Verlangsamung eines alten Mannes



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Transkript:

Verlangsamung eines alten Mannes Ein 79-Jahre alter Patient kommt morgens immer schlechter aus dem Bett, wird immer langsamer, macht kleine Schritte und will die Beine nicht mehr heben beim Gehen. Zielgruppe Allgemeinmediziner, Internisten, kardiologisch interessierte Ärzte aller Fachrichtungen Lernziele Breitkomplextachykardien: Differenzialdiagnosen und Therapie Linksschenkelblock: Elektrophysiologie und klinische Bedeutung Kardiale Resynchronisationstherapie ICD-Therapie EKG-Artefakte Autoren Maximilian v. Karais Albertinen-Herzzentrum Hamburg

Verlangsamung eines alten Mannes Seite 2 1. Anamnese Es ist ein harter Mittwoch in der Notaufnahme der Uniklinik: Die Zimmer sind voll, Angehörige beschweren sich und aus der Ferne der Flure hört man Geschrei von Kindern und Greisen. Ein 79-Jahre alter Patient wird Ihnen von seiner Frau vorgestellt, die Ihnen erzählt: Mein Mann kommt morgens immer schlechter aus dem Bett. Er wird irgendwie immer langsamer, macht kleine Schritte und will die Beine nicht mehr heben beim Gehen. Aber unsere Hausarztpraxis ist heute geschlossen. Bevor Sie zur ausführlichen Anamnese und körperlichen Untersuchung kommen, ist schon routinemäßig eine Laborentnahme und ein EKG durchgeführt worden. Wenige Minuten später legt Ihnen ein Krankenpfleger aufgeregt das EKG vor und fragt, ob er sofort einen Monitorplatz organisieren soll. 2. Untersuchungsbefund Depressiv wirkender Patient, der kaum eigene Angaben machen möchte. Allgemeinzustand unauffällig. Grobschlägiger Ruhetremor der rechten Hand. Herz und Lunge auskultatorisch unauffällig. RR 110/65 mmhg, Puls regelmäßig mit 70/min. Laborwerte ohne Auffälligkeiten. 3. Fragen 1. Beurteilen Sie das EKG. Welche nicht-kardiale Erkrankung könnte bei diesem Patienten vorliegen? 2. Nennen Sie Differenzialdiagnosen von Breitkomplextachykardien. Welche Therapie der häufigsten gefährlichen Form fällt Ihnen ein? 3. Stichwort ventrikuläre Tachykardie: Geben Sie Stichworte zur Elektrophysiologie und Ätiologie. Wenn eines der drei Brugada-Kriterien erfüllt ist, muss eine ventrikuläre Tachy kardie als bewiesen angenommen werden kennen Sie diese Kriterien? 4. Schildern Sie die elektrophysiologischen Vorgänge und die klinische Bedeutung eines Linksschenkelblocks. 5. Was wissen Sie über die kardiale Resynchronisationstherapie? 6. Erklären Sie die Funktion eines ICD-Systems und die Indikationen für die Implantation. 7. Bei welchen EKG-Befunden sollte man an Artefakte denken? Haben Sie praktische Tipps zur Vermeidung von Artefakten?

Verlangsamung eines alten Mannes Seite 3 4. EKG-Beurteilung 13,715 mm 13,715 mm Sinusrhythmus, Linkslagetyp, Herzfrequenz 67/min, kompletter Linksschenkelblock. In Ableitung I, II, avr, avl, avf, V 5 V 6 Überlagerung durch Bewegungsartefakte. In einigen Ableitungen könnte man auf den ersten Blick eine polymorphe Tachykardie mit breiten Kammerkomplexen vermuten. Dies ist aber nicht mit dem normalen Sinusrhythmus in Ableitung III zu vereinbaren. Bei genauerer Betrachtung ist zu erkennen, dass sich die groben Wellen unabhängig von den QRS-Komplexen bewegen. In Ableitung I und II sind über diesen Wellen noch die Spitzen der R-Zacken zu entdecken. Es liegen ein paar wenige anamnestische und klinische Hinweise auf ein Parkinson-Syndrom vor. Ursache für die Artefakte ist in diesem EKG tatsächlich ein typischer grobschlägiger Tremor der rechten Hand. Im Gegensatz zu Ableitung I (rechte Hand gegen untere Extremität) und Ableitung II (rechte Hand gegen linke Hand) ist die tremorfreie rechte Hand in Ableitung III nicht beteiligt, daher ist der Tremor in dieser Ableitung nicht zu sehen. SpecialChar_Roman_8pt SpecialCar_Roman_6pt SpecialChar_Ro SpecialCar_Roman_ I SpecialChar_Bold_8pt SpecialChar_Bold_6pt SpecialChar_B SpecialChar_Bold_ V1 II III V2 avr V3 V4 avl V5 avf V6 F30a Abbildung: EKG F30b 5. Breitkomplextachykardien Es ist praktikabel, Tachykardien mit breiten QRS-Komplexen in solche mit regelmäßigen und unregelmäßigen Kammeraktionen zu unterteilen. Beispiele für unregelmäßige Kammeraktionen sind: Vorhofflimmern mit Schenkelblock (letzterer kann auch intermittierend auftreten, z.b. frequenzabhängig, so dass er zunächst als nicht-vorbestehend für Verwirrrung sorgen kann), Vorhofflimmern mit Präexzitation (z.b. beim WPW-Syndrom),

Verlangsamung eines alten Mannes Seite 4 sogenannte polymorphe ventrikuläre Tachykardien oder Kammerflattern bei Torsade-de-pointes-Tachykardien. 13,715 mm 13,715 mm Bei regelmäßigen Breitkomplextachykardien handelt es sich meist um eine klassische ventrikuläre Tachykardie, zumindest bis zum Beweis des Gegenteils. Es kann auch eine regelmäßige supraventrikuläre Tachykardie vorliegen, die durch einen gleichzeitigen Schenkelblock oder durch Präexzitationsphänomene breite Komplexe erhält. Die weitaus wichtigste Breitkomplextachykardie ist die ventrikuläre Tachykardie, die einer notfallmäßigen Soforttherapie und intensivmedizinischer Überwachung bedarf: Sofern kein kardiogener Schock droht, kann eine medikamentöse Konversion mittels intravenöser Gabe von z.b. Ajmalin oder Amiodaron versucht werden. Falls die medikamentöse Therapie versagt oder schon hämodynamische Instabilität eingetreten ist, sollte eine sofortige elektrische Konversion erfolgen. Die Verdachtsdiagnose einer lebensbedrohlichen ventrikulären Tachykardie muss bei jeder Breitkomplextachykardie sofort im Kopf sein. MERKE: Im Notfall ist bei jeder Breitkomplextachykardie bis zum Beweis des Gegenteils von einer ventrikulären Tachykardie auszugehen. SpecialChar_Roman_8pt SpecialChar_Ro SpecialCar_Roman_6pt SpecialCar_Roman_ I V1 SpecialChar_Bold_8pt SpecialChar_Bold_6pt SpecialChar_B SpecialChar_Bold_ V2 II III V3 avr V4 avl V5 avf V6 F36a F36b Abbildung: Typisches EKG einer ventrikulären Tachykardie. 6. Ventrikuläre Tachykardie: Elektrophysiologie, Ätiologie, Brugada-Kriterien Ventrikuläre Tachykardien entstehen meist durch Re-Entry-Mechanismen. Es sind auch Spontandepolarisationen durch eine abnorme Automatie als Grundlage möglich. Endet die ventrikuläre Tachykardie (VT) innerhalb von 30 Sekunden spontan, spricht man von einer non-sustained VT (nicht-anhaltende VT). Sollte sie länger dauern, wird sie als

Verlangsamung eines alten Mannes Seite 5 sustained VT bezeichnet. Per definitionem besteht eine VT aus mehr als drei ventrikulären Komplexen mit einer Frequenz von über 100 Schlägen pro Minute. Kammertachykardien treten meist in Zusammenhang mit einer KHK auf, z.b. als Reperfusionsarrhythmien nach Myokardinfarkt oder im Randbezirk einer Myokardnarbe. Sie kommen aber auch infolge von Kardiomyopathien, Elektrolytverschiebungen, Medikamenteneffekten (vor allem durch Antiarrhythmika) oder Long-QT-Syndromen vor. Morphologisch zeigt eine VT verbreiterte QRS-Komplexe auf mindestens 120 msec. Eine Unterscheidung zu aberrant (ergo mit Schenkelblock-Bild) geleiteten supraventrikulären Tachykardien ist meist nicht einfach. Das Vorliegen eines der drei Brugada-Kriterien beweist eine ventrikuläre Tachykardie: AV-Dissoziation: Sichtbare P-Wellen, die keinen Bezug zu den QRS-Komplexen aufweisen. Fusions Beats: Kombinationssystolen, bei denen ventrikuläre und supraventrikuläre Erregung zusammenfallen und ein Mischbild eines gemeinsamen Kammerkomplexes bilden. Capture Beats: Von supraventrikulär inmitten von ventrikulären Schlägen durchschlagende QRS-Komplexe, die also schmal konfiguriert sind. 7. Linksschenkelblock: Elektrophysiologie und EKG-Morphologie Beim kompletten Linksschenkelblock leiten anteriorer und posteriorer Faszikel des linken Tawara-Schenkels die Erregung verzögert oder gar nicht auf das Kammermyokard über. Für einen kompletten Linksschenkelblock müssen zwei Kriterien erfüllt sein: QRS-Verbreiterung auf mindestens 120 ms (allgemeine Regel für komplette Schenkelblöcke). In Ableitung V 1 breite, tiefe S-Zacke nach oft verschwindend kleiner R-Zacke. Diese S-Zacke ist Ausdruck einer späten, langsameren Erregung des linken Ventrikels über das rechte Herz, weil der direkte Weg über den linken Tawara-Schenkel blockiert ist. In den linkspräkordialen Ableitungen V 5 und V 6 sieht man breite, positive, häufig M- förmige Kammerkomplexe. Der obere Umschlagpunkt der Kammerkomplexe erscheint als Ausdruck der Erregungsverzögerung in den linkspräkordialen Ableitungen auf der Zeitachse verspätet (nach rechts verschoben). 8. Linksschenkelblock: klinische Bedeutung Ein Linksschenkelblock kann ein Zeichen vitaler Bedrohung sein, wenn er nachweislich neu auftritt und bei zusätzlicher akuter oder progredienter koronarer Symptomatik. In einem solchen Fall wäre er als mögliches Zeichen eines Myokardinfarkts zu deuten. Die typischen EKG-Infarktzeichen sind in diesem Fall maskiert, und es tritt nur der Schenkelblock im EKG zu Tage. Die Blockierung entsteht hier z.b. durch eine Ischämie beider linken Faszikel. Klinisch bedeutsame Auswirkungen erhält ein Linksschenkelblock in Verbindung mit einer manifesten Herzinsuffizienz (z.b. im Rahmen einer dilatativen Kardiomyopathie);

Verlangsamung eines alten Mannes Seite 6 die typische Herzinsuffizienz-Symptomatik (z.b. Dyspnoe) kann dann rasch deutlich zunehmen. Als Folge der Blockierung werden das Septum zwar direkt, Teile der linken Herzwand aber nur verzögert erregt. Nicht selten kommt es dadurch zu einer Dyssynchronie der Herzkontraktion mit ungünstiger Hämodynamik. MERKE: Ein Schenkelblock muss immer im Zusammenhang mit der Klinik bewertet werden. Vor allem, wenn er neu auftritt, kann er sowohl Ausdruck als auch Ursache eines akuten kardialen Krankheitsgeschehens sein. 9. Kardiale Resynchronisationstherapie (CRT) Bei bis zu 40% der herzinsuffizienten Patienten tritt eine interventrikuläre Erregungsausbreitungsstörung mit der Folge einer Asynchronie der beiden Herzkammern auf (die elektrokardiographischen Korrelate sind Schenkelblockbilder). Durch einen Drei-Kammer-Schrittmacher (eine Vorhof- und zwei Ventrikelsonden) kann eine vorhofgetriggerte, biventrikuläre Stimulation erfolgen und die Kontraktion der Ventrikel wieder koordiniert werden. Dies führt zu einer Reduktion paradoxer Septumbewegungen und damit zu einer Verbesserung der linksventrikulären Funktion. 10. Indikation zur CRT-Implantation Es besteht eine klare Indikation zur CRT-Implantation bei Patienten im Sinusrhythmus mit einer Ejektionsfraktion < 30% (also deutlich reduzierter linksventrikulärer Funktion) trotz optimaler medikamentöser Therapie und einem breiten Linksschenkelblock (QRS-Zeit > 150 msec), unabhängig von der klinischen Symptomatik. Ob z.b. auch Patienten mit Rechtsschenkelblockbild oder Vorhofflimmern ein CRT-System erhalten sollen, wird weiter kontrovers diskutiert. 11. CRT-Systeme CRT-Systeme gibt es entweder mit integrierter Defibrillatorfunktion als CRT-D-Systeme ( D für Defibrillator) oder als reine Schrittmacher ohne Defibrillatorfunktion als CRT-P- Systeme ( P für Pacemaker). Bestehende ICD-Systeme können im Verlauf auf ein CRT-D-System nachgerüstet werden. 12. ICD-Therapie Ein implantierbarer Kardioverter-Defibrillator (ICD) ist ein Aggregat, das die sekundärprophylaktischen und primärpräventiven Ziele der Reduktion des plötzlichen Herztodes durch Kammerflimmern verfolgt. Das Gerät detektiert anhaltende ventrikuläre Rhythmusstörungen und unterbricht diese durch defibrillierende intrakardiale Schockabgabe über die Elektroden.

Verlangsamung eines alten Mannes Seite 7 Weiterhin erhält die aufzeichnende Funktion des Geräts besondere Bedeutung, um genaue Aussagen über einen zeitlichen Verlauf von auftretenden Rhythmusstörungen zu erhalten sowie um einzelne Rhythmusereignisse im Nachhinein zu spezifizieren. 13. Indikation der ICD-Therapie Die Implantation eines ICD ist sekundärprophylaktisch indiziert bei Überlebenden eines Herzstillstandes sowie bei Patienten mit anhaltenden malignen ventrikulären Arrhythmien und hämodynamischer Instabilität, unabhängig von der Ejektionsfraktion. Primärpräventiv sollten Patienten mit einem ICD versorgt werden, die unter symptomatischer Herzinsuffizienz mit einer linksventrikulären Ejektionsfraktion (LVEF) unter 35% leiden, trotz mindestens dreimonatiger optimaler medikamentöser Therapie. Nach einem akuten Myokardinfarkt erhalten Patienten mit ischämischer Kardiomyopathie frühestens 40 Tage nach dem Ereignis einen ICD, sofern die Ejektionsfraktion trotz optimaler medikamentöser Therapie weiter unter 30% bleibt. 14. Artefakte im EKG Die meisten EKG-Artefakte entstehen durch vertauschte Extremitätenelektroden. Wenn bizarre QRS- oder P-Achsen mit unrealistischen Lagetypen entstehen (etwa ein überdrehter Rechtstyp) oder wenn eine ausgeprägte Niedervoltage in den Ableitungen I, II oder III auftritt, sollte man aufmerken und immer zunächst die Elektrodenklebung überprüfen. Die Stromversorgung von in der Nähe stehenden Geräten kann im EKG zu typischen Störungen führen, die aber leicht zu erkennen sind: Wechselstrom wird 50 mal pro Sekunde umgepolt (50 Hertz), die im EKG sichtbaren Störungen treten bei einer Ableitungsgeschwindigkeit von 50 mm pro Sekunde also exakt einmal pro Sekunde auf. Häufigster Grund für solche Artefakte sind übrigens elektrische Betten. Da auch Skelettmuskeln bei der Depolarisation elektrische Felder erzeugen, ist bei einem Patienten mit Kältezittern (oder Parkinson-Tremor, s.o.) meist kein artefaktfreies EKG möglich. Schwankungen der isoelektrischen Linie können entstehen, wenn die ableitenden Elektroden ungenügenden Hautkontakt haben oder die Kabel unter Zug stehen. Bei der Anlage der Elektroden sollte stets darauf geachtet werden, dass sich die Kabel nicht überkreuzen. 15. Zusammenfassung Bei Tachykardien mit breiten Komplexen ist bis zum Beweis des Gegenteils von ventrikulären Tachykardien auszugehen. Differentialdiagnostisch kommen vor allem aberrant geleitete supraventrikuläre Tachykardien in Frage. Eine Entscheidungshilfe können die Brugada-Kriterien geben. Die Therapie von ventrikulären Tachykardien besteht in medikamentöser oder elektrischer Konversion, je nach Erfolg bzw. je nach hämodynamischer Situation.

Verlangsamung eines alten Mannes Seite 8 Ein Linksschenkelblock ist prinzipiell ein pathologischer Befund. Er sollte jedoch aufmerken lassen, wenn er nachweislich neu auftritt bzw. eine entsprechende klinische Symptomatik mit sich bringt. Ein LSB kann sowohl Ursache als auch Folge einer kardialen Störung sein: So kann er etwa die Hämodynamik bei bestehender Herzinsuffizienz verschlechtern oder z.b. aus einem akuten Herzinfarkt hervorgehen. CRT-Systeme (Cardiac Resynchronisation Therapy) sind Herzschrittmacher mit drei Elektroden (mit oder ohne Defibrillatorfunktion), die mittels biventrikulärer Stimulation die Auswurfleistung bei Herzinsuffizienz und Linkschenkelblock im Sinusrhythmus durch Abmilderung der interventrikulären Asynchronie verbessern. Die Implantation eines ICD-Systems ist sekundärprophylaktisch angezeigt bei Überlebenden eines Herzstillstandes sowie bei Patienten mit anhaltenden ventrikulären Tachykardien. Primärpräventiv besteht eine Indikation bei Herzinsuffizienz mit einer Ejektionsfraktion unter 35% trotz ausgereizter dreimonatiger medikamentöser Therapie. Artefakte im EKG haben vielfältige Gründe. Ein überdrehter Rechtstyp ist immer als Ver polungsartefakt anzusehen, es sei denn, er ist bekanntermaßen vorbestehend. Nahstehende elektrische Geräte, schlechter Elektrodenkontakt, straffer Kabelzug, überkreuzte Kabel sowie Muskelbewegungen sind andere häufige Fehlerquellen. 16. Literatur Trautmann N, v. Karais M: Die 50 wichtigsten Fälle: EKG, 1. Auflage, Elsevier-Verlag München (2010). Rudiger A, Hellermann JP, Mukherjee R, Follath F, Turina J. Electrocardiographic artifacts due to electrode misplacement and their frequency in different clinical settings. Am J Emerg Med 2007;25(2):174 8. Kligfield P, Gettes LS, Bailey JJ, Childers R et al. Recommendations for the standardization and interpretation of the electrocardiogram. J Am Coll Cardiol 2007;49(10):1109 27. Cleland JG al. The effect of cardiac resynchronization on morbidity and mortality in heart failure. N Engl J Med 2005;352:1539 1549. Moss AJet al. Improved survival with an implanted defibrillator in patients with coronary disease at high risk for ventricular arrhythmia. Multicenter Automatic Defibrillator Implantation Trial Investigators. N Engl J Med 1996;335:1933 1940. ELSEVIER PROFESSIONAL SOLUTIONS Hackerbrücke 6 80335 München professional-solutions@elsevier.de