Praktikumsbericht von Magdalena Ebertz Vom 13. September bis 22. Dezember 2010 hatte ich die großartige Möglichkeit, mein von meinem Studienplan pflichtgemäß vorgesehenes Schulpraktikum an der Deutschen Schule der Borromäerinnen in Alexandria zu absolvieren. Ich studiere im fünften Studiensemester katholische Theologie und Geschichte (Staatsexamen) an der Eberhard Karls Universität Tübingen. Es war für mein Studium nicht obligatorisch vorgesehen, dieses Praktikum an einer Schule im Ausland durchzuführen, ich hatte mich aber dafür entschieden, um mein interkulturelles, interreligiöses und sprachliches Wissen zu erweitern. An einer deutschen Schule untergebracht zu sein, war für die erste längere Auslandserfahrung und die gleich in Ägypten sehr hilfreich und gab mir Sicherheit, um für solch neue Erfahrungen offen zu sein. Das Praktikum in der Schule Zuallererst muss ich gestehen, den Lehrerberuf völlig unterschätzt zu haben. Ich habe es mir viel einfacher vorgestellt, ein/e gute/r Lehrer/in zu sein. Aber während der 13 Wochen an der Schule wurde mir bewusst, wie viele Fähigkeiten ein Mensch besitzen muss, um ein guter Lehrer zu sein. Es war für mich das erste Mal, dass ich nach zwei Jahren Schulabstinenz (Abitur 2008) wieder Schulalltag erleben konnte, dieses Mal aber aus einer ganz neuen Perspektive: nicht aus der Perspektive der Schülerin Magdalena, sondern als Praktikantin bzw. Lehrerin Frau Ebertz. Wie es die Richtlinien für das baden-württembergische Schulpraxissemester vorsehen, habe ich über 100 Unterrichtsstunden hospitiert und mehr als 30 Stunden (ca. 50) selbstständig unterrichtet. Sehr rasch wurden mir große Verantwortungen übertragen. So unterrichtete ich u.a. zweimal wöchentlich drei deutsche Sechstklässlerinnen im Fach Christliche Religion. Es kam auch häufig vor, dass ich allein ohne Lehrerbegleitung als Lehrervertretung in Klassen geschickt wurde, die ich unmittelbar zuvor im Unterricht hospitierend begleitet hatte. Der Großteil meiner Unterrichtsstunden wurde aber mit den jeweiligen Fachlehrern in Religion und Geschichte vor- und nachbesprochen. Bei Störungen im Unterricht durch einzelne Schüler/innen kam ich hin und wieder an meine Grenzen, da es mir nicht gelang, streng bzw. konsequent genug für Disziplin in der Klasse zu sorgen. Dabei wurde mir bewusst, wie viel Kraft es einen Lehrer kostet, immer
wieder für Ruhe und Aufmerksamkeit sorgen zu müssen. Nach Aussagen von Lehrerkolleg/innen (besonders den neuen) ist das Disziplinproblem wohl in Alexandria bzw. Ägypten besonders schwierig, da man im Vergleich zu Deutschland dort mit einer anderen Mentalität der Schüler/innen konfrontiert wird.. Daher denke ich auch darüber nach, ein weiteres Praktikum an einem Gymnasium in Deutschland zu absolvieren. In einem Klassenraum in Ägypten steckt viel mehr Energie als in deutschen Klassenzimmern. Und das wirkt sich einerseits positiv auf den Unterricht aus, indem die Schüler/innen deutlich motivierter, ehrgeiziger, strebsamer und lebendiger sind. Das heißt, man kann dort Schüler/innen leichter zum Arbeiten und Mitmachen motivieren. Sie wissen es zu schätzen, eine deutsche Privatschule besuchen zu können und Teil einer Elite zu sein. Sie werden dadurch und besonders durch die Eltern aber auch unter starken Leistungsdruck gesetzt. Täglich zusätzlich zum Unterricht zur Nachhilfe zu gehen, ist in Ägypten gang und gäbe. Andererseits wirkt sich das Mehr an Energie auch negativ in einem Klassenzimmer aus. Es geht dort viel lauter, lebendiger, emotionaler und unruhiger zu. Neben Hospitation und Unterrichten in den Fächern Geschichte und Religion hospitierte ich auch fachfremd: U.a. habe ich an einem Tag eine ganze Klasse begleitet (12a) und bei anderen Kolleg/innen den Unterricht beobachtet. Zusätzlich half ich einer Kollegin bei der wöchentlichen Zirkus-AG (ca. 25 Drittklässlerinnen). Das am Ende des Kalenderjahres erscheinende Jahrbuch der Schule las ich mehrfach Korrektur, half bei der (musikalischen) Ausarbeitung von zwei Schulgottesdiensten mit und nahm als Mitglied der Schul-Delegation an der alljährigen Gedenkveranstaltung in El Alamein am 23. Oktober 2010 teil. Bei der internationalen Gedenkfeier, an der seit Jahren der Kammerchor der Deutschen Schule der Borromäerinnen für die musikalische Ausgestaltung verantwortlich zeichnet, wurde der Gefallenen der zwei großen Schlachten aus dem Jahr 1942 gedacht. Selbstverständlich besuchte ich die zahlreichen Lehrerkonferenzen. Das sehr sympathische, auch teilweise recht junge und neu zusammengesetzte Lehrerkollegium und ganz besonders der Schulleiter, Dr. Hubert Müller, sowie die Schwestern des Hl. Borromäus-Ordens machten es mir sehr einfach, mich in der Schule wohl zu fühlen und in den Schulalltag konstruktiv einzubringen, was mit viel Anerkennung belohnt wurde. Für mehrere Tage durfte ich an einer Geschichtsfortbildung in der Westbank, der Talitha
Kumi Schule in Beit Jalla, zum Thema Der Nahostkonflikt im Schulunterricht teilnehmen. Das Fortbildungsprogramm war sehr abwechslungsreich gestaltet, da theoretische Inputs über die aktuelle Situation in den palästinensischen Autonomiegebieten durch zahlreiche Exkursionen u.a. nach Bethlehem und Hebron sowie Gespräche mit israelischen und palästinensischen Intellektuellen konkretisiert wurden und Gestalt erhielten. Unsere Erfahrungen und neu-gewonnenen, auch erschreckenden Eindrücke verarbeiteten und gaben wir weiter in einem von mir mitgestalteten Vortragsabend für alle Lehrerkolleg/innen sowie einer Präsentation vor Schülerinnen der Politik-AG. Meiner Meinung nach kann man den Nahostkonflikt und die Verwendung der beiden historischen Narrative (israelisch palästinensisch) erst dann ansatzweise verstehen, wenn man vor Ort war. Für die Zeit und Arbeit in der Schule und die Verarbeitung meiner Erfahrungen dort war für mich sehr hilfreich, dass ich ab Oktober mit einer Lehrerin zusammengewohnt habe, die selbst auch neu an der Schule war und daher an manchen Stellen mit ähnlichen Herausforderungen konfrontiert war. Mit ihr konnte ich mich über meine Erfahrungen und auch Grenzerfahrungen aus dem Schulalltag und dem Unterricht austauschen. Außerdem hatte ich dadurch die Möglichkeit, den privaten Alltag und die unterschiedlichsten Arbeitsfelder einer Lehrerin mit 29 Unterrichtsstunden/Woche mitzuerleben: Unterrichtsvorbereitung, Materialbeschaffung (in einer erst einmal fremden Umgebung wie Alexandria!), die andere Mentalität der Schüler/innen, Umgang mit Eltern von Schüler/innen, Zusatzveranstaltungen wie Leseabende, Elternabende, Konferenzen, Weihnachtskonzerte etc. und die Sorge um persönliche Freiräume. Obwohl ich mich an der Schule sowohl unter den Kollegen als auch unter den Schüler/innen sehr wohl und akzeptiert fühlte und ich die Zeit dort genoss, bin ich mir unsicher, ob ich mir vorstellen kann, mein Leben lang als Gymnasiallehrerin zu arbeiten. Mir fehlt, glaube ich, der pädagogische Wille und die Geduld, Kinder und Jugendliche Tag für Tag, von morgens bis nachmittags, in großen Klassen, eingeengt durch den Lehrplan, zu bilden und mitzuerziehen. Ich könnte mir sehr gut vorstellen, später mit Kindern und Jugendlichen zu arbeiten, dann vermutlich aber eher projektbezogen. Ich denke, die Erfahrungen, die ich in der Schule und einer anderen Kultur und Gesellschaft machen durfte, bestärken mich tendenziell eher, an meinem Berufsziel der Journalistin festzuhalten und dieses zu verfolgen. Meiner journalistischen Neugierde dienten die
Erlebnisse und Gedanken, die ich in Ägypten an den unterschiedlichsten Orten hatte. Ich glaube, in der Zeit dort Kompetenzen an mir entdeckt zu haben, die für einen Beruf im journalistischen Bereich sehr nützlich sein können. Mein persönliches Praktikum in und mit dem fremden Kontext Ich bin mit dem Anspruch nach Ägypten gegangen, mehr über Land und Leute zu erfahren. Dafür ist es unabdingbar, mit offenen und für Fremdes geöffneten Augen sich zu bewegen und mit Menschen vor Ort, also mit Ägyptern in Kontakt zu treten. Dies ist mir hier sehr gut gelungen, und viele Erlebnisse und Gespräche waren für mich sehr bereichernd. Mein begrenztes Smalltalk-Arabisch, das ich mir in der Zeit vor und während meines Praktikums vor Ort erworben habe, hat mir dafür einige Türen und Herzen geöffnet. In Begegnungen wurde mir immer wieder bewusst, wie gut ich mit Menschen eines anderen Kulturkreises zurechtkomme. Der Erwerb von interkultureller Handlungskompetenz in der Praxis während eines solchen Aufenthalts ist sicherlich nicht zu unterschätzen: fremde Kulturen nicht nur kennenzulernen, sondern mit ihnen in meinem Fall der ägyptischen Kultur auch umgehen und in ihr navigieren zu können. Denn dass dabei immer wieder sehr unterschiedliche Mentalitäten und Lebensweisen aufeinanderprallen, ist nicht herunterzuspielen. Hier sollen nur ein paar Beispiele aus dem Alltag genannt sein: die gesellschaftliche Zweiteilung in Bedienstete und Bediente, der freizügige Umgang mit Mobiltelefonen (z.b. in Konzerten, Gesprächen, Konferenzen), der dichte, scheinbar anomisch ablaufende Straßenverkehr mit Dauergehupe, der Müll, der einem auf Schritt und Tritt begegnet, das Verständnis von Freundschaft und, sehr intensiv zu erleben, der andere Umgang mit Zeit sowie das verzerrte, geradezu idealisierte Fremdbild von Deutschland und Europa. Die finanzielle Unterstützung des DAAD gab mir die Möglichkeit, auch außerhalb meiner Arbeitszeit kleinere Studienreisen zu unternehmen und dabei viel von Land und Leuten kennenzulernen. Ich unternahm Reisen in Oasen, Wüstengebiete, ans Rote Meer und nach Jordanien und ich konnte mit zwei Lehrerkollegen an einer einzigartigen Geschichtslehrer-Fortbildung in der Westbank (Beit Jalla) über den Nahostkonflikt im Schulunterricht teilnehmen. Vermutlich hätte ich diese kostspieligen vier Tage nicht miterleben können, wenn ich nicht über das DAAD-Stipendiengeld hätte verfügen können. Herzlichen Dank daher an den DAAD, der es mir mit dem Stipendium ermöglicht hat, durch Reisen und dabei erlebten interessanten Begegnungen mit
Menschen mehr und differenzierter über die Länder des Nahen Ostens, ihre Kulturen, Religionen und Traditionen und über ihre Geschichte und aktuellen politischen Geschehnisse zu erfahren. Ich bin mir sicher, dass mich die Monate in Ägypten sehr geprägt haben. Sie haben mir gezeigt, dass es sehr wohl für eine Europäerin möglich ist, in arabischen Staaten wie Ägypten für einen längeren Zeitraum zu arbeiten und zu leben. Ich werde mit meinem hier begonnenen Studium der Kulturen, Politik, Geschichte und Sprache der arabischen Staaten in Deutschland ziemlich sicher auch universitär fortfahren. Dazu hat mich die Zeit in Ägypten motiviert. Einem großen Etappenziel, das ich mit dem Praktikum im Ausland erreichen wollte, bin ich damit nähergekommen.emmendingen, den 28. Dezember 2010