Stressmanagement nach akuten traumatischen Ereignissen



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Stressmanagement nach akuten traumatischen Ereignissen Dr. Christoph Göttl www.kinder-jugendpsychiatrie.at

Critical Incident Stress Management Ziel der Reduktion negativer Auswirkungen hoher und häufiger Stresserfahrung

Critical Incident Stress Management Hauptziele 1. Mitarbeiter befähigen, mit berufsbedingtem Stress umgehen zu lernen 2. Traumatische Stressreaktionen verhindern 3. Schnellere Erholung von kritischen Ereignissen unterstützen 4. Gesundheit und Wohlbefinden der Mitarbeiter aufrechterhalten

Critical Incident Stress Management Bestandteile Vorbereitung Demobilisierung Crisis Management Briefing Defusing Critical Incident Stress Debriefing Einzelberatung Familien-Krisenintervention Organisationsberatung Seelsorgerische Krisenintervention Nachsorge

Critical Incident Stress Management Vorbereitung Aufklärungsgespräch über mögliche Reaktionen Erkennen und Verstehen möglicher Stressfaktoren und reaktionen Erlernen von Bewältigungsstrategien

Critical Incident Stress Management Demobilisierung Übergang zwischen kritischem Ereignis und Dienstende bzw. Wiederaufnahme routinemäßiger Arbeit Kurze Erholungspause vor neuem Einsatz, um Ereignis aus einer anderen Perspektive zu betrachten Erhalt von Informationen über mögliche Verarbeitungsstrategien Dauer ca. 15-30 min

Critical Incident Stress Management Crisis Management Briefing Informationsveranstaltung für große Personengruppen aus der Zivilbevölkerung nach Großschadensereignissen Aufklärung betroffener Personen über mögliche Stressreaktionen und Bewältigungstrategien Verteilung von Informationsbroschüren und Nennung weiterer Unterstützungsangebote

Critical Incident Stress Management Defusing (=Entschärfung) Kurze Gruppenbesprechung für Einsatzkräfte wenige Stunden nach kritischem Ereignis Gelegenheit, Erlebtes zum Ausdruck zu bringen Informationen zur Stressbewältigung Förderung der Normalisierung von Stressreaktionen

Critical Incident Stress Management Critical Incident Stress Debriefing Differenzierteste Form aller Interventionen des CISM Gruppengespräch Sprechen über persönliche Erfahrungen und Erlebnisse Ablauf folgt genau vorgegebenen Phasen

Critical Incident Stress Management Einzelberatung Kurze Kontakte mit einem Psychologen vor einem kritischen Ereignis, kurz danach und nach einiger Zeit Psychologe unterstützt die Stressbewältigung durch Zuhören und Informationen zum Thema Keine Anwendung therapeutischer Techniken

Critical Incident Stress Management Familien-Krisenintervention Unterstützung für Mitarbeiter und deren Angehörige Verteilen von Informationsbroschüren und Vermittlung weiterer Unterstützungsangebote

Critical Incident Stress Management Organisationsberatung Beratung von Teamleitern während eines kritischen Ereignisses vor Ort Unterstützung bei der besseren Organisation von Arbeits- und Ruhezeiten, Arbeitsintensität und Aufgaben der Einsatzkräfte

Critical Incident Stress Management Seelsorgerische Krisenintervention Unterstützung bei der Bewältigung von belastenden Ereignissen, die das Weltbild und den Glauben erschüttern Kontakte mit Seelsorgern

Critical Incident Stress Management Nachsorge Weitere Unterstützung der Rettungskräfte auch über das kritische Ereignis hinaus z.b. Nachfragen, wie es den Betroffenen geht oder Organisation eines weiteren Gruppentreffens

CISD Sitzung findet: nur einmal statt 24-72h nach einem kritischen Ereignis (in Ausnahmen bis zu 10 Tage später) mit 4-30 Teilnehmern Dauer der Sitzung 2-3 Stunden

CISD nicht als alleinige Intervention oder Einzelberatung konzipert in andere Maßnahmen des CISM eingebettet (z.b. Nachsorge) Streng vorgeschriebene Sitzordnung und Ablauf

CISD-Team: Leiter: z.b. Diplom-Psychologe, Psychotherapeut, Psychiater oder Sozialarbeiter Co-Leiter: z.b. psychologischer Experte, Geistlicher oder Rettungsdienstmitarbeiter Mitarbeiter 1: älterer Kollege aus Rettungsdienst Mitarbeiter 2: jüngerer Kollege aus Rettungsdienst

Leiter Mitarbeiter Mitarbeiter Co-Leiter

Team sollte vorab so viele Informationen wie möglich über das Ereignis sammeln Teammitglieder müssen spezielles Training absolviert haben und Erfahrung mit CISD besitzen Ausbildung für CISD-Team Grundlehrgang in Debriefing nach kritischen Ereignissen (Themen wie Katastrophenpsychologie, Aufbau eines CISD-Teams etc.) Lehrgang in Debriefing für Fortgeschrittene (Themen wie Burnout, PTBS, etc.)

spezifisch für Mitarbeiter des Rettungsdienstes: Lehrgang zur Beratung von Kollegen (Themen wie Kommunikationstechniken) spezifisch für psychosoziale Fachleute: Tätigkeitsbereich in psychosozialer und medizinischer Versorgung Ausbildung in Kommunikation, Stressbewältigung, Krisenintervention, Arbeit mit Rettungsdienstpersonal Psychotraumatologie (als Leiter/Co-Leiter) (Lehrgang über traumatischen Stress, PTBS befähigt zur Inhaltsweitergabe an Betroffene)

während des CISD werden sieben streng festgelegte Phasen durchlaufen, die alle aufeinander aufbauen der Leiter moderiert die Gruppensitzung und führt mit seinen Fragen in die einzelnen Gesprächsphasen ein CISD beginnt auf informationsvermittelnden kognitiver Ebene, entwickelt sich dann hin zu emotionalen Aspekten des kritischen Ereignisses und endet wieder auf kognitiver Ebene

Einführung kognitiv Abschluss Fakten Informationen Gedanken Reaktionen emotional Auswirkungen

Einführungsphase Erläutern von Struktur und Zielen der Besprechung Vorstellung von Teammitarbeitern und Grundregeln kein Zwang zum Reden, Schweigepflicht gegenüber Dritten keinerlei Kritik und oder Bewertung des Einsatzes Angebot von Einzelgesprächen Schaffen einer vertrauensvollen Atmosphäre

Faktenphase Sammeln von Informationen über kritisches Ereignis spontane Berichte der Teilnehmer, keine Nachfragen Wie heißen Sie, welche Aufgabe hatten Sie bei diesem Einsatz, was ist aus Ihrer Sicht passiert?

Gedankenphase von kognitiver Ebene zu emotionalen Reaktionen Teilnehmer sollen ihre Erfahrungen reflektieren, persönliche Themen werden angesprochen Debriefing-Team merkt sich beschriebene Stressreaktionen, ohne sie zu kommentieren Welche Gedanken gehen Ihnen im Rückblick auf das kritische Ereignis durch den Kopf?

Reaktionsphase Teilnehmer werden ermutigt, sich auf eine noch persönlichere Ebene einzulassen Beschreiben ihrer schlimmsten Erfahrungen und größten Belastungen Team als passive Zuhörer, teilweise unterstützende Kommentare Dieses Mal gehen wir nicht im Kreis herum, sondern jeder antwortet, wann er will. Was war für Sie der schlimmste Teil des Ereignisses?

Auswirkungsphase von emotionaler zurück auf kognitive Ebene genauere Betrachtung einzelner Stesssymptome Teilnehmer erkennen, dass sie mit den Folgen des Einsatzes nicht alleine sind In den vorhergegangenen Runden wurden verschiedene Auswirkungen des Ereignisses berichtet. ( ) Dies sind Stressreaktionen auf den erlebten Einsatz. Haben Sie noch weitere Veränderungen in Ihrem Alltag oder ihrem Verhalten beobachtet?

Informationsphase Hinweis, dass Stressreaktionen normale Reaktionen auf ein unnormales Ereignis darstellen Vorstellung von Stressbewältigungstechiken anhand der zuvor geschilderten Symptome auch Teilnehmerberichte von bereits bekannten hilfreichen Strategien Erläuterungen zur Rolle der Ernährung, körperlicher Aktivität, Ruhe und Entspannung für Stressbewältigung

Abschlussphase Information über weitere Betreuungsmöglichkeiten Anbieten von Nachsorge: weiteres Treffen n War die Strategie hilfreich? telefonische Nachfragen n Erkundigung nach Wohlergehen der Teilnehmer Kontaktadressen von Personen und Institutionen mit weiteren Angeboten Besuche am Arbeitsplatz der Teilnehmer n mögliche Probleme vor Ort ansprechen

Frage: Wie schätzt ihr die Effektivität/Wirksamkeit des CISD ein?

Evaluation der CISD kann nicht als isolierte Methode evaluiert werden, daher abschließende Bewertung schwierig dennoch Evaluationen durchgeführt: keine oder sogar negative Belege für Effektivität gefunden Studien nicht CISD spezifisch n untrainierte Leiter n Einzel- statt Gruppensitzungen n CISD als alleinige Intervention n zu frühe Intervention

Evaluation der CISD Trotz Kritik eine der am häufigsten angewandten Kriseninterventionstechniken für Rettungspersonal Studien belegen: positive Bewertung dieser Interventionsart durch Rettungspersonal Hilfreiche Komponenten des Verfahrens: mit anderen über das Erlebte sprechen zu können zu hören, dass man mit seinen Erfahrungen nicht alleine ist Ideen auszutauschen, für Umgang mit dem erlebten Stress

Fazit weite Verbreitung und Akzeptanz von CISD zeigt: hoher Bedarf an psychologischer Nachbetreuung nach kritischen Ereignissen zur Zeit kein effektiveres, alternatives, evaluiertes Programm verfügbar CISD stellt ökonomische und ethisch gerechtfertigte Kurzintervention dar

Literatur Appel-Schumacher, T. & Helmes, A. (2004). Stressmanagement nach traumatischen Ereignissen. In: Bengel, Psychologie in Notfallmedizin und Rettungsdienst. Berlin: Springer: 2004