Fahrplan für die Handelspolitik der EU 2014 bis 2019 Entfaltung des vollen Handelspotenzials der EU



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Transkript:

Free Trade. Sustainable Trade. Fahrplan für die Handelspolitik der EU 2014 bis 2019 Entfaltung des vollen Handelspotenzials der EU

FTA Vorwort Die FTA ist Europas führender Verband für Handelspolitik und globale Lieferketten. Die FTA vertritt Einzelhändler, Importeure und Markenhersteller auf politischer Ebene und gegenüber der Öffentlichkeit mit dem Ziel, den Freihandel zu fördern und dessen Akzeptanz zu stärken. Weiterhin informiert und berät die FTA ihre Mitglieder zu allen wichtigen Handelsthemen, wie ein Arbeitsschwerpunkt der Verbesserung der Nachhaltigkeit entlang der Lieferkette gilt. Eckdaten 1.392 Mitgliedsunternehmen 704 Milliarden Umsatz (kombiniert) 3 Millionen Beschäftigte 12 nationale Verbände 30 Länder Die öffentliche Debatte über Charakter, Rolle und die künftige Ausrichtung der Europäischen Union (EU) hat sich in den letzten Jahren und Monaten verstärkt und fand ihren Höhepunkt im diesjährigen Wahlkampf zum Europäischen Parlament. Interessanterweise lag ein Hauptaugenmerk auf der Handelspolitik der EU, der Offenheit des Binnenmarkts und den Wirtschaftsbeziehungen zu großen Handelsblöcken wie den USA und China. Daran ist klar zu erkennen, dass Handelspolitik nicht nur für Unternehmen und Wirtschaftsakteure von großer Bedeutung ist, sondern zunehmend auch für politische Entscheidungsträger, Wähler und Verbraucher. Im Handel wird zu Recht ein starkes Instrument zur Überwindung der gegenwärtig schwierigen Wirtschaftssituation in Europa festgemacht. Weiterhin steht dabei auch die Funktionsweise der internationalen Lieferkette und die Rolle der verschiedenen Wirtschaftsbeteiligten entlang der Wertschöpfungskette im Mittelpunkt. Wie jeder andere Sektor hängt auch der Handel von günstigen politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen ab. Globale Lieferketten und wachsende wirtschaftliche Verflechtungen machen es den Gesetzgebern schwerer denn je, mit diesen dynamischen Bewegungen Schritt zu halten. Zum Erhalt ihrer Position als erster Wirtschaftsmacht der Welt muss die EU sowohl mehr Anreize für ein geschäftsfreundliches Umfeld in Europa und Drittstaaten schaffen als auch den weltweiten Austausch von Waren und Dienstleistungen erleichtern. Das globale Wirtschaftswachstum findet derzeit in erster Linie außerhalb Europas statt. Diese schlichte Tatsache muss zur Einsicht führen, dass wir den Handel mit der Welt befördern und zugleich den Protektionismus bekämpfen müssen. Die vier in diesem Fahrplan beschriebenen Ziele sollen der EU als Wegweiser dienen, um die eigene Wettbewerbsfähigkeit und die Teilhabe am schnellen globalen Wachstum zu sichern: Klare Werte und Prinzipien Ehrgeizige Handelsgespräche Modernisierung der Handelsregeln Freier Handel und Nachhaltigkeit als Tandem Dieser Fahrplan ist Ausdruck unserer Prinzipien und Werte und spiegelt die wirtschaftlichen Notwendigkeiten in einer Welt globaler Handelsströme wider. Wir präsentieren mit dieser Programmatik unsere Vision für die nächsten fünf Jahre und für eine starke gemeinschaftliche Handelspolitik mit ehrgeizigen Zielen. Es ist unsere feste Überzeugung, dass Europa von freiem und nachhaltigem Handel profitiert. Juni 2014 Ferry den Hoed Präsident Jan Eggert Generaldirektor 2 Fahrplan für die EU-Handelspolitik 2014 bis 2019

Die Handelspolitik der EU von 2009 bis 2014: Erfolg mit Einschränkungen Wesentliche Fortschritte von 2009 bis 2014 aus Sicht des Handels: INTERNATIONALE EBENE Starke Unterstützung der Doha-Entwicklungsrunde der WTO durch die EU und Unterzeichnung des WTO-Abkommens zu Handelserleichterungen Mehrere Runden für ein plurilaterales Abkommen über den Handel mit Dienstleistungen (TiSA) BILATERALE VERHANDLUNGEN Abschluss von Freihandelsabkommen mit Südkorea, Kolumbien, Peru und sechs Ländern Mittelamerikas Abschluss (keine Anwendung) von Freihandelsabkommen mit Georgien, Moldawien und der Ukraine sowie mit Kanada und Singapur Laufende Verhandlungen für Freihandelsabkommen mit Vietnam, Thailand und Malaysia sowie mit Japan und den USA Aufnahme von Gesprächen über Investitionsabkommen mit China, Singapur und Myanmar/Birma EUROPÄISCHE GESETZGEBUNG Erfolgreiche Reform des Allgemeinen Präferenzsystems (APS) Wiederaufnahme von Myanmar in das APS-System und APS+- Präferenzen für Pakistan Aber... Die Situation ist keineswegs zufriedenstellend. Die Außenwirtschaftspolitik der EU muss in vielen Bereichen eine Neuausrichtung erfahren und sich vermehrt an ambitionierteren Zielen messen, die im Einklang mit den Prinzipien der ökonomischen Offenheit und Transparenz stehen müssen. Bei genauerer Betrachtung offenbaren sich deutliche Schwächen: Kein Ende der Doha-Runde der WTO in Sicht Stockende Handelsgespräche mit Indien, dem Mercosur und Ländern Afrikas sowie Rückschläge bei den Verhandlungen eines interregionalen Abkommens zwischen der EU und ASEAN Scheitern der lange erwarteten Modernisierung der EU-Handelsschutzinstrumente Anhaltende Irritationen und Verzögerungen beim Modernisierten Zollkodex (nicht zur Anwendung gekommen) Teile der vorgeschlagenen Durchführungsrechtsakte und delegierten Rechtsakte zum Unionszollkodex sind klar zum Nachteil von Unternehmen gehalten Die kommenden Jahre: Freihandel ist Schlüssel zum Erfolg 2014 ist mit Blick auf die Europawahlen und die Neubesetzung der Europäischen Kommission ein Jahr der politischen Veränderungen innerhalb der EU. Mit dem Vertrag von Lissabon wurden die Kompetenzen der EU erheblich ausgeweitet, und das Europäische Parlament wurde in fast allen Politikfeldern den Mitgliedsstaaten gleichgestellt. Aus diesem Grund ist eine stärkere gegenseitige Zusammenarbeit und Kontrolle der europäischen Institutionen erforderlich. Die EU versucht trotz der anhaltenden Wirkung der Finanz- und Wirtschaftskrise auf den Wachstumspfad zurückzukehren. Das Europäische Parlament und die Europäische Kommission werden in ihrer neuen Zusammensetzung zusammen mit den EU-Mitgliedsstaaten Antworten auf die Herausforderungen der wirtschaftlichen Stagnation und hohen Arbeitslosigkeit finden müssen. Priorität sollte dabei dem Weg wirtschaftlicher und politischer Reformen zukommen. Ein Teil der Lösung ist augenscheinlich: Der internationale Handel ist ein wichtiger Wachstumsmotor und sollte folglich zentraler Baustein der Strategie zur Überwindung der gegenwärtigen Krise sein. Wir fordern die europäischen Entscheidungsträger deshalb auf, für eine ehrgeizige handelspolitische Agenda und die Vision offener Märkte einzustehen. Die Ziele der FTA WIRKSAME NACHHALTIGKEIT STARKE WERTE MODERNE RECHTSVORSCHRIFTEN AMBITIONIERTE HANDELSABKOMMEN Entfaltung des vollen Handelspotenzials der EU 3

1 Klare Werte und Prinzipien Die gemeinschaftliche Handelspolitik sollte von Werten geleitet sein, die im Einklag mit dem Ziel starker weltweiter Handelsbeziehungen stehen. Handel ist von tragender Bedeutung für die wirtschaftliche Entwicklung Europas. HANDEL SPIELT EINE ERHEBLICHE ROLLE FÜR DIE GENERIERUNG VON WOHLSTAND und Arbeitsplätzen sowie für eine nachhaltige soziale Entwicklung. Zwischen 1980 und 2010 ist der Welthandel um ein Siebenfaches gewachsen sehr zum Vorteil aller Länder mit offenen Grenzen. Viele europäische Unternehmen haben die Herausforderung des gestiegenen internationalen Wettbewerbs angenommen und können sich heute erfolgreich in einer immer stärker globalisierten Welt behaupten. Dabei ist es von maßgeblicher Bedeutung anzumerken, dass wirtschaftliche und soziale Gewinne nicht etwa nur auf Seiten der westlichen Unternehmen zu verzeichnen sind, sondern dass alle Wirtschaftsbeteiligten entlang der Lieferketten, einschließlich Herstellern und Dienstleistern in Entwicklungsländern, profitieren. HANDEL BESTEHT AUS EINFUHREN UND AUSFUHREN: Die EU sollte deutlicher die Bedeutung von Importen für die europäische Wirtschaft anerkennen. In Zeiten globaler Wertschöpfungsketten sind Einfuhren und Ausfuhren eng miteinander verflochten. Eine merkantilistische Politik ist zum Scheitern verurteilt. Hinzu kommt, dass europäische Verbraucher heute einfacherer Zugang zu einer größeren Vielfalt an Produkten zu niedrigeren Preisen genießen. PROTEKTIONISMUS IST DIE FALSCHE POLITISCHE ENTSCHEIDUNG: Viele Wirtschaftssektoren sind auf Handel ausgerichtet und hängen zunehmend von Geschäftsbeziehungen außerhalb des Binnenmarkts ab. Protektionismus an den europäischen Grenzen wird automatisch zu Gegenmaßnahmen und verschlossenen Export- und Investitionsmärkten führen. Die Beschränkung von Einfuhren würde die Kosten für europäische Unternehmen signifikant anheben und einen Verlust der Wettbewerbsfähigkeit nach sich ziehen. Verbraucher müssten höhere Preise zahlen bei einer gleichzeitig veringerten Auswahl. Anteil des Warenhandels am BIP insgesamt Die Ein- und Ausfuhr von Waren trägt immer stärker zur Gesamtwirtschaftsleistung der EU bei (31,7% BIP-Anteil im Jahr 1960 im Vergleich zu 64,5 % im Jahr 2010). Die EU hängt weit stärker vom internationalen Handel ab als die USA. 70% EU USA 60% 50% 40% 30% 20% 10% 0% 1960 1970 1980 1990 2000 2010 Quelle: Welthandelsorganisation, WTO 4 Fahrplan für die EU-Handelspolitik 2014 bis 2019

2 Ambitionierte Handelsabkommen Das heutige Wirtschaftswachstum findet außerhalb Europas statt. Eine aktive Verhandlungspolitik und der Abschluss von Handelsabkommen begünstigen ökonomische Zusammenarbeit und unterstützen europäische Unternehmen in deren Bestrebungen nach vertieften Geschäftsbeziehungen weltweit. WIRTSCHAFTSAKTEURE WARTEN UNGEDULDIG AUF FORTSCHRITTE BEI DER WTO: Die Welthandelsorganisation (WTO) ist die ideale Plattform zur Bewältigung der Herausforderungen einer zunehmend komplexen und internationalisierten Weltwirtschaft. Gleichzeitig ist das derzeitige Regelwerk der WTO nicht gewappnet, auf die sich rapide wandelnden wirtschaftlichen Rahmenbedingungen zu reagieren. Die EU sollte sich weiterhin entschieden für die erfolgreiche Beendigung der Doha-Runde einsetzen. Im Falle eines Scheiterns dieses Verhandlungszykluses sollte die EU eine völlig neue Runde mit neuen Zielen und frischen Ambitionen ins Auge fassen. REDUZIERUNG DER HANDELSKOSTEN DURCH BILATERALE ABKOMMEN: Uneingeschränkte Unterstützung muss Verhandlungen für umfangreiche Freihandelsabkommen zukommen besonders mit aufstrebenden Märkten wie Vietnam, Indien und Thailand. Auch die interregionalen Handelsgespräche mit den ASEAN-Staaten sowie mit den USA müssen Vorrang genießen. Angesichts begrenzter Ressourcen sollten die europäischen Institutionen Personalkapazitäten aus stockenden Verhandlungsprozessen abziehen (z. B. mit dem Mercosur und den Golfstaaten) und auf wichtigere und relevantere Abkommen konzentrieren. Und schließlich werden starke Instrumente zur Umsetzung beschlossener Abkommen benötigt, damit Wirtschaftsakteure den vollen Nutzen aus diesen ziehen können die Erfahrung zeigt, dass Vertragsbestimmungen nicht immer zwangsläufig Anwendung finden. AUSBAU DER BEZIEHUNGEN ZU CHINA: Der Handel unterstützt die laufenden Verhandlungen für ein Investitionsabkommen zwischen der EU und China. Um die wirtschaftliche Kooperation mit China, dem zweitgrößten Wirtschaftspartner der EU, zu vertiefen, sollte eine Machbarkeitsstudie für ein Freihandelsabkommen durchgeführt werden, die auch auf die Erfahrungen der Schweiz und Islands zurückgreifen würde. Im Hinblick auf den verhaltenen Fortschritt der Doha-Runde führt die EU zunehmend bilaterale und regionale Handelsgespräche. WELCHEN NUTZEN HABEN EUROPÄISCHE UNTER- NEHMEN VON EU-HANDELSABKOMMEN? Zölle: Senkung oder Abschaffung von Zöllen Nichttarifäre Handelshemmnisse: Abbau von technischen Handelsschranken (z. B. Standards) Handelsregeln: Umsetzung einfacher Gesetzgebung und Schutz von geistigem Eigentum Marktzugang: Erleichterung von Investitionen und Geschäftsniederlassungen Handelsabkommen generieren Wirtschaftswachstum und schaffen Arbeitsplätzen. Dennoch sollte die von Freihandelsabkommen ausgehende Wirkung nicht missverstanden werden. FREIHANDELSABKOMMEN HABEN NICHT ZUR FOLGE, DASS... Rechtsvorschriften gegen den Willen eines Unterzeichners erzwungen werden die Rechte eines Landes beschnitten werden, legitime politische Zielsetzungen zu verfolgen (z. B. Arbeitsrechte, soziale Angelegenheiten, Tierschutz) Gesundheits-, Umwelt- und Produktsicherheitsstandards herabgesetzt werden Entfaltung des vollen Handelspotenzials der EU 5

3 Modernisierung der Handelsregeln Die europäische Handelsgesetzgebung ist zum Teil nicht zeitgemäß und wird den tief greifenden und schnellen Veränderungen des Welthandels nicht mehr gerecht. Deshalb ist eine Überarbeitung des EU-Handelsrechts erforderlich. Gesetzgebung sollte den Handel erleichtern, nicht aber behindern. EIN TRANSPARENTES ANTIDUMPINGSYSTEM: Die derzeitige Antidumpinggesetzgebung der EU, die kaum Transparenz und Vorhersehbarkeit gewährleistet, muss substantiell reformiert werden. Viele Verfahren scheinen politisiert, wie etwa der Streit zu Solarmodulen gezeigt hat. Die EU sollte die Prinzipien der sogenannten administrativen Schutzverfügung (Administrative Protection Order, APO) einführen, das in den USA seit mehr als 30 Jahren erfolgreich Anwendung findet. Dieses System gewährt von Antidumpingverfahren betroffenen Parteien uneingeschränkte Akteneinsicht. EINFACHE URSPRUNGSREGELN FÖRDERN: Die wirtschaftliche Realität globaler Lieferketten, auf den Punkt gebracht in der Formel Made in the world, sollte zu einer Vereinfachung der EU-Ursprungsregeln führen. Das derzeitige, von großer Komplexität geprägte System ist schwerfällig und zeitaufwändig. Um eine drastische Vereinfachung von Zollerklärungen und Kostensenkung zu erreichen, empfiehlt sich die systematische Anwendung der nicht-präferenziellen Ursprungsregeln, denen zufolge die letzte wesentliche Be- oder Verarbeitung ausschlaggebend wäre. STEIGERUNG DES MEHRWERTS DER EU-ZOLLUNION: Der neue Zollkodex der Union findet ab Juni 2016 Anwendung. Um zu einem wirkungsvollen Instrument zu werden, sollte der Durchführungsrechtsakt den Bedürfnissen von Unternehmen Rechnung tragen. Ein Wegfall der derzeit geltenden Vorerwerbsregel (First Sale) und die Erhebung von Zöllen auf Lizenzgebühren wäre eine schwere Belastung für alle vom Import- und Exportgeschäft abhängigen Unternehmen. Darüber hinaus sind im Unionszollkodex immer noch keine wesentlichen Verbesserungen für das Konzept des Zugelassenen Wirtschaftsbeteiligten (AEO) vorgesehen, das weiterhin nicht genügend zusätzliche Vorteile bietet. Ein übergeordnetes Ziel der EU sollte sein, die Europäische Freihandelsassoziation (EFTA) voll in die Zollunion zu integrieren, um den freien Warenverkehr aus Drittländern zwischen der EU und der EFTA zu ermöglichen. EINE ANGEMESSENE UND REALISTISCHE GESETZGEBUNG: Es ist ein selbstverständliches Anliegen des Handels, nur sichere Produkte auf den EU-Markt zu bringen und Bemühungen zu unterstützen, gefährliche Waren einfach aus dem Verkehr zu nehmen. Von entscheidender Bedeutung ist jedoch, eine annehmbare Balance zu finden zwischen einer Verbesserung des Verbraucher- und Umweltschutzes einerseits und der Vermeidung zusätzlicher Belastungen und Kosten für Unternehmer andererseits. Der mögliche Nutzen sollte die nachteiligen Auswirkungen deutlich übertreffen das Produktsicherheitspaket ist eben aufgrund seiner Unausgewogenheit gescheitert. DIE AUSSENWIRKUNG INTERNER RECHTSVORSCHRIFTEN BEACHTEN: Aufgrund der Größe ihres Marktes zwingt die EU ihr System von Standards, Regeln und technischen Verfahren indirekt auch vielen Handelspartner auf. Der Wirkung der europäischen Gesetze nach außen wird dabei wenig Beachtung geschenkt während der Diskussion um die Chemikalienverordnung REACH wurde keine ausreichend fundierte Einschätzung ihrer Auswirkungen auf die globalen Lieferketten vorgenommen. Die EU sollte den Wildwuchs neuer technischer Hindernisse für Einfuhren nach Europa unterbinden und stattdessen eine weitgehende Harmonisierung von Normen und Regeln auf multilateraler Ebene anstreben. 6 Fahrplan für die EU-Handelspolitik 2014 bis 2019

4 Freier Handel und Nachhaltigkeit als Tandem Nachhaltigkeit ist von zunehmender Bedeutung für die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen. Dieser Philosophie folgt der europäische Handel seit vielen Jahren. Zugleich lohnt es zu wiederholen, dass Nachhaltigkeit im Handel nur denkbar ist, wenn Handel auch stattfindet. Forderungen nach verbindlichen Maßnahmen bezüglich der Verantwortung in Lieferketten liegen falsche Überlegungen zugrunde. PRIORITÄT FÜR HANDELSZIELE: Die Handelspolitik spielt eine zentrale Rolle in der Gesamtstrategie der EU zur Gestaltung der Globalisierung und der Propagierung von Werten. Seit einigen Jahren besteht allerdings eine deutliche Tendenz, besonders im Europäischen Parlament, gesellschaftliche Anliegen wie Arbeitsrechte, Soziales und Umweltschutz stärker zu gewichten als originäre handelspolitische Vorgaben. Zwar sollte der Dialog um die Akzeptanz von Nachhaltigkeitszielen weiterhin fester Bestandteil der europäischen Außenwirtschaftspolitik bleiben, doch sollte dabei nicht aus dem Blick verloren werden, dass das Hauptmotiv der Handelspolitik die Erleichterung von Geschäftstätigkeiten ist. CSR SOLLTE FREIWILLIG BLEIBEN: Der Handelssektor hat angesichts seines erfolgreichen und langjährigen Einsatzes für die Verbesserung von Sozial- und Umweltstandards in der internationalen Wertschöpfungskette ein besonderes Interesse an Business Social Compliance Initiative sozialer Verantwortung von Unternehmen (CSR). Eine Veränderung des freiwilligen Charakters von CSR durch die Einführung verbindlicher Regeln würde auf Kosten der Flexibilität gehen, administrative Hemmnisse und Mehrkosten erzeugen und damit die positive Wirkung von CSR verringern. UNTERSTÜTZUNG VON BESTEHENDEN NACHHALTIGKEITSINITIATIVEN: Es versteht sich von selbst, dass unternehmensgestützte Nachhaltigkeitsprogramme nicht ausreichen können, um soziale und ökonomische Fehlentwicklungen zu unterbinden. Der Handelssektor ist jedoch überzeugt davon, dass Freihandel im Zusammenspiel mit CSR-Projekten eine wichtige Rolle zur Förderung von Wirtschaftswachstum und zur Armutslinderung in Entwicklungsländern spielen. Die EU sollte deshalb bestehende Programme zur Einhaltung von Sozialstandards unterstützen und zu einer verstärkten Wahrnehmung dieser CSR-Aktivitäten beitragen. Business Environmental Performance Initiative BSCI ist eine freiwillige Initiative für Unternehmen, die der Verbesserung der Arbeitsbedingungen in der globalen Lieferkette verpflichtet sind. Die BSCI vereinigt ca. 1.300 Unternehmen zu einem gemeinsamen Verhaltenskodex und unterstützt ihre Mitglieder beim Aufbau von ethisch verantwortungsvollen Lieferketten. www.bsci-intl.org BEPI ist eine operative Plattform zur Verbesserung der Umweltstandards in Produktionsstätten und landwirtschaftlichen Betrieben weltweit. BEPI bietet ein praktisches Rahmenwerk, das Unternehmen aller Branchen dabei unterstützt, die Umweltauswirkungen ihrer Tätigkeit sowie ihre Geschäftsrisiken zu verringern. www.bepi-intl.org Entfaltung des vollen Handelspotenzials der EU 7

Free Trade. Sustainable Trade. HERAUSGEBER FTA, Juni 2014 Foreign Trade Association, Brüssel, Belgien Fotos: Fotolia Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit Genehmigung der FTA. Foreign Trade Association (FTA) Avenue de Cortenbergh 172 1000 Brüssel Belgien Tel. +32 2 762 05 51 Fax +32 2 762 75 06 info@fta-intl.org www.fta-intl.org