Sozialdemokratische Partei der Schweiz. Änderung des Fortpflanzungsmedizingesetzes (Präimplantationsdiagnostik): Vernehmlassungsantwort der SP Schweiz



Ähnliche Dokumente
Was sind die Gründe, warum die Frau, der Mann, das Paar die Beratungsstelle aufsucht?

s Präimplantationsdiagnostik. Änderung BV und Fortpflanzungsmedizinalgesetz (Differenzen)

Diese Broschüre fasst die wichtigsten Informationen zusammen, damit Sie einen Entscheid treffen können.

Bundesgesetz über die medizinisch unterstützte Fortpflanzung

Pränataldiagnostik und Schwangerschaftsabbruch

Inllusion Works. Procap Positionen. Präimplantationsdiagnostik Ethische Überlegungen zur Auswahl von Embryonen bei der künstlichen Befruchtung

Forschung am Menschen. Verfassungsbestimmung ARGUMENTARIEN CONTRA

Brustkrebs und Mammographie

Daten und Fakten. Gemeinschaftspraxis der Frauenärzte. Informationen zum Thema Kinderwunschbehandlung. Zentrum für Reproduktionsmedizin

Ein neues System für die Allokation von Spenderlungen. LAS Information für Patienten in Deutschland

Patienteninformation: Gentestung bei familiärem Brust- und Eierstockkrebs (Basis-Information):

Screening Das Programm. zur Früherkennung von Brustkrebs

Werte und Grundsätze des Berufskodexes für interkulturell Dolmetschende. Ethische Überlegungen: Was ist richtig? Wie soll ich mich verhalten?

Osteoporose. Ein echtes Volksleiden. Schon jetzt zählen die Osteoporose und die damit verbundene erhöhte Brüchigkeit der Knochen

Die Post hat eine Umfrage gemacht

Marketing und Kunden-Newsletter per Was ist zu beachten?

Privatinsolvenz anmelden oder vielleicht sogar vermeiden. Tipps und Hinweise für die Anmeldung der Privatinsolvenz

Die Forschung mit embryonalen Stammzellen ist ethisch nicht akzeptabel

Elternzeit Was ist das?

Säuglingsanfangsnahrung und Folgenahrung Was ändert sich? Was bleibt?

U R T E I L S A U S Z U G

Langfristige Genehmigungen

Reproduktionsmedizin und Embryonenforschung

Lineargleichungssysteme: Additions-/ Subtraktionsverfahren

Seite 1 von 7. Anlage 1. Erstes Anschreiben an den/die Beschäftigte/ -n. Frau/Herrn Vorname Name Straße PLZ Ort

STELLUNGNAHME der Lebenshilfe Österreich

Was meinen die Leute eigentlich mit: Grexit?

zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Berufskraftfahrer-Qualifikations-Gesetzes

WIR MACHEN SIE ZUM BEKANNTEN VERSENDER

Neomentum Coaching. Informationsbroschüre für Studienteilnehmer

Das NEUE Leistungspaket der Sozialversicherung. Mehr Zahngesundheit für Kinder und Jugendliche bis zum 18. Lebensjahr. Fragen und Antworten

«Eine Person ist funktional gesund, wenn sie möglichst kompetent mit einem möglichst gesunden Körper an möglichst normalisierten Lebensbereichen

Thorsten Sett-Weigel Berlin, den 28. März 2012 Finowstraße Berlin

Der Anspruch an eine ethische Nutzen- und Kostenbewertung

Urheberrecht in der Schule Was Lehrer, Eltern, Schüler, Medienzentren und Schulbehörden vom Urheberrecht wissen sollten

Bernadette Büsgen HR-Consulting

Entschließung des Bundesrates zur Rezeptfreiheit von Notfallkontrazeptiva auf der Basis von Levonorgestrel - Pille danach -

Vom Anfang des Lebens medizinethische Betrachtungen

micura Pflegedienste Köln

Wir machen neue Politik für Baden-Württemberg

Abschrift. Zur Optionspflicht, welche für Sie am eingetreten ist, weisen wir Sie auf folgendes hin:

M e r k b l a t t. Neues Verbrauchervertragsrecht 2014: Beispiele für Widerrufsbelehrungen

Ein Vorwort, das Sie lesen müssen!

Mehr Geld verdienen! Lesen Sie... Peter von Karst. Ihre Leseprobe. der schlüssel zum leben. So gehen Sie konkret vor!

Befristung Inkrafttreten des TzBfG BeschFG Abs. 1; TzBfG 14 Abs. 2 Satz 1 und 2

Psychosen. By Kevin und Oliver

Persönliche Zukunftsplanung mit Menschen, denen nicht zugetraut wird, dass sie für sich selbst sprechen können Von Susanne Göbel und Josef Ströbl

Die vorliegende Arbeitshilfe befasst sich mit den Anforderungen an qualitätsrelevante

Information zum Projekt. Mitwirkung von Menschen mit Demenz in ihrem Stadtteil oder Quartier

Das Persönliche Budget in verständlicher Sprache

Die neue Aufgabe von der Monitoring-Stelle. Das ist die Monitoring-Stelle:

Selbstständigkeit und Existenzgründung von drittstaatsangehörige Personen

Primzahlen und RSA-Verschlüsselung

Tipp III: Leiten Sie eine immer direkt anwendbare Formel her zur Berechnung der sogenannten "bedingten Wahrscheinlichkeit".

Welche Vorteile bietet die Anmeldung eines Kindes mit dem kita finder+?

Befragung zum Migrationshintergrund

Patientenverfügung. Was versteht man genau unter einer Patientenverfügung? Meine persönliche Patientenverfügung

RSV. RSV kennen. Das Virus, das Eltern kennen sollten. Informationen. Kinder schützen

Pränatales Screening auf Chromosomenstörungen. Pränatales Screening. Leitfaden für werdende Mütter und Väter. Leitfaden für werdende Mütter und Väter

Bericht über die Untersuchung zur Erblichkeit von Herzerkrankungen beim PON

AGROPLUS Buchhaltung. Daten-Server und Sicherheitskopie. Version vom b

Statuten in leichter Sprache

6 Schulungsmodul: Probenahme im Betrieb

Gemeinsame Erklärung zur inter-kulturellen Öffnung und zur kultur-sensiblen Arbeit für und mit Menschen mit Behinderung und Migrations-Hintergrund.

Wir, gewählter Oberster Souverän von Gottes Gnaden, Treuhänder des

Internet- und -Überwachung in Unternehmen und Organisationen

Meinungen zum Sterben Emnid-Umfrage 2001

Ist Fernsehen schädlich für die eigene Meinung oder fördert es unabhängig zu denken?

Informationen für Sie: Legasthenie [Lese-Rechtschreibstörung]

Zeichen bei Zahlen entschlüsseln

in vivo -- Das Magazin der Deutschen Krebshilfe vom

Stellungnahme der Bundesärztekammer

Leitbild. für Jedermensch in leicht verständlicher Sprache

Fragebogen zur Erhebung der Situation altgewordener psychisch erkrankter Menschen in den Angeboten der Sozialpsychiatrie in Mecklenburg-Vorpommern

Dr. Hans-Ulrich Rülke. Der nächste Schritt für unser Land Das Kurz-Wahlprogramm in Leichter Sprache

Verband der TÜV e. V. STUDIE ZUM IMAGE DER MPU

FRAGE 39. Gründe, aus denen die Rechte von Patentinhabern beschränkt werden können

Dipl.-Ing. Herbert Schmolke, VdS Schadenverhütung

Um Ihre Ziele durchzusetzen! Um Beziehungen zu knüpfen und zu pflegen! Um in Begegnungen mit anderen Ihre Selbstachtung zu wahren!

I.O. BUSINESS. Checkliste Effektive Vorbereitung aktiver Telefonate

Festigkeit von FDM-3D-Druckteilen

Der BeB und die Diakonie Deutschland fordern: Gesundheit und Reha müssen besser werden. So ist es jetzt:

Cytomegalie & Co. Häufige Virusinfektionen in der Schwangerschaft. Deutsches Grünes Kreuz e.v.

Grußwort. des Herrn Staatsministers. Prof. Dr. Bausback. bei dem Medizinrecht-Symposium der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe

IHR PATIENTENDOSSIER IHRE RECHTE

.WIEN-Richtlinie zur Beilegung von Streitigkeiten betreffend Registrierungsvoraussetzungen (Eligibility Requirements Dispute Resolution Policy/ERDRP)

Was bedeutet Inklusion für Geschwisterkinder? Ein Meinungsbild. Irene von Drigalski Geschäftsführerin Novartis Stiftung FamilienBande.

Pädagogik. Melanie Schewtschenko. Eingewöhnung und Übergang in die Kinderkrippe. Warum ist die Beteiligung der Eltern so wichtig?

Sächsischer Baustammtisch

Lassen Sie Geldwäscher nicht in ihr Unternehmen

VERERBEN IN ZWEI STUFEN

Newsletter Immobilienrecht Nr. 10 September 2012

Wegfall des Krankengeldes nach 51 SGB V

WERKZEUG KUNDENGRUPPEN BILDEN

Die Invaliden-Versicherung ändert sich

DNotI. Fax - Abfrage. GrEStG 1 Abs. 3 Anteilsvereinigung bei Treuhandverhältnissen. I. Sachverhalt:

Transkript:

Zentralsekretariat/Secrétariat central Spitalgasse 34, 3011 Bern Postfach/Case postale, 3001 Bern PC 30-28039-3 Tel. 031/329 69 69/Fax. 031 329 69 70 www.spschweiz.ch/www.pssuisse.ch 7.. Mai 2009 Bundesamt für Gesundheit (BAG) 3003 Bern Sozialdemokratische Partei der Schweiz Parti Socialiste Suisse Partito Socialista Svizzero Änderung des Fortpflanzungsmedizingesetzes (Präimplantationsdiagnostik): Vernehmlassungsantwort der SP Schweiz Sehr geehrter Herr Bundesrat Couchepin Sehr geehrte Damen und Herren Wir danken Ihnen für die Einladung zur oben erwähnten Vernehmlassung und unterbreiten Ihnen hiermit gerne unsere Stellungnahme. 1. Stellungnahme der SP Schweiz: grundsätzliche Bemerkungen Die SP Schweiz unterstützt die Vorlage und die darin festgeschriebenen Grundsätze. Artikel 5 Absatz 2 des Entwurfs zum Fortpflanzungsmedizingesetz definiert anstelle des bisherigen Verbots die Zulässigkeitsvoraussetzung der Präimplantationsdiagnostik (PID), die aus Sicht der SP Schweiz ohne Einschränkung gelten soll. Die mit dieser Vorlage aufgeworfenen Fragen berühren ein Feld, das den ethischmoralischen Bereich des Lebens und des Individuums betrifft. Die damit verbundenen Überlegungen und Massnahmen bedürfen der grössten Sorgfalt und unsere Zustimmung zu dieser Vorlage ist deshalb daran geknüpft, dass die Anwendung restriktiv und nach transparenten und eindeutigen Kriterien erfolgt, siehe unsere Ausführungen unter Punkt 2. Der Grundsatz der Menschenwürde muss dabei stets im Zentrum stehen. Ökonomische Überlegungen oder gesellschaftlicher Druck dürfen niemals eine Rolle spielen. Die Gesellschaft muss vor eugenischer Manipulation geschützt werden. Die Selektion von Embryonen aus ökonomischen, politischen oder sonstigen Interessen Dritter wäre als Eugenik einzustufen und ist somit aus ethischen Gründen zu verbieten und unter Strafe zu stellen. Mittels PID kann prinzipiell jedes beliebige Merkmal, das genetisch bedingt ist und für das es einen Test gibt, zum Auswahlkriterium werden. Embryonen könnten nach Gewebeeigenschaften ausgewählt werden, beispielsweise um eine Übertragung von Knochenmark auf ein krankes Geschwister zu ermöglichen oder einen Embryo nach seinem Geschlecht auszuwählen. Genau hier liegt die Gefahr einer schrankenlosen eugenischen Verfügungsgewalt. Dies ist ethisch niemals zu rechtfertigen. Jede Aussage über die Lebensqualität des späteren Kindes und damit über den Wert seines Lebens ist unzulässig. Ziel des Gesetzes darf es nicht sein, genetische Informationen für bestimmte Krankheiten auszumerzen. Es ist ethisch auch unvertretbar, im Rahmen der PID Embryonen zu verwerfen, die nur ein geringes oder gar kein Risiko aufweisen, jemals zu erkranken. Ziel der PID darf und kann nicht sein, die Vermeidbarkeit von Krankheit und Behinderung zu demonstrieren. Das Verfahren darf auch nicht zu einer Entsolidarisierung mit Menschen mit einer Behinderung und deren Angehörigen führen. Nur ein 1

verschwindend geringer Bruchteil aller gesundheitlichen Beeinträchtigungen könnte zudem durch die PID vermieden werden. Die Befürchtungen der Elternvereinigung für Menschen mit geistiger Behinderung insieme, die sie zusammen mit ihren Schwesterorganisationen aus Deutschland, Österreich und Südtirol geäussert hat, sind ernst zu nehmen: Die PID schafft in hohem Masse die Gefahr der Stigmatisierung von Menschen mit Behinderung, indem sie dem Mythos Vorschub leistet, ein Kind nach Mass sei machbar. Die Situation von Menschen mit Behinderungen ist nicht allein von der Zulassung der PID abhängig, sondern wird von einer Vielzahl von Faktoren bestimmt. Der Gefahr der Diskriminierung von und negativen Einstellungen gegenüber Menschen mit Behinderungen ist deshalb im Rahmen einer umfassenden Gleichstellungspolitik entgegenzuwirken. Dazu verpflichtet das Behindertengleichstellungsrecht (Artikel 8 Absatz 2 BV sowie Behindertengleichstellungsgesetz). 1.1 Weiterführende Position der SP als starke Minderheitsmeinung Es sei darauf hingewiesen, dass es innerhalb der SP im Rahmen dieser Vernehmlassung auch eine starke Minderheit gibt, die eine weiterführende Öffnung propagiert, ohne selbstverständlich das Verbot jeglicher eugenischer Massnahmen auch nur ansatzweise in Frage zu stellen. Bereits bei den früheren Debatten zeigten sich innerhalb der Fraktion und der Partei unterschiedliche Positionen. Die moralisch-ethische Dimension der Frage lässt sich nur auf einer persönlichen Ebene beantworten, deshalb ist hier auch die Position der BefürworterInnen einer stärkeren Öffnung wiedergeben. Die Argumente für eine weitere Öffnung sind u.a. die Folgenden: Die vorgeschlagene Öffnung ist gar keine Öffnung, da aufgrund der äusserst restriktiven Bedingungen de facto kaum Untersuchungen stattfinden können werden. Wird die Regelung beibehalten, dass sich in einem Behandlungszyklus nur drei befruchtete Eizellen zu Embryonen entwickeln können und wird das Verbot der Kryokonservierung von Embryonen in vitro beibehalten, sind die Voraussetzungen für eine sinnvolle medizinische Entwicklung in der Schweiz bezüglich PID nicht gegeben. Es gibt einen unauflöslichen Widerspruch zwischen der pränatalen Diagnostik und der Präimplantationsdiagnostik. Ein bereits entwickelter Fötus kann z.b. auf Trisomie 21 untersucht werden, ein Embryo vor der Einpflanzung in die Gebärmutter hingegen nicht. Dieser Gegensatz müsste gelöst werden, der vorgelegte Vorschlag erfüllt dieses Anliegen aber nicht. Eine Gesetzesrevision, die den Bedürfnissen der betroffenen Paare Rechnung trägt, muss die medizinischen Entwicklungen und die damit verbundenen möglichen Techniken angemessen einbeziehen. Damit soll vermieden werden, dass sich Paare im Ausland, wo weitergehende Untersuchungen möglich sind, untersuchen lassen müssen. 2. Anforderungen der SP Schweiz an ein Fortpflanzungsmedizingesetz, das ethischmoralischen Kriterien entspricht Mit dem vorliegenden Vorschlag wird das Verbot der PID aufgehoben und durch ein Verfahren in einem restriktiven gesetzlichen Rahmen ersetzt. Die PID ist ein medizinisches Verfahren, mit dem im Rahmen einer künstlichen Befruchtung Embryonen genetisch untersucht werden, bevor sie in die Gebärmutter eingebracht werden. Jede Regelung, die die PID unter welchen Bedingungen auch immer zulässt, impliziert, dass dem Embryo in vitro keine uneingeschränkte Menschenwürde zugesprochen 2

wird. Zugleich besteht aber Konsens, dass Embryonen nicht als blosse Sache behandelt werden dürfen, sondern einen Schutzanspruch geniessen. Im Anschluss an die gewonnenen Informationen über ihre genetische Veranlagung besteht die Möglichkeit zu entscheiden, ob die einzelnen Embryonen auf die Mutter übertragen werden sollen. Die Kernfrage lautet, ob es überhaupt statthaft sein kann, eine Selektionsentscheidung und damit ein Qualitätsurteil über die Nachkommen zu fällen, das zudem auf einer Fehldiagnose gegründet sein kann. Die hier vorgeschlagene Regelung nun soll den betroffenen Frauen und Paaren eine zumutbarere Alternative zu einer während der Schwangerschaft durchzuführenden Pränataldiagnostik ( Schwangerschaft auf Probe ) mit eventuell anschliessendem Schwangerschaftsabbruch eröffnen. Die Vergleichbarkeit beider Situationen ist aber nur bedingt gegeben, weil bei der PID eine Konfliktsituation provoziert wird im Gegensatz zur unbeabsichtigten Notlage bei der natürlichen Schwangerschaft. Dennoch ist festzuhalten, dass mit dem PID-Verbot eine Ungleichgewichtung zwischen der Pränataldiagnostik und der PID und somit dem Schutz der Embryonen (und Föten) in vivo und in vitro gegeben ist. Das Lebensinteresse eines nur wenige Zellen grossen Embryos wird höher gewichtet als jenes eines bald lebensfähigen, noch nicht geborenen Kindes. Auf der anderen Seite kann die PID eine Entscheidung aus der Phase der Schwangerschaft in die Situation vorher verlagern und damit körperlichen und psychischen Belastungen vorbeugen, die mit einem Schwangerschaftsabbruch einher gehen können. 2.1 Die folgenden Grundsätze für die Zulassung der PID sind aus Sicht der SP einzuhalten Es darf nie um die Frage gehen, was lebenswertes bzw. lebensunwertes Leben ist. Die PID darf nur angewandt werden, wenn sich die konkrete Gefahr anders nicht abwenden lässt, dass das Elternpaar in eine unzumutbare Belastungssituation gerät, weil das zu zeugende Kind mit grosser Wahrscheinlichkeit an einer schweren erblichen Erkrankung leidet. Artikel 5a (neu) beinhaltet deshalb die Grundregelung, dass die PID nur dann erlaubt ist, wenn die konkrete Gefahr nicht anders abgewendet werden kann, dass sich ein Embryo mit der Veranlagung für eine schwere Krankheit in der Gebärmutter einnistet. Das Krankheitsrisiko muss aufgrund einer bekannten genetischen Disposition der Eltern bestehen. Das Elternpaar hat geltend zu machen, dass es durch die Geburt des in dieser Weise belasteten Kindes in eine unzumutbare Lage geraten würde. Damit wird klar, dass die leibliche und seelische Unversehrtheit der Mutter oder der Eltern als das zentrale schützenswerte Gut verstanden wird, das den Risiken und Nachteilen der PID gegenüber gestellt wird. Das Gesetz folgt damit in gewissem Umfang der Vorgabe von Artikel 119 StGB, der den Schwangerschaftsabbruch straflos stellt, wenn die Mutter durch die Schwangerschaft in eine schwere Notlage zu geraten droht. Beide Regeln tragen dem vergleichbaren Status von Embryonen und Föten Rechnung, der darin besteht, grundsätzlich an der Menschenwürde teilzuhaben, gleichwohl aber die Abwägung von Interessen in bestimmten belastenden Situationen zuzulassen. Bei der PID müssen aber strengere Kriterien angewendet werden, da die PID im Gegensatz zur pränatalen Untersuchung der Selektion dient. Es darf nicht zu einem Automatismus zwischen einem mutmasslichen mit der PID festgestellten Mangel und der Verwerfung des Embryos kommen. 2.2 Die behandelnde Ärztin oder der behandelnde Arzt muss prüfen, ob die folgenden Voraussetzungen erfüllt sind, so dass eine unzumutbare Situation eindeutig anerkannt werden kann Die Krankheit muss als schwer einzustufen sein. Der Gesetzgeber muss eindeutig festlegen, was unter schwerer Erkrankung zu verstehen ist. Geringfügige gesundheitliche Einschränkungen können die Gefährdung und Selektion von Embryonen im 3

Rahmen einer PID nicht rechtfertigen. Zur inhaltlichen Bestimmung des Begriffs der schweren Krankheit sind konkrete Parameter gefordert, die nach gängiger lebenspraktischer Auffassung eine schwere Erkrankung des Kindes und so eine unzumutbare Belastung der Eltern in emotionaler, körperlicher, zeitlicher und anderer Hinsicht ausmachen. Wie gross die Belastung tatsächlich ist, die von einer Krankheit des Kindes ausgeht, wird stark von den verfügbaren Ressourcen der Eltern beeinflusst sowie davon, ob und wie viel Unterstützung sie erhalten. Eltern müssen deshalb Möglichkeiten der Lebensgestaltung mit einem Kind aufgezeigt werden, das von der zu diagnostizierenden Krankheit betroffen ist. Ein weiteres Kriterium ist, dass die Krankheit mit hoher Wahrscheinlichkeit vor dem 50. Lebensjahr ausbrechen muss. Es wäre unverhältnismässig, einen Embryo zu gefährden oder zu vernichten, wenn dessen Erkrankungs- und Sterblichkeitsrisiko sich nicht wesentlich von dem einer nicht betroffenen Person unterscheidet. Eine weitere Bedingung für die Zulassung einer PID ist, dass keine wirksame und zweckmässige Therapie für die schwere Erkrankung zur Verfügung steht. 2.3 Andere Anwendungen müssen aus Sicht der SP verboten bleiben Verboten bleiben müssen Anwendungen, die der Allgemeinprävention gegen spontan auftretende genetische Defekte (z.b. Trisomie 21) oder der Durchführung einer PID zur Verhinderung einer multifaktoriell bedingten Erkrankung dienen. Die PID darf nicht durchgeführt werden in Form eines Screenings bei Unfruchtbarkeit oder erhöhtem Alter der Frau. Verboten sein muss auch das Ziel der Steigerung der Erfolgsrate der künstlichen Befruchtung zur Anwendung bei fruchtbaren Paaren im fortgeschrittenen Alter. Gleichermassen verboten sein müssen Anwendungen ohne Bezug zu einer schweren Krankheit sowie zur Auswahl immunkompatibler Embryonen oder zur positiven Selektion einer genetisch bedingten Anomalie. Verboten bleiben soll die PID auch zum Ausschluss des blossen Trägerstatus, dann also, wenn die genetische Veranlagung nicht zu einer manifesten Krankheit führen kann. Ebenfalls abzulehnen ist die Auswahl eines Embryos, der immunologisch verträglich mit einem schwer erkrankten Geschwister ist. Mit anderen Worten, wir wenden uns gegen die Erzeugung eines Retter - oder Design -Babys. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein natürlich gezeugtes Geschwister immunkompatibel ist, liegt bei 25%. Mittels IVF und PID kann die Wahrscheinlichkeit, eine/n passende/n Spender/in zu finden, gesteigert werden. Dabei wird nach immungenetischen Kriterien unter den in vitro erzeugten Embryonen derjenige Embryo ausgesucht, der zum erkrankten Geschwister passt. Zugleich wird im selben PID-Verfahren ausgeschlossen, dass das Retter - Baby ebenfalls Anlageträger für die gleiche Krankheit ist. Wir sehen darin eine Instrumentalisierung eines Menschen, die wir aus ethischen Überlegungen ablehnen. Ebenfalls abzulehnen ist die Auswahl eines immunkompatiblen Embryos, wenn das zu heilende Geschwister an einer nicht erblichen Krankheit wie z.b. Leukämie leidet. Ebenfalls abzulehnen ist die Selektion des Geschlechts des Embryos aus anderen Gründen als den unter Artikel 5a (neu) Absatz 1 erwähnten. Gemäss European Society of Human Reproduction and Embryology PGD Consortium wird die PID in Europa in etwa 3% der Fälle zur Selektion des Geschlechts angewandt. In den USA sind es etwa 10% aller PID-Zyklen mit dem Ziel des social sexing bzw. family balancing. Aus unserer Sicht ist dies eine verfehlte Entwicklung. 2.4 Die Aufhebung weiterführender Bestimmungen, die im Kontext der PID stehen, ist ebenfalls auszuschliessen Das Verbot der Kryokonservierung von Embryonen in vitro (Art. 17 Abs. 3 FMedG), das Verbot, in einem Behandlungszyklus mehr als drei befruchtete Eizellen zu Emb- 4

ryonen entwickeln zu lassen (Art. 17 Abs. 1 FMedG) sowie das im Stammzellenforschungsgesetz verankerte Verbot der Forschung an Embryonen (Art. 3 Abs. 2 StFG) ist aufrechtzuerhalten. 2.5 Keine Abgrenzungsschwierigkeiten in der Grauzone zwischen schwerer Krankheit und nicht krankheitsrelevanten Merkmalen zulassen Theoretisch kann jedes genetisch verursachte Merkmal eines Menschen zum Auswahlkriterium erhoben werden. Die Auswahl beispielsweise eines blauäugigen Kindes mittels PID wäre möglich, aber in keiner Weise ethisch legitimierbar. Insofern darf es keine Abgrenzungsschwierigkeiten in der Grauzone zwischen schwerer Krankheit und nicht krankheitsrelevanten Merkmalen geben, weil ausschliesslich in eindeutigen Fällen, in denen mit einer massiven Gesundheitsbeeinträchtigung zu rechnen ist, die Durchführung der PID erlaubt sein soll. Es darf kein Ermessensspielraum bestehen, der zu einer Erweiterung der Indikationen missbraucht werden könnte. Insbesondere soll einer allmählichen Ausweitung der Indikationsregelung gemäss Artikel 5a (neu) Absatz 2 aktiv entgegengewirkt werden. Mittels der in der Vorlage in Artikel 14a (neu) vorgeschlagenen Evaluation muss deshalb beobachtet werden, ob die gewählte Regelung eine derartige Ausweitung tatsächlich verhindert. Aus sozialer und gesellschaftlicher Sicht unerwünschte Tendenzen in der Indikationsstellung müssen so rasch als möglich erkannt werden, damit die notwendigen Korrekturmassnahmen eingeleitet werden können. Noch kaum geklärt ist die Frage, ob die Abspaltung negative Auswirkungen auf die Entwicklung des Embryos oder des Kindes haben könnte. Gänzlich unbekannt sind die langfristigen Folgen der Untersuchungsmethode für den Embryo, weil der weltweit erste nach einer PID geborene Mensch noch keine zwanzig Jahre alt ist. Ein kürzlich veröffentlichter wissenschaftlicher Bericht zuhanden der EU-Kommission zur Praxis der PID hat in den Ländern der EU die mangelnde Nachsorge und deren Auswertung auf internationaler Ebene als schwerwiegendes Problem identifiziert. Dieser Erkenntnis muss in der Ausgestaltung einer Schweizer Regelung Rechnung getragen werden. 2.6 Rolle der Ärztinnen und Ärzte und Vollzugsbehörde Wir begrüssen es, dass die Regelung verlangt, dass die ausführenden Ärztinnen und Ärzte eine umfassende genetische Beratung sowie Massnahmen zur Qualitätssicherung gewährleisten müssen. Das ausführende medizinische Personal muss im Interesse der Qualität und zur Sicherung einer gesetzeskonformen Praxis besonderen Bewilligungs- und Meldepflichten unterliegen. Wir unterstützen es, dass als Vollzugsbehörde das Bundesamt für Gesundheit vorgesehen ist. 2.7 Information und Beratung der Eltern, Wahrung der Selbstbestimmung Das Elternpaar muss über alle Schritte des PID-Verfahrens sowie über Alternativen hinreichend und transparent informiert und beraten werden. Dabei ist sein Selbstbestimmungsrecht zu wahren, indem zu jedem Schritt dessen Einwilligung ausdrücklich eingeholt wird. Die Verfügbarkeit der PID darf nicht dazu führen, dass betroffene Paare sich einem Druck ausgesetzt sehen, der ihre Entscheidungsfreiheit für ein behindertes Kind einschränkt. Die Entscheidungshoheit muss stets beim betroffenen Paar liegen. Die Beratung darf nur der individuellen und familiären Situation des betroffenen Paares und nicht irgendwelchen gesellschaftlichen Interessen Rechnung tragen. Zur hinreichenden Information gehören u.a. das Aufzeigen der Möglichkeiten der Lebensgestaltung mit einem Kind, das von der zu diagnostizierenden Krankheit betroffen ist, der Hinweis auf die eingeschränkte Aussagekraft und das Fehlerrisiko der ge- 5

netischen Untersuchung sowie die Information zu möglichen Risiken, die das Verfahren für die Nachkommen mit sich bringt. Wir verweisen auf die entsprechenden Ausführungen im Vernehmlassungsbericht: Die PID stellt gemäss Bericht ein schwierig durchzuführendes Verfahren dar, nicht zuletzt deshalb, weil höchstens zwei Zellen für den Test zur Verfügung stehen und das Verfahren nicht wiederholt werden kann. Deshalb ist das Risiko von Fehldiagnosen nicht zu vernachlässigen. Die Wahrscheinlichkeit, dass das Testergebnis korrekt ist, liegt zwischen 90-95%. Das grösste Problem sind falsch negative Untersuchungsergebnisse aufgrund von Kontamination mit Fremd-DNA oder aufgrund der Analyse nur eines statt der beiden Allele. In diesem Fall ist der Embryo Träger des Gendefekts, obwohl die Diagnose dies nicht aussagt. Im anderen Fall werden Embryonen verworfen, die keine Anomalie aufweisen. Ein weiteres Problem stellt der Mosaizismus dar, wobei unter einem Mosaik ein Embryo verstanden wird, der aus genetisch verschiedenen Zellen aufgebaut ist. So kommt es vor, dass die untersuchten Zellen ein anderes Genom aufweisen als die restlichen Zellen, was zu einer Fehldiagnose führt. 3. Rechtliche Abwägungen Das Grundrecht auf Leben ist absolut geschützt. Nicht abschliessend geklärt ist im schweizerischen Verfassungsrecht die Frage, ab welchem Zeitpunkt der Entwicklung menschlichen Lebens es greift und wie es auszugestalten ist. Die Bundesverfassung äussert sich nicht ausdrücklich zur PID. Zu beachten sind die Regelungsinhalte von Artikel 7 (Menschenwürde) und Artikel 10 (Recht auf Leben). Darüber hinaus ist Artikel 119 (Fortpflanzungsmedizin und Gentechnologie im Humanbereich) heranzuziehen. 1995 hat das Bundesamt für Justiz in einem Gutachten zur Zulässigkeit der PID Stellung genommen. Weder aus dem Grundsatz der Menschenwürde noch dem Grundrecht auf Lebensschutz ergeben sich nach diesem Gutachten verbindliche Antworten darauf, welcher Rechtsschutz Embryonen zu gewähren ist. Das Gutachten hält folgendes fest: Eine auf dem Vorliegen bestimmter Eigenschaften beruhende Selektion und Elimination von zu Implantationszwecken gezeugten Embryonen läuft in letzter Konsequenz auf die vom Verfassungsgeber verpönte Zuchtwahl im Sinne einer eugenischen Selektion hinaus. Beschränkt sich indessen die PID auf den Nachweis von vererbbaren und schwerwiegenden Krankheitsveranlagungen, vermag sie vor der Verfassung standzuhalten. Da gemäss Vernehmlassungsbericht die Bestimmungen des vorliegenden Gesetzesentwurfs mit den Grundrechten gemäss BV übereinstimmen, genügen sie auch den Anforderungen der EMRK. Die Bioethikkonvention des Europarats ist das erste Instrument auf internationaler Ebene, das für die Anwendung der Medizin und die biomedizinische Forschung verbindliche Regelungen vorsieht. Die eidgenössischen Räte haben in der Frühlingssession 2008 ihre Ratifizierung gutgeheissen. Wir danken Ihnen für die freundliche Berücksichtigung unserer Anliegen. Mit freundlichen Grüssen SOZIALDEMOKRATISCHE PARTEI DER SCHWEIZ Christian Levrat Präsident SP Schweiz Chantal Gahlinger Politische Fachsekretärin 6