Die interdisziplinäre Behandlung von Dysgnathien. 30 Jahre Erfahrung nur gemeinsam sind wir stark

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Kurzbericht zur Veranstaltung des Gnathologischen Arbeitskreises Stuttgart e.v. (GAK) am 27. Februar 2019 im Hotel Steigenberger Graf Zeppelin Stuttgart Die interdisziplinäre Behandlung von Dysgnathien 30 Jahre Erfahrung nur gemeinsam sind wir stark Referent: Prof. Dr. Dr. Dr. h. c. Konrad Wangerin, Stuttgart Eröffnung und Vorstellung des Referenten durch Dr. med. dent. Frank-Michael Maier Berichterstattung durch Elise Körner

Inhaltsverzeichnis 1. Kurzvita Prof. Dr. Dr. Dr. h.c. Konrad Wangerin... 1 2. Einleitung... 2 2.2 Entwicklungen in der Dysgnathiechirurgie... 2 2.3. Anamnese, Befund und Therapieplanung... 3 3. Fallbeispiele... 5 4. Manualmedizinische Funktionstests... 10 4.1 Meersseman Test... 10 4.2 Beinlängentest... 11 4.3 OMURA Muskelfunktionstest I III... 12 5. Prinzipien der Behandlungsschritte bei schweren 3D-Fehlbildungen... 13 5.1 Transversale Oberkieferdistraktion (TOKD)... 13 5.2 Vorteile des operativen Vorgehens zur TOKD... 14 5.3 Welche Möglichkeiten der OK-Erweiterung gibt es?... 14 6. Schlussfolgerungen... 15 7. Hilfsorganisation Förderverein Faziale Fehlbildungen Stuttgart ev... 16 i

1. Kurzvita Prof. Dr. Dr. Dr. h.c. Konrad Wangerin 1969 1978 Studium der Medizin und Zahnmedizin an den Universitäten Münster, Köln, TU München und LMU München 1975-1978 Staatsexamen Medizin und Staatsexamen Zahnmedizin 1979-1981 Assistenzarzt der Klinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie der LMU München 1981 Hilfsdienst mit der Dt. Soforthilfe an thai-kambodschanischer Grenze / Thailand 1981-1990 Assistenz- und Oberarztzeit in der Klinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie der Universität Kiel 1988 Habilitation im Fachgebiet Zahn-, Mund-, und Kieferheilkunde an der Universität Kiel 1990-2001 Ärztlicher Direktor der Klinik für Plastische Chirurgie, Marienhospital Stuttgart 1994 apl. Prof. der Universität Kiel 2002-2011 Ärztlicher Direktor der Klinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie, Marienhospital Stuttgart 2002 Dr. h. c. der Universität Klausenburg, Rumänien 2004 Hilfseinsatz mit Interplast in Kibosho, Tansania 2011-2013 Senior Director der Klinik für Gesichts-, Kiefer- und Wiederherstellungschirurgie des Paracelsus-Krankenhauses Ruit seit 2014 Niederlassung in Gemeinschaftspraxis mit Dr. Roman Beniashvili in Schorndorf / Baden-Württemberg Nationale und internationale Vortragstätigkeit, Autor von multiplen Publikationen. 1

2. Einleitung Herr Professor Wangerin gab zu Beginn seines Vortrags einen Einblick in die komplexen Fragestellungen, die bei der Behandlung von Patienten mit dentofazialen Fehlbildungen auftreten und veranschaulichte die Problematik, die beim Ausbleiben einer interdisziplinären Zusammenarbeit entstehen kann, anhand einiger Patientenfälle: Fall 1: weibliche Patientin, 45 Jahre alt Z. n. kieferorthopädisch kompensierter Klasse III im Jugendalter Patientin fühlte sich viele Jahre aufgrund ihres prominenten Kinns unwohl chirurgische Therapie: Kinnplastik durch ein interdisziplinäres Behandlungskonzept von Beginn an hätte man die Spätfolgen (Problematik des Gesichtsprofils) umgehen können Fall 2: weibliche Patientin, 48 Jahre alt transversale Oberkieferhypoplasie, unilateraler Kreuzbiss, Einzelzahnfehlstellungen mit Engständen, fehlender Zahn 25 Therapie: konservative GNE, MB und Ausformung der Zahnbögen Problematik im weiteren Verlauf: dentale Mittellinie stimmt nicht mit der Gesichtsmitte überein (Mittellinienverschiebung nach links) Zweittherapie: chirurgische TOKD zur Korrektur der dentalen Mittellinie zur Gesichtsmitte Fall 3: Fotodokumentation über die chirurgische Rehabilitation einer Patientin mit Franceschetti-Zwahlen-Syndrom/ Treacher-Collins-Syndrom/ Berry Syndrom/ Dysostosis mandibulofacialis über einen Zeitraum von 9 Jahren hinweg 2.2 Entwicklungen in der Dysgnathiechirurgie vor 1980 Segmentosteotomien und sagittale Spaltungen des Unterkiefers waren Standardprozeduren 1980 Multibandbehandlungen nahmen zu, Ausformung ganzer Zahnbögen, Voraussetzung für bignathe Osteotomien war die Entwicklung von Miniosteosyntheseplatten und schrauben und der down fracture des OK Konzept: KFO Behandlungen vor und nach der operativen Korrektur der 2

Kieferfehlstellungen wurden Standard 1990 MKG-Chirurgen und KFO wurden gleichberechtigte Partner, die intermaxilläre Immobilisation wurde reduziert, es entstanden OP Planungsstrukturen: Foto, Kephalometrie, Simulation, Modell-OP, OP-Splintherstellung, Distraktionen hielten Einzug in die Orthognathe Chirurgie 2000 die kontrollierte Blutdrucksenkung machte Bluttransfusionen überflüssig, bignathe Osteotomien erfolgten mit gleichzeitigen Mehrteilungen der Kiefer einschl. Kinnkorrekturen, stationäre Aufenthalte betragen 4-5 Tage 2.3. Anamnese, Befund und Therapieplanung Patienten mit dentofazialen Fehlbildungen benötigen die Hilfe unterschiedlicher Disziplinen. Ein umfassendes Behandlungskonzept für die bestmögliche individuelle Therapie bei komplexen Fehlstellungen kann nur durch eine sorgfältige interdisziplinäre Zusammenarbeit der unterschiedlichen Fachbereiche geschaffen werden. Durch etliche Fallbeispiele gibt Herr Professor Wangerin einen Einblick in Behandlungstechniken, Strategien und den interdisziplinären Workflow bei der Behandlung von Patienten mit komplexen dentofazialen Fehlbildungen. Einige Fallbeispiele sind seinem bald erscheinenden Buch Interfaces entnommen. Bei der Behandlung solch komplizierter Fälle gilt es vier Punkte bei der Anamnese und Planung zu beachten: 1. Gesicht z.b.: Long face, short face, Asymmetrie, Akromegalie 2. Skelettales Gerüst z.b.: mandibuläre/maxilläre Prognathie/Retrognathie, Hyperplasie/Hypoplasie OK/OK, skelettal offener Biss, Tiefbiss 3. Dentale Strukturen z.b.: Angle Klasse I, II, III, schmaler OK mit Kreuzbiss, asymmetrische Zahnbögen, Engstände, Zahnerkrankungen (Karies, Amelogenesis imperfecta, Hypodontie, Restzahnbestand, Zahnbetterkrankungen) 4. Dysfunktionen, functio laesa, Schmerz z.b.: Zungendyskinesie, Atemwegsobstruktionen (Makroglossie, Adenoide, Schnarchen) Körperfehlhaltung, Pathoendokrinologie, Schmerzen an Kopf/ Kiefergelenk/ Rücken, Psychogene Überbelastung, Tinnitus 3

An der Therapie mögliche beteiligte Fachdisziplinen - KFO - MKG-Chirurgie - Zahnarzt, Parodontologie, Prothetik und Implantologie - Zahntechnik - Orthopädie - Physiotherapie (perioperativ oder dauerhaft) - Osteopathie, Craniosakral- und manuelle Therapie - Schmerzmedizin - Logopädie und Phoniatrie - HNO - Schlafmedizin - Innere Medizin und Endokrinologie - Neurochirurgie - Gynäkologie (Osteoporose) - Nuklearmedizin - Onkologie - Neurologie - Psychiatrie Oftmals sind der Zahnarzt und Kieferorthopäde die ersten Ansprechpartner für Patienten mit komplexen Fehlstellungen und geben den Anstoß für eine fächerübergreifende Therapie: sie fungieren als Hauptleiter zwischen den verschiedenen Disziplinen und als Ratgeber für die Patienten und Angehörige. 4

3. Fallbeispiele Fall 1 Gesicht: Long Face Syndrom Skelettales Gerüst: Transversale und sagittale Diskrepanz der Kieferbasen dentale Strukturen: Angle Klasse II, frontal offener Biss Interdisziplinärer Behandlungsablauf Behandlungs KFO MKG Orthopädie Zahnarzt - etappen 1. BS-Vorfall, Physiotherapie Erstberatung Erstvorstellung 2. Hyrax-Apparatur eingesetzt Hyrax ex, anschließend Multiband UK/OK TOKD, Extraktion 35,45 3. weiter MB Bignathe Osteotomie MB ex, Retentionsgeräte ME, Extraktion 18, 28 4. KFO Kontrolle MKG Kontrolle, chirurg. PA Rezessionsdeckung im OK 5 BS-Vorfall L4/L5, OP und Physio; Vermessung der WS Orthopädische Kontrolle Erstvorstellung dann kons. Sanierung (MuHy, PA, Kons, Endo) Axiographie Axiographie, MuHy, PA mit Langzeitprovisorium, definitiver ZE, Aufbissschiene Zahnärztliche Kontrolle

Möglichkeiten der Segmentkippung bei OK-Mehrteilung (Planung in 3D) - Frontzahnsegment: - anteriore apikale Rotation - posteriore apikale Rotation - vertikale Verlagerung - Seitenzahnsegment: - Verbreiterung der apikalen Basis mit knöchernem Torque der Seitenzähne - Verschmälerung der apikalen Basis mit knöchernem Torque der Seitenzähne Fall 2 Gesicht: Brachyzephaler Gesichtsschädel Skelettales Gerüst : mandibuläre Retrognathie transversale Diskrepanz der Kieferbasen Dysfunktionen: erschwertes Abbeißen Interdisziplinärer Behandlungsablauf Behandlungsetappen MKG 1. Erstvorstelllung 2. Interdisziplinäres Konsil KFO Erstvorstelllung Aufbissschiene OP Planung Anfertigung der Hyraxschraube 3. OP: OK und UK Distraktion mit Kinnaugmentation Abstützung des posterior offenen Bisses mit einer Aufbissschiene 4. MB 5. OP Entfernung der Distraktoren nach 6 Mon. Entfernung der Aufbissschiene MB ex und Retainer 6

Fall 3 Gesicht: Mittelgesichtshypoplasie Skelettale Strukturen: Maxilläre Retrognathie mit skelettal offenem Biss Angle Klasse III Dentale Strukturen: Nichtanlage 12, 22; Z.n. LS durch KFO; Z.n. Prämolarenausgleichsextraktion 34, 44 mit LS Dysfunktionen: Erschwerte Nahrungsaufnahme, Kopfschmerzen Interdisziplinärer Behandlungsablauf Behandlungs- KFO MKG Zahnarzt etappen 1. Erstvorstellung Erstvorstellung 2. Interdisziplinäres Konzil 3. Herstellung OK und UK Distraktoren und Teil-MB TOKD UK: frontale Segmentdistraktion Erstvorstellung MB LeFort I Ost., OK Front Segm. Ost., Ex 18, 28 4. Prothetische Planung Implantatinsertion Regio 12, 22, 34, 44, Freilegung Aufbissschiene OK Langzeitprov. Def. ZE im OK und UK Lingualretainer 5. ME, Septorhinoplastik, Lippenaugmentation palatinale Veblockung der OK Front 7

Fall 4 Gesicht: Long Face Syndrom Skelettales Gerüst: Skelettal offener Biss Dentale Strukturen: Amelogenesis imperfecta Interdisziplinärer Behandlungsablauf Behandlungs- KFO MKG Zahnarzt etappen 1. Erstvorstellung 2. Erstvorstellung Erstvorstellung Aufbissschiene, MB OK/UK 3. Bignathe Ost. MB ex. KG Diag. OK Retentions- und Expansionsapparatur 4. Def. ZE UK, Langzeitprov. OK UK- Schienenretainer 5. ME OK und UK Kinnkorrektur 6. Def. ZE OK 8

Fall 5 Gesicht: Komplexe Asymmetrie von Gesicht und Körper Skelettale Strukturen: Maxilläre Hypoplasie, mandibuläre Laterognathie Angle Klasse III Alter bei Erstvorstellung: 12J 6M Interdisziplinärer Behandlungsablauf Behandlungsetappen 1. Alter: 12J/6M 2. Alter: 17J/8M KFO MKG Orthopädie Physiotherapie Erstvorstellung GNE MB MB ex und Aufbissschiene MB MB ex und Retainer OK UK Konsil: Wachstumsstörung Kiefergelenk, Knochenszintigraphie Bignathe Osteotomie Rhinoplastik und ME Konsil: Ausschluss Skelettale Wachstumsstörung Konsil: Sensomotorische Schuheinlagen Schmerz links Kopf, Manualtherapie kopfzentriert, präoperative Physiotherapie postoperative manuelle Lymphdrainage und Einübung neuer Bewegungsmuster 9

4. Manualmedizinische Funktionstests 4.1 Meersseman Test Besteht ein Zusammenhang zwischen Fehlbiss und Körperfehlhaltung? Photographische Dokumentation der Körperfehlhaltung (Beckenschiefstand?) Watterolleneinbiss bds., mehrfaches Schlucken und Umhergehen Erneute photographische Dokumentation der Körperhaltung Tritt eine Besserung der Körperfehlhaltung auf, ist die Wahrscheinlichkeit eines Zusammenhangs von Fehlbiss und Fehlhaltung hoch und auch die Wahrscheinlichkeit, durch Korrektur des Fehlbisses die Körperfehlhaltung nachhaltig zu verbessern, hoch. Der Einfluss der CMD auf das posturale System demonstriert durch den Meersseman Test: Dissertation von Philip Schumacher (2014) Mannheim Manualmedizinische Tests an 92 Probanden ergaben eindeutige Auswirkungen des stomatognathen Systems (ohne und mit Zusammenbiss und Auflegen von Okklusionspapier) auf periphere Strukturen wie Arme, Beine und Hüfte Schlussfolgerung: Kiefergelenkstellungen haben erheblichen Einfluss auf die Körperhaltung. Es besteht eine eindeutige Komplexität des Bewegungssystems, das sich von Kopf bis Fuß gegenseitig beeinflusst Der Meersseman Test ist eine schnelle und kostengünstige Möglichkeit, Kiefergelenksfehlstellungen und seine Auswirkungen auf den gesamten Körper zu diagnostizieren. 10

4.2 Beinlängentest Zur Vorbereitung der Untersuchung der Beinlänge zieht der Patient die Knie an, streckt die Beine wieder aus und hebt die Hüfte an. Abbildung 1: entnommen aus Boisserée, Schupp: Kraniomandibuläres und Muskuloskelettales System, Quintessenz Verlag Berlin, 2012 In einem nächsten Schritt hebt der Untersucher die Beine an und legt sie zur Untersuchung der Beinlänge zurück auf die Liege. Untersucht wird die Differenz der Beinlängen bei habitueller Okklusion und in Schlussbisslage. Gibt es Abweichungen zeigt sich ein Zusammenhang von Biss und Beschwerden. Abbildung 2: entnommen aus Boisserée, Schupp: Kraniomandibuläres und Muskuloskelettales System, Quintessenz Verlag Berlin, 2012 11

4.3 OMURA Muskelfunktionstest I III OMURA Muskelfunktionstest I Testung der absteigenden Muskelketten des Körpers A: Im Sitzen, Ruheschwebe und geschlossenen Augen Fingerringbildung: Aufziehen des Rings mit beiden Zeigefingern B: Im Sitzen mit kräftigem Zubiss Fingerringbildung: Aufziehen des Rings mit beiden Zeigefingern Ergebnis: Bei deutlichem Kraftunterschied Störung von Afferenz-Efferenz, Störung zwischen Kaumuskulatur und gesamter Wirbelsäule OMURA Muskelfunktionstest II Testung der absteigenden Muskelketten des Körpers Fingerringbildung (bei Linkshändern links, bei Rechtshändern rechts) A: Im entspannten Liegen mit geschlossenen Augen und in Ruheschwebe Fingerringbildung: Aufziehen des Rings mit beiden Zeigefingern B: Im Liegen mit geschlossenen Augen und kräftigem Zubiss Fingerringbildung: Aufziehen des Rings mit beiden Zeigefingern Ergebnis: Bei deutlichem Kraftunterschied zur Lösung des Fingerrings ist ein Zusammenhang zwischen Fehlbiss und Armmuskulatur wahrscheinlich OMURA Muskelfunktionstest III Testung der aufsteigenden Muskelketten des Körpers A: Im entspannten Stehen auf beiden Beinen, in Ruheschwebe und lockerer Kaumuskulatur, offenen Augen Fingerringbildung: Aufziehen des Rings mit beiden Zeigefingern Ergebnis: Bei schwacher Fingerringmuskulatur besteht Hinweis auf Fußmuskelinsuffizienz, Indikation für Schuheinlagen, die nach pedobarographischer Testung individuell angefertigt werden B: Im Stehen mit eingekrallten Zehen (kurzer Fuß nach Janda = Aktivierung der Fußmuskulatur), in Ruheschwebe u. mit lockerer Kaumuskulatur, Augen offen Fingerringbildung: Aufziehen des Rings mit beiden Zeigefingern Ergebnis: Bei schwacher Fingerringmuskulatur besteht Hinweis auf Schwächung der aufsteigenden Muskelketten. Indikation für Schuheinlagen, die nach pedobarographischer Testung individuell angefertigt werden 12

5. Prinzipien der Behandlungsschritte bei schweren 3D-Fehlbildungen 1. OP-Korrektur der transversalen Dimension, der hinteren Gesichtshöhe oder innerhalb des Zahnbogens (TOKD, TUKD oder Verlängerung der Rami oder Segmentosteotomien) KFO Vorbehandlung: MB, Diastemaverschluss, Symmetrierung und Ausformung der Zahnbögen 2. OP-Korrektur der sagittalen und vertikalen Dimension (Bignathe Osteotomie, hier besteht oft der Bedarf zur Mehrteilung des OK) KFO Nachbehandlung: Insbes. individuelle Positionierung der OK Frontzähne für Prothetik ZÄ Rehabilitation 5.1 Transversale Oberkieferdistraktion (TOKD) auch chirurgisch assistierte Gaumennahterweiterung (GNE), SARPE (Surgically Assisted Rapid Palatal Expansion) SARME (Surgically Assisted Rapid Maxillary Expansion) Zahnbogendiskrepanzen weisen unlimitierte Variationen auf, erfordern im Einzelfall auch Maßnahmen im Gegenkiefer und sollten interdisziplinär individuell geplant werden Beispiele für eine Indikation für eine TOKD: - Frontaler Engstand - Frontzahnprotrusion - Kreuzbiss bds. Gründe für die OK-Kompression: - Wachstumskomponenten - knöcherne Komponenten - dentale Komponenten - funktionelle Komponenten - Kombination verschiedener Komponenten 13

5.2 Vorteile des operativen Vorgehens zur TOKD knöcherne Erweiterung der nasalen Atemwege Erhalt der physiologischen Strukturen der inneren Nase (Schleimhaut, Härchen der Schleimhaut) keine narbigen Synechien mit Verlegung der nasalen Atemwege funktionelle Umstellung von Mund- auf Nasenatmung wird erleichtert 5.3 Welche Möglichkeiten der OK-Erweiterung gibt es? Konventionell zahngetragene Hyraxschraube (parallele OK-Erweiterung) Knochengetragener Distraktor mit KFO Behandlung während der Retentionszeit und individueller Positionierung zum Ausgleich der intramaxillären Asymmetrie Knochengetragener Distraktor als Retention im posterioren Molarenbereich Zahngetragene Fächerdehnschraube zur bevorzugt anterioren Erweiterung des OK Zu beachten: Abstützung des Distraktors mindestens dental, vorzugsweise knöchern stabilisiert Beispiele: Leone-Schraube BIPALEX Distraktor: verfügt über zwei Distraktionsschrauben und vier gelenkige Knochenverankerungen à individuelle Distraktion möglich Abbildung 3: BIPALEX Distraktor: knöchern verankerter Distraktor 14

6. Schlussfolgerungen Jede interdisziplinäre Behandlung einer OK-Kompression ist anders Jeder Fall einer Kieferkompression muss von allen Behandlern beurteilt werden Die Planung der OK-Erweiterung bedarf einer Modell- und einer röntgenologischen Analyse Die Planung der OK-Verbreiterung muss den UK-Zahnbogen miteinbeziehen Die TOKD kann die Kompression des OK, eingebettet in die KFO Behandlung, dauerhaft beseitigen Mit dem BIPALEX Distraktor ist eine individuelle Erweiterung des OK möglich Die transversale Retention mit dem Distraktor sollte nicht weniger als 6 Monate betragen, danach folgt kieferorthopädische Eingliederung eines Palatinalbogens Durch Ausnutzung der Möglichkeiten des BIPALEX Distraktors sollen OK- Mehrteilungen in der ein Jahr später folgenden bignathen Osteotomie vermieden werden Die operativen Maßnahmen der TOKD sollte die benachbarten nasalen Strukturen schonen Copyrighthinweis: Alle Bilder und Texte dieses Berichts unterliegen urheberrechtlichem Schutz. Jegliche Weiterverwendung erfordert eine gesonderte Genehmigung des Urhebers (Prof. Dr. Dr. Dr. h. c. Konrad Wangerin); Februar 2019 15

7. Hilfsorganisation Förderverein Faziale Fehlbildungen Stuttgart e.v. Auf Initiative von Professor Wangerin wurde zusammen mit 17 Kollegen, Freunden, Ordensschwestern und weiteren Sympathisanten im Marienhospital Stuttgart der Förderverein Faziale Fehlbildungen (FFF) im Jahr 1997 gegründet. Der Focus von FFF liegt auf der Versorgung von im Gesicht- und Kieferbereich fehlgebildeten oder manchmal auch traumatisierten Kindern. Er hat sich zum Ziel gesetzt, extreme Einzelfälle zu versorgen, die vor Ort nicht lösbar sind, weil die technischen Voraussetzungen oder die Nachsorge nicht gewährleistet sind. Der FFF gibt Kindern mit Gesichtsfehlbildungen eine Zukunft. Seit 22 Jahren hat ein breites Spektrum von privaten Spendern, an der Sache aktiv interessierten und engagierten Mitbürgern, Fußballstammtischen, Kaufleuten, Kleinunternehmern bis zu großen Wirtschaftsunternehmen und internationalen Konzernen es ermöglicht, die Lebensqualität von bedürftigen jungen Patienten nachhaltig zu verbessern. Philosophie 1. Helfen FFF hat sich zum Ziel gesetzt, Menschen mit Fehlbildungen und Verletzungen im Mund-Kiefer-Gesichtsbereich, die in ihren Heimatländern aufgrund fehlender technischer Voraussetzungen für komplizierte Operationen und fehlender medizinischer Kenntnisse nicht behandelt werden können, zu helfen Den betroffenen Menschen hilft FFF durch eine kostenlose medizinische Versorgung hier in Deutschland Die medizinischen Hilfsprojekte werden von den Ärzten und Schwestern ehrenamtlich erbracht, für die Hilfsprojekte müssen vom FFF lediglich die Fallpauschalen an die Krankenhäuser bezahlt werden 2. Fördern Weiteres Ziel ist die Ausbildung von Ärzten aus ärmeren Ländern, um die medizinische Qualität vor Ort zu steigern. Auf diese Weise kann vielen Patienten mit Fehlbildungen in Zukunft auch in ihren Heimatländern geholfen werden. 3. Aufklären Die medizinische Versorgung der Bevölkerungen variiert enorm. In vielen Entwicklungsländern gibt es bislang nicht einmal ein einfaches Gesundheitssystem. Deshalb ist die Arbeit des FFF so wichtig. Wenn man den FFF unterstützen möchte, gibt es viele Möglichkeiten, wie beispielsweise durch einmalige oder regelmäßige Spenden oder eine Mitgliedschaft im Verein. Weitere Informationen unter www.fffev.org 16