3. Wie viel Anlehnung beim Pferd?



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Transkript:

I. 18 Allgemeine Probleme beim dressurmäßigem Reiten 3. Wie viel Anlehnung beim Pferd? Ein Paar zum Verlieben. Anna-Sophie Fiebelkorn mit dem Trakehner Imperio Bundeschampion der fünfjährigen Dressurpferde 2008. Ich habe mir eine fünfjährige Trakehner Stute vom Züchter gekauft. Angeritten war sie schon. Sie ist recht klein, vom Körperbau kompakt und sie hat einen kurzen Hals. Jetzt möchte ich sie weiter ausbilden und später auch mal auf Turnieren starten. Ich habe leider nicht die Möglichkeit, täglich Unterricht zu bekommen, und bin mir recht unsicher, was die Anlehnung betrifft bzw. wie ich folgendes Problem richtig angehen soll. Ich versuche sie immer genügend von hinten an die Hand ranzutreiben, habe aber Angst, dass ich trotzdem zu viel rückwärts einwirken könnte, und versuche sie deswegen mehr in Dehnungshaltung zu reiten. Genau in dem Moment reißt sie dann den Kopf hoch. Muss ich die Hand doch mehr dranlassen,aber wird sie mir dann nicht automatisch zu eng? Was ist denn ein gutes Maß für ein Pferd, eher enger oder doch lieber etwas freier in der Anlehnung?

Inhaltsverzeichnis Seite 5 6 Inhalt Vorwort Hinrich Romeike Einleitung Christoph Hess 3 8 9 14 18 22 28 36 42 48 52 56 60 67 77 85 92 93 99 105 111 118 124 130 134 140 141 144 146 147 150 155 160 161 164 169 175 176 I. Allgemeine Probleme beim dressurmäßigen Reiten 1. Probleme mit vierjährigem Pferd 2. Probleme in der Losgelassenheit beim Reiten auf Kandare 3. Wie viel Anlehnung beim Pferd? 4. Wie viel Gewicht darf man in der Hand haben? Hier ist Individualität Trumpf! 5. Was ist der größere Anlehnungsfehler zu tief oder zu hoch? 6. Anlehnungsschwierigkeiten beim Reiten auf Kandare 7. Was tun gegen Zügellahmheit? 8. Der Schritt ein wesentlicher Prüfstein 9. Pferd galoppiert vor der Galopphilfe an 10. Mein Pferd geht nicht rückwärts 11. Ungehorsam oder Schreckhaftigkeit? 12. Lehrpferd oder Leerpferd? 13. Wie lässt sich die Hinterhand kräftigen? 14. Auf die richtige Stellung kommt es an! II. Spezielle Probleme beim dressurmäßigen Reiten 1. Trab- und Galoppübergänge Elixier für großes Traben 2. Mit tausend Übergängen zum ausdrucksvollen Mitteltrab 3. Auf den Weg zu guten Traversalen 4. Probleme in der Galopparbeit 5. Die Hilfengebung beim fliegenden Wechsel 6. Der fliegende Galoppwechsel nicht im Fluge zu erlernen 7. Kandare strotzt 8. Zungenproblem Was tun? III.Cavaletti-/Stangenarbeit 1. Cavaletti-/Stangenarbeit als Bestandteil der Ausbildung 2. Dressurtraining mit Cavaletti IV. Problembereich Springen 1. Wie häufig in der Woche Springtraining? 2. Parieren geht über Studieren Stark in der Distanz 3. Der letzte Sprung ein Problem V. Problembereich Gelände 1. Das Überwinden von Gräben 2. Sich-einfach-fallen-Lassen: Treppenstufen 3. Schmale Hindernisse Literaturempfehlungen Stichwortverzeichnis

Allgemeine Probleme beim dressurmäßigem Reiten 19 I. Grundsätzliches In der Anlehnung zeigt sich, wie viel reiterlicher Takt im Sattel vorhanden ist. Es zeigt sich, ob das Zusammenwirken der Hilfen in optimaler Weise erfolgt. Deshalb gehört in jede Reitbahn regelmäßig ein Ausbilder bzw. Trainer, der die Anlehnung des Pferdes von unten begutachtet. Empfehlenswert ist zusätzlich die Videokontrolle. Eine genaue Quantifizierung der Anlehnung ist nicht zu errechnen. Hier sind Reiter und Pferd gemeinsam gefordert. Es gibt ein nicht quantifizierbares Ideal doch davon muss in der Praxis des Öfteren abgewichen werden. Abweichungen erfolgen aufgrund der Exterieur- und Interieurgegebenheiten des Pferdes, seiner Rittigkeit bzw. seines Gerittenseins. Entscheidend ist das Gefühl des Reiters! Dieses sensibel zu entwickeln ist eine vorrangige Aufgabe für jeden Ausbilder. Rolle des Ausbilders Zwischen der gefühlten Anlehnung im Sattel und der Beurteilung vom Boden aus klafft oftmals ein großer Unterschied. Der Reiter glaubt, in korrekter Anlehnung zu reiten. Sicheres, vertrauensvolles Herandehnen an das Gebiss bei aktivem Abfußen und Vorschwingen der Hinterbeine. Die Bewegung des Pferdes fließt über den Rücken, den Hals durch das Genick in das Maul des Pferdes hinein. Dies spürt der Reiter mit seinen Händen und hat dabei das Gefühl, dass das Pferd sich vom Gebiss abstößt und im Genick nachgibt. Am jeweils äußeren Zügel darf die Verbindung etwas bestimmter bzw. stabiler sein als Hinführung zur Akzeptanz der diagonalen Hilfengebung. Die Nasenlinie des Pferdes ist an bzw. geringfügig vor der Senkrechten und das ist ganz entscheidend! das Pferd tritt sicher durch das Genick und lässt sich problemlos links und rechts stellen. Ganz anders kann der Ausbilder dies vom Boden aus beurteilen. Er sieht genauer, ob das Pferd zu eng im Hals ist, und kann oftmals besser erkennen, ob es reell durch das Genick geht und ob die Anlehnung in klassischem Sinne von hinten nach vorne erarbeitet wird, also der Rücken zum Schwingen kommt und die Hinterbeine herangeschlossen werden. Vielleicht öffnet der Ausbilder dem Reiter die Augen dafür, dass er unbewusst zu stark mit den Händen arbeitet (vielleicht sich sogar am Zügel festhält, weil er sich selbst nicht genug im Sattel ausbalanciert) und er sein Pferd von vorne nach hinten reitet. Oftmals ist es hilfreich, wenn der Ausbilder selbst von Zeit zu Zeit das Pferd des Schülers reitet. Erst dann erfühlt er, wie sich das Pferd seines Schülers in der Anlehnung reiten lässt. Er kann Probleme, die sich hier ergeben, besser einschätzen, als es vom Boden aus möglich ist. Oftmals wird das Pferd rechts und links unterschiedlich an das Gebiss herantreten. Dies steht in Abhängigkeit zu seiner natürlichen Schiefe. Merksatz: Eine feste, unelastische Verbindung zwischen Reiterhand und Pferdemaul ermöglicht keine von Vertrauen geprägte Anlehnung und lässt für Pferd und Reiter kein befriedigendes Reiterlebnis zu. Diese Erläuterung zeigt, wie schwierig es ist, sich im Sattel eine optimale

I. 20 Allgemeine Probleme beim dressurmäßigem Reiten Anlehnung zu erarbeiten, und wie unterschiedlich die Bewertung, die Beurteilung einer guten/richtigen Anlehnung sein kann. Das zeigt sich auch beim beurteilenden Richten auf den Turnieren, wenn für den einen Richter das Pferd schon zu eng im Hals ist, während der andere dies noch akzeptiert. Dadurch kann es zu erheblichen Abweichungen in der Bewertung kommen. Diese Pferd tritt zwar vertrauensvoll an die Hand heran; die Nase sollte jedoch noch deutlich weiter vorgelassen werden. Unterschiedliche Formen der Anlehnung Die äußere Haltung wird bei den einzelnen Pferden von Situation zu Situation unterschiedlich sein. Der Reiter wird das Pferd in bestimmten Situationen geringfügig tiefer einstellen, dabei kann das Pferd zeitlich begrenzt etwas enger im Hals werden und mit der Nasenlinie leicht hinter die Senkrechte kommen. Dies darf nur ganz kurzfristig hingenommen werden, weil durch diese tiefe und engere Haltung die Schulterfreiheit eingeschränkt wird. Das Pferd kommt dadurch auf die Vorhand, weil die Beweglichkeit der Schulter in nicht mehr befriedigender Weise gegeben ist. Bei anderen Pferden (Pferde, die z.b. einen eher tief angesetzten Hals haben) wird ein momentanes Höherkommen oder leichtes Gegen-die-Hand-Gehen (also ein Nicht-durch-das-Genick-Gehen) kein so gravierender Fehler sein. Der erfahrene und gefühlvolle Reiter wird wissen, wann er sein Pferd durch seine treibende Einwirkung tiefer einstellt und wann er es im erweiterten Rahmen mit mehr Bergauftendenz gehen lässt. Die Position der Hand, und zwar vorübergehend etwas höher, zeigt als Gegenüber zu der treibenden Hilfe dem Pferd den Weg in die Tiefe. Gewährleistet sein muss eine stets gleichmäßige, elastische und gefühlvolle Verbindung zwischen der Hand des Reiters und dem Pferdemaul. Deshalb ist es wichtig, dass das Pferd an den treibenden Hilfen des Reiters steht und eine willige Vorwärtstendenz zeigt, ohne davonzueilen. Das Pferd muss sich bei aller Gehfreude treiben lassen. Es muss auf die Reiterhilfe warten, um sich unmittelbar nach vorne

Allgemeine Probleme beim dressurmäßigem Reiten 21 I. Der Reiter formt das Pferd mit seinen Händen. zu bewegen. Ist an dieser Stelle eine Unterbrechung gegeben also eine instabile Verbindung vorhanden, wird nie eine vertrauensvolle und dem Ideal nahe kommende Anlehnung zu erreichen sein. Deshalb ist es wichtig, diesen Teil der Ausbildung bereits beim jungen Pferd in richtiger Weise vorzunehmen. Pferde, die hier Defizite haben (besonders was das Vertrauen zur Reiterhand anbelangt), werden diese bis ins hohe Alter mitschleppen und den Reiter nie zu einem genussvollen Erlebnis im Sattel verführen. Die Anlehnung ist besonders beim jungen Pferd durch häufiges Zügel-aus-der-Hand-kauen- Lassen zu verbessern und durch das Überstreichen zu überprüfen. Wichtig dabei: Stirnlinie kommt oder bleibt sicher vor der Senkrechten. Das Pferd öffnet die Ganasche und kippt nicht nach unten ab bzw. hebt sich nicht nach oben heraus. Die ständige Dehnungsbereitschaft ist das Kriterium des korrekt ausgebildeten Pferdes. Das Pferd darf allerdings in der Dehnungshaltung nicht das fünfte Bein suchen und sich nicht auf das Gebiss legen. Es soll lernen, sich unter dem Das Pferd gibt im Genick nicht nach. Dadurch kann es seinen Rücken nicht hergeben. Reiter ausbalanciert zu bewegen und sich (auch bei tieferer Einstellung) selbst zu tragen. Fazit Der Anlehnung kommt in der Ausbildung von Pferd und Reiter eine zentrale Bedeutung zu. Individuelle Gegebenheiten können in Einzelfällen akzeptiert werden, wenn der Ausbildungsweg in korrekter Weise beschritten wurde und das Pferd ehrlich und ohne übertriebene Einwirkung des Reiters nach vorne an das Gebiss heranzieht. Das Ziel guter Ausbildung besteht darin, die Anlehnung durch die fortgeschrittene Ausbildung immer leichter werden zu lassen. Das junge nicht 100-prozentig ausbalancierte Pferd benötigt deshalb noch eine etwas deutlichere Unterstützung durch den Reiter. Es wird eine gleichmäßige Anlehnung im Gegensatz zum gut gerittenen älteren Pferd noch nicht so lange durchhalten können. Hierauf muss sich der Reiter einstellen, will er Verkrampfungen beim jungen Pferd bzw. Rückschläge in der weiteren Ausbildung vermeiden.

Problembereich Springen IV. 155 3. Der letzte Sprung ein Problem Ich habe meine zwölfjährige Stute selbst ausgebildet. Sie ist ein tolles Pferd mit sensationeller Kampfeinstellung sie gibt immer 100 Prozent im Parcours. Dennoch habe ich grundsätzlich ein Problem mit dem letzten Sprung: Gerade auf dem Turnier ist es so, dass sie im Parcours meistens sehr gut geht und bis zum letzten Sprung fehlerfrei bleibt. Beim letzten Sprung kassieren wir des Öfteren aber einen Abwurf? Ich kann mir das nicht erklären. Wie kommt das, normalerweise springt sie so gut?

IV. Problembereich Springen 156 Grundsätzliches Ein Springen ist erst dann beendet, wenn der Reiter mit seinem Pferd die Ziellinie überquert hat und am letzten Hindernis keine Stange aus der Auflage gefallen ist. Der Parcourschef baut häufig am letzten Sprung eine besondere Schwierigkeit auf. Damit sollen die Reiter zum konzentrierten und besonnenen Reiten bis zum Schluss des Parcours angehalten werden. Wird auf Sieg geritten, erhöht sich das Fehlerrisiko. Das gilt in besonderer Weise für den letzten Sprung. Dort fehlt zum Beispiel die klare Grundlinie. Es wird eine besonders flache Auflage verwendet oder die Distanz vom vorletzten zum letzten Sprung ist so bemessen, dass sehr präzises Anreiten erforderlich ist, um das Hindernis fehlerfrei zu überwinden. Weitere Schwierigkeiten können bewusst eingebaut werden: eine spezielle Farbgebung, Licht- und Schatteneffekte, der Sprung zum Ausgang hin und/oder auf gebogener Linie, ein spezieller Hochsprung oder breiter Hochweitsprung. Der Ideenreichtum der Parcourschefs scheint hier keine Grenzen zu kennen. Warum das Ganze? Der Parcourschef will die Reiter anhalten, sich bis zum Überwinden des letzten Hindernisses auf den Parcours zu konzentrieren. Jeder Einzelsprung, jede Kombination, jede Wendung und all die anderen Elemente, die in einem Parcours abgefragt werden, müssen mit voller Konzentration angegangen, durchritten und überwunden werden. Gutes Parcoursreiten setzt ein Höchstmaß an Konzentration bei Reiter und Pferd voraus. Wer nicht in der Lage ist, sich während des gesamten Parcours zu 100 Prozent zu konzentrieren, wird immer wieder unnötige Fehler in den Parcours einbauen. Der Reiter, der besonders konzentriert und hoch motiviert an die Anforderungen im Parcours herangeht, wird derjenige sein, der den Parcours am ehesten fehlerfrei und in guter Zeit absolviert. Dem letzten Hindernis muss der Reiter sein volles Augenmerk widmen. Reicht seine Konzentration nur bis zum vorletzten Sprung, wird er häufig Fehler am letzten Hindernis haben und das unabhängig davon, welcher Sprung dort auf Pferd und Reiter wartet. Merksatz: Konzentration und Siegeswillen sind Schlüsselqualifikationen eines guten Springreiters. 90 Prozent des Erfolges macht der Kopf aus! In der Psychologie ist das Phänomen der self-fulfilling prophecy ein sehr bekanntes Phänomen. Verbindet der Reiter das letzte Hindernis mit negativen Assoziationen, wird er häufiger Fehler an diesem haben, als dies der Fall wäre, würde er mit voller Konzentration, aber unbekümmert an dieses Hindernis heranreiten. Bei aller Konzentration muss sich der Reiter eine gewisse Lässigkeit erhalten. Diese Lässigkeit ermöglicht es ihm, mit Biss und dennoch entspannt das Hindernis anzureiten. Angestrebt wird eine positive Anspannung, die auch als Eu-Stress bezeichnet wird. Eine Verkrampfung des Reiters führt ebenso zu Fehlern wie zu leichtfertiges Anreiten des letzten Hindernisses. Eine wichtige Voraussetzung ist, dass der Reiter selbst physisch und mental locker bleibt. Dann ist die

Problembereich Springen 157 IV. Chance am größten, dass der Reiter in einer kritischen Situation vor dem letzten Hindernis intuitiv richtig auf sein Pferd einwirkt. Aus der inneren Losgelassenheit heraus wird er gefühlvoll in die Bewegung des Pferdes eingehen und sein Pferd nicht stören. Damit haben Pferd und Reiter gemeinsam die besten Chancen, das Hindernis fehlerfrei zu überwinden. Hektisches und dadurch meist störendes Einwirken des Reiters verunsichert das Pferd! Es wird aus der Konzentration und der Balance gebracht. Die so wichtige Lockerheit bei aller innerer Anspannung geht damit leicht verloren. Ein Fehler kann die logische Konsequenz sein. Der Reiter muss sich darum bemühen, während des gesamten Parcours bei seinem Pferd eine positive Spannung zu erhalten. Ist ihm dies möglich, hat er die besten Chancen, den letzten Sprung mit der gleichen geschlossenen und ausbalancierten Galoppade anzureiten wie den ersten und die dann folgenden. Für viele junge Pferde und unerfahrene Reiter stellt dies ein echtes Problem dar. Der Reiter muss lernen, sich über den Parcours hinaus zu konzentrieren. Lässt er sich leicht ablenken bzw. ist er nicht in der Lage, über einen längeren Zeitraum seine Konzentration auf das Wesentliche im Parcours zu lenken, wird er häufig unnötige Fehler haben wie in diesem Falle am letzten Hindernis.

IV. Problembereich Springen 158 Autogenes Training ist eine Maßnahme zur Konzentrationsverbesserung, die dann in das Trainingsprogramm des Reiters eingebaut werden sollte, wenn hier Defizite erkennbar werden. Deshalb sind mentale Trainingsprogramme, wo der Reiter sich selbst sieht ( Kopfkino"), wie er in für ihn optimaler Weise den Parcours reitet, und zwar bis über das Ziel hinaus, hilfreiche Maßnahmen. Ebenso kann der Reiter per Selbstgespräch den Ritt mental durchlaufen oder aus seiner Innenperspektive heraus den Ritt erleben. Durch das geistige Üben sichert er ab, dass es beim Ritt auch klappt. Wichtig ist, dass man diese Übungen an einem ruhigen Ort und in entspannter Atmosphäre macht. Kurz gesagt: Es geht um die Innenperspektive: Gemeint ist, dass man sich in die Bewegung hineinversetzt und die Körperspannung spürt, also von innen heraus. (Dr. Gaby Bussmann, Dipl.- Psychologin Sportpsychologie) Der stets guten Durchlässigkeit des Pferdes muss sich der Reiter in diesem Zusammenhang in besonderer Weise widmen. Es gibt eine Vielzahl von Pferden, bei denen sich im Verlauf des Parcours die Rittigkeit verschlechtert. Als Betrachter eines Rittes mit diesem Problem hat man häufig den Eindruck, dass der Fehler förmlich in der Luft liegt. Oft ereilt das Schicksal den Reiter am letzten Hindernis, nachdem es vorher schon mehrfach geklappert hat. Ist dieses Phänomen Ursache für häufige Fehler am letzten Hindernis, dann hilft nur eines: Die Rittigkeit verbessern und im Training Parcours springen, die von der Höhe her nicht übertrieben anspruchsvoll sind, dafür aber eine Vielzahl an Hindernissen beinhalten. Diese Trainingsparcours sollten mehr Hindernisse haben als auf den Turnieren in der jeweiligen Klasse verlangt werden. Die Vielzahl der Hindernisse fordert ein hohes Maß an Konzentration und fördert präzises Reiten. Dies gilt in besonderer Weise, nachdem die ersten Hindernisse absolviert wurden. Stellen sich bereits zu Beginn des Parcours Probleme ein, dann sollte nicht weiter geritten werden. Zunächst Gas und Bremse neu einstellen. Also mit dressurmäßiger Arbeit im mäßig entlastenden leichten Sitz das Pferd auf zumeist (großen) gebogenen Linien arbeiten, bis bei sicherer Tempokontrolle im Wechsel große und kleine Galoppsprünge geritten werden können. Fazit Der Reiter muss seinen gerittenen Parcours stets sorgfältig auswerten. Er sollte genau analysieren, wo er seinen Fehler/seine Fehler hatte und was die mögliche Ursache ist. Je sorgfältiger die Analyse vorgenommen wird, desto größer die Wahrscheinlichkeit, mit einem gezielten Training das Problem abzustellen. Beim häufig auftretenden Fehler am letzten Hindernis ist dies nicht immer einfach, weil hier neben dem richtigen Anreiten auch die psychische Komponente des Reiters (seine Konzentration und innere Losgelassenheit) eine wesentliche Rolle spielt.