MDG-Trendmonitor Religiöse Kommunikation 2010



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Transkript:

MDG-Trendmonitor Religiöse Kommunikation 00 Kommentarband I: Erkenntnisse zur Situation von Kirche und Glaube sowie zur Nutzung medialer und personaler Informations- und Kommunikationsangebote der Kirche im Überblick Ergebnisse repräsentativer Befragungen unter Katholiken sowie der Gesamtbevölkerung Im Auftrag der MDG Medien-Dienstleistung GmbH Durchgeführt vom Institut für Demoskopie Allensbach In Zusammenarbeit mit Sinus Sociovision, Heidelberg

Impressum: MDG-Trendmonitor Religiöse Kommunikation 00, München 00 Herausgeber Durchführende Institute Autoren Projektleiter Beratung Förderung MDG Medien-Dienstleistung GmbH, München Institut für Demoskopie Allensbach Sinus Sociovision, Heidelberg Dr. Rüdiger Schulz (IfD) Dr. Steffen de Sombre (IfD) Dr. Marc Calmbach (Sinus) Georg Frericks (MDG) Prof. Dr. Dr. Michael N. Ebertz, Ulrich Engelberg, Stefan Eß, Ulrich Harprath, Dietmar Heeg, Dr. David Hober, Thomas Juncker, Dr. Benedikt Köhler, Matthias Kopp, Theo Mönch-Tegeder, Angelika Peter, Rolf Pitsch, Christian Scharnberg, Nadine Weber, Stefan Wiesner Der MDG-Trendmonitor 00 wurde gefördert aus Mitteln des Treuhandfonds Medien des Verbands der Diözesen Deutschlands (VDD). Die MDG Medien-Dienstleistung dankt den Unternehmen Gerth Medien GmbH, Asslar Verlag Herder GmbH, Freiburg Verlagsgruppe Weltbild GmbH, Augsburg für ihre finanzielle Unterstützung des MDG-Trendmonitors 00. MDG Medien-Dienstleistung GmbH Grillparzerstr. a 8675 München Telefon 0 89/54 58 89-0 Telefax 0 89/5 50 9 6 E-Mail info@mdg-online.de Homepage www.mdg-online.de Copyright 00 by MDG Medien-Dienstleistung, München Copyright 00 by Institut für Demoskopie Allensbach Copyright 00 by Sinus Sociovsion, Heidelberg Das vorliegende Werk ist urheberrechtlich geschützt. Kein Teil davon darf ohne schriftliche Einwilligung der MDG Medien-Dienstleistung GmbH in irgendeiner Form, auch nicht zum Zwecke der Unterrichtsgestaltung, reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden. Zitate oder Nachdrucke, auch auszugsweise, sind nur mit ausdrücklicher Genehmigung und Quellenhinweisen gestattet. - -

I N H A L T Seite ZUR EINFÜHRUNG...4 Veränderungen im medialen Umfeld: Das Internet ist zum Alltagsmedium der Bevölkerungsmehrheit geworden; in der jungen Generation verliert Print an Bedeutung...5 Veränderungen im religiösen Umfeld: Kirche wird wieder stärker als zeitgemäß erlebt, aber von einer breiten religiösen Aufbruchstimmung ist nichts zu spüren... Segmentierung der Katholiken nach ihrer Einstellung zu Kirche und Glauben...38 Gratifikationen einer Kirchenmitgliedschaft...56 Zustimmung zu und Ablehnung von Engagement und Positionen der katholischen Kirche...64 Entwicklung der Kommunikations- und Informationsinteressen der Katholiken...70 Trendentwicklungen bei der medialen und personalen Information und Kommunikation von Katholiken...86 Informationsinteressen der verschiedenen Katholikensegmente und bevorzugte Informationsquellen... 7 ANHANG Anhangschaubilder Anhangtabellen Untersuchungsdaten Statistik der befragten Personengruppen - 3 -

ZUR EINFÜHRUNG Im vorliegenden Bericht werden die wichtigsten Ergebnisse der dritten Trendaktualisierung der MDG-Studie Religiöse Kommunikation vom Spätherbst 009 zusammenfassend dargestellt und kommentiert. Nach den umfassenden Grundlagenstudien Chancen für die Bistumszeitung und Chancen für das religiöse Buch aus den Jahren 994/95 hatte die MDG Medien- Dienstleistung GmbH, München, 999 beschlossen, eine Reihe wichtiger Eckwerte aus diesen Befragungen zu aktualisieren. In diesem ersten MDG-Trendmonitor 3 wurden erstmals auch die Funkmedien Fernsehen und Hörfunk eingeschlossen sowie die Nutzung von Internetangeboten der Kirche. Da sich religiöse Kommunikation nicht nur in Form von Mediennutzung vollzieht, wurde der Fokus dieser Studie auf vielfältige Formen personaler religiöser oder kirchlicher Kommunikation erweitert, von Kontakten zu Priestern und Ordensleuten bis hin zu anderen Aktiven in der Kirchengemeinde sowie Gesprächen über Glauben und Religion im Familien-, Freundes- und Bekanntenkreis. Ein zweiter MDG-Trendmonitor wurde 003 vorgelegt. 4 Die Befragungen für den vorliegenden dritten MDG-Trendmonitor Religiöse Kommunikation wurden saisonal vergleichbar zwischen dem 9. Oktober und 6. November 009 durchgeführt. Insgesamt.074 repräsentativ ausgewählte Katholiken ab 6 Jahre wurden dafür von geschulten Allensbacher Interviewern sehr ausführlich mündlich-persönlich befragt, egal ob sie der Kirche eng oder nur noch lo- MDG/INSTITUT FÜR DEMOSKOPIE ALLENSBACH: CHANCEN FÜR DIE BIS- TUMSZEITUNGEN 994. MDG/INSTITUT FÜR DEMOSKOPIE ALLENSBACH: CHANCEN FÜR DAS RELI- GIÖSE BUCH. Eine Untersuchung der Situation des katholischen Buchmarktes 994. 3 MDG/INSTITUT FÜR DEMOSKOPIE ALLENSBACH: TRENDMONITOR RELIGIÖ- SE KOMMUNIKATION 000. Bericht über eine repräsentative Umfrage unter Katholiken zur medialen und personalen Kommunikation. 4 MDG/INSTITUT FÜR DEMOSKOPIE ALLENSBACH: TRENDMONITOR RELIGIÖ- SE KOMMUNIKATION 003. Bericht über eine repräsentative Umfrage unter Katholiken zur medialen und personalen Kommunikation. - 4 -

cker verbunden sind bzw. sich innerlich schon sehr weit von ihr entfernt haben, ohne aus der Kirche auszutreten. Diese Stichprobenanlage, die sich ganz bewusst nicht nur auf den Kreis der in der Kirche aktiven Katholiken beschränkt, eröffnet vielfältige Analysemöglichkeiten. Im Zentrum steht dabei die Frage, wie mit welchen Themen und über welche Medien oder Personen es der katholischen Kirche bei rückläufigem Gottesdienstbesuch gelingen kann, auch Kirchenfernere mit ihrer Glaubensbotschaft, aber zum Beispiel auch mit Informationen über kirchliche Ereignisse und Entwicklungen oder auch von der Kirche angebotener Lebenshilfe zu erreichen. In welchem Maße gibt es bei den Katholiken insgesamt sowie in den verschiedenen Katholikensegmenten religiöse oder kirchliche Informations- bzw. Kommunikationsbedürfnisse? Wie werden diese bisher befriedigt, und gibt es darüber hinaus unbefriedigten Informations- und Kommunikationsbedarf? Die breit angelegte Katholikenbefragung ermöglicht auch, die wichtige Frage zu prüfen, ob die Seelsorge in Pfarrverbänden, die als Folge wachsenden Priestermangels und sinkender Kirchensteuereinnahmen durch die Zusammenlegung ehemals eigenständiger Pfarrgemeinden zu größeren Seelsorgeeinheiten entstanden sind, von den Gemeindemitgliedern defizitärer empfunden wird als in eigenständig gebliebenen Pfarreien. 5 Das Fragenprogramm für die aktuelle Studie wurde am 9. Juli 009 in einer Gesprächsrunde mit Experten aus den verschiedenen Angebotssegmenten (Bistumszeitungen, Buchverlage und Buchhandel, Hörfunk und Fernsehen sowie Onlinemedien) beraten. Dabei konnten nicht alle Ermittlungswünsche im ohnehin sehr ausführlichen Interview berücksichtigt werden, ohne die Auskunftsbereitschaft der Befragten zu gefährden. Große Teile des Fragenprogramms wurden weitgehend unverändert fortgeschrieben, um Trendvergleiche zu ermöglichen. Den zwischenzeitlichen Verände- 5 Auf die Frage Ist die Kirchengemeinde, zu der Sie gehören, als Kirchengemeinde eigenständig, oder gehört sie einem Pfarrverband bzw. einer Seelsorgeeinheit an, in der mehrere Gemeinden zusammengefasst sind? antworteten 9 Prozent eigenständige Kirchengemeinde, 4 Prozent gehört Pfarrverband/Seelsorgeeinheit an, 9 Prozent erklärten, dies nicht genau zu wissen. - 5 -

rungen des Medienangebots wurde insbesondere durch eine Ausweitung der Fragen zur Internetnutzung Rechnung getragen. Erstmals wurden auch die Indikatorfragen zur Ermittlung der Sinus-Milieus in den MDG-Trendmonitor eingeschlossen. Dies ermöglicht zusätzliche Auswertungen für die im MDG-Milieuhandbuch "Religiöse und kirchliche Orientierungen in den Sinus-Milieus 005" beschriebenen 0 Sinus- Milieus auf repräsentativer Basis. Die Formulierung der Indikatorfragen, die analytische Zuordnung der Befragten zu den insgesamt zehn Milieus sowie die Interpretation der milieuspezifischen Befunde wurden dabei von der SINUS SOCIOVISION GmbH, Heidelberg, übernommen. Um dem Leser die Orientierung zu erleichtern, sind im Folgenden Textpassagen, die milieuspezifische Befunde interpretieren, kursiv gesetzt. Das Gesellschafts- und Zielgruppenmodell der Sinus-Milieus : Tiefenstrukturen sozialer Differenzierungen Die Sinus-Milieus sind das Ergebnis von mehr als 5 Jahren sozialwissenschaftlicher Forschung. Die Zielgruppenbestimmung des sozialwissenschaftlichen Instituts Sinus Sociovision orientiert sich an der Lebensweltanalyse unserer Gesellschaft. Die Sinus-Milieus gruppieren Menschen, die sich in ihrer Lebensauffassung und Lebensweise ähneln. Grundlegende Wertorientierungen gehen dabei ebenso in die Analyse ein wie Alltagseinstellungen zur Arbeit, zur Familie, zur Freizeit, zu Medien, zu Geld und Konsum. Sie rücken also den Menschen und das gesamte Bezugssystem seiner Lebenswelt ganzheitlich ins Blickfeld und bieten deshalb mehr Informationen und bessere Entscheidungshilfen als herkömmliche Zielgruppenansätze. Die Unterschiedlichkeit von Lebensstilen ist für die Alltagswirklichkeit von Menschen vielfach bedeutsamer als die Unterschiedlichkeit sozioökonomischer Lebensbedingungen. Soziale Zugehörigkeit wird heute weniger von schichtspezifischen Merkmalen geprägt als von Lebensstil-Gemeinsamkeiten und deren Wahrnehmung. Das Sinus-Modell berücksichtigt in erster Linie die Dimensionen der Wertorientierungen, Lebensstile und ästhetischen Präferenzen, nimmt aber auch Bezug auf die Dimension der sozialen Lage. Im Unterschied zu Lifestyle-Typologien, die ver- - 6 -

gleichsweise rasch sich ändernde Oberflächenphänomene klassifizieren, erfasst das Milieumodell von Sinus Sociovision eher die Tiefenstrukturen sozialer Differenzierung. Aber es ist kein starres System, vielmehr verändert es sich mit dem gesellschaftlichen Wandel, dem es in Modell-Updates immer wieder angepasst wird. Die beistehende Abbildung (Schaubild s-) zeigt die aktuelle Milieulandschaft und die Position der verschiedenen Milieus. Die Bezeichnungen der Sinus-Milieus folgen einem länderübergreifend gültigen Ordnungssystem, das die Schichtachse (Soziale Lage) und die Werteachse (Grundorientierung) jeweils in drei Abschnitte einteilt. Je höher ein bestimmtes Milieu in dieser Grafik angesiedelt ist, desto gehobener sind Bildung, Einkommen und Berufsgruppe; je weiter es sich nach rechts erstreckt, desto moderner im soziokulturellen Sinn ist die Grundorientierung des jeweiligen Milieus. So repräsentiert beispielsweise Sinus A eine Lebenswelt mit traditioneller Grundorientierung (Werteabschnitt A) und mit mittlerer bis gehobener sozialer Lage (Schichtabschnitte und ). Was die Grafik auch zeigt: Die Grenzen zwischen den Milieus sind fließend; Lebenswelten sind nicht so (scheinbar) exakt eingrenzbar wie soziale Schichten. Sinus Sociovision nennt das die "Unschärferelation der Alltagswirklichkeit". Wäre das nicht der Fall, könnte man schwerlich von einem lebensechten Modell sprechen. Berührungspunkte und Übergänge zwischen den Milieus sind deshalb ein grundlegender Bestandteil des Milieukonzepts. - 7 -

Schaubild s- Die Sinus-Milieus in Deutschland 009 Soziale Lage und Grundorientierung Oberschicht / Obere Mittelschicht Mittlere Mittelschicht Sinus A Konservative 5% Sinus A3 Traditionsverwurzelte 4% Sinus AB DDR- Nostalgische 4% Sinus B Etablierte 0% Sinus B Bürgerliche Mitte 5% Sinus B Postmaterielle 0% Sinus C Moderne Performer 0% Sinus C Experimentalisten 9% Untere Mittelschicht / Unterschicht 3 Sinus B3 Konsum-Materialisten % Sinus BC3 Hedonisten % Sinus Sociovision Soziale Lage Grundorientierung A Traditionelle Werte Pflichterfüllung, Ordnung B Modernisierung Individualisierung, Selbstverwirklichung, Genuss C Neuorientierung Multi-Optionalität, Experimentierfreude, Leben in Paradoxien SINUS SOCIOVISION Die aus der soziologischen Forschungstradition hervorgegangenen Milieunamen (wie zum Beispiel "Konservative") können eine Lebenswelt letzten Endes nicht angemessen charakterisieren, weil sie zwangsläufig nur einen bestimmten Aspekt hervorheben, da sie durch den gesellschaftlichen Wandel immer rasch überholt werden und auch weil diskriminierende Konnotationen nicht immer zu vermeiden sind. Diese Namen haben deshalb in unserem Bezeichnungssystem nur illustrativen Charakter. Schaubild s- gibt einen Kurzüberblick über die zehn Sinus-Milieus. - 8 -

Gesellschaftliche Leitmilieus Schaubild s- Sinus B (Etablierte) 0% Das selbstbewusste Establishment: Erfolgs-Ethik, Machbarkeitsdenken und ausgeprägte Exklusivitätsansprüche Sinus B (Postmaterielle) 0% Das auf geklärte Nach-68er-Milieu: Liberale Grundhaltung, postmaterielle Werte und intellektuelle Interessen Sinus C (Moderne Performer) 0% Die junge, unkonventionelle Leistungselite: intensives Leben beruflich und privat, Multi-Optionalität, Flexibilität und Multimedia-Begeisterung Traditionelle Milieus Sinus A (Konservative) 5% Das alte deutsche Bildungsbürgertum: konservative Kulturkritik, humanistisch geprägte Pflichtauffassung und gepflegte Umgangsf ormen Sinus A3 (Traditionsverwurzelte) 4% Die Sicherheit und Ordnung liebende Kriegsgeneration: verwurzelt in der kleinbürgerlichen Welt bzw. in der traditionellen Arbeiterkultur Sinus AB (DDR-Nostalgische) 4% Die resignierten Wende-Verlierer: Festhalten an preußischen Tugenden und altsozialistischen Vorstellungen von Gerechtigkeit und Solidarität Mainstream-Milieus Sinus B (Bürgerliche Mitte) 5% Der statusorientierte moderne Mainstream: Streben nach beruflicher und sozialer Etablierung, nach gesicherten und harmonischen Verhältnissen Sinus B3 (Konsum-Materialisten) % Die stark materialistisch geprägte Unterschicht: Anschluss halten an die Konsum-Standards der breiten Mitte als Kompensationsversuch sozialer Benachteiligungen Hedonistische Milieus Sinus C (Experimentalisten) 9% Die extrem individualistische neue Bohème: Ungehinderte Spontaneität, Leben in Widersprüchen, Selbstverständnis als Lifestyle-Avantgarde Sinus BC3 (Hedonisten) % Die Spaß-orientierte moderne Unterschicht / untere Mittelschicht: Verweigerung von Konventionen und Verhaltenserwartungen der Leistungsgesellschaft - 9 -

Um milieuspezifische Befunde kompakt und möglichst einfach darzustellen, sind sie im Folgenden häufig in der Sinus-Milieugrafik ausgewiesen. Schaubild s-3 erklärt, wie solche Darstellungen zu lesen sind. Lesehilfe für Sinus-Milieugrafiken Schaubild s-3 Anteil bei Gesamt: 6% aller Befragten antworten mit "ja" Anteil im Milieu: Im Milieu der Modernen Performer antworten 8% mit "ja". Die "Ja-Sager" sind in diesem Milieu im Vergleich zu Gesamt stark unterrepräsentiert: deshalb Farbmarkierung dunkelblau Index im Milieu: Index = Anteil im Milieu dividiert durch Anteil bei Gesamt x 00* Farbmarkierung: Vergleich des jeweiligen Milieus mit den Verhältnissen bei Gesamt * Index = 00: Anteil im Milieu liegt im Durchschnitt (entspricht also exakt dem Anteil bei Gesamt) Index unter 00: Anteil im Milieu ist unterdurchschnittlich Index über 00: Anteil im Milieu ist überdurchschnittlich - 0 -

Bei der Gestaltung des Fragebogens wurde große Mühe darauf verwandt, das Interview durch lebendigen Themenwechsel und Einbeziehung allgemeiner Interessens-, Einstellungs- und Verhaltensfragen auch für Kirchenferne interessant zu machen. Damit wurde der Befürchtung begegnet, kirchenfernere Katholiken könnten das Interview schon nach wenigen Fragen mit der Bemerkung abbrechen Für die Kirche interessiere ich mich nicht. Zur zusätzlichen Absicherung der Repräsentanz der Ergebnisse wurde eine differenzierte Liste mit Einstellungen zu Kirche und Glaube (Verbalskala) zeitlich parallel in eine repräsentative Bevölkerungsumfrage zu ganz anderen Themen eingeschlossen, und zwar thematisch neutral, ohne weitere Fragen zu Kirche und Glauben. Wie die nachfolgende Gegenüberstellung zeigt, stimmen die Rohergebnisse der Spezialumfrage unter Katholiken und die Werte, die für Katholiken in der bevölkerungsrepräsentativen Mehr-Themen-Umfrage ermittelt wurden, in hohem Maße überein, das heißt, auch kirchenferne Katholiken wurden in der Umfrage in annähernd repräsentativem Anteil erreicht. Um dennoch geringfügige Abweichungen auszugleichen, wurden die Daten der Spezialumfrage durch faktorielle Gewichtung der Struktur der in der repräsentativen Bevölkerungsumfrage erfassten Katholiken angepasst. Die hier vorgelegten Ergebnisse können deshalb für die Gesamtheit der Katholiken ab 6 Jahre in der Bundesrepublik Deutschland verallgemeinert werden. - -

Von den befragten Katholiken stufen sich selbst ein Spezialumfrage unter Katholiken Zum Vergleich: für den MDG Trendmonitor Katholiken in der religiöse Kommunikation repräsentativen IfD-Umfrage 566 Bevölkerungsumfrage Oktober/November 009 0047, Nov. 009 ------------------------------------------------- ungewichtet gewichtet % % % Ich bin gläubiges Mitglied meiner Kirche, fühle mich der Kirche eng verbunden... 4,3... 6,7 6,7 Ich fühle mich der Kirche verbunden, auch wenn ich ihr in vielen Dingen kritisch gegenüberstehe... 37,7... 36,7 37,3 Ich fühle mich als Christ, aber die Kirche bedeutet mir nicht viel... 30,... 3,5 3,9 Ich bin religiös, fühle mich aber nicht als Christ...4,... 3,4 3,3 Ich fühle mich unsicher, ich weiß nicht, was ich glauben soll...6,4... 4,6 4,6 Ich brauche keine Religion...5,4... 5,5 6,0 Keine Angabe...,5...,, 00,7 00,5 0,9 - -

Zur Ermittlung von Trendwerten für den religiösen Buchmarkt wurde ergänzend ein größerer Fragenkomplex zum Thema Religiöses Buch in eine für die Bevölkerung ab 6 Jahre repräsentative Mehrthemenumfrage des Instituts für Demoskopie Allensbach eingeschlossen (IfD-Umfrage 0047). Dafür wurden zwischen dem 7. und 9. November 009 insgesamt.79 Personen befragt, also nicht nur Katholiken, sondern auch Protestanten und Konfessionslose, da das Angebot Religiöses Buch stärker als andere Medienangebote der katholischen Kirche allen offen steht. Nachfolgend werden die wichtigsten Erkenntnisse dieser Studie zusammenfassend dargestellt und kommentiert. Im ersten Berichtsband werden einige allgemeine Trendentwicklungen zur Situation von Kirche und Glaube sowie zur Mediensituation in Deutschland aufgezeigt, für welche Themen sich Katholiken besonders interessieren, über welche Kanäle, auf welchen Plattformen sie darüber etwas erfahren, welche Informations- und Beratungsinteressen dabei ausreichend befriedigt werden bzw. unerfüllt bleiben. Anschließend wird die Verschränkung zwischen medialer und personaler religiöser Kommunikation aufgezeigt. Es folgen im zweiten Berichtsband Darstellungen und Situationsanalysen zu einzelnen Mediengattungen wie religiösen Büchern, Kirchen- bzw. Bistumszeitungen, kirchlichen Wochenzeitungen und Zeitschriften, Pfarr- bzw. Gemeindeblätter bis hin zu Angeboten in den Funkmedien, wie zum Beispiel dem Wort für den Tag im Radio oder Pfarrserien im Fernsehen sowie insbesondere auch von Angeboten der Kirche im Internet. Diese beiden Kommentarbände Band I: Erkenntnisse zur Situation von Kirche und Glaube sowie zur Nutzung kirchlicher Medienangebote im Überblick Band II: Einzeldarstellungen der Mediengattungen - 3 -

werden ergänzt durch umfangreiche Tabellenbände mit zusätzlichen Ergebnisaufgliederungen für zahlreiche soziodemographische, religionssoziologische und zielgruppenspezifische Analysegruppen. Die genauen Untersuchungsdaten sind hier im Anhang zu finden. Allensbach am Bodensee, am 30. April 00 INSTITUT FÜR DEMOSKOPIE ALLENSBACH - 4 -

Veränderungen im medialen Umfeld: Das Internet ist zum Alltagsmedium der Bevölkerungsmehrheit geworden; in der jungen Generation verliert Print an Bedeutung Die sehr dynamische Ausweitung der Internetnutzung sowohl der Nutzerkreise als auch der Nutzungsintensität hat sich in den letzten Jahren weiter fortgesetzt. Nutzten 999 erst 0,5 Prozent der erwachsenen Bevölkerung in Deutschland das Internet, waren dies 00 zum Zeitpunkt des letzten MDG-Trendmonitors schon 34,0 Prozent. Aktuell sagen bereits rund zwei Drittel der Bevölkerung ab 6 Jahre, dass sie zu Hause und/oder am Arbeitsplatz das Internet nutzen (6,7 Prozent, Schaubild ). Schaubild Das Internet ist zum Alltagsmedium der Bevölkerungsmehrheit geworden % 80 60 Internetnutzer 6,7 (entspricht 39,7 Mio.) 40 34,0 0 0,5 0 999 00 009 Basis: Bundesrepublik Deutschland, Bevölkerung ab 6 Jahre Quelle: Allensbacher Markt- und Werbeträgeranalyse (AWA) IfD-Allensbach - 5 -

Die Ausweitung der Internetnutzung, die sich sehr deutlich auch in der pro Tag im Internet verbrachten Zeit zeigt (im Jahr 000: 7 Minuten täglich im Durchschnitt (Mo-Sa), 009: 70 Minuten), hat bisher weder die Fernseh- noch die Hörfunknutzung nachhaltig beeinträchtigt. Trotz starker Ausweitung der empfangbaren Programme stagniert die Nutzung beider Mediengattungen in den letzten Jahren auf hohem Niveau (Schaubild ). Allerdings zeichnen sich hier tendenziell Verlagerungen bei der Empfangssituation ab: weg vom Empfang von Hörfunk- und TV- Programmen auf stationären hin zu mobilen Endgeräten (Handy, Laptop, i-phone usw.). Schaubild Durchschnittliche Nutzungsdauer von Fernsehen, Hörfunk und Internet in Min./Tag 997 000 005 006 007 008 009 Fernsehen (Mo-So)¹ 96 03 3 35 5 5 8 Hörfunk (Mo-So)² 75 05 93 98 85 86 8 Internet (Mo-So)³ 7 46 48 54 58 70 ) AGF/GfK: jeweils. Halbjahr ) MA 997, MA 000, ma 005/II bis ma 007 II, ma 008/I, ma 009/I 3) ARD-Online-Studie 997, ARD/ZDF-Online-Studien 000-009 Quelle: MEDIA PERSPEKTIVEN, Basisdaten zur Mediensituation in Deutschland 009, S. 77 IfD-Allensbach - 6 -

Die starke Ausweitung der Internetnutzung, aber auch das stark erweiterte Fernsehprogrammangebot mit vielen jugendattraktiven Unterhaltungssendungen haben dazu geführt, dass insbesondere das Medium Tageszeitung für die jüngere Generation an Bedeutung verloren hat. Seit 980 hat sich der Anteil der regelmäßigen Leser einer Tageszeitung unter den 4- bis 9-Jährigen von 7,3 Prozent auf jetzt noch 38,9 Prozent fast halbiert. Zwar stabilisiert die habitualisierte tägliche Zeitungsnutzung vieler über 50-Jähriger die Gesamtreichweite des Mediums Tageszeitung noch auf absehbare Zeit. Aber auch auf die Gesamtbevölkerung ab 4 Jahre bezogen ist ein stetiger Abschmelzungsprozess der Zeitungsreichweiten unübersehbar. Dieses Abbröckeln der regelmäßigen Zeitungslektüre setzte schon Mitte der 80er Jahre mit dem Markteintritt privater Fernsehprogrammanbieter und der damit verbundenen Programmvermehrung ein, also lange bevor das Internet seinen Siegeszug begann (Schaubild 3). Schaubild 3 Rückläufige Reichweitenentwicklung bei Tageszeitungen Es haben am Tag vor dem Interview ('gestern') eine Tageszeitung*) gelesen 30-Jährige und Ältere 4-9-Jährige Index (980 = 00) % 84,4 84, 8,4 80,9 77,3 75,8 7,3 69,8 69,3 (8) 67,9 65,7 59,7 53,4 49,0 4, 38,9 (54) 980 985 990 995 000 004 008 009 Basis: Westdeutschland, Bevölkerung ab 4 Jahre *) Regionale Abo-Tageszeitungen, Bild, Reg. Kaufzeitungen, Überregionale Tageszeitungen (LpN) Quelle: Allensbacher Markt- und Werbeträgeranalysen, AWA '80 bis AWA 009 IfD-Allensbach - 7 -

Allerdings wäre es falsch, von sinkenden Zeitungsauflagen und reichweiten auf ein generelles Auslaufen des Lebenszyklus der Gattung Printmedien, auf ein Ende der Ära Gutenberg zu schließen. Auch auf dem Zeitungs- und Zeitschriftenmarkt gibt es nach wie vor Produkte, die sich entgegen der allgemeinen Marktentwicklung sehr erfolgreich behaupten. Dass Print keineswegs generell out ist, zeigt nicht zuletzt auch die Entwicklung des Buchmarktes. Die Umsätze des Buchhandels sind zwischen 004 und 008 von 9, auf 9,6 Mrd. Euro (plus 5,9 Prozent) gestiegen 6, und selbst im Krisenjahr 009 meldeten die Buchhändler ein Umsatzplus von,8 Prozent. Von einer Verdrängung des Buches durch digitale Medien könne nach wie vor keine Rede sein, so der Vorsteher des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels, Gottfried Honnefelder am 7. März 00 zur Eröffnung der Leipziger Buchmesse. Etwa jeder Sechste in der Gesamtbevölkerung ist heute weitgehend printabstinent, von den 4- bis 9-Jährigen schon gut jeder Vierte (8 Prozent). Aber die Mehrheit der Bevölkerung ist auch heute noch umfassend printaffin (45 Prozent) oder zumindest selektiv printaffin (39 Prozent, Schaubild 4). 7 6 Siehe Börsenverein des Deutschen Buchhandels: Buch und Buchhandel in Zahlen 009, Seite 5. 7 Siehe dazu: Schneller, Johannes: Die Entwicklung der Printaffinität und printaffiner Zielgruppen. Präsentation der AWA 009 des Instituts für Demoskopie Allensbach. - 8 -

Schaubild 4 Printaffinität in der Bevölkerung und in der jungen Generation Bevölkerung ab 4 Jahre 4- bis 9-Jährige Weitgehend Printabstinente Weitgehend Printabstinente Umfassend Printaffine 5 45% Umfassend Printaffine 8 6% 39 46 Selektiv Printaffine Selektiv Printaffine Basis: Bundesrepublik Deutschland, Bevölkerung ab 4 Jahre Quelle: Allensbacher Markt- und Werbeträgeranalyse, AWA 009 IfD-Allensbach - 9 -

Zu den Veränderungen der Rahmenbedingungen für die Nutzung der kirchlichen oder religiösen Medienangebote zählen auch deutliche Veränderungen der Mediennutzungsgewohnheiten sowie der Rezeptionsqualität: Insgesamt zeitknapper, ungeduldiger, flüchtiger, mobiler, parallele Nutzung mehrerer Angebote gleichzeitig, um bloß nichts zu verpassen, pragmatischere, nutzenorientiertere Selektion ( Was bringt s mir? ), bequemere, weniger anstrengungsbereite Rezeption von Bildern, Kürzeln, die Entschlüsselung komplexerer Texte fällt vielen zunehmend schwerer. Hinzu kommt bei vielen Menschen eine Verengung des Interessenspektrums, möglicherweise (mit-)verursacht durch den Tunnelblick ins Internet bei bereits aktiviertem, strukturiertem Informationsbedarf, während die Gesamtschau auf die Breite des Geschehens ohne komplementäre Nutzung eines Displaymediums, wie zum Beispiel Tageszeitungen, verloren geht. In der Gesamtbevölkerung hat sich das Interesse an gesellschaftlichen Themen in den letzten zehn Jahren leicht, bei den Unter-30- Jährigen stark rückläufig entwickelt (Schaubild 5). Schaubild 5 Interesse an gesellschaftlichen Themen Interesse an Politik, Wirtschaft, Wissenschaft, Umweltschutz, Lokalem sowie Kunst und Kultur - Summenscore - 480 450 40 40 390 393 385 999 009 Bevölkerung ab 4 Jahre 360 360 364 999 Unter-30-Jährige 330 38 009 300 300 70 40 Basis: Bundesrepublik Deutschland, Bevölkerung ab 4 Jahre Quelle: Allensbacher Markt- und Werbeträgeranalysen, AWA 999 und AWA 009 IfD-Allensbach - 0 -

Veränderungen im religiösen Umfeld: Kirche wird wieder stärker als zeitgemäß erlebt, aber von einer breiten religiösen Aufbruchstimmung ist nichts zu spüren Die Entwicklung der medialen und personalen religiösen Kommunikation von Katholiken ist eingebettet in allgemeine Veränderungen der religiösen Kultur in dieser Gesellschaft, die hier zum besseren Verständnis der Zusammenhänge einführend referiert werden sollen. Zwischen 00 und 009 ist der Anteil der Mitglieder der katholischen oder evangelischen Kirche in der deutschen Bevölkerung leicht zurückgegangen, der Anteil der Konfessionslosen bzw. Angehörigen einer anderen Konfession von 3 Prozent (00) auf 34 Prozent (009) angestiegen. Im längerfristigen Vergleich über fast 0 Jahre hinweg ist der Anteil der evangelischen Christen in Westdeutschland von 43 auf 37 Prozent, der Anteil der Katholiken von 4 auf 39 Prozent zurückgegangen. 990 sagten in Westdeutschland 0 Prozent, jetzt 6 Prozent, dass sie aus der Kirche ausgetreten seien. Die nach der Wiedervereinigung erhoffte Rechristianisierung der neuen Bundesländer trat nicht ein. Der Anteil der Ostdeutschen, die sagen war nie Kirchenmitglied stieg von 40 Prozent im Jahr 990 auf jetzt 58 Prozent. Mit einem Bevölkerungsanteil von nur 4 Prozent befinden sich Katholiken in den neuen Bundesländern nach wie vor in einer Diasporasituation (Schaubild 6). - -

Schaubild 6 Konfessionszugehörigkeit im Trend Frage: Sind Sie Mitglied einer Kirche oder sind Sie aus der Kirche ausgetreten, oder waren Sie nie Mitglied einer Kirche? Bin Mitglied einer Konfessionsgemeinschaft und zwar: Evangelisch Katholisch Andere Bin ausgetreten War nie Mitglied 36 3 Bevölkerung insgesamt Westdeutsche Ostdeutsche 00 009 990 00 009 990 00 009 % % % % % % % % 70 7 3 00 34 3 68 6 6 00 43 4 87 0 3 00 40 39 8 5 4 00 37 39 78 6 6 00 5 6 3 8 40 00 3 4 8 50 00 8 4 3 9 58 00 Basis: Bevölkerung ab 4 Jahre Quelle: Allensbacher Werbeträger-Analysen AWA 90, AWA 00, AWA 009 IfD-Allensbach - -

Nachdem die Kirchenaustrittswelle Anfang der 90er Jahre ihren Höhepunkt erreicht hatte, gingen die Austritte aus der katholischen Kirche in den Folgejahren deutlich zurück. Zuletzt sind sie allerdings wieder angestiegen. Im Jahr 008, dem letzten, aus dem offizielle Zahlen vom Referat Statistik der Deutschen Bischofskonferenz vorliegen, standen.000 Kirchenaustritten 4.000 Übertritte und Wiederaufnahmen in die katholische Kirche gegenüber (Schaubild 7). Schaubild 7 Kirchenaustritte, Übertritte und Wiederaufnahmen im Trend 950-008 Austritte aus der katholischen Kirche Übertritte und Wiederaufnahmen 0 00 80 in Tausend 950-008 93 68 60 44 40 0 00 80 69 69 66 74 9 4 90 60 40 0 0 34 3 950 9 955 4 0 960 3 4 965 6 970 6 975 8 980 9 985 9 990 8 99 0 995 000 00 6 005 4 008 Ab 990: einschließlich neue Bundesländer Quelle: Deutsche Bischofskonferenz, Referat Statistik IfD-Allensbach Im Spätherbst 009 sagten 30 Prozent der Katholiken, sie hätten schon mal mit dem Gedanken gespielt, aus der Kirche auszutreten. 8 Weitere Kirchenaustritte sind damit vorprogrammiert. 8 Vgl. Tabellarischer Basisbericht, Band Ia, Tabelle 4a. - 3 -

Bereitschaft zum Kirchenaustritt ist auch in einigen gesellschaftlichen Leitmilieus groß Für die Mehrheit der Konservativen und Traditionsverwurzelten ist ein Kirchenaustritt undenkbar. Nur eine Minderheit in diesen Milieus hat bereits mit dem Gedanken des Kirchenaustritts gespielt. Die Kirchenmitgliedschaft ist in diesen Milieus ein wichtiger Anker im Leben, den man nicht verlieren möchte (ohne diesen Anker wäre man orientierungslos, haltlos und schutzlos den Wellen und Stürmen der Zeit ausgeliefert). Ein Kirchenaustritt kommt auch deswegen nicht in Frage, weil er oft einen Verstoß gegen die hochgeschätzte Familientradition bedeuten würde. Auch wäre man von Ritualen und Zeremonien ausgeschlossen, die für diese Milieus fest zu einer Normalbiografie dazugehören: kirchliche Hochzeit, Taufe, standesgemäße Beerdigung, Taufpatenschaft etc. Aus diesen Gründen kommt ein Kirchenaustritt auch nur für einen kleinen Teil der Bürgerlichen Mitte in Frage obwohl dieses Milieu nur ein vergleichsweise geringes Interesse an kirchlichen Themen bekundet und unter den kirchlich distanzierten Christen überpräsentiert ist. Mit dem Gedanken des Kirchenaustritts haben schon vergleichsweise viele Menschen aus den gesellschaftlichen Leitmilieus gespielt; nämlich 40 Prozent der Postmateriellen sowie 43 Prozent der Modernen Performer. Am höchsten ist der Anteil der potentiell Austrittsbereiten bei den Experimentalisten. Diese Milieus zählen zu den schärfsten Kritikern der Kirche, mit der offiziellen Haltung der Kirche ist man in vielen Punkten mehrheitlich nicht einverstanden, v.a. distanziert man sich von der kirchlichen Sexualmoral und Genderkultur (Einstellungen und Praxis in Bezug auf die Gleichstellung von Frauen und Männern, Schaubild s-4). - 4 -

Schaubild s-4 Haben Sie selbst schon mal mit dem Gedanken gespielt, aus der Kirche auszutreten? Ja Oberschicht / Obere Mittelschicht Mittlere Mittelschicht Untere Mittelschicht / Unterschicht 3 Sinus A Konservative 5 8% 33 0% Sinus AB Sinus B Etablierte 76 3% Sinus A3 Traditionsverwurzelte DDR- Nostalgische 44 43% Sinus B Bürgerliche Mitte 78 4% Sinus B3 Konsum-Materialisten 3 40% Sinus B Postmaterielle Ø = Sinus C Moderne Performer 33 43 40% 43% Sinus C Experimentalisten 8 65% Sinus BC3 Hedonisten 34% 30% Sinus Sociovision 009 Soziale Lage Grundorientierung A Traditionelle Werte Pflichterfüllung, Ordnung B Modernisierung Individualisierung, Selbstverwirklichung, Genuss C Neuorientierung Multi-Optionalität, Experimentierfreude, Leben in Paradoxien Quelle: Sinus Sociovision / Allensbach Basis Fälle = stark überrepräsentiert = überrepräsentiert = durchschnittlich = unterrepräsentiert = stark unterrepräsentiert SINUS SOCIOVISION - 5 -

Der starke Rückgang des Anteils der Gottesdienstbesucher von 50 Prozent im Jahr 950 auf jetzt noch 3 Prozent (Schaubild 8) spiegelt sich auch in den Umfragebefunden des MDG-Trendmonitors. Dabei fällt auf, dass der Anteil der regelmäßigen Kirchgänger in Gemeinden, die zu einem größeren Pfarrverband zählen, nicht geringer, eher sogar etwas größer ist als in eigenständig gebliebenen Pfarrgemeinden (Schaubild 9). Schaubild 8 Katholiken und Gottesdienstteilnehmer 950-008 3, 5,8 7, 6,7 8,6 6,8 6,7 5, Katholiken in Mio.,7,9 0, 7,8 6, 4,4 4, 3,3 950 960 970 980 990 000 00 008 Gottesdienstteilnehmer in Mio. Anteil der Gottesdienstteilnehmer in Prozent: 50,4 46, 37,4 9,,9 6,5 5,8 3, Ab 990: einschließlich neue Bundesländer Quelle: Deutsche Bischofskonferenz, Referat Statistik IfD-Allensbach - 6 -

Schaubild 9 Kirchenbesuch im Trend: leicht rückläufig, aber keine ausgeprägteren Defizite in Pfarrverbänden Es gehen in die Kirche - jeden Sonntag fast jeden Sonntag ab und zu selten nie Katholiken ab 6 Jahre insgesamt 999 00 009 % 5 8 3 3 00 % 5 9 34 00 % 0 4 3 34 00 eigenständiger Pfarrgemeinde % 7 36 30 5 00 009 Katholiken in - einer Gemeinde, die zu einem Pfarrverband gehört % 5 8 38 6 3 00 Quelle: Allensbacher Archiv, IfD-Umfragen 43, 463, 566 IfD-Allensbach - 7 -

Konservative sind die treuesten Kirchgänger und der Gemeinde vor Ort am stärksten verbunden Traditionsverwurzelte, Etablierte und allen voran Konservative sind die treuesten Kirchengänger und auch mit der Gemeinde Vor Ort am engsten verbunden. Hier ist das Selbstverständnis stark ausgeprägt, seinen Teil zur Ordnung und zum Funktionieren der Kirche beitragen zu müssen. Die große Nähe zur eigenen Kirchengemeinde hat für diese Menschen auch einen wichtigen identitätsstiftenden Aspekt: Insbesondere die Traditionsverwurzelten und Konservativen nehmen verstärkt wahr, dass sie aufgrund vieler gesellschaftlicher Veränderungen (Individualisierung, Globalisierung) immer weiter (v.a. soziokulturell) ins Abseits geraten. Durch die Identifikation mit der Gemeinde vor Ort kann man sich jedoch noch als Teil einer wertekonstanten Gemeinschaft verstehen. Beklagt wird, dass um sie herum die Menschen mehr Wert auf Individualität als auf Sozialität zu legen scheinen. In der Mitte der Gesellschaft findet sich nur ein durchschnittlicher Anteil an regelmäßigen Kirchengängern, auch die Bindung an die Gemeinde vor Ort fällt hier nur durchschnittlich aus. Die große Unzufriedenheit mit der offiziellen Haltung der Kirche trägt in den postmodernen und unterschichtigen Milieus massiv dazu bei, dass dort nur die allerwenigsten Menschen regelmäßig den Gottesdienst besuchen bzw. sich der eigenen Kirchengemeinde verbunden fühlen. Neben der Unzufriedenheit mit offiziellen kirchlichen Positionen liegt die geringe Kirchenbindung jedoch auch in der hohen Mobilität (Ausgehen, Städtetrips, Events), in der (zeit)intensiven Pflege der großen sozialen Netzwerke (bei Modernen Performern und Experimentalisten) sowie in der Annahme, dass man durch Kirche keinen persönlichen Nutzen hat, begründet. Auch wird die fehlende Flexibilität der Kirche bemängelt. In postmodernen Lebenswelten stehen bürokratische Spielregeln in der Kritik, z.b. nur zu stets gleichen Zeiten einen Gottesdienst besuchen zu können. Man möchte hier zwar verbunden, aber nicht gebunden sein. Aus Sicht der Experimentalisten und Modernen Performer setzt Kirche zu viel Verbindlichkeit voraus. Beziehungen, die auf starre und strenge Bindung bzw. - 8 -

Einbindung ausgelegt sind, werden in diesen Milieus möglichst gemieden (Schaubilder s-5 bis s-7). Häufigkeit des Kirchenbesuchs: Jeden Sonntag / fast jeden Sonntag Schaubild s-5 Oberschicht / Obere Mittelschicht Mittlere Mittelschicht Untere Mittelschicht / Unterschicht 3 Sinus A Konservative 8 5% Sinus AB Sinus B Etablierte 4 33% Sinus A3 Traditionsverwurzelte 69 40% DDR- Nostalgische 0 4% Sinus B Bürgerliche Mitte 9 % Sinus B3 Konsum-Materialisten 68 6% Sinus B Postmaterielle Sinus C Moderne Performer 88 3 % 7% Sinus C Experimentalisten 0 % Sinus BC3 Hedonisten 57 3% Ø = 4% Sinus Sociovision 009 Soziale Lage Grundorientierung A Traditionelle Werte Pflichterfüllung, Ordnung B Modernisierung Individualisierung, Selbstverwirklichung, Genuss C Neuorientierung Multi-Optionalität, Experimentierfreude, Leben in Paradoxien Quelle: Sinus Sociovision / Allensbach Basis = 074 Fälle = stark überrepräsentiert = überrepräsentiert =durchschnittlich = unterrepräsentiert = stark unterrepräsentiert SINUS SOCIOVISION - 9 -

Häufigkeit des Kirchenbesuchs: Selten / nie Schaubilder s-6 und s-7 Oberschicht / Obere Mittelschicht Mittlere Mittelschicht Untere Mittelschicht / Unterschicht 3 Sinus A Konservative 37 7% Sinus AB Sinus B Etablierte 73 33% Sinus A3 Traditionsverwurzelte 59 6% DDR- Nostalgische 43 64% Sinus B Bürgerliche Mitte 00 45% Sinus B3 Konsum-Materialisten 3 59% Sinus B Postmaterielle Ø = Sinus C Moderne Performer 87 40 39% 63% Sinus C Experimentalisten 8 8% Sinus BC3 Hedonisten 50% 45% Sinus Sociovision 009 Soziale Lage Grundorientierung A Traditionelle Werte Pflichterfüllung, Ordnung B Modernisierung Individualisierung, Selbstverwirklichung, Genuss C Neuorientierung Multi-Optionalität, Experimentierfreude, Leben in Paradoxien Quelle: Sinus Sociovision / Allensbach Basis = 074 Fälle = stark überrepräsentiert = überrepräsentiert =durchschnittlich = unterrepräsentiert = stark unterrepräsentiert SINUS SOCIOVISION Verbundenheit mit lokaler Kirche Angaben in % Gesamt Etablierte Moderne Performer Konservative Postmaterielle Traditionsverwurzelte DDR- Nostalgische Bürgerliche Mitte Konsum- Materialisten Experimentalisten Hedonisten eigene Kirche: enge Bindung (Top 3 einer 0er-Skala) 4 37 5 49 4 3 4 6 Pfarrgemeinde: enge / mittlere Bindung 4 53 39 5 76 57 8 39 7 0 38 Bistum/Diözese: enge / mittlere Bindung 0 34 6 37 5 3 8 0 5 0 Quelle: Sinus Sociovision / Allensbach Basis = 074 Fälle überdurchschnittlich unterdurchschnittlich SINUS SOCIOVISION - 30 -

Entgegen den berichteten Veränderungen der persönlichen religiösen Praxis (gemessen an Kirchenmitgliedschaft bzw. Kirchenaustritten und Gottesdienstbesuch) hat die allgemeine Wertschätzung der Kirche in den letzten Jahren eher wieder zugenommen. Nachdem die Kirche von Katholiken zwischen 979 und 999 immer weniger als eine zeitgemäße Institution erlebt worden war, zeigte sich schon 00 eine leichte Erholung, die durch die letzte Erhebung bestätigt wird. Auf einer Skala von 0 ( Passt überhaupt nicht in unsere Zeit ) bis 0 ( Passt sehr gut in unsere Zeit ) stuften die befragten Katholiken die Kirche 999 bei 4,8 ein, jetzt bei 5,4. Aber bevor von einer nachhaltigen Trendwende gesprochen werden kann, muss die weitere Entwicklung abgewartet werden (Schaubild 0). Schaubild 0 Die Kirche wurde immer weniger als zeitgemäß erlebt: Rückgang gestoppt? Frage: Wie gut passt die Kirche Ihrer Meinung nach eigentlich in unsere Zeit? Hier habe ich eine Leiter. Zehn würde bedeuten, sie passt sehr gut in unsere Zeit, und Null würde heißen, die Kirche passt überhaupt nicht in unsere Zeit. Welche Stufe von Null bis Zehn würden Sie da wählen? Passt sehr gut in unsere Zeit 0 9 8 7 6 5 4 3 6,4 - Durchschnittswerte - 5,8 5,3 5, 4,8 5,0 5,4 Passt überhaupt nicht in unsere Zeit 0 979 989 99 996 999 00 009 Basis: Katholiken ab 6 Jahre, Bundesrepublik Deutschland Quelle: Allensbacher Archiv, IfD-Umfragen 307, 506, 5065, 603, 43, 463, 566 IfD-Allensbach - 3 -

Anlass zur Hoffnung gibt auch die stabile Wertschätzung einer religiösen Erziehung. Im Spätherbst 009 sagten 70 Prozent der befragten Katholiken, dass es für Kinder wichtig sei, religiös erzogen zu werden, nur Prozent meinten, dass religiöse Erziehung einen schlechten Einfluss habe. Inzwischen hat sich trotz wochenlanger Diskussion von Missbrauchsfällen in katholischen Erziehungseinrichtungen an diesem klaren Votum für eine religiöse Erziehung zumindest bis Mitte März 00 nichts geändert (Schaubild ). Schaubild Stabile Wertschätzung religiöser Erziehung Frage: Glauben Sie, es ist wichtig für Kinder, dass sie religiös erzogen werden, oder finden Sie, das macht praktisch keinen Unterschied, oder hat es sogar eher einen schlechten Einfluss? Religiöse Erziehung ist wichtig Macht praktisch keinen Unterschied Hat schlechten Einfluss Unentschieden, keine konkrete Angabe Katholiken 979 989 998 00 009 % 65 6 7 00 % 63 4 00 % 67 3 9 00 % 68 8 00 % 70 0 9 00 00 % 69 3 7 00 Quelle: Allensbacher Archiv, IfD-Umfragen 3065, 506, 6065, 463, 566, 005 (März 00) IfD-Allensbach - 3 -

Für viele Katholiken hat Gott weiterhin große Bedeutung in ihrem Leben und auch die Bindung an die Kirche ist auf deutlich niedrigerem Niveau als die Beziehung zu Gott bei den in der Kirche Verbliebenen im Wesentlichen stabil, allenfalls leicht rückläufig (Schaubild ). Aber ein starkes Altersgefälle ist unübersehbar (Schaubild 3). Schaubild Bedeutung von Gott und Verbundenheit mit der Kirche: leicht rückläufig Auf einer elfstufigen Skala von - sehr wichtig bzw. sehr stark verbunden völlig unwichtig bzw. gar nicht verbunden 0 9 8 7 6 5 4 3 0 So wichtig ist Gott in ihrem Leben So eng fühlen sich ihrer Kirche verbunden - Jeweils Durchschnittswert - 6,7 6,6 6,7 6,5 5, 5, 5, 5,0 Katholiken insgesamt 994 999 00 009 Basis: Katholiken ab 6 Jahre, Bundesrepublik Deutschland Quelle: Allensbacher Archiv, IfD-Umfragen 5096, 43, 463, 566 IfD-Allensbach - 33 -

Schaubild 3 Bedeutung von Gott und Verbundenheit mit der Kirche: starkes Altersgefälle Auf einer elfstufigen Skala von - sehr wichtig bzw. sehr stark verbunden völlig unwichtig bzw. gar nicht verbunden 0 9 8 7 6 5 4 3 0 6,5 5,0 Katholiken insgesamt So wichtig ist Gott in ihrem Leben So eng fühlen sich ihrer Kirche verbunden - Jeweils Durchschnittswert - 5, 3,7 6- bis 9- Jährige 5,9 4,4 30- bis 44- Jährige 6,5 4,9 45- bis 59- Jährige 7,6 6,3 60-Jährige und Ältere Basis: Katholiken ab 6 Jahre, Bundesrepublik Deutschland Quelle: Allensbacher Archiv, IfD-Umfrage 566 (Okt./Nov. 009) IfD-Allensbach - 34 -

Auch wenn immer wieder eine Renaissance des Religiösen beschworen wird, wenn viele Menschen meist bei besonderen Ereignissen oder aus besonderem Anlass wie zum Beispiel bei Katastrophen oder persönlichen Schicksalsschlägen religiöse Gefühle zeigen: Von einer nachhaltigen Renaissance des Religiösen ist in Deutschland nichts zu spüren. Mit nur geringfügigen Schwankungen stagniert der Anteil der Bundesbürger, die sich als religiöse Menschen bezeichnen, in Westdeutschland seit 990 bei gut 50 Prozent, in Ostdeutschland bei etwa 3 Prozent (Schaubild 4). Schaubild 4 Keine Anzeichen für eine nachhaltige Renaissance von Religiosität in der deutschen Bevölkerung Es bezeichnen sich als 'religiöser Mensch' 80 70 60 50 58% 54 56 53 5 53 5 Westdeutschland 40 3 30 0 0 4 3 3 3 Ostdeutschland 0 Juli 984 990 Januar 995 September 000 Oktober 00 Mai/Juni 005 Februar 00 Basis: Jeweils Bevölkerung ab 6 Jahre Quelle: Allensbacher Archiv, IfD-Umfragen IfD-Allensbach - 35 -

Nur am traditionellen Rand der Gesellschaft wird Gott mehrheitlich eine große Bedeutung für das eigene Leben beigemessen Bei der Frage, wie wichtig Gott im Alltag der Menschen ist, zeigen sich deutliche Milieuunterschiede: In den klar traditionsorientierten Milieus (Konservative, Traditionsverwurzelte) wird von weit über der Hälfte Gott eine große Relevanz im Alltag zugeschrieben; man ist hier von den Zweifeln über Gottes Existenz weitgehend frei. Gott ist für viele Menschen in diesen Milieus ein Co-Pilot, ein wichtiger Ansprechpartner und eine Stütze im Leben. Religiöse Zweifel bewegen sich meist innerhalb des Religiösen und sind dort letztlich Ausweis von (noch) tieferer Religiosität. Insbesondere die Traditionsverwurzelten sehen das eigene Leben in den Plan Gottes eingebettet. Erfahrungen werden oft im übergeordneten Sinnhorizont der Existenz Gottes gedeutet. In den postmodernen Milieus (Experimentalisten, Moderne Performer) wird Gott im täglichen Leben hingegen kaum eine Bedeutung für die grundsätzliche Welt- und Existenzdeutung für die alltäglichen Einstellungen und Verhaltensnormen zugesprochen, was bei diesen im Altersdurchschnitt deutlich jüngeren Milieus nicht zuletzt auf die unterschiedlichen Sozialisationsbedingungen zurückzuführen ist: Hier spielt Religion (Gottesehrfurcht etc.) kaum eine prägende Rolle bei der Sozialisation, sondern es sind v.a. die Medien und die Peer Groups (und dort ist Religion kein sonderlich spannendes Thema). (Gottes-)Glaube ist nur für die Wenigsten sinnstiftend für ihre konkreten Alltagserfahrungen und Orientierungen. Religiosität wird in diesen Lebenswelten stark situations- und kontextabhängig (aus)gelebt. Das Interesse an kurzlebiger Spiritualität ist größer als der Wunsch nach konstanter geistlicher Führung; man möchte kein Schaf (neben vielen anderen) in einer großen Herde sein und einem Hirten folgen. Stattdessen bevorzugt man, Entscheidungen flexibel aus der Fülle der potenziell möglichen Optionen zu treffen und sein Leben somit individuell zu gestalten (Schaubild s-8). - 36 -

Schaubild s-8 Wie wichtig ist Gott in Ihrem Leben? Top3-Werte einer 0er-Skala Oberschicht / Obere Mittelschicht Mittlere Mittelschicht Untere Mittelschicht / Unterschicht 3 Sinus A Konservative 77 73% Sinus AB Sinus B Etablierte 9 49% Sinus A3 Traditionsverwurzelte 44 60% DDR- Nostalgische 86 36% Sinus B Bürgerliche Mitte 89 37% Sinus B3 Konsum-Materialisten 76 3% Sinus B Postmaterielle Sinus C Moderne Performer 09 5 45% % Sinus C Experimentalisten 35 5% Sinus BC3 Hedonisten 87 36% Ø = 4% Sinus Sociovision 009 Soziale Lage Grundorientierung A Traditionelle Werte Pflichterfüllung, Ordnung B Modernisierung Individualisierung, Selbstverwirklichung, Genuss C Neuorientierung Multi-Optionalität, Experimentierfreude, Leben in Paradoxien Quelle: Sinus Sociovision / Allensbach Basis = Fälle = stark überrepräsentiert = überrepräsentiert =durchschnittlich = unterrepräsentiert = stark unterrepräsentiert SINUS SOCIOVISION - 37 -

Segmentierung der Katholiken nach ihrer Einstellung zu Kirche und Glauben Auch die differenziertere Ermittlung der Einstellungen anhand einer Verbalskala, die sechs verschiedene Ausprägungen für Nähe bzw. Ferne zu Kirche und Glauben beschreibt, zeigt insgesamt keine sehr wesentlichen Veränderungen zwischen 00 und 009. Wie 00 sagen auch 009 insgesamt 54 Prozent der Katholiken, dass sie sich ihrer Kirche verbunden fühlen, wenn auch überwiegend kritisch verbunden (37 Prozent), nur 7 Prozent eng verbunden (Schaubild 5). Allerdings müssen bei der Interpretation dieser Trenddaten Siebungseffekte beachtet werden: Immer geht es darum, was in der Kirche verbliebene Katholiken zum jeweiligen Messzeitpunkt denken und fühlen. Das heißt, Stabilität oder auch Verbesserungen sind teils auch darauf zurückzuführen, dass ein Teil der Kirchenkritischen bzw. Kirchenfernen, die 00 noch Mitglied der katholischen Kirche waren, inzwischen aus der Kirche ausgetreten sind und damit gleichsam ausgesiebt wurden. Im Detail zeigen sich allerdings leichte Verschiebungen. Sowohl bei Katholiken als auch bei Protestanten ist der Kreis derer, die sich als gläubiges Mitglied ihrer Kirche, der Kirche eng verbunden fühlen, um jeweils Prozentpunkte zurückgegangen. Größer geworden ist in beiden christlichen Konfessionen der Kreis derer, die sich der Kirche verbunden fühlen, wenn auch in vielen Dingen kritisch : Etwa jeder dritte Katholik fühlt sich zwar als Christ, aber die Kirche bedeutet ihm nicht viel (3 Prozent), 3 Prozent sagen von sich Ich bin religiös, fühle mich aber nicht als Christ, 5 Prozent bezeichnen sich als glaubensunsicher und 6 Prozent der (noch) in der katholischen Kirche Verbliebenen bekennen freimütig Ich brauche keine Religion. Weitere Kirchenaustritte sind damit vorgezeichnet. - 38 -

Schaubild 5 Einstellungen zu Kirche und Glauben im Trend 00-009 Es beschreiben sich wie folgt - Ich bin gläubiges Mitglied meiner Kirche, fühle mich der Kirche eng verbunden Ich fühle mich der Kirche verbunden, auch wenn ich ihr in vielen Dingen kritisch gegenüberstehe Ich fühle mich als Christ, aber die Kirche bedeutet mir nicht viel Ich bin religiös, fühle mich aber nicht als Christ Ich fühle mich unsicher, ich weiß nicht, was ich glauben soll Ich brauche keine Religion Unmöglich zu sagen 0 3 7 7 00 009 Bevölkerung insgesamt Quelle: Allensbacher Archiv, IfD-Umfragen 703, 0047 4 0 8 5 8 5 5 % 9 35 3 7 37 3 5 3 4 5 5 6 00 009 Katholiken Basis: Bevölkerung ab 6 Jahre, Bundesrepublik Deutschland, Mehrfachangaben möglich 4 40 8 7 8 3 8 38 5 7 8 4 00 009 Protestanten IfD-Allensbach - 39 -

Auch bei dieser differenzierteren Segmentierung der Katholiken zeigt sich ein ausgeprägtes Altersgefälle. 3 Prozent der 60-jährigen oder älteren Katholiken, aber nur 5 Prozent der 6- bis 9-Jährigen sagen von sich Ich bin gläubiges Mitglied meiner Kirche, fühle mich der Kirche eng verbunden. Überdurchschnittlich viele jüngere Katholiken fühlen sich zwar als Christ, aber die Kirche bedeutet ihnen nicht viel. Sowohl der Anteil der Glaubensunsicheren (9 Prozent) als auch der Anteil derjenigen, die sagen Ich brauche keine Religion ( Prozent), ist unter den 6- bis 9- jährigen Katholiken besonders hoch. Religiosität jenseits des Bekenntnisses zum christlichen Glauben empfinden 3 Prozent aller in der katholischen Kirche Verbliebenen, von den Unter-45-Jährigen 5 Prozent (Schaubild 6). Schaubild 6 Einstellungen der Katholiken unterschiedlicher Altersgruppen zu Kirche und Glauben Es beschreiben sich wie folgt - Ich bin gläubiges Mitglied meiner Kirche, fühle mich der Kirche eng verbunden Ich fühle mich der Kirche verbunden, auch wenn ich ihr in vielen Dingen kritisch gegenüberstehe 7 % 37 5 8 9 36 5 40 3 38 40 Ich fühle mich als Christ, aber die Kirche bedeutet mir nicht viel Ich bin religiös, fühle mich aber nicht als Christ Ich fühle mich unsicher, ich weiß nicht, was ich glauben soll Ich brauche keine Religion Unmöglich zu sagen 3 3 5 6 Katholiken insgesamt 5 9 3 6- bis 9- Jährige 39 5 4 6 30- bis 44- Jährige 3 5 5 3 45- bis 59- Jährige 3 3 60-Jährige und Ältere Basis: Katholiken ab 6 Jahre, Bundesrepublik Deutschland, Mehrfachangaben möglich Quelle: Allensbacher Archiv, IfD-Umfrage 566 (Okt./Nov. 009) IfD-Allensbach - 40 -