Autoimmunität Spezifische Immunantwort gegen körpereigene Antigene ausgelöst durch die Produktion von Autoantikörpern und/ode autoreaktiven T-Zellen. Ist die Elimination des Selbst-Antigens nicht möglich, entsteh eine chronisch entzündliche Gewebszerstörung (organspezifisch oder systemisch).
Hypothesen für die Entstehung von Auto-AK: 1. Kreuzreaktionen durch virale oder bakterielle Proteine mit körpereigenen Ag nach Infektion 2. Veränderung körpereigener Strukturen werden als fremd erkannt 3. T-Suppressorzellen werden unterdrückt, oder T-Helferzellen sind vermehrt,
Autoimmunerkrankungen können wie Überempfindlichkeitsreaktionen entsprechend ihres zugrunde liegenden immunologischen Mechanismus des Gewebeschadens eingeteilt werden. Typ II Antikörper gegen Zelloberflächen- oder Matrixantigene (Pemphigus vulgaris, Autoimmunhämolytische Anämie) Typ III Immunkomplex-mediierte Erkrankungen (Systemischer Lupus Erythematodes, EAA) Typ IV T-Zell-mediierte Erkrankungen (Kontaktekzem, delayed type hypersensitivity)
Typ III - Überempfindlichkeit
LUPUS ERYTHEMATODES Autoimmunerkrankung aus der Gruppe der Kollagenosen systemischer Lupus erythematodes (SLE) subakut chronischer Lupus erythematodes (SCLE) chronisch discoider Lupus erythematodes (CDLE) Übergänge zwischen diesen Formen sind selten, aber möglich!
I. Systemischer Lupus erythematodes (SLE) Definition: Der systemische Lupus erythematodes (SLE) ist eine chronisch entzündliche, systemische, also den gesamten Organismus umfassende schubhaft verlaufende Autoimmunerkrankung, die häufig die Haut, die Gelenke, die Nieren, das Nervensystem, die serösen Häute (Rippenfell, Herzbeutel u.a.) und andere Organe des menschlichen Körpers betrifft. Man zählt ihn zu der Krankheitsgruppe der Kollagenosen. Geschlechterverteilung: : = 9 : 1 (im Alter von 15 45 Jahren) : = 3 : 1 (bei Kindern und alten Menschen) Prävalenz: 12 50 Fälle/100.000
Ätiologie nur teilweise bekannt, vermutete Mechanismen sind genetisch: HLA DRw2, HLA DRw3 (MHC II) assoziierte Autoimmunerkrankung Immunregulationsdefekt: Hyperreaktivität der B- Lymphozyten, Supressor-T-Zell-Defekt (?) => Autoantikörper Provokation durch Umweltfaktoren: UV-Licht, Medikamente, Hormone (Östrogene), eventuell Fremdantigene (virale Proteine)
Pathogenese - defekte T-Suppressor-Zellfunktion, dadurch Auftreten autoreaktiver B-Zellen - Störung im Komplementsystem (erniedrigte Serumspiegel des gesamthämolytischen Komplements und einzelner Komplementfaktoren) - Störung von Apoptose und Phagozytose Infektionsgefahr - Antikörper gegen Kernstrukturen (dsdna, Histone, Ribonukleoproteine), gegen Bestandteile des Zytoplasmas oder der Zellmembranen - Immunkomplexablagerungen Komplementaktivierung Gewebeschaden
KLINIK ARA-Kriterien (American Rheumatology Association) Diagnose gestellt, wenn mind. 4 der 11 Kriterien zutreffen Schmetterlingserythem im Gesicht Diskoider LE Photosensitivität Mundschleimhautbeteiligung (Ulzera) Nicht-erosive Arthritis Serositis (Perikarditis oder Pleuritis) Nephropathie ZNS Beteiligung Hämatologische Veränderungen: Hämolytische Anämie mit Retikulozyten und/oder Leukozytopenie < 4000/µl oder Lymphozytopenie < 1500/µl Immunologische Veränderungen: positiver LE-Zell-Test und/oder antidsdna Antikörper und/oder anti-sm Antikörper Antinukleäre Antikörper (ANA) in der Immunfluoreszenz
Häufigkeit der Symptome bei SLE
SYMPTOME 1. Allgemeinsymptome: - Müdigkeit, Abgeschlagenheit - Fieber oder subfebrile Temperaturen (Erstsymptomatik!) 2. Gelenke: - Arthralgien (meist morgendliche Schmerzen der großen und kleinen Gelenke) - Arthritis (entzündlichen Schwellungen) - Luxationsarthropathie (schmerzhafter Verformungen der Gelenke) - Tendosynovitis 3. Rippenfell: Immer wiederkehrende Pleuritis mit starken atemabhängigen Schmerzen des Thorax, selten Pleuraerguß
4.Haut: Typisch ist das schmetterlingsförmiges Erythem im Gesicht, welches durch Sonneneinstrahlung verstärkt wird. Aber auch disseminierte Exantheme (fleckig, gerötet und schuppig), Symptome wie ein kreisrunder, meist irreversibler Haarausfall, eine Entzündung der kleinen Gefäße der Haut (Vaskulitis ) oder Mundschleimhautentzündungen treten auf. Schmetterlingserythem bei einem Patienten mit Lupus erythematodes chronicus discoides (CDLE)
5. Niere Die Beteiligung der Niere (Lupusnephritis) ist von entscheidender Bedeutung für die Therapieplanung und die Prognose über die Entwicklung der Erkrankung. Die WHO hat die Lupusnephritis nach dem histologischen Bild folgendermaßen klassifiziert: Klasse I Klasse II Klasse III Klasse IV Klasse V Klasse VI Normalbefund Mesangiale Glomerulonephritis Fokal-segmentale Glomerulonephritis Diffus proliferative Glomerulonephritis Diffus membranöse Glomerulonephritis chronisch sklerosierende Veränderungen Vor allem bei Klasse IV und VI besteht eine schlechte Prognose, da es häufig zu Nierenversagen kommt. Bei Klasse IV mit aktiven entzündlichen Veränderungen kann eine intensive immunsuppressive Therapie ein Fortschreiten der Erkrankung eventuell verhindern.
Fokale Glomerulonephritis Einlagerung eines homogenen eosinophilen Materials wire-loop Hämatoxylinkörperchen
6. ZNS-Befall bei SLE: 20-70% der SLE-Patienten weisen einen ZNS-Befall auf, die Symptomatik umfasst viele neurologische und psychiatrische Zustandsbilder. 1. Neurologische Auffälligkeiten: - Epilepsie, zerebrale Krampfanfälle - zerebrovaskuläre Erkrankungen (beschleunigte Arteriosklerose, Schlaganfall bis zu 15%) - migräneartige Kopfschmerzen 2. Psychiatrische Auffälligkeiten - kognitive Dysfunktionen - Depressionen
7. Gefäße Vaskulitis der Hautgefäße an den Fingern Raynaud-Syndrom Bei Kältereiz entsteht ein Gefäßspasmus der Fingergefäße, der die Finger weiß und teilweise bläulich verfärbt (Raynaud-Syndrom). Dieses Symptom, welches schwächer ausgeprägt, auch Gesunde haben, wird bei vielen Erkrankungen aus der Gruppe der Kollagenosen (SLE, Sklerodermie u.a) gefunden.
HISTOLOGIE Epidermis: - Hyperkeratose - Atrophie des Str. spinosum - vakuolige Basalzelldegeneration - PAS-positive verdickte Basalmembran Dermis: - perivaskuläres entzündliches Infiltrat (lymphozytäres, monozytäres Infiltrat um Gefäße)
Hautbiopsie bei Lupus erythematodes. - Die Epidermis ist dünn, die Stachelzellschicht atrophisch. -Die Hyperkeratose dehnt sich auf Haar- und Talgfollikel aus. - Die Basalzellschicht scheint verflüssigt (= hydropische Degeneration). -Die ödematöse Dermis enthält herdförmige Ablagerungen eosinophilen Fibrins und dichte, besonders lymphozytäre Infiltrate.
Immunfluoreszenz In den Licht exponierten Hautarealen findet sich das sog. Lupusband, welches die Ablagerungen von Immunkomplexen in der dermoepidermalen Junktionszone (NICHT Basalmembranzonenantikörper). anzeigt. Lupus-Band-Test klumpig, granuläre ( lumpy bumpy ) Immunglobulin- und Komplementablagerungen (IgG>IgM, C3) Lupusband bei SLE in läsionaler und klinisch gesunder Haut, bei chronisch diskoidem LE nur läsional!
Nachweis von Autoantikörpern erfolgt mittels Immunfluoreszenz: direkt indirekt kranke Haut Nachweis zirkulierender Antikörper gesunde Haut
LABORUNTERSUCHUNGEN Als Grunduntersuchung bei Verdacht auf eine Kollagenose kann ein Screeningtest auf ANA durchgeführt werden, der bei pathologischem Ausfall je nach Krankheit durch einen Test auf einen oder mehrere, spezifische Antikörper ergänzt werden kann. Verdachtsdiagnose Screening Spezifische Untersuchung systemischer Lupus erythematodes medikamenten-induzierter Lupus erythematodes ANA ANA kutaner Lupus erythematodes ANA SSA ds-dna, Sm ss-dns, Histon-Ak Sjögren-Syndrom ANA SSA, SSB Sharp-Syndrom ANA RNP Sklerodermie ANA Scl-70 CREST-Syndrom ANA Antizentromer Polymyositis ANA PM-1, Jo
Verschiedene, teilweise sehr spezifische Laboruntersuchungen, helfen bei der Diagnose des SLE. Am wichtigsten sind die folgenden Autoantikörper, welche sich im Blut nachweisen lassen: Anti-Nukleäre Antikörper (ANA) mit homogenem Muster im Immunfluoreszenztest Anti-Doppelstrang DNA- Antikörper (ds-dna-ak) (Chromatin) Anti-Sm-Antikörper (Ribonukleoproteine) bei über 90% positiv sehr spezifisch für SLE sehr spezifisch für SLE Anti-Phospholipid-Antikörper (Anti-Cardiolipin-Ak) assoziiert mit einem Risiko für Thrombosen und Embolien Anti-Histon-Antikörper wenn alleine positiv (ohne ds-dna- Ak) spezifisch für den medikamenten-induzierten Lupus
Autoantikörper in der Immunfluoreszenz Autoantikörper: Bei SLE breites Spektrum an Autoantikörpern, vor allem gegen Zellkern-Antigene (Anti- Nukleäre-AK, ANA in 95%, vor allem gegen ds-dns), aber auch zytoplasmatisch (anti-sm);
Weitere Laborparameter BSG und Akutphasenproteine (CRP) Verringerung sämtlicher Blutzellen (Panzytopenie) jedoch selten - < 5%): Leukopenie (2500-4000/µl) Lymphopenie (< 1500/µl) Anämie; meist normochrome Entzündungsanämie, seltener auch autoimmun-hämolytische Anämie Thrombopenie Serumkomplement (CH50, C3, C4), zirkulierende Immunkomplexe Hypergammaglobulinämie, gemischte Kryoglobulinämie, pos. Rheumafaktoren Gerinnungsstörungen Leberenzyme, Kreatinin, Harnstoff Urinunteruchung: massive Proteinurie, Erythrozytenzylinder und Bluthochdruck sprechen für Nierenbeteiligung
Differentialdiagnosen chronische Polyarthritis bei isolierten Arthralgien, andere Kollagenosen wie Dermatomyositis, Sklerodermie versch. Hauterkrankungen: Rosacea, Ekzeme, Photodermatosen, Steroiddermatitis, Psoriasis etc... Steroiddermatitis Rosacea Photodermatose Dermatomyositis
THERAPIE 1. Acetylsalicylsäure bei milden Verlaufsformen 2. Glukokortikoide, Cortisonabkömmlinge (SLE spricht fast immer auf höhere Dosen Glukokortikoide an) 3. Immunsuppressive Medikamente z.b. Cyclophosphamid oder Azathioprin bei Lupusnephritis Beteiligungen des Zentralnervensystems und anderen lebensgefährlichen Organbeteiligungen strenges Meiden von Sonnenexposition! bei Frauen keine hormonellen Kontrazeptiva!
Prognose des SLE behandelbare aber nicht heilbare Erkrankung Nierenversagen und Infektionen sind die häufigsten Todesursachen sehr gutes Ansprechen auf Cortisonpräparate und Immunsuppressiva 10-Jahres-Überlebenswahrscheinlichkeit > 80% SLE ist keine Indikation für einen Schwangerschaftsabbruch
II. chronisch diskoider Lupus erythematodes (CDLE) Definition: Klinik: Chronisch entzündliche schubhaft verlaufende Dermatose mit scheibenförmigen Plaques. (tritt 10x häufiger als SLE auf!) im Zentrum der Erytheme atrophisch-blasse Areale follikuläre Hyperkeratose (schmerzhaft bei Druck) bei Entfernung der rauhen, fest haftenden Schuppe: Reißnagelphänomen - keratotischer Sporn aus Follikelostien Teleangiektasien, Pigmentveränderungen, narbige Alopezie scheibenförmige, scharf begrenzte Erytheme mit Schuppung (an lichtexponierten Arealen) keine systemische Beteiligung, kann aber in SLE übergehen!
Labor: selten ANA, sonst unauffällige Serologie Lupusband nur in befallener Haut Therapie: - lokal: Kortikosteroide (Okklusivverband od. Injektion) - systemisch: Chloroquin (Retinopathie-Gefahr) Histologie: (ähnlich des SLE)
chronisch discoider Lupus erythematodes (CDLE): frische CDLE-Herde an Wangen und Nase. Rundliche Erytheme mit festhaftender Schuppung, klaffende Follikelostien
Hypertropher CDLE-Herd
Chronisch diskoider Lupus erythematodes (CDLE) Im Verlauf 8 Jahre später auf das Hautorgan beschränkt; diskoide hyperkeratotische Plaques mit zentraler Atrophie, follikuläre Hyperkeratose
CDLE: narbiges Spätstadium. Unregelmäßig konfigurierte ausgedehnte atrophe Areale; erythematöse Randsäume als Zeichen partieller Aktivität: beginnende Gewebsdestruktion (Ohrläppchen, Nase)
III.subakut cutaner Lupus erythematodes (SCLE) Seltene, mildere Verlaufsform des SLE Manchmal befällt der Lupus erythematodes ausschließlich die Haut. Häufig sind nicht einmal die sonst typischen Auto-Antikörper zu finden. Neben striktem Lichtschutz und ev. Cortisonpräparaten sind Hydroxychloroquin oder Chloroquin (beides Anti-Malariamittel) die Mittel der Wahl.
Subakut cutaner Lupus erythemathodes (SCLE) Zwischenform mit Überschneidungen zwischen SLE und CDLE. - tiefe, schmerzhafte Knoten (Gesicht, Gesäß, Oberschenkel) - narbige Abheilung
Subakut cutaner Lupus erythematodes (SCLE) > 3 ARA-Kriterien erythematöse anuläre, teils konfluierende Plaques Gesicht, Thorax, obere Extremität Abheilung ohne Narbe Hypopigmentierung oft ausgeprägte Lichtempfindlichkeit keine oder nur milde Beteiligung innerer Organe Leukopenie BSG-Erhöhung ANA gegen dsdna und/oder Ro/SS-A
IV. Sonderformen des Lupus erythemadodes 1. Anti-Phospholipid-Syndrom: Anti-Cardiolipin-Antikörper 2. Medikamenten-induzierter Lupus erythematodes: Anti-Histon-Antikörper 3. konnataler Lupus erythematodes 4. akuter LE: akute oft tödlich verlaufende Form des SLE mit deutlicher Gesichtsschwellung, Fieberschüben, psychiatrische Symptome, Polyserositis, Vaskulitis, Arthralgien 5. bullöser LE: mit Blasenbildung, Variante des SLE