Orale Kombinationsbehandlung von Diabetes Typ 2



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Transkript:

ZERTIIZIERTE ORTBILDUG Orale Kombinationsbehandlung von Diabetes Typ 2 Der Arzneistoff Sitagliptin oto: istockphoto

ZERTIIZIERTE ORTBILDUG PHARMAZIE Unter CME.springer.de können Leser von APOTHEKE + MARKETIG ortbildungspunkte sammeln: dazu einfach online die ragen zu dem folgenden, praxisrelevanten Beitrag beantworten. Detaillierte Hinweise zur kostenlosen Teilnahme an der zertifizierten ortbildung finden Sie auf Seite 58, in den ragebogen einlesen können Sie sich auf Seite 59. Übrigens: Der Online-Auftritt des gesamten CME-Angebots ist jetzt noch übersichtlicher! Überzeugen Sie sich selbst mit einem Klick auf cme.springer.de. Diabetes mellitus hat sich weltweit zu einer Epidemie entwickelt und betrifft alle Länder. Zwar steht bereits eine ganze Palette an Wirkstoffen für eine Behandlung zur Verfügung. Doch viele Patienten lassen sich damit nicht befriedigend einstellen neue Therapieoptionen werden also dringend gesucht. Seit einigen Monaten steht mit Sitagliptin der erste Vertreter einer neuen Klasse von Antidiabetika zur Verfügung. Medizinische Chemie H 2 Molekülstruktur Sitagliptin Molekulargewicht: 407,3165 g/mol Summenformel: C16H1565O CAS: 486460-32-6 IUPAC: 7-[(3R)-3-Amino-4-(2,4,5- trifluorophenyl)butano yl]-3-(trifluo- romethyl)-5,6,7,8-tetrahydro-1,2,4- triazolo[4,3-a]pyrazinemonophosphat monohydrat Pharmakotherapeutische Gruppe: DDP-4-Inhibitor ATC-Code: A10BH01 O Diabetes ist derzeit für 3,8 Millionen Todesfälle pro Jahr verantwortlich. Die Krankheit erreicht inzwischen ein ähnliches Ausmaß wie HIV/Aids. Einst als Alterskrankheit angesehen, hat Diabetes nun einen Generationswechsel vollzogen und betrifft zunehmend auch immer jüngere Personen im Arbeitsalter. Alle bisherigen Prognosen haben das Problem unterschätzt, und kaum jemand hat damit gerechnet, dass die Epidemie des 21. Jahrhunderts sich über den gesamten Globus und erstaunlicherweise vor allem auch in den Entwicklungsländern rasant ausbreiten würde. Jüngste Daten aus der dritten Auflage des Diabetes-Atlas zeigen, dass 246 Millionen Menschen weltweit an Diabetes leiden. Das entspricht 5,9 Prozent der erwachsenen Weltbevölkerung, wovon 80 Prozent in Entwicklungsländern leben. Schätzungen zufolge wird sich die Zahl der Erkrankten bis 2024 auf etwa 380 Millionen erhöht haben. In Deutschland leben derzeit rund sechs Millionen an Diabetes erkrankte Menschen. Weitere zwei bis drei Millionen sind erkrankt, ohne es zu wissen. Dabei machen Typ- 2-Diabetiker einen Anteil von 95 Prozent aus. Typ-2-Diabetes tritt als Teil eines Symptomkomplexes auf, der als metabolisches Syndrom bezeichnet wird: Hyperglykämie, ettstoffwechselstörungen, Bluthochdruck und erhöhter Taillenumfang. Kennzeichen des Typ-2-Diabetes ist eine genetisch bedingte Insulinresistenz in den Körperzellen. Zunächst reagiert der Körper mit einer Überproduktion von Insulin, die die Blutzuckerwerte anfangs noch im ormalbereich hält. ach und nach erschöpft sich jedoch die Insulinproduktion in den β-zellen des Pankreas, dessen frühe Insulinresponse postprandial als erstes zunehmend abgeschwächt wird und mit fortschreitender Erkrankung schließlich völlig ausfällt. So entsteht über das Zwischenstadium einer gestörten Glukosetoleranz ein manifester Typ-2- Diabetes. Diese Entwicklung wird ausgelöst und beschleunigt, wenn noch andere Risikofaktoren wie Übergewicht und Bewegungsmangel hinzukommen. Die Gesundheitsausgaben für die Therapie und Prävention des Diabetes und seiner Komplikationen werden weltweit auf jährlich 232 Milliarden Dollar geschätzt. Die Be- apotheke+marketing 02.2008 53

PHARMAZIE ZERTIIZIERTE ORTBILDUG Sitagliptin Das neue Antidiabetikum ist nur in der Kombination mit Metformin oder einem Glitazon zugelassen. DPP-4-Inhibitor Sitagliptin ist der erste DPP-4-Inhibitor. Es sorgt für eine längere Inkretinwirkung, indem es deren Abbauweg im Körper blockiert. Inkretine Zu den Inkretinen gehören die Darmhormone GLP-1 und GIP. Sie sorgen für die Insulinsynthese und -freisetzung in der Bauchspeicheldrüse. Hypoglykämie Bei einem niedrigen Blutglukosespiegel regen Inkretine die Insulinsekretion nicht an. handlungskosten steigen dabei rascher als die Weltbevölkerung. Seit April 2007 ist mit Sitagliptin (Januvia ) ein neues orales Antidiabetikum auf dem deutschen Markt, das zur Behandlung des Typ-2 Diabetes zugelassen ist. Es ist zunächst ausschließlich als Zusatz zu Metformin (z.b. Glucophage ) oder einem Glitazon wie Pioglitazon (z. B. Actos ) oder Rosiglitazon (z.b. Avandia ) zur Behandlung des Typ-2-Diabetes zugelassen, wenn Diät und Bewegung zusammen mit der jeweiligen Monotherapie den Blutzucker nicht ausreichend senken. Sitagliptin ist der erste Vertreter der neuen Klasse der so genannten Dipeptidylpeptidase-4-Inhibitoren (DPP-4-Inhibitoren, die auch als Gliptine bezeichnet werden. Es greift ebenso wie das subkutan anzuwendende Exenatide (Byetta ) in das Inkretinhormonsystem ein. Anders als das Hormonanalogon Exenatide, das die Inkretinwirkung nachahmt, hemmt Sitagliptin den Abbau körpereigener Inkretine. Medizinische Chemie Wirkmechanismus Sitagliptin ist ein Hemmstoff des Enzyms Dipeptidylpeptidase-4 (DPP-4), welches ein Bestandteil des Inkretin-Systems ist. Dieses System reguliert die Zusammenarbeit der Hormone Insulin und Glucagon. Untersuchungen zeigten, dass eine getrunkene Glukosemenge die endogene Insulinfreisetzung wesentlich stärker stimuliert als eine entsprechende intravenöse Glukoseinfusion. Diese Differenz in der Insulinausschüttung wird als Inkretin-Effekt bezeichnet, weil Inkretine für die erhöhte Insulinfreisetzung nach oraler Glukoseaufnahme verantwortlich sind. Die Ursache für diesen Effekt sind die beiden Darmhormone Glucagon-Like-Peptide-1 (GLP-1) und Glucose-dependent-Insulinotropic-Peptide (GIP; Synonym: Gastric-Inhibitory-Peptide). ach der Aufnahme von Kohlenhydraten werden diese beiden Inkretine im Darm sezerniert und in den Blutkreislauf abgegeben. Als olge steigt über einen G-Protein gekoppelten Rezeptor die Insulinsynthese und -freisetzung aus den β-zellen des Pankreas. Zusätzlich senkt GLP-1 die Glukagonfreisetzung aus den α- Zellen der Bauchspeicheldrüse. Eine verminderte Glukagonkonzentration führt in Kombination mit erhöhten Insulinspiegeln zu einem Absinken der Blutglukosespiegel, da die hepatische Glukoseproduktion verringert ist. Dies geschieht allerdings nur, wenn die Blutglukosekonzentration normal oder erhöht ist. Bei Hypoglykämie erhöhen die Peptide die Insulinsekretion nicht. Diese Tatsache stellt einen wichtigen Schutzmechanismus vor Hypoglykämien unter Therapie mit Sitagliptin dar, den andere orale Antidiabetika wie z.b. Sulfonylharnstoffe nicht aufweisen. Ein weiterer wichtiger physiologischer Effekt von GLP-1 besteht in der Vermittlung eines Sättigungsgefühls an den Hypothalamus. Diese Verstärkung des Sättigungsgefühls durch Behandlung mit einem DPP-4-Inhibitor hilft Typ-2-Diabetikern bei der Gewichtskontrolle. Es ist bekannt, dass bei Typ-2-Diabetikern der Inkretineffekt vermindert ist. GLP-1 und GIP können selbst nicht als Arzneistoffe verwendet werden, da sie durch DPP-4 zu schnell zu inaktiven Produkten abgebaut werden. Sitagliptin hemmt jedoch die DPP-4 hochselektiv gegenüber den strukturell verwandten Enzymen DPP-8 und DPP-9. Durch diese Hemmung wird der Abbau der Inkretine durch das Enzym DPP-4 verhindert und die Plasmakonzentration der beiden aktiven Peptide GLP-1 und GIP erhöht. Daraus resultieren indirekt eine Steigerung der Insulinfreisetzung sowie eine glukoseabhängige Senkung der Glukagonspiegel. Klinische Pharmakologie Alle otos: istockphoto Sitagliptin Der Wirkstoff hemmt das Enzym DPP-4 dosisabhängig. Dadurch verlängert es die Wirkung der Inkretine: Der Insulinspiegel steigt, der Glukagonspiegel sinkt. Pharmakodynamik Mit steigenden Blutglukosespiegeln wird vermehrt Adenosintriphosphat (ATP) in den β-zellen der Bauchspeicheldrüse gebildet. ATP schließt die K+-Kanäle und depolarisiert die Zelle. Dadurch erhöht sich die intrazelluläre Ca2+-Konzentration, und die Insulinfreisetzung wird stimuliert. Das Inkretin GLP-1 verstärkt diesen Effekt nach Bindung an seinen Rezeptor auf den β-zellen des Pankreas. Sitagliptin hemmt die DPP-4 dosisabhängig. Die postprandialen Inkretinspiegel werden bei einer Dosierung 12,5 mg etwa verdoppelt und führen zu einem gluko- 54 apotheke+marketing 02.2008

ZERTIIZIERTE ORTBILDUG PHARMAZIE seabhängigen Anstieg des Insulinspiegels und zu einer Senkung des Glukagonspiegels. Beide Mechanismen führen gemeinsam zu einer Senkung des Blutglukosespiegels und bei Diabetikern zu einem Absinken des HbA1c-Wertes. Bei niedrigen Blutglukosespiegeln erfolgt keine vermehrte Insulinfreisetzung durch Sitagliptin, was als wichtiger Schutzmechanismus gegen therapieinduzierte Hypoglykämien zu betrachten ist. Auch die normale Glukagonreaktion bei Hypoglykämien wird nicht beeinträchtigt. Pharmakokinetik Sitagliptin wird schnell resorbiert, und die Resorption wird durch gleichzeitige ahrungsaufnahme nicht beeinträchtigt. Es kann somit unabhängig von den Mahlzeiten eingenommen werden. Die absolute Bioverfügbarkeit beträgt ca. 87 Prozent. Die maximale Plasmakonzentration wird nach ein bis vier Stunden erreicht. Sitagliptin wird in begrenztem Maße von den hepatischen Cytochromen CYP3A4 und CYP2C8 metabolisiert, ca. 79 Prozent werden unverändert durch tubuläre Sekretion über die ieren ausgeschieden. Die Halbwertszeit beträgt zwölf Stunden. Die Pharmakokinetik wird nicht signifikant durch Alter, Geschlecht, Body-Mass- Index (BMI) oder ethnische Zugehörigkeit beeinflusst. Bei Patienten mit mäßiger und schwerer iereninsuffizienz kommt es zu einer erhöhten Plasmakonzentration, bestimmt als Area under the curve (AUC) in einem Diagramm, das die Plasmaspiegel in Abhängigkeit von der Zeit misst. Patienten mit leichter oder mäßiger Leberinsuffizienz benötigen keine Dosisanpassung, für Patienten mit schwerer Leberinsuffizienz liegen noch keine Studiendaten vor. Hypoglykämie Unter Sitagliptin tritt keine therapiebedingte Unterzuckerung auf. Plasmakonzentration Die höchste Plasmakonzentration wird nach ein bis vier Stunden erreicht. Dosierung Sitagliptin (Januvia ) ist als 100-mg-Tablette erhältlich. Die empfohlene Dosierung beträgt einmal täglich 100 mg. Da Sitagliptin in Kombination mit Metformin oder einem Glitazon indiziert ist, sollte die Dosierung von Metformin bzw. des auch als PPARγ-Agonisten bezeichneten Glitazons beibehalten werden und Sitagliptin dazu eingenommen werden. Unerwünschte Wirkungen (UAWs) In neun großen klinischen Studien erhielten mehr als 2700 Patienten über einen Zeitraum von bis zu zwei Jahren 100 mg Sitagliptin täglich entweder als Monotherapie oder in Kombination mit Metformin, einem Sulfonylharnstoff oder einem Glitazon. Übelkeit, latulenz, periphere Ödeme und Hypoglykämien waren dabei die häufigsten registrierten unerwünschten Wirkungen bei der Kombinationstherapie. Unter Monotherapie berichteten die Patienten vor allem über Kopfschmerzen, erniedrigte Blutzuckerspiegel, Obstipation und Schwindelgefühl. UAW Die häufigsten unerwünschten Wirkungen unter Sitagliptin sind Kopfschmerz, Obstipation, Schwindel; unter einer Kombinationstherapie mit Metformin: Übelkeit, Blähungen, Ödeme, Hypoglykämien. Gegenanzeigen Das ertigarzneimittel Januvia ist bei Überempfindlichkeit gegen Sitagliptin oder einen seiner sonstigen Bestandteile kontraindiziert. Die Anwendung bei schwerer iereninsuffizienz wird aufgrund der bisher begrenzten Erfahrung nicht empfohlen. Wechselwirkungen In-vitro-Daten zeigen, dass Sitagliptin CYP450 Isoenzyme weder hemmt noch induziert. Sitagliptin hatte in klinischen Studien keinen relevanten Einfluss auf die Pharmakokinetik von Metformin, Glibenclamid, Simvastatin, Rosiglitazon, Warfarin oder orale Kontrazeptiva. Der Einfluss potenter CYP3A4-Inhibitoren bei iereninsuffizienz wurde bisher noch nicht untersucht. Sitagliptin hatte eine geringe Wirkung auf die Plasmakonzentration von Digoxin und könnte den Arzneistofftransporter P-Glykoprotein in vivo leicht hemmen. Schwangerschaft und Stillzeit Es liegen zurzeit keine ausreichenden Daten zur Anwendung in Schwangerschaft und Stillzeit vor. In Tierversuchen wurde ein Übergang von Sitagliptin in die Muttermilch festgestellt. Daher sollte Sitagliptin nicht während Schwangerschaft und Stillzeit eingenommen werden. Schwangerschaft Während Schwangerschaft und Stillzeit sollte Sitagliptin nicht angewendet werden. Alle otos: istockphoto apotheke+marketing 02.2008 55

PHARMAZIE ZERTIIZIERTE ORTBILDUG Pharmakoökonomische Aspekte Die Tagestherapiekosten mit Sitagliptin (Januvia ) liegen, ausgehend vom deutschen Preis, bei 2,20 Euro (1, 28 ilmtabletten) bzw. 1,96 Euro (2, 98 ilmtabletten). Damit ist das Präparat teurer als die bisher verfügbaren oralen Antidiabetika, jedoch deutlich günstiger als das ähnlich wirkende Präparat Exenatide (Byetta ). Da Sitagliptin ausschließlich zur Zusatzbehandlung unter bestehender Behandlung mit Metformin oder einem Glitazon zugelassen ist, addieren sich jedoch diese Kosten zu denen des zusätzlich verordneten Medikaments. Klinik Studien ür eine Therapie mit Sitagliptin allein sowie in Kombination mit Metformin oder Pioglitazon liegen mehrere Studien vor. HbA1 Studien zeigen: Der Langzeitblutzuckerwert besserte sich deutlich unter Sitagliptin. Körpergewicht Studien zeigen: Die Patienten nahmen unter Sitagliptin nicht zu. Die Wirksamkeit von Sitagliptin zur Behandlung von Typ-2-Diabetes als Monotherapie oder in Kombination mit Pioglitazon oder Metformin wurde in mehreren randomisierten, doppelblinden, placebokontrollierten, multizentrischen Studien untersucht (vier Phase-II- und fünf Phase-III-Studien). Das mittlere Patientenalter betrug 54 bis 57 bzw. 68 Jahre. Die Patienten litten durchschnittlich seit vier bis 6,8 Jahren an Diabetes, und der mittlere HbA1c-Wert betrug 6,5 bis 9,6 Prozent. Als primärer Endpunkt der Studien war meist die Änderung des HbA1c-Wertes definiert. In den Studien wurde gezeigt, dass die einmal tägliche Gabe von 200 mg Sitagliptin gegenüber der Gabe von nur 100 mg keinen stärkeren blutzuckersenkenden Effekt erzielte. Der Hemmstoff der Dipeptidylpeptidase (DPP)-4 führte in den klinischen Studien zu signifikanten Verbesserungen des HbA1c. In der 18-wöchigen Studie reduzierte Sitagliptin in einer Dosis von 100 mg im Vergleich zu Placebo das glykosylierte Hämoglobin um 0,6 Prozent und in der 24-wöchigen Studie um 0,79 Prozent (HbA1c-Ausgangswert ca. acht Prozent). Weiterhin verbesserten sich die üchternblutzucker- und insbesondere auch die postprandialen Blutzuckerwerte im Vergleich zu Placebo. Die klinische Relevanz dieser Effekte bleibt sicherlich abzuwarten, da entsprechende Langzeituntersuchungen momentan noch nicht vorliegen. Es muss jedoch betont werden, dass bei Patienten, die erst vor kurzem (weniger als drei Jahre) die Diagnose Diabetes mellitus Typ 2 erhalten hatten, sowie bei Patienten mit höheren HbA1c-Ausgangswerten, der HbA1c-Wert durch Sitagliptin, relativ betrachtet, stärker gesenkt werden konnte. Die Verbesserung des HbA1c war unabhängig von Geschlecht, Alter, ethnischer Zugehörigkeit, BMI-Ausgangswert oder dem Vorliegen eines metabolischen Syndroms. Die therapeutischen Zielgrößen unter Behandlung betragen für erwachsene Diabetiker: HbA1c-Wert kleiner/gleich 6,5 Prozent, üchternblutzucker 5,0 bis 6,7 mmol/l, postprandial 7,2 bis 8,9 mmol/l. Am Ende einer 24-wöchigen placebokontrollierten Studie reduzierte Sitagliptin (100 mg), in Kombination mit Pioglitazon, signifikant die HbA1c-Werte (minus 0,7 Prozent im Vergleich zu Placebo, mittlerer HbA1c-Ausgangswert ca. acht Prozent). In Kombination mit Metformin verringerte Sitagliptin die HbA1c-Werte um 0,65 Prozent im Vergleich zu Placebo. In den Studien traten bei den Patienten unter Sitagliptin Hypoglykämien in ähnlicher Häufigkeit wie unter Placebo auf. Außerdem konnte bei den Patienten keine Erhöhung des Körpergewichts durch die Behandlung mit Sitagliptin im Vergleich zu Studienbeginn dokumentiert werden. Bisher liegen keine Langzeitstudiendaten über mögliche Konsequenzen einer langjährigen Hemmung des Enzyms DPP-4 vor, welches auch beim Abbau immunologisch wirksamer Proteine eine Rolle spielt. Die DPP-4 hat nicht nur zahlreiche Peptidhormone als Substrate, sondern stimuliert auch die T-Zell-Proliferation und inaktiviert verschiedene Zytokine wie beispielsweise den Tumornekrosefaktoralpha (T-α). Pharmazeutische Technologie Alle otos: istockphoto Januvia ist eine schnell freisetzende Tablette mit einem ilmüberzug. Die Tabletten haben keine Bruchkerbe. Jede Tablette enthält Sitagliptinphosphat und entsprechend 100 mg Sitagliptin. Die runde, beige ilmtablette trägt die Aufschrift 277 auf einer Seite. 56 apotheke+marketing 02.2008

ZERTIIZIERTE ORTBILDUG PHARMAZIE Klinische Pharmazie In den klinischen Studien wurde ebenfalls nachgewiesen, dass die Behandlung mit Sitagliptin bei Typ-2-Diabetikern die β-zellfunktion verbessert. Die endokrinen Drüsen im Pankreas unterliegen einem regelmäßigen Zellumsatz. Man geht daher von einem bedarfsentsprechenden Abbau und auch von einer entsprechenden eubildung der β-zellen aus. Demnach können sich die β-zellen in Relation zum steigenden Körpergewicht vermehren, um einen erhöhten Insulinbedarf und eine steigende Insulinresistenz zu kompensieren. Allerdings funktionieren diese Kompensationsmechanismen nicht mehr, wenn bereits eine gestörte Glukosetoleranz oder ein manifester Typ-2-Diabetes vorliegt. Übergewicht und Diabetes führen somit zu einer verminderten Betazellmasse. In der Zukunft wird sich zeigen, ob durch innovative Therapieansätze, wie z.b. der Hemmung des Enzyms DPP-4, der Betazellverlust bei Typ-2-Diabetikern gebremst werden kann. eueste Untersuchungen konnten belegen, dass das Biguanid Metformin einen weiteren bislang unbekannten zusätzlichen Wirkmechanismus aufweist: Analog zu den Gliptinen scheint Metformin ebenfalls das Inkretin GLP-1 zu erhöhen. Allerdings geschieht dies nicht durch eine Hemmung des GLP-1-abbauenden Enzyms DPP-4, sondern durch verstärkte Aktivierung bestimmter Gene, welche die GLP-1-Blutspiegel erhöhen. In einer kleinen klinischen Studie mit 16 gesunden Probanden konnte gezeigt werden, dass durch die Kombinationsbehandlung mit Metformin und Sitagliptin die GLP-1-Spiegel stärker ansteigen als unter Einzelgabe der jeweiligen Substanz. Eine weitere Studie zeigte, dass die zweimal tägliche Kombination von 50 mg Sitagliptin und 1000 mg Metformin nach 54 Wochen den HbA1C-Wert um 1,8 Prozent senkte (HbA1c-Ausgangswert: 7,5 bis elf Prozent). Da Sitagliptin derzeit nur zur Kombinationstherapie mit einem bereits etablierten oralen Antidiabetikum zugelassen ist, könnten diese Studienresultate darauf hindeuten, dass insbesondere eine Kombinationstherapie aus Metformin und Sitagliptin aufgrund synergistischer Wirkprinzipien therapeutische Vorteile aufweisen könnte. β-zellfunktion Unter Sitagliptin besserte sich die unktion der β-zellen der Bauchspeicheldrüse. Kombinationsbehandlung Unter einer kombinierten Gabe von Sitagliptin und Metformin stieg die Konzentration des Inkretins GLP-1 stärker an als unter der jeweiligen Monotherapie. azit Mit den Gliptinen kam im rühjahr 2007 eine neue Klasse oraler Antidiabetika auf den deutschen Arzneimittelmarkt. ach Sitagliptin (Januvia ) ist Vildagliptin (Galvus ) der zweite Vertreter der DPP-4-Inhibitoren, der in Deutschland bereits zugelassen wurde und voraussichtlich 2008 eingeführt wird. Die pharmakologische Besonderheit der Gliptine besteht in der von der tatsächlich aufgenommenen Glukosemenge abhängigen Anregung der Insulinproduktion im Pankreas. Daher besteht unter Behandlung mit Gliptinen im Gegensatz zu den Sulfonylharnstoffen, welche die Insulinsekretion unabhängig vom Blutzuckerspiegel steigern und ein beträchtliches Hypoglykämierisiko aufweisen grundsätzlich keine Gefahr, therapeutisch gefährliche Hypoglykämien auszulösen. Ein weiterer Vorteil liegt anders als bei Glitazonen und Sulfonylharnstoffen im Ausbleiben einer Erhöhung des Körpergewichts unter der Therapie mit Gliptinen. Bisher wurde über eine sehr gute Patienten-Compliance berichtet, da täglich eine konstante Dosis Sitagliptin (in Kombination mit Metformin oder einem Glitazon) eingenommen werden kann und keine Anpassung an die aktuelle Stoffwechsellage erforderlich ist. Gliptine Pharmakologischer Effekt der neuen Antidiabetika: Je mehr Glukose aufgenommen wird, desto mehr Insulin wird sezerniert. Korrespondierender Autor: Dr. med. Christoph Schindler acharzt für Klinische Pharmakologie Institut für Klinische Pharmakologie, Technische Universität Dresden, iedlerstrasse 27, D- 01307 Dresden Kontakt: christoph.schindler@tu-dresden.de Online punkten Den ragebogen zu diesem Text finden Sie online zur Beantwortung unter CME.springer.de bzw. zum Einlesen auf Seite 59. Genaue Hinweise zur Teilnahme: Seite 58. Alle otos: istockphoto apotheke+marketing 02.2008 57