwerke löste die Jagd auf Tiere ab. Die Hirsche mussten sukzessive weichen, sagt der Sohn etwas trocken. Man fing an zu lernen. Ich habe mit meiner Frau Museen in der ganzen Welt besucht. Denn der Blick wird nur durch Sehen geschärft. Auch die Kunstbücher im Wohn- E I N F Ü H RU N G 11

1 JA N VA N O S ( M I D D E L H A R N I S 1 7 4 4 1 8 0 8 D E N H A AG ) Früchte und Blumen in einer Terrakotta-Vase Öl auf Holz, 89 x 69 cm Signiert unten rechts:»j. Van Os fecit«charles of London Galleries, New York Franklin J. Matchette (1863 1943), New York Verst. Parke-Bernet Galleries, 27. November 1943, Los 110 Paul Arnes Edward Speelman, Ltd. Kunsthandel Galerie Mensing, Hamm-Rhynern Mitchell 1968, S. 22, Nr. 23 Der Ruhm eines Künstlers bemisst sich nicht allein darin, wie viele Werke er zu Lebzeiten oder posthum verkauft hat, oder in welchen großen, gar fürstlichen Sammlungen diese vertreten waren. Von immenser Bedeutung ist auch die Anzahl seiner Nachfolger, die das eigene künstlerische Schaffen fortführen. Jan van Os gehört zu jenen Nachahmern, der seinem Vorbild, dem großen Stilllebenmaler Jan van Huysum (1682 1749, Kat.Nr. 23), in nichts nachstand. Die Nachfrage nach Blumen- und Fruchtstücken in Huy - sumscher Manier war im letzten Viertel des 18. Jahrhunderts so groß, dass Van Os sich diese Nische zu Nutze machte und von der Vorliebe der Kunden profitierte dem Geschmack der damaligen Wohnräume entsprechend. Denn obwohl sich viele Künstler wie Wybrand Hendriks (1744 1831), Gerard van Spaendonck (1746 1822) oder Paulus Theodorus van Brussel (1754 1795) in die Fußstapfen von Van Huysum begaben, ging Jan van Os doch als der talentierteste unter ihnen hervor: Seine Bilder waren zeitlebens überaus populär, besonders um 1780 erreichte er den Zenith seines Schaffens. Auf dem Kunstmarkt verkauften sich seine Werke zu verhältnismäßig hohen Preisen, sowohl in Frankreich als auch in England. Auffällig ist vor allem eine Auktion des Nachlasses von Hendrik Twent, Bürgermeister der Stadt Leiden von 1789: Während die Stillleben eines bekannten Daniel Seghers oder Willem van Aelst deutlich unter 100 Florin versteigert wurden, wechselten die Blumenstücke des zeitgenössischen Jan van Os für erstaunliche 635 Florin den Besitzer. 1 Sein Renommee als qualitätsvoller Maler wird schon fünf Jahre zuvor deutlich, als im November 1784 Jean-Baptiste- Pierre Lebrun in Paris ein Gemälde von Van Os für 2380 Livres ersteigert. Im Katalog wird seine Kunstfertigkeit folgendermaßen beschrieben: La réputation de cet Artiste moderne est très-connu des Amateurs, qui font à juste titre le plus grand cas de ses ouvrages. Cet Artiste est vivant à la Haye. 2 Und tatsächlich interessierten sich nicht nur die Franzosen und Holländer für diesen Künstler. Er schaffte den Sprung nach Übersee und stellte in England ab 1773 jährlich in den Ausstellungen der Society of Artists of Great Britain aus, bis zu deren Auflösung im Jahr 1791. 3 Dies ist der Grund, warum Werke von Jan van Os vor allem auch in englischen Sammlungen ob öffentlich oder privat zu finden sind. Seine Ausbildung genoss der 1744 in Middelharnis geborene Jan van Os bei Aert Schouman (1710 1792), einem der führenden Maler in Zeeland. Schouman bediente nahezu alle Kunstgattungen: Er war Vogelmaler, Tiermaler, Marinemaler, Glasmaler, Zeichner, Radierer, Glaskünstler, Still - lebenmaler, Blumenmaler und Mezzotintostecher. Letztendlich spezialisierte er sich auf Tierbilder und soll seinen Lehrling insbesondere auf diesem Gebiet geschult haben. 4 1 16 K ATA L O G K ATA L O G 17

5 JA N W I L D E N S ( A N T W E R P E N 1 5 8 6 1 6 5 3 A N T W E R P E N ) U N D H A N S J O R DA E N S I I I ( A N T W E R P E N U M 1 5 9 5 1 6 4 3 A N T W E R P E N ) Christus heilt einen Blinden Öl auf Leinwand, 137 x 121 cm, wahrscheinlich linke Hälfte einer breiteren Komposition Unsigniert Slg. Dr. Hans Wetzlar, Amsterdam West Collection, Cornwallis Kunsthandel Hans M. Cramer, Den Haag, 1965/66, Nr. 28 Verst. Sotheby s, London, 3. Dezember 1969, Los 52 Ertz 1986b, S. 558, Kat. 336 Dieses Großformat verbindet stimmungsvolle Landschaftsschilderung mit einer biblischen Erzählung. Es ist in der Kooperation zweier Antwerpener Meister entstanden, die beide vielseitig tätig waren und einen Großteil ihres Lebenswerks in der gemeinschaftlichen Produktion mit anderen Malern und Werkstätten geschaffen haben. Die Ausführung der Landschaft, lange Joos de Momper II (1564 1635) zugeschrieben, ist nach den heute gegebenen Vergleichsmöglichkeiten dessen jüngerem Antwerpener Kollegen Jan Wildens zuzurechnen. Wildens war Schüler des wenig bekannten Peter Verhulst (ca. 1565 ca. 1628). Bereits 1604 wurde er als Meister in die Malergilde seiner Heimatstadt aufgenommen. Von 1613/14 bis 1616 hielt er sich in Italien auf. Nach seiner Rückkehr nach Antwerpen begann seine enge Zusammenarbeit mit Peter Paul Rubens (1577 1640). Zu vielen Bildern der Rubenswerkstatt steuerte er seitdem die Landschaftshintergründe bei, die schlüssig die figürlichen Kompositionen ergänzen. Charakteristisch für seine Malerei ist seine lichte, satte Farbigkeit verbunden mit lockerem Pinselstrich. Als Kompositionen seiner eigenen Bilder wählte er weite Landschaftsbühnen, meist symmetrisch von hohen Bäumen gerahmt und über gestaffelte Kulissen Blicke in weiteste Fernen freigebend. Als Vorbilder bleiben Werke von Paul Bril (1553/54 1626, Kat.Nr. 17), Gillis van Coninxloo (1544 1606), Jan Brueghel d. Ä. (1568 1625, Kat.Nr. 18) und Adriaen van Stalbemt (1580 1662) erkennbar. Besonders deutlich ist jedoch der Einfluss von Joos de Momper II (1564 1635), an dessen duftige Pinseltechnik auch das locker angedeutete Laubwerk des vorliegenden Bildes erinnert. Doch ist Mompers Blick in einem viel weiteren Winkel geöffnet. Seine Bildpartien sind dabei uneinheitlich ausgeleuchtet, während Wildens eine einheitliche Lichtstimmung vorstellt. Wenn man die Ausführung im Detail betrachtet, dann gestaltete Momper Bäume und Blattwerk durch ein flüchtiges Aufstempeln halbtrockener Flachpinsel, die ein Muster kurzer paralleler Farbstreifen hinterließen. Diese Methode findet sich in seinen großen wie in kleinen Formaten, in dem zusammen mit Jan Brueghel d. Ä. gestalteten Landschaftsbild (Kat.Nr. 11, 70 x 106 cm) ebenso wie in Mompers einzigem signierten Werk, der Berglandschaft der Münchner Pina - kothek 1. Das vorliegende Bild hat jedoch nichts von diesem Pointillismus ; es gehört einer jüngeren Stilistik flüssigerer Pinselführung an. Der Unterschied zu Momper wird besonders deutlich, wenn man die Gesamtkomposition vergegenwärtigt, die sich in einem formatentsprechenden Gemälde in Privatbesitz erhalten hat (Abb. 1) 2. Stilistisch lassen sich die Partien der beiden Landschaftsbilder gut vergleichen mit den entsprechenden Motivbereichen in dem fast gleich gro- 5 30 K ATA L O G K ATA L O G 31

6 P I E T E R C L A E S Z ( B E R C H E M 1 5 9 7 / 9 8 1 6 6 0 H A A R L E M ) Stillleben mit Römerglas, Pastete und Brötchen 1641 Öl auf Holz, 41,5 x 57 cm Monogrammiert und datiert am rechten Bildrand:»PC 1641«Slg. Jacob Christoph Burckhardt, Basel (1818 1897) Slg. E. Raeber, Basel Kunsthandel Gebr. Douwes. Amsterdam, 1960 Kunsthandel Richard Green, London Kunsthandel Robert Noortman, London, 1980 AU S S T E L L U N G Vijf eeuwen Bloem- en Stillevenkunst, AK Amsterdam 1968 Glück und Glas, AK Lohr am Main 1984 Van Jan Steen tot Jan Sluijters. De smaak van Douwes, AK Amsterdam/Leeuwarden 1998 AK Amsterdam 1968, Kat.Nr. 1, unpag., Abb. Frontispiz Vroom 1980, S. 45, Nr. 96, Abb. 50 AK Lohr am Main 1984, S. 349, Nr. 11 (mit Abb., Farbdetail S. 283) Grimm 1988, S. 82, Abb. 10 AK Amsterdam/Leeuwarden 1998 Vroom 1999, S. 62, Abb. 50 Brunner-Bulst 2004a, S. 75, Nr. 102 Wie viele andere Künstler kam Pieter Claesz in den religiösen Konflikten der Zeit als Flüchtling aus Antwerpen in das prosperierende Haarlem. Er war dort spätestens 1621 ansässig, als sein Sohn Nicholaes Berchem geboren wurde, der später selbst als Landschaftsmaler einige Bekanntheit erlangen sollte (siehe Kat.Nr. 10). Schon vor seiner Ankunft hatten sich in Haarlem Maler auf die Anfertigung von Mahlzeitstillleben spezialisiert, von denen Floris van Dijck (1575 1651) den größten Einfluss auf eine jüngere Generation von Künstlern ausübte. Das Gemälde aus unserer Sammlung ist monogrammiert und auf 1641 datiert, es stammt also aus der besten Schaffenszeit von Pieter Claesz. 1 In der sehr nah angelegten Komposition füllen die Gegenstände einer Mahlzeit das Bildfeld. Um ein mittig platziertes, halb gefülltes Römerglas sind Geschirr und Speisen arrangiert, sowie ein umgedrehter Berkemeyer und drei Zinnteller unterschiedlicher Größe, mit Oliven, einem kleinen Weißbrot und einer angebrochenen Früchtepastete. Dazwischen sind auf dem Tisch Haselnüsse und eine geöffnete Walnuss verteilt, zwischen denen ein Messer mit perlmuttbesetztem Griff liegt, das womöglich der Öffnung der Walnuss gedient hat. Am vorderen Rand des Tisches liegt eine spiralig geschälte Zitrone, deren Schale in den Raum zwischen Tisch und Betrachter reicht. Auch wenn die Anordnung der Dinge auf den ersten Blick zufällig und ungeordnet erscheinen mag, so unterliegt sie doch einer raffinierten Komposition: die Falte des Tischtuchs gibt exakt die mittlere Vertikale des Bildes an. Auf dem Tisch selbst ergibt sich eine Anordnung der Gegenstände in Form eines perspektivisch projizierten liegenden Andreaskreuzes. Die grundsätzliche Anlage des Bildes ist sehr charakteristisch für die Stillleben von Pieter Claesz: Von rechts ragt bildparallel ein mit einem weißen Tuch bedeckter Tisch in die Bildfläche hinein, dessen linke Seiten- und Vorderkante uns eine gewisse räumliche Orientierung verschaffen. Den Hintergrund bildet eine monochrom in Ocker- und Brauntönen gehaltene Rückwand, deren Textur weitgehend undifferenziert ist, auf die aber diffuses Licht von links oben fällt. Die 6 34 K ATA L O G K ATA L O G 35

12 A D R I A E N B R O U W E R ( O U D E N A A R D E 1 6 0 5 / 0 6 1 6 3 8 A N T W E R P E N ) Ein Trinkender Bauer Um 1630/31 Öl auf Kupfer, 18 x 19 cm Unsigniert Slg. Thomas Andrew Payne Knight, Downtown Castle, Shropshire (seit dem frühen 19. Jahrhundert ) Dennis Lennox, England Verst. Christie s, London, 4. Mai 1979 AU S S T E L L U N G Jubilee Commemorative Exhibition of Art Treasures of the Midlands, AK Birmingham 1934, Kat. 167. Master Paintings. Recent Acquisitions, AK London 1975, Kat. 9. Adriaen Brouwer Meester van Emoties, AK Oudenaarde 2018, Kat. 15 B AK Oudenaarde 2018, S. 156 157, Kat. 15 B Weltkunst 5 1981 (1. März 1981), S. 496, mit Abb. AK London, 1975, Kat. 9. zu einer Kopie nach diesem Werk: HdG 1910, Nr. 148j. 1 Das nahezu quadratische Kleinformat gibt den Blick auf einen kahlen Innenraum frei. Im Vordergrund hat sich ein einzelner Mann auf eine Sitzbank niedergelassen. Seine Kleidung ist einfach und schmucklos, sein Hut zerschlissen. Dem Betrachter zugewandt, hebt er mit beiden Händen seinen Becher auf die Höhe seines Gesichtes. Seine Augen scheinen weder den Becher noch den Betrachter zu fixieren, sondern pendeln dazwischen. Sein Mund ist geöffnet, es bleibt jedoch unklar, ob er bereits zum Trinken ansetzt oder vor dieser Handlung noch ein Trinklied anstimmt. Seine rote Nase deutet darauf hin, dass er ein regelmäßiger Trinker ist. Zu seinen Füßen steht ein bauchiger Krug, zu seiner Rechten ist ein Besen an eine Bank angelehnt, darunter ein Tongefäß. Von links oben einfallendes Licht beleuchtet ihn hell und sorgt dafür, dass er, im Gegensatz zu den weiteren Personen der Szene, besonders heraussticht. Im dunklen Hintergrund sitzt links eine Gruppe von fünf Männer an einem Tisch, einer von ihnen reckt seinen Becher in die Höhe, der von dem stehenden Mann interessiert begutachtet wird. Ein anderer stiert mit geöffnetem Mund auf den Tisch und scheint bereits stark alkoholisiert zu sein. In der rechten hinteren Ecke des Raumes sitzt ein Mann in einem Verschlag aus teils zerbröckelten Wänden auf einem Abort. Diese wohl bald nach der Entstehung als anrüchig empfundene Szene wurde übermalt und erst in jüngster Zeit bei einer Restaurierung wieder freigelegt. Besonders augenfällig ist bei dieser Szenerie die Reduzierung der Figurenstaffage und des umgebenden Interieurs zugunsten des Hauptcharakters im Vordergrund. Brouwer lenkt so auf geschickte Weise den Blick des Betrachters auf dessen expressives Minenspiel. 2 Die Darstellung verschiedenster Gemütszustände und lebendiger Mimiken beschäftigte ihn über die gesamte Dauer seines künstlerischen Schaffens; er entwickelte auf diesem Feld ein enorm breites Ausdrucksspektrum. Brouwers Maltechnik mutet hier insgesamt eher skizzenhaft denn feinmalerisch an. In Details wie dem Gesicht der Hauptperson oder des Krugs im Vordergrund gestaltet er seinen Farbauftrag jedoch mit großer Lebendigkeit und hoher Präzision. Der Malgrund ist eine kleine Kupferplatte. Dieses auch für die Anfertigungen von Druckgrafiken genutzte Metall eignete sich gut als Bildträger, weil es sehr stabil und dau- 12 54 K ATA L O G K ATA L O G 55

23 JA N VA N H U Y S U M ( A M S T E R DA M 1 6 8 2 1 7 4 9 A M S T E R DA M ) Stillleben mit Blumen in einer Terrakotta-Vase Öl auf Leinwand, 79 x 60 cm Signiert unten rechts auf der Plinthe:»Jan van Huysum fecit«vor 1867 bei M. Nieuwenhuys 1867 Slg. Thomas Baring (1799 1873) 1873 Thomas George Baring, 1er Earl of Northbrook (1826 1904) bis 2006 im Familienbesitz Lord Northbrook 2006 Slg. Fürst Hans-Adam II. von Liechtenstein AU S S T E L L U N G E N Royal Academy of Arts, London 1872, Nr. 44. Flower Paintings and Old Rare Herbals, Whitechapel Gallery, London 1909, Nr. 26 Weale/Richter 1889, S. 94, Nr. 134. HdG 1928, S. 351, Nr. 61. Grant 1954, Kat.-Nr. 21. Kräftner 2010, S. 214 f. Pfingstrose, Kaiserkrone, Anemone, Tulpe, Narzisse, Aurikel, Zentifolie, Lilie, Prunkwinde und Hyazinthe... auf dem Höhepunkt ihrer Blüte dargestellt, quellen sie in überbordender Fülle aus einer reliefierten Terrakotta-Vase hervor, die am Rande einer geschweiften Mamorplatte vor gelbgrünlichem Hintergrund steht. Jan van Huysum war berühmt für prächtige Blumenund Früchtestillleben dieser Art. Sein außergewöhnlicher Detailrealismus bei der Wiedergabe von Blattadern, Tautropfen, Insekten und unterschiedlichen Texturen einzelner Blüten brachte ihm schnell den Ruf ein, nach der Natur zu malen ein Topos, den schon Jan Brueghel d. Ä. rund 150 Jahre zuvor für sich in Anspruch nahm. 1 In einem Brief aus dem Jahr 1742 an den Herzog von Mecklenburg begründet van Huysum die lange Wartezeit auf ein bestelltes Gemälde gegenüber seinem Auftraggeber entsprechend damit, dass die passende Rose nicht eher zu haben gewesen sei. 2 Tatsächlich signierte der Künstler auch einige Werke mit zwei aufeinanderfolgenden Jahreszahlen, als hätte ihn die Arbeit an einem solchen Blumenstillleben aufgrund der unterschiedlichen Blütezeiten über ein ganzes Jahr in Anspruch genommen. Zudem unterhielt er einen eigenen Garten, wodurch er seinen Ruf als Naturmaler weiter nährte. Dass schließlich sogar eine Rosenart, Rosa huysumiana, nach ihm benannt wurde, zeigt, wie nachhaltig sein äußerst veristischer Malstil das Erscheinungsbild der Blumenstillleben im 18. Jahrhundert prägte. Der Kunstschriftsteller Jan van Gool (1685 1763) berichtet darüber hinaus in seiner Biografie über den Künstler, dass van Huysum aus dem Entstehungsprozess seiner Werke ein großes Geheimnis machte. Während seiner Arbeit durfte niemand die Werkstatt betreten, und er nahm mit Margareta Haverman (1720 1795) nur eine einzige Schülerin an. 3 Obwohl van Huysum demnach sehr darauf bedacht war, das Erfolgsrezept seiner Maltechnik für sich zu behalten, konnte er nicht verhindern, dass Künstler wie Jan van Os (1744 1808, Kat.Nr. 1) und dessen Sohn Georgius Jacobus Johannes van Os (1782 1861), Cornelis van Spaendonck (1756 1840) oder Wybrand Hendriks (1744 1831) ihm nacheiferten und seine Pastelltöne, hellen Hintergründe und Kompositionsideen übernahmen. Neben Gemälden fertigte Van Huysum auch eine Reihe von Zeichnungen einzelner Blüten und großformatige, far- 23 94 K ATA L O G K ATA L O G 95