Einführung in die Automatisierungstechnik



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18 1 Einführung Tabelle 1.3 zeigt die Vor- und Nachteile von unterschiedlichen Automatisierungsgraden: Tabelle 1.3 Vor- und Nachteile der unterschiedlichen Automatisierungsgrade Offline-Betrieb Online-/Open- Loop-Betrieb Online-/Closed- Loop-Betrieb Vorteile Nachteile Bemerkungen Letzte Entscheidung bleibt beim Bedienpersonal; Entlastung von Routinearbeiten; der Computer gibt Entscheidungshilfen Letzte Entscheidung bleibt beim Bedienpersonal; stärkere Entlastung von Routinearbeiten Höhere Arbeitsgeschwindigkeit; Personalaufwand sinkt; automatischer Alarm und Protokollierung möglich Menschliche Fehler wirken stärker; Fehler bei Datenübermittlung können leichter entstehen; hohe Reaktionszeiten; Protokollierung ist aufwendig; Personalkosten sind sehr hoch Menschliche Fehler wirken noch verstärkt; Fehler bei Datenübermittlung können noch leicht entstehen; Reaktionszeit immer noch groß Für Systemausfälle müssen Maßnahmen vorbereitet sein; hohe Investitionen nötig; erhöhte Komplexität Einsatz vor allem im Rahmen der Vorbereitung weitgehender Automatisierungsvorhaben, um das Verhalten eines technischen Prozesses genauer kennenzulernen. Keine entscheidenden Vorteile gegenüber Offline- Betrieb. Einsatz vor allem im Rahmen zeitlich begrenzter Übergangsperioden, um Erfahrungen über ein ge plantes Automatisierungsprojekt zu sammeln. Sinnvoll bei kontinuierlich über längere Zeitspannen laufenden Vorgängen (Amortisationsdauer). Produktautomatisierung Automatisierungssysteme, bei denen der technische Prozess in einem Gerät oder einer einzelnen Maschine abläuft. Anlagenautomatisierung Automatisierungssysteme, bei denen der technische Prozess aus einzelnen Teilvorgängen (Teilprozessen) besteht, die auf größeren, z. T. auch räumlich ausgedehnten technischen Anlagen ablaufen (siehe Tabelle 1.4).

1.1 Grundlagen/Begriffe 19 Tabelle 1.4 Beispiele für Produktautomatisierung und Anlagenautomatisierung Produkte bei der Produktautomatisierung Heizungssysteme Waschmaschinen Küchengeräte Filmkameras Spielzeug Messgeräte Technische Anlagen bei der Anlagenautomatisierung Kraftwerksanlagen Energieversorgungsnetz Hochregallager Walzwerkanlagen Klär- und Wasserwerke Labors und Prüffelder Kennzeichen bei der Produktautomatisierung technischer Prozess in einem Gerät oder einer Maschine dedizierte Automatisierungsfunktionen Automatisierungscomputer; meist Mikrocontroller oder SPS wenige Sensoren und Aktuatoren Automatisierungsgrad bis zu 100 % sehr hohe Stückzahlen (Serienprodukte) Engineering- und Softwarekosten spielen eine untergeordnete Rolle (Stückzahlen) Bild 1.6 zeigt ein Beispiel für die Produktautomatisierung. Bild 1.6 Beispiel für eine Produktautomatisierung

20 1 Einführung Kennzeichen bei der Anlagenautomatisierung technischer Prozess in einer oft räumlich ausgedehnten industriellen Anlage umfangreiche und komplexe Automatisierungsfunktionen SPS, PC oder Prozessleitsysteme sehr viele Sensoren und Aktuatoren mittlerer bis hoher Automatisierungsgrad Einmal-Systeme/Anlagen Engineering- und Softwarekosten sind für die Gesamtkosten entscheidend Bild 1.7 zeigt ein Beispiel für eine Anlagenautomatisierung. Bild 1.7 Beispiel für eine Anlagenautomatisierung 1.2Technische Prozesse Die folgenden Ausführungen zum Prozessbegriff verdeutlichen das Verständnis hinsichtlich unterschiedlicher Arten von Prozessen und deren Einordnung in Automatisierungssysteme. 1.2.1Begriffsbestimmung Ein Prozess ist nach DIN 66201 die Umformung und/oder der Transport von Materie, Energie und/oder Information. Nach dieser Norm versteht man im Weiteren unter einem Technischen Prozess, dass dessen Zustandsgrößen (Eingangs- und

1.2 Technische Prozesse 21 Ausgangsgrößen) mit technischen Mitteln gemessen, gesteuert und/oder geregelt werden können (siehe Bild 1.8). Bild 1.8 Technischer Prozess Charakterisiert wird der Prozess selbst durch seine Zustandsgrößen (Prozessgrößen), welche binär oder analog sein können. Nachfolgend einige Beispiele für Prozesszustandsgrößen. Analog: Temperatur, Druck, Geschwindigkeit, Füllstand, Mischungsverhältnis, Drehzahl, Durchfluss Binär: Schalterstellung, Ventilstellung, Schwimmerschalter, Tür- oder Fenster überwachung (geöffnet/geschlossen) Für die Automatisierung eines technischen Prozesses ist es notwendig, dass die Ausgangsgrößen gemessen (Sensorik) und die Eingangsgrößen beeinflusst (Aktuatorik) werden können. Aufgaben der Automatisierungstechnik sind somit: das Steuern, Regeln, Führen und Optimieren eines technischen Prozesses durch Beeinflussung der Eingangsgrößen unter Berücksichtigung der Ausgangsgrößen. Technische Prozesse sind sehr vielfältig in ihrer Ausprägung, die Spanne reicht von einfach bis sehr komplex (z. B. Waschmaschine, Kraftwerk). In Abhängigkeit von der Komplexität der technischen Prozesse bzw. deren Art werden unter Umständen diese Prozesse in Teilprozesse gegliedert. Typische Eigenschaften von Teilprozessen sind: Teilprozesse sind nicht unabhängig voneinander. Teilprozesse sind durch Energie- und Massenströme stark verkoppelt und dadurch regelungstechnisch schwer beherrschbar. Dadurch werden auch höhere Anforderungen an die Automatisierungseinrichtungen gestellt: hohe Verfügbarkeit (Vermeidung von langwierigen und teuren An- und Abfahrvorgängen) intelligente Überwachung und Steuerung der Prozesse (Störungsfrüherkennung, Condition Monitoring) Einsatz höherer Regelungsalgorithmen sowie von Mehrgrößenregelungen (bessere regelungsdynamische Beherrschung)

22 1 Einführung Tabelle 1.5 zeigt einige typische technische Prozesse und die damit verbundenen Vorgänge. Tabelle 1.5 Verschiedene technische Prozesse Prozess Stahlerzeugung Energieverteilung PKW-Produktion, Fertigungsautomaten Hochregallager, Krananlage Bahnsignalwesen, Ampelanlage Kraftwerk, Heizung Kommunikationssystem, Fernsprechnetz Flugsicherung Vorgang Umformung und Transport von Materie Transport von Energie Umformung von Materie Transport von Materie Umformung von Information Umformung von Energie Transport von Information Transport und Umformung von Information Wie bereits dargestellt, hat nun die Automatisierungstechnik die Aufgabe, technische Prozesse nach spezifischen Anforderungen und Vorgaben zu beeinflussen. Zur Umsetzung dieser Automatisierungsaufgabe wird ein technisches System benötigt. Diesen Gesamtablauf nennt man auch technischen Vorgang. In Tabelle 1.6 sind Beispiele für technische Vorgänge unterschiedlichster Anwendungen aufgeführt [Lau_99]. Tabelle 1.6 Technische Vorgänge Anfangszustand Technischer Prozess Technisches System Endzustand niedrige Raumtemperatur Beheizung des Raumes Ölheizungsanlage erhöhte Raumtemperatur verschmutzte Wäsche Waschvorgang Waschmaschine saubere Wäsche einzulagernde Bauelemente Teile ohne Bearbeitung Lagervorgänge Hochregallager Bauelemente eingelagert Bohrvorgang, Gewinde Bohrmaschine Teile bearbeitet schneiden, Oberfläche schleifen fossile Brennstoffe Energieerzeugung Kraftwerk Energiebereitstellung Um diese Aufgaben zu erfüllen, ist jeder technische Prozess mit einem technischen System verbunden. Bild 1.9 soll das Zusammenwirken verdeutlichen. Weiterhin sind die Hauptkomponenten sowie die Informationsflüsse dargestellt. Das technische System erhält mittels Sensorik Informationen aus dem Prozess und verarbeitet diese. Die berechneten Ergebnisse werden über Stellsignale zur Prozessbeeinflussung an die Aktuatoren übertragen. Die gerätetechnische Umsetzung des Systems ist stark von dem technischen Prozess und dessen Anforderungen abhängig.