Fachtagung SVKP / SGRP 24. April 2015 Deliktmechanismen und risikorelevante Problembereiche bei Straftätern Dr. B. Borchard Psychiatrisch-Psychologischer Dienst Kanton Zürich
Grundgedanke wir haben es mit (meist erheblich gestörten) Persönlichkeitstätern zu tun Zentrale Idee: Täter als Experte für sein eigenes Tatverhalten Kombination deliktorientierter Behandlungselemente mit einer auf die individuelle Persönlichkeit zugeschnittene Therapie hat das grösste Erfolgspotenzial
Deliktorientierung wird nicht durch ein durchzuarbeitendes Programm gewährleistet, sondern durch einen speziell qualifizierten Therapeuten, der flexibel verschiedene deliktorientierte Behandlungstechniken umsetzen kann ergänzend zum deliktorientierten Pflichtprogramm, das in jeder Therapie vorkommt, werden die individuellen Probleme der Persönlichkeit, die das spezifische Profil des Täters ausmachen, behandelt
Aussagekraft von Diagnosen Der Täter litt zum Tatzeitpunkt unter einer Schizophrenie. muss von einer Depression und Suizidalität ausgegangen werden. kam es nach einer langen dissozialen Entwicklung auf dem Boden einer ADHS-Problematik zu verschiedenen Delikten. 4 /
Diagnosen, Risikofaktoren und Einzelfallanalyse wir müssen den Einzelfall erklären, das individuelle Risiko für spezifische Delikte benennen und einen individualisierten Interventionsplan / Präventionsplan formulieren 5 /
Aussagekraft von Diagnosen Der Täter litt zum Tatzeitpunkt unter einer Schizophrenie. muss von einer Depression und Suizidalität ausgegangen werden. kam es nach einer langen dissozialen Entwicklung auf dem Boden einer ADHS-Problematik zu verschiedenen Delikten. 6 /
Einzelfallanalyse Diagnosen Risikofaktoren (FOTRES) eliktmechanismus Risikoeinschätzung & Interventionen Motivatoren Disinhibitoren Destabilisatoren 7 /
Interventions- / Präventionsplan Problembereiche werden individuell durch die Behandler in Zusammenarbeit und Abstimmung mit dem Klienten definiert Orientierung am Fallverständnis, den Diagnosen, Deliktmechanismus, den risikorelevanten Problembereichen sowie deren Auswirkungen (Motivatoren, Disinhibitoren, Destabilisatoren) Ressourcen und Massnahmen: Die Massnahmen unterteilen sich in Therapeutische Massnahmen (Behandlersicht) und Meine Massnahmen (Klientensicht) 8 /
Straftäterbehandlung risk principle die Intensität der Behandlung ist abhängig vom Rückfallrisiko des Probanden need principle die Behandlungskonzepte zielen speziell auf Veränderung der kriminogenen Risikofaktoren und nicht auf unspezifische Ziele responsivity principle die Behandlungsmethoden orientieren sich an den spezifischen Lern- und Verarbeitungsweisen, Fähigkeiten und Vorerfahrungen der Probanden
18 Thesen deliktpräventiver Therapien Deliktpräventive Therapien sind nicht an eine spezifische Therapieschule gebunden. verfolgen als oberstes Ziel die Reduktion des Rückfallrisikos. sind effektiv und können das Rückfallrisiko von Straftätern senken. sind unter Kosten-Nutzen-Gesichtspunkten ökonomisch. sind kein Garant für Rückfallfreiheit (Täter bleiben Risikopopulation). beziehen alle verfügbaren Informationen mit ein. setzen ein standardisiertes Risk-Assessment voraus. setzen weder das Vorliegen einer psychischen Erkrankung noch eine Verminderung der Schuldfähigkeit voraus. basieren auf der Formulierung einer Hypothese zum Deliktmechanismus.
18 Thesen deliktpräventiver Therapien Deliktpräventive Therapien rücken deliktrelevante Eigenschaften und Verhaltensweisen in den Fokus der Therapie beinhalten die Identifikation und Bearbeitung impliziter Theorien beinhalten die Identifikation und Bearbeitung von Hoch-Risiko-Fantasien fördern und fordern eine aktive Verantwortungsübernahme des Klienten nehmen eingeschränkte Offenheit und Täuschung als normal an beinhalten den Aufbau und Erhalt intrinsischer Behandlungsmotivation sind auf klar geregelte Transparenz ausgerichtet versuchen einen Aufbau risikovermindernder Kompensationsfähigkeiten und/oder eine Verminderung risikorelevanter Persönlichkeitsmerkmale gehen davon aus, dass es unbehandelbare Straftäter gibt
Beispiele für risikorelevante Problembereiche nur bei Deliktrelevanz werten, stark persönlichkeitsbezogene Eigenschaften Kombination / Ausprägung immer für ein bestimmtes Zieldelikt Ø Aggressionsfokus Ø Chronifizierte Gewaltbereitschaft Ø Sadistische Devianz Ø Chronifizierte Vergewaltigungsdisposition Ø Steuerungsfokus Ø dissozial, paranoid, schizoid, narzisstisch,. Ø Beziehungstatproblematik Ø Suchtproblematik Ø schizophrene Erkrankung
Risikofaktoren beeinflussen Entscheidungen als Motivatoren Disinhibitoren Destabilisatoren nach Hart, 2015
Motivatoren Verteidigung, Distanz Gerechtigkeit, Ehre Gewinn, Profit Kontrolle Status, Dominanz Erleichterung, emotionaler Ausdruck Aufregung, Aktivität Nähe, Bindung
Disinhibitoren Negative Einstellungen, fehlerhafte Kognitionen Negatives Selbstkonzept Entfremdung von Anderen Nihilismus Fehlendes Schuldbewusstsein Fehlende Angst Fehlende Einsicht Mangelnde Empathie
Destabilisatoren Gestörte Aufmerksamkeit / Konzentration Gestörte Wahrnehmung Gedächtnisprobleme Denkstörungen / verminderte rationale Prozesse Zwanghafte / perseverierende Gedanken Impulsive / intrusive Gedanken
Deliktmechanismus Der Deliktmechanismus ist das Verbindungsglied zwischen den risikorelevanten Persönlichkeitsmerkmalen und den Merkmalen des Tatmusters. Er erklärt, in welcher Weise die spezifischen Persönlichkeitsmerkmale zum Deliktverhalten führen. Der Deliktmechanismus ist damit die Basis für das Verständnis des Deliktverhaltens und damit gleichzeitig die Grundlage aller gutachterlichen und behandlerischer Schlussfolgerungen. Das gilt in besonderer Weise für die Risikobeurteilung und die Behandlungsplanung.