Kopfschmerzen und Migräne ganzheitlich behandeln



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Transkript:

Kopfschmerzen und Migräne ganzheitlich behandeln Von Dr. med. Anette Delbrück-Schneider Der RatgeberVerlag

Inhalt Vorwort 8 Erst Diagnose, dann Therapie! 10 Warum ist es auch bei Kopfschmerzen so wichtig, die genaue Diagnose zu kennen?.......... 11 Was sind die wichtigsten Verfahren zur Unterscheidung der verschiedenen Kopfschmerzarten?.................. 15 Welche technischen Untersuchungsverfahren können im Einzelfall zur Klärung der Diagnose sinnvoll sein?..................... 19 Die wichtigsten Kopfschmerzarten im Überblick 24 Der Spannungskopfschmerz............. 25 Die Migräne...................... 31 Kopfschmerz, der von der Halswirbelsäule ausgeht (Cervicogener Kopfschmerz)........ 39 Kopfschmerz nach Unfällen und Verletzungen (Posttraumatischer Kopfschmerz).......... 43 Der Clusterkopfschmerz............... 47 Kopfschmerz als Symptom einer anderen Krankheit....................... 52 Kopfschmerz und Psyche das ganzheitliche Modell 56 Der Mensch als Maschine das mechanistische Krankheitsmodell................... 58 Ein neuer Ansatz das ganzheitliche Weltbild... 60 Das bio-psycho-soziale Krankheitsmodell..... 61 Inhalt 5

Ist das ganzheitliche Krankheitsmodell wirklich so neu?................... 65 Kopfschmerz ganzheitlich betrachtet....... 67 Welche Behandlung ist bei welcher Kopfschmerzart sinnvoll? 72 Die Behandlung des Spannungskopfschmerzes.. 73 Die Behandlung der Migräne............ 82 Die Behandlung des Halswirbelsäulenkopfschmerzes.................... 107 Die Behandlung des Kopfschmerzes nach Verletzungen im Schädel-Hirn-Bereich und der Halswirbelsäule................... 112 Die Behandlung des Clusterkopfschmerzes.... 115 Wenn mehrere Kopfschmerzarten gleichzeitig bestehen der Kombinationskopfschmerz 122 Migräne und Spannungskopfschmerz....... 124 Andere Formen von Kombinationskopfschmerz. 129 Wenn Medikamente zum Problem werden der Medikamentenkopfschmerz 130 Wie entsteht Medikamentenkopfschmerz?.... 131 Gesundheitliche Risiken des chronischen Kopfschmerzmittelgebrauchs........... 136 Die Behandlung des Medikamentenkopfschmerzes.................... 137 Nach dem Entzug wie geht es weiter?...... 139 6 Inhalt

Nichtmedikamentöse Kopfschmerztherapie von A bis Z 142 Akupressur..................... 143 Akupunktur..................... 144 Autogenes Training................. 145 Biofeedback..................... 146 Chirotherapie.................... 147 Diät.......................... 148 Halskrawatte.................... 149 Homöopathie.................... 149 Kältetherapie.................... 150 Kopfschmerzkalender............... 151 Krankengymnastik................. 151 Massagen....................... 152 Muskelentspannungstraining............ 153 Nervenblockaden.................. 154 Psychologische Schmerztherapie.......... 155 Sauerstoffinhalation................. 156 TENS Transcutane elektrische Nervenstimulation................. 157 Triggerpunktinjektionen.............. 160 Wärmeanwendung................. 161 Die wichtigsten Medikamente zur Kopfschmerzbehandlung von A bis Z 162 Häufig zur Kopfschmerztherapie eingesetzte Medikamente Freinamen, Medikamentengruppe, Einsatzgebiete und Handelsnamen.... 164 Anhang 172 Adressen von Selbsthilfeorganisationen...... 172 Register....................... 174 Inhalt 7

Erst Diagnose, dann Therapie!

Warum ist es auch bei Kopfschmerzen so wichtig, die genaue Diagnose zu kennen? Eigentlich sollte es selbstverständlich sein, dass für Kopfschmerzen das Gleiche gilt wie für jede andere Krankheit, egal aus welchem Bereich der Medizin: Voraussetzung einer gezielten Therapie ist immer die exakte Diagnose!»Primäre«und»sekundäre«Kopfschmerzen»Kopfschmerz«ist für sich gesehen zunächst nur ein Symptom, er kann bei sehr verschiedenen Krankheiten auftreten. Die Internationale Kopfschmerzgesellschaft (International Headache Society, IHS) unterscheidet mehr als 200 verschiedene Erkrankungen, die mit Kopfschmerzen einhergehen. Die meisten von ihnen sind allerdings seltene Krankheiten; die beiden am häufigsten vorkommenden Kopfschmerzarten, Spannungskopfschmerz und Migräne, machen zusammen über 90 Prozent aller Fälle aus. Grundsätzlich unterscheidet man zwei Formen von Kopfschmerzen: die»primären«und die»sekundären«. Was ist damit gemeint? Zunächst zu den sekundären Kopfschmerzen. Wichtigkeit der genauen Diagnose 11

Sekundäre Kopfschmerzarten Kopfschmerzen bei Krankheiten des Gehirns n Kopfschmerzen nach Verletzungen des Gehirns (z.b. Gehirnerschütterung, Gehirnquetschung) n Kopfschmerzen bei Gefäßerkrankungen des Gehirns (z.b. Hirnblutung) n Kopfschmerzen bei anderen Krankheiten des Gehirns (z.b. Hirntumor, Hirnhautentzündung, Hirnentzündung) Kopfschmerzen bei anderen Erkrankungen im Kopf-Hals-Bereich (z.b. Nasennebenhöhlenerkrankungen, Augenerkrankungen, Arthrose im Kiefergelenk, Krankheiten der Halswirbelsäule) Kopfschmerzen bei Allgemeinerkrankungen n Kopfschmerzen bei Infektionserkrankungen (z.b. Grippe,»banale Infekte«, Zeckenborreliose) n Kopfschmerzen bei Stoffwechselstörungen (z.b. Unterzuckerung, Nierenversagen) n Kopfschmerzen bei Gefäßerkrankungen (z.b. zu hoher oder zu niedriger Blutdruck) n Kopfschmerzen durch von außen zugeführte Stoffe (z.b. Alkohol, Glutamat, Nitrate, Medikamente, Umweltgifte) n Kopfschmerzen durch Entzug gewohnheitsmäßig zugeführter Stoffe (z.b. Coffein, Ergotamin) Kopfschmerzen bei seelischen Erkrankungen (z.b. Depression) 12 Erst Diagnose, dann Therapie!

Sekundäre Kopfschmerzen Darunter versteht man Kopfschmerzen, die ein Symptom oder Anzeichen einer anderen Krankheit sind. Diese andere Krankheit nennt man Grundkrankheit. Grundkrankheiten, die mit Kopfschmerzen einhergehen, können sehr verschieden sein. Einige sind relativ harmlos, wie zum Beispiel die Grippe, andere können lebensbedrohlich sein, wie eine akute Hirnblutung oder ein Hirntumor. Die Tabelle auf Seite 12 gibt einen Überblick über solche möglichen Ursachen sekundärer Kopfschmerzen. Bei sekundären Kopfschmerzen leuchtet die Notwendigkeit, die richtige Diagnose zu finden, ein. In diesem Fall sind die Kopfschmerzen ein Warnzeichen. Nur wenn die Grundkrankheit erkannt und richtig behandelt wird, können unter Umständen ernste Gesundheitsschäden vermieden werden. Es wäre ein schwerer Fehler, solche Kopfschmerzen ausschließlich mit Schmerzmitteln zu behandeln. Aber es muss auch deutlich gesagt werden, dass sekundäre Kopfschmerzen sehr selten sind. Viele Kopfschmerzpatienten und -patientinnen haben große Angst, an einem Hirntumor zu leiden. Diese Angst ist in der überwältigenden Mehrzahl der Fälle zum Glück unbegründet. Primäre Kopfschmerzen Viel häufiger sind die so genannten primären Formen von Kopfschmerzen. Hierbei findet sich keine andere Erkrankung als Ursache für die Kopfschmerzen. Der Kopfschmerz in seiner jeweiligen Form stellt eine eigenständige Krankheit dar. Diese primären Kopfschmerzkrankheiten sind das eigentliche Thema dieses Buches. Aber auch hier ist eine genaue Diagnose wichtig, denn die Behandlung der verschiedenen primären Kopfschmerzkrankheiten, der»chronischen Kopfschmerzsyndrome«, ist ebenfalls sehr unterschiedlich. Wichtigkeit der genauen Diagnose 13

Eine ungezielte oder falsche Therapie kann auch hierbei ernste Folgen haben. Sie führt zu unnötigem Leiden und womöglich wegen der Nebenwirkungen unkritisch eingenommener Medikamente ebenfalls zu schweren Gesundheitsschäden. Man denke nur an die zahlreichen Menschen, die nach langjährigem übermäßigem Gebrauch bestimmter Kopfschmerzmittel Nierenschäden davontragen. Grundregel der Kopfschmerzdiagnostik Wenn also die richtige Diagnose so wichtig ist wie lässt sie sich am sichersten finden? Welche Verfahren sind aussagefähig, auf welche kann verzichtet werden? Die einzelnen bei Kopfschmerzen üblichen diagnostischen Verfahren sollen im nächsten Abschnitt vorgestellt werden. Grundsätzlich gilt: Vor Beginn einer Kopfschmerzbehandlung ist durch geeignete Untersuchungen die Diagnose zu klären. Wenn sich im weiteren Verlauf der Kopfschmerz ändert und neue Symptome auftreten, muss geklärt werden, ob es sich um eine zusätzliche Erkrankung handelt, die gegebenenfalls eine eigene Therapie erfordert. 14 Erst Diagnose, dann Therapie!

Die wichtigsten Kopfschmerzarten im Überblick

Der Spannungskopfschmerz Der Spannungskopfschmerz ist die bei weitem häufigste Kopfschmerzart überhaupt. Man versteht darunter eine Form primärer Kopfschmerzen, die sehr unterschiedlich ausgeprägt sein kann. Sie reicht von seltenen, wenig beeinträchtigenden,»banalen«kopfschmerzen bis zu schweren Krankheitszuständen, die in die Invalidität führen können und die Betroffenen und ihre Angehörigen auf das Schwerste belasten. Welche Arten von Spannungskopfschmerzen gibt es? Man unterscheidet je nach Häufigkeit der Kopfschmerzen zwei Arten der Krankheit: den episodischen und den chronischen Spannungskopfschmerz. Bei der episodischen Form haben die Betroffenen an weniger als der Hälfte der Tage Kopfschmerzen. Die Grenze wird bei 15 Kopfschmerztagen im Monat oder 180 Kopfschmerztagen pro Jahr gesetzt. Der episodische Spannungskopfschmerz Betroffen hiervon sind alle diejenigen, die nur ab und zu Kopfschmerzen haben und deren Kopfschmerzen zwar lästig sind, aber kein wirkliches Problem darstellen. Fragt man in einer beliebigen Gruppe von Menschen, wie viele der Anwesenden schon einmal Kopfschmerzen hatten, so werden sich fast alle melden. Die ganz überwiegende Mehrzahl von ihnen hat nach der obigen Einteilung episodische Spannungskopfschmerzen. Der Spannungskopfschmerz 25

Der chronische Spannungskopfschmerz Wesentlich problematischer ist die zweite Form des Spannungskopfschmerzes, die chronische. Die Betroffenen leiden an mehr als der Hälfte der Tage eines Monats bzw. Jahres unter Kopfschmerzen. Nicht selten treten die Kopfschmerzen täglich auf, so dass diese Menschen so gut wie nie schmerzfrei sind. Da sich der chronische Kopfschmerz vom Spannungstyp praktisch immer aus dem episodischen entwickelt, muss versucht werden, diese unheilvolle»chronifizierung«zu vermeiden. Episodische Spannungskopfschmerzen, die im Laufe der Zeit an Stärke und Häufigkeit zunehmen, müssen also ernst genommen werden. Ein Warnzeichen für den drohenden Übergang in die chronische Form ist auch ein sich steigernder Medikamentenverbrauch. Wenn Sie den Verdacht haben, dass Ihr episodischer Spannungskopfschmerz sich verschlimmert, und Sie immer mehr Medikamente benötigen, sollten Sie dringend ärztliche Hilfe suchen! Führen Sie in dieser Situation unbedingt einen Schmerzkalender! Wer ist von Spannungskopfschmerz betroffen? Spannungskopfschmerz kommt in allen Altersgruppen vor, in besorgniserregend hohem Maße auch schon bei Schulkindern. Überwiegend suchen Frauen ärztliche Hilfe, insbesondere solche im mittleren und höheren Lebensalter. Offenbar neigen Frauen eher dazu, sich wegen ihrer Kopfschmerzen in ärztliche Behandlung zu begeben, oder ihre Kopfschmerzen 26 Die wichtigsten Kopfschmerzarten

Abb. 6: Typische Hauptschmerzpunkte beim Spannungskopfschmerz sind schlimmer als die von Männern. In der Gesamtbevölkerung ist der Unterschied zwischen Männern und Frauen in der Häufigkeit des Spannungskopfschmerzes jedenfalls bei weitem nicht so groß. Insgesamt leiden etwa drei Millionen Menschen in Deutschland unter schwerem chronischem Spannungskopfschmerz. Der Spannungskopfschmerz 27

Wie beschreiben Betroffene den Spannungskopfschmerz? Meist handelt es sich um beidseitig auftretende Kopfschmerzen, die zumindest manchmal den Ort wechseln. Sehr häufig sitzt der Hauptschmerz in der Stirn, der Schläfengegend oder im Nacken. Oft wird der Schmerz auch als ringförmig um den Kopf liegend oder als helmartig auf dem Kopf sitzend empfunden. Die Betroffenen beschreiben die Schmerzen als dumpf, drückend oder ziehend. (»Es ist, als ob mein Kopf in einem Schraubstock steckte.«) Die Arbeitsfähigkeit ist zwar eingeschränkt, aber meist können alltägliche Tätigkeiten fortgeführt werden. Körperliche Bewegung, insbesondere an der frischen Luft, wird von vielen als schmerzlindernd empfunden, sie verschlimmert die Schmerzen zumindest nicht. Begleiterscheinungen treten selten auf und sind meist geringfügig. Gelegentlich kommt leichtes Unwohlsein vor, jedoch kein Erbrechen. Manchmal sind die Kopfschmerzen mit Licht- oder Geräuschempfindlichkeit verbunden. Bei der chronischen Form können die Begleiterscheinungen ausgeprägter sein. Die Dauer der Kopfschmerzanfälle ist sehr unterschiedlich, sie kann von weniger als einer Stunde bis zu mehreren Tagen schwanken. Symptome des Spannungskopfschmerzes n Schmerz ist dumpf und drückend n meist beidseits, oft ring- oder helmförmig n alltägliche Aktivität (eingeschränkt) möglich n Schmerzdauer: Stunden bis Tage n episodische Form: bis 15 KS-Tage/Monat n chronische Form: mehr als 15 KS-Tage/Monat 28 Die wichtigsten Kopfschmerzarten

Wie entstehen Spannungskopfschmerzen? Der genaue Mechanismus der Schmerzentstehung ist nicht bekannt. Jeder Mensch verfügt über ein körpereigenes schmerzabwehrendes System, das aus bestimmten Teilen des Gehirns, der Nervenbahnen im Rückenmark und den dazugehörigen Botenstoffen besteht. Wenn dieses System gestört ist, erhöht sich die Schmerzempfindlichkeit. Offenbar liegt beim Spannungskopfschmerz eine derartige Störung vor. Untersuchungen haben gezeigt, dass Menschen mit Spannungskopfschmerzen eine niedrigere Schmerzschwelle haben als Gesunde. Sie sind also schmerzempfindlicher als andere Menschen. Außerdem fand sich ein verändertes Muskelentspannungsverhalten sowie Veränderungen der Menge bestimmter Botenstoffe im Blut und Hirnwasser. Es ist allerdings nicht klar, ob diese Veränderungen Ursache oder Folge der Erkrankung sind. Wodurch werden Spannungskopfschmerzen ausgelöst? Auslöser für Schmerzanfälle können zum Beispiel körperliche Belastungen wie langes Verweilen in ungünstigen Körperhaltungen, einseitige Tätigkeiten oder auch bestimmte Wetterlagen (Föhn) sein. Eine große Bedeutung haben seelische Belastungen und das Gefühl von Stress und Überforderung. Oft kommt es dabei zu einem Teufelskreis. Die Überlastung führt zu unwillkürlichen Muskelverspannungen und löst so Schmerzen aus. Die Schmerzen ihrerseits verstärken dann reflektorisch die Muskelverspannung, wodurch der Schmerz weiter zunimmt und so weiter. Bei chronischen Spannungskopfschmerzen kann dies zum Dauerzustand geworden sein. In diesem Fall kommen dann oft noch die Der Spannungskopfschmerz 29

Probleme des übermäßigen Medikamentenverbrauchs dazu. (siehe Seite 131 ff.) Spannungskopfschmerzen scheinen die Antwort des Körpers auf Belastungen unterschiedlicher Art zu sein. Die genaue Entstehungsweise ist noch nicht bekannt. Der Name»Spannungskopfschmerz«bringt beide Aspekte der Störung zum Ausdruck, die körperliche und die seelische Anspannung. Gibt es für den Spannungskopfschmerz typische Untersuchungsbefunde? Die körperliche Untersuchung ist meist unauffällig. Manchmal findet sich eine Druckschmerzhaftigkeit der Austrittspunkte der Hinterhauptsnerven. Häufig, aber nicht immer lassen sich Verspannungen der Muskeln im Nacken und am Kopf sowie gelegentlich der Kaumuskulatur oder auch anderer Muskelgruppen ertasten. Technische Untersuchungen helfen nicht weiter. Kopfschmerz, der vom Kauapparat ausgeht Manchmal finden sich bei Kopfschmerzen, die ansonsten in jeder Hinsicht den Spannungskopfschmerzen gleichen, ausschließlich starke Muskelverspannungen und Schmerzen im Bereich des Kiefers. Hier ist die Frage, ob diese Kopfschmerzen auf eine organische Erkrankung des Kiefergelenks zurückzuführen sind oder ob es sich tatsächlich um eine Form von Spannungskopfschmerzen handelt. Die Versuche, diese Art Kopfschmerzen durch zahnärztliche oder kiefer- 30 Die wichtigsten Kopfschmerzarten

orthopädische Maßnahmen zu beseitigen, sind nur selten erfolgreich selbst dann, wenn sich krankhafte Befunde im Röntgenbild des Kiefergelenks oder Zahnfehlstellungen nachweisen lassen. Daher muss wohl doch angenommen werden, dass es sich bei dieser Art Kopfschmerzen in der Mehrzahl der Fälle um Spannungskopfschmerzen handelt. Die Migräne Wer ist von Migräne betroffen? Migräne ist zwar nicht die häufigste, aber wohl die bekannteste Kopfschmerzart. Viele Legenden und Halbwahrheiten sind über sie im Umlauf. Angeblich ist Migräne die typische eingebildete Krankheit unzufriedener Frauen, die mit ihren Anfällen Ehemann und Kinder terrorisieren. So oder ähnlich werden Migränekranke nicht selten in der Literatur dargestellt. In Wirklichkeit ist Migräne eine häufige Krankheit, über deren Entstehung gerade in den letzten Jahren eine Reihe neuer Erkenntnisse gewonnen wurden. Auch Männer und Kinder sind davon betroffen, wobei im Kindesalter Jungen und Mädchen etwa gleich häufig Migräne haben, während nach der Pubertät Frauen zwei- bis dreimal so häufig daran leiden. Nach den Wechseljahren verringert sich der Unterschied zwischen den Geschlechtern in der Migränehäufigkeit wieder. Insgesamt erkranken im Laufe ihres Lebens etwa 20 Prozent der Frauen und 8 Prozent der Männer an Migräne. Bei den meisten Betroffenen beginnt die Erkrankung um das 20. Lebensjahr, ein Erkrankungsbeginn nach dem 40. Lebensjahr ist selten. Die Migräne 31

Was wissen wir heute über die Entstehung der Migräne? Der Migräne liegt offenbar eine angeborene Überempfindlichkeit bestimmter Hirnregionen zugrunde. Diese führt dazu, dass die Betroffenen auf bestimmte Auslöser mit den Erscheinungen reagieren, die wir»migräne«nennen. Es kommt dabei zu vorübergehenden Veränderungen der Hirndurchblutung. Damit werden die oft am Anfang des Anfalls auftretenden Sehstörungen erklärt. Anschließend kommt es zum Austritt von Botenstoffen (z.b. Serotonin) in der Umgebung der Hirngefäße. Diese Botenstoffe führen zu einer Art Entzündung der Gefäßwände und damit zur Schmerzauslösung. Der normale Pulsschlag wird in diesen Adern jetzt als Schmerz empfunden. Die Rätsel, die die Migräne der Wissenschaft stellt, sind bei weitem noch nicht alle gelöst. Aus dem, was wir heute wissen, geht immerhin eindeutig hervor, dass Migräne eine körperliche Erkrankung ist, die sich im Übrigen auch nicht auf die Kopfschmerzen beschränkt. Es gibt daneben eine ganze Reihe von Begleiterscheinungen, der ganze Mensch ist betroffen. Dass dabei, wie letztendlich bei jeder Erkrankung, auch seelische Faktoren eine wichtige Rolle spielen, wird uns im Kapitel»Kopfschmerz und Psyche das ganzheitliche Modell«(Seite 58ff.) noch eingehend beschäftigen. Wodurch werden Migräneanfälle ausgelöst? Die meisten Menschen mit Migräne können bestimmte Auslöser nennen, die bei ihnen erfahrungsgemäß oft Anfälle auslösen. Am häufigsten werden bestimmte Nahrungsmittel angegeben, besonders Käse, Schokolade, Rotwein und»ge- 32 Die wichtigsten Kopfschmerzarten

schmacksverstärker«wie das in chinesischem Essen meistens enthaltene Glutamat. Eine wichtige Rolle spielen auch hormonelle Veränderungen. So haben viele Frauen ihre Anfälle im Zusammenhang mit ihrer Regelblutung. Während der Schwangerschaft haben die meisten Migränepatientinnen keine Anfälle. Die Verbindung Häufige Auslöser von Migräneanfällen n Nahrungsmittel: Käse Schokolade (Rot-)Wein Gewürze Zitrusfrüchte n Hormonelle Veränderungen: Menstruation Einnahme von weiblichen Hormonen Absetzen einer Hormontherapie Wochenbett n Veränderungen im Tagesablauf: langes Schlafen (Wochenendmigräne) Schlafmangel n Fasten/unregelmäßige Nahrungseinnahme n Wetter n Psychische Faktoren: Belastungen Aufregung (auch positive!) Angst vor bevorstehenden Ereignissen Stress Entlastung von Stress Nicht für jeden Migräneanfall lässt sich ein bestimmter Auslöser finden! Die Migräne 33

zwischen weiblichen Hormonen und Migräne zeigt sich auch an der unterschiedlichen Migränehäufigkeit bei Männern und Frauen und ihrer Abhängigkeit vom Alter. Weitere wichtige Migräneauslöser sind Veränderungen im Tagesablauf (zum Beispiel langes Ausschlafen am Wochenende), Fasten, Stress und seelische Belastungen. Aber auch die Entlastung von Stress kann Anfälle auslösen. Möglicherweise spielen auch bestimmte Wetterlagen (Föhn) eine Rolle. Es ist wichtig, herauszufinden, auf welche Auslöser man mit einem Migräneanfall reagiert. Aber es findet sich nicht für jeden einzelnen Migräneanfall eine greifbare Ursache. Auch lösen nicht alle genannten Faktoren bei allen Betroffenen gleichermaßen Anfälle aus. Welche Unterarten von Migräne gibt es? Neben den Kopfschmerzen gibt es bei Migräne noch eine Anzahl anderer Erscheinungen. Anhand dieser Begleitsymptome und des zeitlichen Ablaufs der Anfälle werden verschiedene Migräneformen unterschieden. Die meisten von ihnen sind allerdings sehr selten. Am häufigsten sind die»migräne mit Aura«(früher»klassische Migräne«) und die»migräne ohne Aura«(früher»einfache Migräne«). Allein die Migräne ohne Aura macht etwa 85 Prozent der Migränefälle aus. 34 Die wichtigsten Kopfschmerzarten