Erfahrungen mit der Auswahl von Studienanfängern in Österreich



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Transkript:

Erfahrungen mit der Auswahl von Studienanfängern in Österreich Prof. Dr. Herbert Lochs Rektor der Medizinischen Universität Innsbruck Sehr geehrter Herr Hickel, sehr geehrter Herr Pfeilschifter, Magnifizenzen, Spectabilitäten, meine Damen und Herren! Es ist mir eine Ehre, hier auf dem Medizinischen Fakultätentag über unsere Formen und Erfahrungen bei der Auswahl von Studienbewerbern zu berichten. Eine ganz kurze Vorbemerkung für die Hallenser sei mir erlaubt: Die Bedrohung, die Ihnen von der Politik aus entgegensteht, haben wir natürlich auch in Österreich verfolgt. Ich kann Ihnen berichten, dass mir bei meinen Berufungsverhandlungen 1992 an der Charité Berlin der damalige Verwaltungsdirektor, der diese Verhandlungen führte, regelmäßig sagte: Wir wissen nicht, ob wir Sie berufen können, denn wahrscheinlich wird die Charité geschlossen. Damals war die Charité nur der heutige Campus Mitte. Im nächsten Satz hat er dann aber nach hinten gegriffen und mir den Umbauordner der Inneren Klinik gegeben mit dem Hinweis, dass ich, wenn ich den Ruf annehmen würde, doch schon einmal mit der Planung anfangen könnte. Sie sehen heute, was daraus geworden ist. Ich hoffe mit den Hallensern, dass es Ihnen ähnlich ergeht und aus der Bedrohung eine Stärkung Ihrer Medizinischen Fakultät erwächst. 1

Die rechtliche Ausgangslage in Österreich weicht von der in Deutschland ab, denn wir haben eine asymmetrische Studierendenmobilität. Das bedeutet, dass wesentlich mehr deutsche Studierende in Österreich als Österreicher in Deutschland studieren. Wir sind ein kleines Land in einem großen Sprachraum, vergleichbar mit der Situation in Belgien und Frankreich. Wir haben die Sondertatbestände Südtirol, Luxemburg und Liechtenstein. Die politische Ausgangslage ist durch den in Österreich gelebten Imperativ des freien Zugangs zu den Universitäten festgeschrieben. Das heißt, dass jede Maturantin, jeder Maturant oder jede/jeder Bewerberin/Bewerber mit einem gleichwertigen Abschluss aus einem EU-Land jedes Studium an jeder österreichischen Universität beginnen kann. Diesen Imperativ leben wir natürlich nur scheinbar, denn das politische Dogma ist in der Realität so nicht umsetzbar. So wurden Ausnahmen geschaffen, darunter fielen alle Fächer, in denen in der BRD der Numerus Clausus eingeführt wurde. Das sind die Medizin, die Kunstuniversitäten und einzelne andere Fächer, die erst im letzten Jahr in diese Ausnahmeregelung gekommen sind. Die Anzahl der Studienplätze in der Medizin wird in Österreich in der Leistungsvereinbarung mit dem Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung (BMWF) festgelegt. Das unterscheidet die Medizinischen Universitäten von den anderen Hochschulen in Österreich und ist etwa mit der deutschen Kapazitätsverordnung vergleichbar. Die rechtlichen Grundlagen sind in Paragraph 124b des Universitätsgesetzes von 2002 festgelegt. Darin wird das Rektorat ermächtigt, in vom deutschen Numerus Clausus betroffenen Studienrichtungen Zugangsbeschränkungen zu erlassen. Dieser Paragraph war im Ergebnis eines EU-Urteils eingeführt worden, mit dem die bis dahin in Österreich übliche Herkunftslandregelung untersagt wurde. Nach der Herkunftslandregelung konnten diejenigen, die in ihrem Herkunftsland in der EU einen Studienplatz erhalten hatten, auch in Österreich studieren. Das EU-Urteil verpflichtete Österreich, für ausländische Studierende 2

die österreichischen Regelungen anzuwenden, was bedeutete, dass jede Abiturientin und jeder Abiturient aus dem Ausland, der einen der Matura entsprechenden Schulabschluss nachweisen konnte, in Österreich zum Studium zuzulassen war. Das führte sehr schnell zu einer großen Zahl von Numerus Clausus-Flüchtlingen und zwang zur Einführung von Auswahlverfahren. Das primäre Auswahlverfahren war ein Herausprüfen bis zwei Semester nach der Zulassung, was natürlich eine katastrophale Lösung war. Man hat sich dann rasch um ein Aufnahmeverfahren vor der Zulassung bemüht. Seit 2006 werden die Studienplätze der Human- wie der Zahnmedizin unter Zuhilfenahme von EMS-AT vergeben. Ab dem Wintersemester 2013/14 wird ein einheitlicher österreichischer Aufnahmetest angewandt. Die Zahl der Studienplätze in Österreich ist mit insgesamt 1.500 nicht sehr groß: Es gibt drei öffentliche Medizinische Universitäten: Wien, Innsbruck und Graz. In Wien gibt es 660 Studienplätze der Humanmedizin und 80 Studienplätze der Zahnmedizin, in Innsbruck 360 Studienplätze der Humanmedizin und 40 Studienplätze der Zahnmedizin und in Graz 336 Studienplätze der Humanmedizin und 24 Studienplätze der Zahnmedizin. Mit der EU wurde eine Quotenregelung zur Sicherung der Ärzteversorgung in Österreich festgelegt worden. Danach werden 75 % der Studienplätze an Österreicher vergeben, 20 % an EU-Ausländer und 5 % an Drittländer. Die Länderverteilung der Studienplatzbewerber an den drei österreichischen Medizinischen Universitäten ist in Abbildung 1 dargestellt. In Wien gibt es infolge der höheren Zahl an Studienplätzen deutlich mehr Anmeldungen. Die ausländischen Bewerber aus Deutschland überwiegen an allen drei Standorten, die Nicht-EU-Ausländer konzentrieren sich auf die Universität Wien. Traditionell bewerben sich die meisten Deutschen in Innsbruck, Graz wird von den Deutschen weniger bevorzugt, und in Wien ist das Verhältnis österreichischer und EU-Bewerber in etwa ausgeglichen. 3

1338 1748 10041195 54 52 528 732 265 320 6 8 286 364 816 1075 12 12 m w m w m w m w m w m w Wien Graz Innsbruck Abb. 1: Anmeldungen zum Aufnahmetest 2011, aufgeteilt nach österreichischen, EU-/ deutschen und nicht-eu-studierenden, in absoluten Zahlen 201 181 38 30 5 2 148 166 56 25 4 2 176 152 43 40 1 2 2010 2011 2012 Abb. 2: Zulassungen an der Medizinischen Universität Innsbruck (gefüllte Säulen) gegen Bewerbungszahlen (leere Säulen), Angabe in absoluten Zahlen, Ländersymbole wie in Abb. 1 4

Diese ungleichen Bewerbungen haben zur Folge, dass die Wahrscheinlichkeit, als Österreicher oder als Deutscher den Studienplatz, auf den man sich beworben hat, dann auch zu bekommen, deutlich unterschiedlich ist (Abb. 2). Die Quoten für deutsche Bewerber sind infolge der EU-Regelungen wesentlich kleiner (Abb. 3). Humanmedizin Zahnmedizin Quotenzuordnung W M? W M? Gesamt Relativ Österreich 134 136 270 12 18 30 Luxemburg) (davon Südtirol/ 26 24 50 0 2 2 300 75% EU 24 48 72 1 7 8 (davon 80 20% 24 48 72 1 7 8 Deutschland) Nicht-EU 10 8 18 0 2 2 20 5 Summe 168 192 360 13 27 40 400 100 Abb. 3: Zulassung zum Studium 2011 an der Medizinischen Universität Innsbruck in absoluten Zahlen Man kann an diesen Zahlen auch den Effekt des Aufnahmetests auf die Geschlechterverteilung bei den Studierenden erkennen. Es haben sich an allen drei Standorten immer mehr Frauen als Männer beworben (Abb. 4). Abb. 4: EMS-Teilnahme an den Medizinischen Universitäten Innsbruck (MUI), Graz (MUG) und Wien (MUW) 5

Dagegen war die Zahl der angenommenen Bewerberinnen immer kleiner als die Zahl der männlichen Bewerber (Abb. 5). Abb. 5: Studienplatzvergabe an den drei Standorten Innsbruck, Graz und Wien Die unterschiedlichen Zahlen haben dazu geführt, dass an der Medizinischen Universität Wien im vergangenen Jahr unterschiedliche Cut-off-Werte für Frauen und Männer beim EMS eingeführt wurden. Wir haben ein solches Verfahren abgelehnt. Es wurde ein Gerichtsprozess geführt, der solche Unterschiede für unrechtmäßig erklärte. Dennoch müssen wir uns der Frage stellen, warum die Männer beim EMS deutlich besser als die Frauen abschneiden, und dieses Problem gilt es zu lösen. Wie gelingt es nun, die besten Bewerber auszuwählen? Der EMS-Test findet im Juli statt, danach erhalten die Teilnehmer eine Information. Da das Ergebnis des EMS auch für das Folgejahr genutzt werden kann, nimmt ein Teil der Teilnehmer den Studienplatz nicht an (Abb. 6). 6

Ende der Zulassung Nachrücktermine EMS 1.NR 2.NR 3.NR Sezierkurs Humanmedizin 360 56 10 4 375 339 Zahnmedizin 39 4 0 0 39 Abb. 6: Verhältnis Teilnehmer am Aufnahmetest Annahme des Studienplatzes an der Medizinischen Universität Innsbruck Zusätzliche Plätze werden zu den Nachrückterminen vergeben. Eine leichte Überbuchung hat sich als sinnvoll erwiesen, denn in der Regel erkennen wir erst zum Beginn des Sezierkurses, wie viele Studierende tatsächlich das Studium angetreten haben. Hat der Aufnahmetest einen Einfluss auf den Studienerfolg? Hier kann ich die Ergebnisse von drei Kohorten zeigen. In den Jahren 2002 bis 2005 gab es kein Auswahlverfahren. Für das Jahr 2005/06 war als Behelfslösung eine Anmeldefrist nach Datum des Poststempels genutzt worden. Danach erhielten die ersten etwa 400 Bewerber einen Studienplatz. Von 2006 bis 2010 wurde dann der Aufnahmetest untersucht (Abb. 7). Kohorte Jahrgänge n (Studierende) Kein Auswahlverfahren 2002/03-2004/05 1805 Poststempel 2005/06 776 Aufnahmetest 2006/07-2009/10 1395 Abb. 7: Aufnahmetest und Studienerfolg, nach Kraft et al. Med. Teacher 2012 7

Zur Bestimmung des Studienerfolges nutzen wir das Ergebnis der Summativen Integrierten Gesamtprüfungen (SIP) im Studium. Die SIP 1 ist die erste große Prüfung, die alle Studierenden nach dem ersten Studienjahr zu absolvieren haben, die SIP 3a ist die klinische Prüfung nach drei Jahren (Abb. 8). Abb. 8: Lage der SIP während des Medizinstudiums Nach der Einführung des EMS ist die Zahl der Studierenden, die überhaupt zur SIP 1 antreten, signifikant angestiegen und es haben dann auch signifikant mehr Teilnehmer bestanden. Gleiches gilt für SIP 3a, wo ebenfalls signifikant mehr Studierende zur Prüfung antraten. Dagegen glichen die Bestehensraten in der SIP 3a nach Einführung des EMS denen vor seiner Einführung (Abb. 9). SIP 1 SIP 3 Antreten Bestehen Antreten Bestehen (in %) 69,7 83,5 70,5 85,1 48,3 61,7 97,6 98,2 Vor-Test EMS Vor-Test EMS Vor-Test EMS Vor-Test EMS Abb. 9: Veränderung des Studienerfolges in den SIP 1 und 3a vor und nach Einführung des EMS 8

Der Zeitverlauf bis zum Ablegen der SIP 1 bestätigt die positive Wirkung des Aufnahmetests. Vor seiner Einführung dauerte es im Mittel 14 Monate bis zum Bestehen, nach seiner Einführung verkürzte sich diese Zeit auf etwa 11 Monate. Das ist ein durchaus wertvoller Nebeneffekt. Die Zahl der Studienabbrüche ist mit der Einführung des Aufnahmetests hochsignifikant zurückgegangen. Waren es bis zum Jahr 2005 noch fast 37 % der Studienanfänger, so ging diese Zahl mit dem EMS auf etwa 17 % zurück. Der Aufnahmetest hat zu einem Gendereffekt geführt. Vor Einführung der Aufnahmetests lag das Geschlechterverhältnis bei 41 % Männer zu 59 % Frauen bei der Aufnahme zum Studium, diese Relation hatte sich in etwa beim Bestehen der SIP 1 gehalten. In dem einen Jahr des Poststempelverfahrens wurden gleiche Anteile an Frauen und Männern zum Studium aufgenommen. Nach der Einführung der Aufnahmetests hat sich das Geschlechterverhältnis umgekehrt. Jetzt werden etwa 53 % Männer und 47 % Frauen aufgenommen und auch diese Rate bleibt beim Bestehen der SIP 1 in etwa gleich. Setzt man die Bestehensanalyse weiter differenzierend fort, ergibt sich ein signifikanter Unterschied nur für die Zeit vor Einführung des Aufnahmetests. Nach der Einführung der Aufnahmetests unterscheiden sich weder die Zahlen der Studierenden, die die Prüfung SIP 1 im ersten Anlauf bestehen, noch der Studierenden, die überhaupt die Prüfung SIP 1 bestanden haben, zwischen Frauen und Männern. Zusammenfassend können wir sagen, dass sich die rechtliche Situation unproblematisch darstellt, es gab bisher keine Klagen wegen einer nicht erteilten Zulassung. Der Aufnahmetest ermöglicht einen Ausgleich bei der Länderverteilung. Bei der Geschlechterverteilung muss man sich fragen, wie mit dem Genderbias umgegangen werden soll. Da jetzt ein neuer Test eingeführt werden wird, können wir dieses Problem hoffentlich überwinden. Es ist uns gelungen, die besten Bewerber auszuwählen, der Studienerfolg ist durch den Aufnahmetest deutlich besser geworden. Die Berufseignung wurde noch nicht evaluiert, 9

denn der bisherige EMS hat eine soziale Komponente nicht getestet. Auch dies soll mit dem neuen Test verbessert werden. Vielen Dank! 10