Klimaschutz ist der Wirtschaftsmotor der Zukunft



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Transkript:

74 Industry Journal 01 2010 Environment Klimaschutz ist der Wirtschaftsmotor der Zukunft Die Ökonomin Prof. Claudia Kemfert beklagt den Klimawandel und sieht in ihm gleichzeitig jede Menge Chancen. Mit dem Siemens Industry Journal spricht die renommierte Energieexpertin über Investitionen in mehr Energieeffizienz, den globalen Handels mit Verschmutzungsrechten und über ihre Essgewohnheiten.

Industry Journal 01 2010 Environment 75 Der Klimagipfel von Kopenhagen liegt nun schon eine Weile zurück. Wie bewerten Sie seine Ergebnisse aus heutiger Sicht? Leider hat er keinen Durchbruch gebracht. Zwar bekennt man sich weiterhin zu 爀 Zwei Grad-Temperaturgrenze. Wie dieses Ziel erreicht werden soll, wurde jedoch nicht festgelegt. Das ist nicht genug. Vermutlich wäre es sinnvoller, in Zukunft die Themen Klimaschutz und Anpassung an den Klimawandel auf getrennten Verhandlungsebenen zu behandeln: Verbindliche Klimaschutz- und Emissionsminderungsziele sollten im Rahmen der G20 festgelegt werden. Die Anpassungsleistungen an den Klimawandel (zum Beispiel Deichbau oder Wassermanagementsysteme) für alle Länder, aber insbesondere die Entwicklungsländer, könnte man im Rahmen von UN-Klimaverhandlungen verbindlich festlegen. War der Klimagipfel in Wirklichkeit nicht ohnehin eine Wirtschaftskonferenz? Es war die wichtigste Klimakonferenz, die es je gab. Aber Klimawandel und Klimaschutz haben auch ökonomische Auswirkungen: Langfristig werden die Kosten des Klimawandels die volkswirtschaftlichen Schäden drastisch steigen. Ausgaben für den Klimaschutz sind also nachhaltige Investitionen, die eine Volkswirtschaft langfristig besser stellen. Und die Kosten des Nicht-Handels sind zweifellos höher als die Kosten des Handelns. Manche Unternehmen hierzulande fordern einen Verzicht auf einseitige Vorleistungen Europas, weil sie Wettbewerbsnachteile befürchten. Könnten solche Vorleistungen aber nicht auch einen Innovationsschub auslösen, der langfristig auch ökonomisch nutzt? Auf jeden Fall! Der Klimaschutz ist der Weg aus der Krise, der Wirtschaftsmotor der Zukunft. Mit entsprechenden Technologien können wir drei Krisen gleichzeitig bekämpfen: die Wirtschaftskrise, die Energiekrise und die Klimakrise. Fossile Energien allen voran Öl, später auch Gas werden knapper und teurer. Die fossile Ressource Kohle steht uns zwar noch lange zur Verfügung, ihre Verbrennung verursacht jedoch klimaschädliche Treibhausgase. Das heißt: Die Kohletechnologie muss umweltschonend werden. Parallel dazu müssen wir aber auch die erneuerbaren Energien ausbauen, wesentlich mehr Energie einsparen, verstärkt Wärme und Strom gleichzeitig produzieren und nutzen Ausgaben für Klimaschutz sind nachhaltige Investitionen, die eine Volkswirtschaft langfristig besser stellen. Die Kosten des Nicht-Handelns sind höher als die des Handelns. sowie klimaschonende Antriebsstoffe und -techniken einsetzen. Die deutsche Wirtschaft kann wie keine andere vom Boom der erneuerbaren Energien profitieren, aber auch vom Ausbau der Energieeffizienz sowie innovativer Kraftwerksund Antriebstechnologien. Selbst in den klassischen Umweltschutzbranchen wie Müllverarbeitung, Recycling und Wasseraufbereitung kann sie ihren Weltmarktanteil noch ausbauen. In all diesen Bereichen können in den kommenden zehn Jahren bis zu eine Million zusätzliche Arbeitsplätze entstehen. Was sollte die Politik in Europa jetzt tun? Wichtig ist, dass sie die Weichen für eine energieeffiziente, nachhaltige und klimaschonende Wirtschaft stellt. Sie muss die erneuerbaren Energien weiterhin fördern und sollte finanzielle Anreize zum Energiesparen schaffen insbesondere im Gebäudebereich liegen große Potenziale. Durch gezielte finanzielle Förderung, Steuerersparnisse und verbesserte Möglichkeiten der Kostenüberwälzung für Immobilienbesitzer kann die Politik wichtige Signale setzen. Und alleine durch Steigerung der Energieeffizienz könnte beispielsweise die deutsche Volkswirtschaft um bis zu 23 Milliarden Euro pro Jahr entlastet werden! Auch im Bereich Mobilität gibt es viel zu verbessern: Der Schienenverkehr und der öffentliche Nahverkehr müssen

76 Industry Journal 01 2010 Environment stark gefördert, der Flugverkehr in den Emissionshandel aufgenommen und die deutsche Autobranche zukunftsfähig gemacht werden. Es gibt ja bereits ein Instrument für die CO 2 - Reduktion, nämlich den Emissionshandel. Kann er ein globales Erfolgsmodell werden? Der Emissionsrechtehandel ist ein kosteneffizientes Instrument für den Klimaschutz. Voraussetzung ist allerdings, dass alle Länder, alle Sektoren und alle Treibhausgase einbezogen werden. Das ist in der Praxis nicht der Fall. Das Scheitern von Kopenhagen ist in erster Linie auch ein Scheitern der globalen Klimaschutzinstrumente allen voran des globalen Emissionsrechtehandels. Allen Volkswirten, die den Politikern diese Lösung als allheilbringendes Instrument empfehlen, sei gesagt: Sie wird in naher Zukunft die unwahrscheinlichste Lösung sein. Denn letztendlich wollen alle Staaten alleine und im eigenen Land selbst entscheiden, ob und wie sie Klimaschutz betreiben. Der Emissionsrechtehandel wird also nur ein Baustein von vielen Klimaschutzinstrumenten bleiben. China und die USA sind die wichtigsten Länder, wenn es um den Klimaschutz geht. Welche Entwicklungen sehen Sie dort? Viele Nationen, allen voran die USA und China, haben erkannt, dass die Wirtschaft mittel- bis langfristig auf grüne Technologien umstellen muss, um wettbewerbsfähig zu sein. Neben solchen Maßnahmen zur Verbesserung der Energieeffizienz werden vor allem die erneuerbaren Energien an Gewicht gewinnen, sowie über auch nachhaltige Mobilitätskonzepte wie die Elektromobilität. Insbesondere China und die USA setzen darum gezielt auf Klimaschutzmärkte: China hat sich verbindliche Ausbauziele für erneuerbare Energien gesetzt, und die USA investieren 150 Milliarden Dollar in den Ausbau erneuerbarer Energien. Viele Menschen verbinden mit dem Klimaschutz einen Verzicht auf den gewohnten Lebensstandard. Müssen wir uns in Zukunft einschränken? Verzicht ist der falsche Ansatz man sollte vielmehr klimabewusster konsumieren. Niemand muss sich dafür nennenswert einschränken, sondern nur etwas anders leben. Das heißt zum Zur Person: Prof. Claudia Kemfert, 41, leitet seit 2004 die Abteilung Energie, Verkehr, Umwelt am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin. Daneben ist sie Professorin für Energieökonomie und Nachhaltigkeit an der privaten Berliner Universität Hertie School of Governance. Sie berät José Manuel Barroso, den Präsidenten der EU-Kommission, in Energiefragen und ist Gutachterin beim Weltklimarat IPCC (Intergovernmental Panel of Climate Change). Prof. Kemfert hat an den Universitäten Bielefeld, Oldenburg und Stanford Wirtschaftswissenschaften studiert und wurde im Jahr 2006 von der Deutschen Forschungsgemeinschaft, der Helmholtz- und der Leibniz-Gesellschaft, als Spitzenforscherin ausgezeichnet und in die Elf der Wissenschaft gewählt.

Industry Journal 01 2010 Environment 77 Beispiel, zu prüfen, wo man Energie einsparen kann. Je mehr Verbraucher das für wichtig erachten, desto mehr Unternehmen werden quasi automatisch solche Informationen für ihre Produkte anbieten. Wachsender Klimaschutz ist der Grundpfeiler für wachsendes Wohlergehen einer Volkswirtschaft. Welchen Beitrag können global agierende Konzerne wie Siemens zum Klimaschutz leisten? Und wie können sie davon sogar profitieren? Unternehmen, die zentrale Herausforderungen des Klimaschutzes und des nachhaltigen Umgangs mit Energie und Rohstoffen meistern wollen, werden marktwirtschaftlich die Nase vorn haben. Konzerne wie Siemens, die schon heute auf nachhaltige Energien und Klimaschutz setzen, werden daher gestärkt aus der Krise hervorgehen. Solche Unternehmen, die sich rechtzeitig auf die neuen Geschäftsfelder einlassen, werden auch für Kapitalgeber attraktiver sein, insbesondere und gerade in wirtschaftlichen Krisenzeiten. Die Märkte gehören denen, die sie sehen. Siemens hat den besonderen Vorteil, dass es sehr unterschiedliche Technologien anbieten kann: angefangen bei Energieeffizienz und Smart Metering bis zum Recycling, zu erneuerbaren Energien und moderner Kraftwerkstechnik. Was tun Sie im Alltag für den Klimaschutz? In vermeide alles, was meine CO2-Bilanz unnötig belasten würde: Ich esse vegetarisch, kaufe hauptsächlich regionale Bioprodukte, beziehe Ökostrom, besitze nur energiesparende Elektrogeräte und wohne in einem hoch gedämmten Haus. Ich fahre kein Auto sondern benutze täglich mein Fahrrad für den Weg zur S-Bahn. Und für weite Strecken nutze ich fast ausschließlich den Zug. Leider verhageln die Langstreckenflüge meine Bilanz! Ich neutralisiere diese Emissionen jedoch, indem ich in Klimaschutzprojekte investiere. Klimaforscher fordern, die Erwärmung der Atmosphäre auf zwei Grad zu begrenzen. Können wir dieses Ziel überhaupt noch erreichen? Wir müssen alles tun, um es zu schaffen. Und gleichzeitig damit beginnen, uns auf den unvermeidbaren Klimawandel einzustellen und anzupassen. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) Das DIW in Berlin ist das größte Wirtschaftsforschungsinstitut in Deutschland und hat 180 Mitarbeiter, darunter 100 Wissenschaftler. Es betreibt anwendungsorientierte Wirtschaftsforschung und wirtschaftspolitische Beratung. Das DIW ist ein eingetragener Verein und wurde 1925 als Institut für Konjunkturforschung gegründet. Es ist Mitglied der Leibniz-Gemeinschaft deutscher Forschungsinstitute und wird überwiegend aus öffentlichen Mitteln finanziert. Die besonderen Stärken des DIW liegen in der großen thematischen Breite seiner wissenschaftlichen Arbeit, dem hohen Maß an Interdisziplinarität sowie einem Zugang zu hervoragenden empirischen Daten.

74 Industry Journal 01 2010 Environment Klimaschutz ist der Wirtschaftsmotor der Zukunft! Die Ökonomin Prof. Claudia Kemfert beklagt den Klimawandel und sieht in ihm jede Menge Chancen. Mit dem Siemens Industry Journal spricht die international renommierte Energieexpertin über Investitionen in mehr Energieeffizienz, den globalen Handels mit Verschmutzungsrechten und über ihre Essgewohnheiten.

Industry Journal 01 2010 Environment 75 Der Klimagipfel von Kopenhagen liegt nun schon eine Weile zurück. Wie bewerten Sie seine Ergebnisse aus heutiger Sicht? Leider hat er keinen Durchbruch gebracht. Zwar bekennt man sich weiterhin zu 爀 Zwei Grad-Temperaturgrenze. Wie dieses Ziel erreicht werden soll, wurde jedoch nicht festgelegt. Das ist nicht genug. Vermutlich wäre es sinnvoller, in Zukunft die Themen Klimaschutz und Anpassung an den Klimawandel auf getrennten Verhandlungsebenen zu behandeln: Verbindliche Klimaschutz- und Emissionsminderungsziele sollten im Rahmen der G20 festgelegt werden. Die Anpassungsleistungen an den Klimawandel (zum Beispiel Deichbau oder Wassermanagementsysteme) für alle Länder, aber insbesondere die Entwicklungsländer, könnte man im Rahmen von UN-Klimaverhandlungen verbindlich festlegen. War der Klimagipfel in Wirklichkeit nicht ohnehin eine Wirtschaftskonferenz? Es war die wichtigste Klimakonferenz, die es je gab. Aber Klimawandel und Klimaschutz haben auch ökonomische Auswirkungen: Langfristig werden die Kosten des Klimawandels die volkswirtschaftlichen Schäden drastisch steigen. Ausgaben für den Klimaschutz sind also nachhaltige Investitionen, die eine Volkswirtschaft langfristig besser stellen. Und die Kosten des Nicht-Handels sind zweifellos höher als die Kosten des Handelns. Manche Unternehmen hierzulande fordern einen Verzicht auf einseitige Vorleistungen Europas, weil sie Wettbewerbsnachteile befürchten. Könnten solche Vorleistungen aber nicht auch einen Innovationsschub auslösen, der langfristig auch ökonomisch nutzt? Auf jeden Fall! Der Klimaschutz ist der Weg aus der Krise, der Wirtschaftsmotor der Zukunft. Mit entsprechenden Technologien können wir drei Krisen gleichzeitig bekämpfen: die Wirtschaftskrise, die Energiekrise und die Klimakrise. Fossile Energien allen voran Öl, später auch Gas werden knapper und teurer. Die fossile Ressource Kohle steht uns zwar noch lange zur Verfügung, ihre Verbrennung verursacht jedoch klimaschädliche Treibhausgase. Das heißt: Die Kohletechnologie muss umweltschonend werden. Parallel dazu müssen wir aber auch die erneuerbaren Energien ausbauen, wesentlich mehr Energie einsparen, verstärkt Wärme und Strom gleichzeitig produzieren und nutzen Ausgaben für Klimaschutz sind nachhaltige Investitionen, die eine Volkswirtschaft langfristig besser stellen. Die Kosten des Nicht-Handelns sind höher als die des Handelns. sowie klimaschonende Antriebsstoffe und -techniken einsetzen. Die deutsche Wirtschaft kann wie keine andere vom Boom der erneuerbaren Energien profitieren, aber auch vom Ausbau der Energieeffizienz sowie innovativer Kraftwerksund Antriebstechnologien. Selbst in den klassischen Umweltschutzbranchen wie Müllverarbeitung, Recycling und Wasseraufbereitung kann sie ihren Weltmarktanteil noch ausbauen. In all diesen Bereichen können in den kommenden zehn Jahren bis zu eine Million zusätzliche Arbeitsplätze entstehen. Was sollte die Politik in Europa jetzt tun? Wichtig ist, dass sie die Weichen für eine energieeffiziente, nachhaltige und klimaschonende Wirtschaft stellt. Sie muss die erneuerbaren Energien weiterhin fördern und sollte finanzielle Anreize zum Energiesparen schaffen insbesondere im Gebäudebereich liegen große Potenziale. Durch gezielte finanzielle Förderung, Steuerersparnisse und verbesserte Möglichkeiten der Kostenüberwälzung für Immobilienbesitzer kann die Politik wichtige Signale setzen. Und alleine durch Steigerung der Energieeffizienz könnte beispielsweise die deutsche Volkswirtschaft um bis zu 23 Milliarden Euro pro Jahr entlastet werden! Auch im Bereich Mobilität gibt es viel zu verbessern: Der Schienenverkehr und der öffentliche Nahverkehr müssen

76 Industry Journal 01 2010 Environment stark gefördert, der Flugverkehr in den Emissionshandel aufgenommen und die deutsche Autobranche zukunftsfähig gemacht werden. Es gibt ja bereits ein Instrument für die CO 2 - Reduktion, nämlich den Emissionshandel. Kann er ein globales Erfolgsmodell werden? Der Emissionsrechtehandel ist ein kosteneffizientes Instrument für den Klimaschutz. Voraussetzung ist allerdings, dass alle Länder, alle Sektoren und alle Treibhausgase einbezogen werden. Das ist in der Praxis nicht der Fall. Das Scheitern von Kopenhagen ist in erster Linie auch ein Scheitern der globalen Klimaschutzinstrumente allen voran des globalen Emissionsrechtehandels. Allen Volkswirten, die den Politikern diese Lösung als allheilbringendes Instrument empfehlen, sei gesagt: Sie wird in naher Zukunft die unwahrscheinlichste Lösung sein. Denn letztendlich wollen alle Staaten alleine und im eigenen Land selbst entscheiden, ob und wie sie Klimaschutz betreiben. Der Emissionsrechtehandel wird also nur ein Baustein von vielen Klimaschutzinstrumenten bleiben. China und die USA sind die wichtigsten Länder, wenn es um den Klimaschutz geht. Welche Entwicklungen sehen Sie dort? Viele Nationen, allen voran die USA und China, haben erkannt, dass die Wirtschaft mittel- bis langfristig auf grüne Technologien umstellen muss, um wettbewerbsfähig zu sein. Neben solchen Maßnahmen zur Verbesserung der Energieeffizienz werden vor allem die erneuerbaren Energien an Gewicht gewinnen, sowie über auch nachhaltige Mobilitätskonzepte wie die Elektromobilität. Insbesondere China und die USA setzen darum gezielt auf Klimaschutzmärkte: China hat sich verbindliche Ausbauziele für erneuerbare Energien gesetzt, und die USA investieren 150 Milliarden Dollar in den Ausbau erneuerbarer Energien. Viele Menschen verbinden mit dem Klimaschutz einen Verzicht auf den gewohnten Lebensstandard. Müssen wir uns in Zukunft einschränken? Verzicht ist der falsche Ansatz man sollte vielmehr klimabewusster konsumieren. Niemand muss sich dafür nennenswert einschränken, sondern nur etwas anders leben. Das heißt zum Zur Person: Claudia Kemfert, 41, leitet seit 2004 die Abteilung Energie, Verkehr, Umwelt am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin. Daneben ist sie Professorin für Energieökonomie und Nachhaltigkeit an der privaten Berliner Universität Hertie School of Governance. Sie berät José Manuel Barroso, den Präsidenten der EU-Kommission, in Energiefragen und ist Gutachterin beim Weltklimarat IPCC (Intergovernmental Panel of Climate Change). Prof. Kemfert hat an den Universitäten Bielefeld, Oldenburg und Stanford Wirtschaftswissenschaften studiert und wurde im Jahr 2006 von der Deutschen Forschungsgemeinschaft, der Helmholtz- und der Leibniz-Gesellschaft, als Spitzenforscherin ausgezeichnet und in die Elf der Wissenschaft gewählt.

Industry Journal 01 2010 Environment 77 Beispiel, zu prüfen, wo man Energie einsparen kann. Je mehr Verbraucher das für wichtig erachten, desto mehr Unternehmen werden quasi automatisch solche Informationen für ihre Produkte anbieten. Wachsender Klimaschutz ist der Grundpfeiler für wachsendes Wohlergehen einer Volkswirtschaft. Welchen Beitrag können global agierende Konzerne wie Siemens zum Klimaschutz leisten? Und wie können sie davon sogar profitieren? Unternehmen, die zentrale Herausforderungen des Klimaschutzes und des nachhaltigen Umgangs mit Energie und Rohstoffen meistern wollen, werden marktwirtschaftlich die Nase vorn haben. Konzerne wie Siemens, die schon heute auf nachhaltige Energien und Klimaschutz setzen, werden daher gestärkt aus der Krise hervorgehen. Solche Unternehmen, die sich rechtzeitig auf die neuen Geschäftsfelder einlassen, werden auch für Kapitalgeber attraktiver sein, insbesondere und gerade in wirtschaftlichen Krisenzeiten. Die Märkte gehören denen, die sie sehen. Siemens hat den besonderen Vorteil, dass es sehr unterschiedliche Technologien anbieten kann: angefangen bei Energieeffizienz und Smart Metering bis zum Recycling, zu erneuerbaren Energien und moderner Kraftwerkstechnik. Was tun Sie im Alltag für den Klimaschutz? In vermeide alles, was meine CO2-Bilanz unnötig belasten würde: Ich esse vegetarisch, kaufe hauptsächlich regionale Bioprodukte, beziehe Ökostrom, besitze nur energiesparende Elektrogeräte und wohne in einem hoch gedämmten Haus. Ich fahre kein Auto sondern benutze täglich mein Fahrrad für den Weg zur S-Bahn. Und für weite Strecken nutze ich fast ausschließlich den Zug. Leider verhageln die Langstreckenflüge meine Bilanz! Ich neutralisiere diese Emissionen jedoch, indem ich in Klimaschutzprojekte investiere. Klimaforscher fordern, die Erwärmung der Atmosphäre auf zwei Grad zu begrenzen. Können wir dieses Ziel überhaupt noch erreichen? Wir müssen alles tun, um es zu schaffen. Und gleichzeitig damit beginnen, uns auf den unvermeidbaren Klimawandel einzustellen und anzupassen. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) Das DIW in Berlin ist das größte Wirtschaftsforschungsinstitut in Deutschland und hat 180 Mitarbeiter, darunter 100 Wissenschaftler. Es betreibt anwendungsorientierte Wirtschaftsforschung und wirtschaftspolitische Beratung. Das DIW ist ein eingetragener Verein und wurde 1925 als Institut für Konjunkturforschung gegründet. Es ist Mitglied der Leibniz-Gemeinschaft deutscher Forschungsinstitute und wird überwiegend aus öffentlichen Mitteln finanziert. Die besonderen Stärken des DIW liegen in der großen thematischen Breite seiner wissenschaftlichen Arbeit, dem hohen Maß an Interdisziplinarität sowie einem Zugang zu hervoragenden empirischen Daten.