medien.politik Eine Information der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft



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Transkript:

medien.politik Eine Information der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft Beschluss des ver.di-bundesvorstandes zum Entwurf der EU-Richtlinie für audiovisuelle Mediendienste 6. Februar 2006 Fernsehen ohne Grenzen Werbung ohne Grenzen? Qualitäts- und Zukunftssischerung eines Fernsehens ohne Grenzen in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union Fernsehen überschreitet gleichermaßen Staatsgrenzen wie frühere Abgrenzungen technischer Plattformen. Als Dienst, der sich an die Allgemeinheit richtet, wird Fernsehen in der Zukunft auf unterschiedlichsten technischen Plattformen stattfinden. Um so dringlicher ist es, im Interesse der Qualitätssicherung von Information und Unterhaltung einerseits die Entwicklungsfähigkeit des Fernsehens im Sinne eines dynamischen Rundfunkbegriffs zu gewährleisten. Andererseits braucht es allgemeine Grundstandards für die Inhalte von audiovisuellen Mediendiensten im Allgemeinen. Daher begrüßt die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft ver.di grundsätzlich die Revision der seit 1989 geltenden und zuletzt 1997 modifizierten EU-Richtlinie Fernsehen ohne Grenzen. Diese Richtlinie betrifft nur Fernsehen im technischen Sinne, mit der Folge, dass Fernsehdienste auf anderen technischen Plattformen, etwa auf Mobilfunkoder Webbasis, lediglich den allgemeinen Wettbewerbskriterien unterliegen. Nach mehrjährigen Beratungen und intensiven Diskussionen liegt dem EU-Parlament seit Dezember 2005 der Entwurf einer neuen Richtlinie für audiovisuelle Mediendienste vor. Diese Richtlinie Richtlinie Fernsehen ohne Grenzen (Fernsehrichtlinie) ersetzen. Der neue Richtlinienentwurf hat insbesondere durch den Vorschlag liberalisierter Werbevorschriften (Legalisierung von Produkplatzierung Product Placement ) zu einer öffentlichen Kontroverse geführt. Zur Bewertung des Richtlinienentwurfs im Einzelnen: Die Revision des rein technischen zu Gunsten eines dynamischen Rundfunkbegriffs, wie er auch im deutschen Verfassungsrecht verankert ist, ist zu begrüßen und für die Entwicklungsfähigkeit des Fernsehens, insbesondere des öffentlichrechtlichen Rundfunks, unerlässlich. Eine abgestufte Regelungsdichte für verschiedene Arten von audiovisuellen Mediendiensten ist sinnvoll. Dabei ist fortlaufend zu untersuchen, in wieweit mit der Unterscheidung der beiden Dienstarten ( linear : zum Beinspiel Fernsehen / nichtlinear : zum Beispiel video on demand) dauerhaft eine ausreichende Trennschärfe gegeben ist. Die im Richtlinienentwurf vorgeschlagene Deregulierung quantitativer Werbevorschriften ist dagegen zu weit gehend. Zumindest müssen hier für die Mitgliedsstaaten ausreichend eigene Regelungsspielräume vorgesehen werden, so dass die bisherigen Regeln des Rundfunkstaatsvertrages weiterhin greifen können. Produktplatzierung ( Product Placement ) darf nicht zugelassen werden. Weiterhin muss der Grundsatz der Trennung von Werbung und Pro- 1

gramm gelten. Produktplatzierung, auch in fiktionalen Programmen, gefährdet substanziell die Glaubwürdigkeit des Fernsehens und weitet die jetzt schon inakzeptablen Grauzonen von Schleichwerbung aus, statt sie zu begrenzen. Grundsätzlich zu begrüßen ist die Beibehaltung der Vorschriften zum Schutz so genannter europäischer Werke. Nach Verabschiedung der UNESCO-Konvention zum Schutz und zur Förderung der kulturellen Vielfalt (Oktober 2005) und nachdem die audiovisuellen Dienste vom Geltungsbereich der so genannten Dienstleistungsrichtlinie ausgenommen werden sollen, geht es nun darum, diese Teilerfolge durch die neue Richtlinie für audiovisuelle Mediendienste nachhaltig abzusichern. Qualitätssicherung von Information und Unterhaltung erfordern aber eine klare Trennung jedweder kommerzieller von anderer Kommunikation. Dafür wird sich ver.di zusammen mit Partnerinnen und Partnern insbesondere europäischen und internationalen UNI-Mitgliedsverbänden einsetzen. 1. Von der EU-Richtlinie Fernsehen ohne Grenzen zur Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste Medien- und Kulturpolitik der EU-Mitgliedsstaaten gehören nicht unmittelbar zum Zuständigkeitsbereich der EU-Kommission, sind also nach den Grundsätzen der Subsidiarität zunächst Angelegenheit der Mitgliedsstaaten. Doch gelten Rundfunk im Allgemeinen und das Fernsehen im Besonderen nach EU-Gemeinschaftsrecht auch als Dienst im wirtschaftlichen Sinne. Dementsprechend war schon 1989 eine EU-weite Regelung überfällig. Diese hatte beides miteinander zu vereinbaren: die Gestaltungsfreiheit der jeweils nationalen Rundfunkpolitik einerseits und den grenzüberschreitenden Charakter von Rundfunk und Fernsehen andererseits. Allein um beide Aspekte miteinander zu verbinden, war es in diesem Fall erforderlich, dem Herkunftslandprinzip Vorrang einzuräumen. Es sollten also vorrangig die Regeln des Senderlandes gelten. Im Gegenzug waren für alle Mitgliedsstaaten Minimalstandards festzulegen, an die das jeweilige nationale Recht gebunden war. Diese Mindeststandards betreffen im Wesentlichen folgende Bereiche: Jugendschutz Schutz der Menschenwürde Schutz beziehungsweise Förderung europäischer und unabhängiger Werke Recht auf Kurzberichterstattung bei Ereignissen von öffentlicher Bedeutung Vorschriften für kommerzielle Kommunikation (Werbung). Auch wenn nach 1989 immer wieder Reformbedarf festgestellt wurde, schließlich auch 1997 Anpassungen vorgenommen wurden, blieben diese Regelungsbestandteile und damit auch die Verknüpfung von Herkunftslandprinzip und Mindeststandards allgemein unstrittig. Problematisch erwies sich die Fernsehrichtlinie dagegen mit der Zeit in Hinsicht auf ihren Geltungsbereich. Auch die Fernsehrichtlinie zielte von Anfang an allein auf Inhalte, bezog diese aber auf einen technisch eingeschränkten Fernsehbegriff. Erfasst wurden nur Fernsehdienste klassischer Art, nicht aber digitale Verbreitungswege wie Mobilfunk. Ende der 1980er Jahre mochte dies noch nicht problematisch erscheinen. Spätestens zehn Jahre später wurde aber deutlich, dass die Ausweitung von audiovisuellen Angeboten auf neuen technischen Plattformen diesen rein technischen Fernsehbegriff in Frage stellte. Insbesondere für den Rundfunk beziehungsweise das Fernsehen in Deutschland ergab sich daraus dringend Handlungsbedarf. Das deutsche Rundfunkrecht kennt keinen technischen Fernsehbegriff, im Gegenteil gilt der dynamische, also technologieneutralen Rundfunkbegriffs, der durch das Bundesverfassungsgericht dem Rundfunkstaatsvertrag in Deutschland zu Grunde gelegt worden ist. Käme es nicht zu einer Anpassung der EU- Fernsehrichtlinie und zu einer Ausweitung auf audiovisuellen Mediendienste mit fernsehähnlichen Angeboten, ergäbe sich zudem eine dramatische Kollision zwischen Fernsehvorschriften und den rein wettbewerbsrechtlich geregelten Bestimmungen für andere Mediendienste. Im Übergang vom analogen zum digitalen Fernsehen und weiter zu Angeboten etwa von video on demmand, Mobil- 2

funk oder verschiedenen fernsehähnlichen Webangeboten, ergeben sich schon heute Überschneidungen von EU-Rechtsbestimmungen, etwa mit der Richtlinie über elektronischen Handel (e-commerce-richtlinie). Für solche Dienste gibt es bislang entweder keine eindeutigen oder aber rein verbraucherschutz- und wettbewerbsrechtliche Vorschriften. Beispiele: Die bisherige Fernsehrichtlinie gilt nur für das traditionelle analoge point-to-multipoint Fernsehen. Ungeregelt bleiben Formen eines digitalen point-to-point -Fernsehens. Video-on-demand unterliegt der Richlinie für e-commerce. Für den Mobilfunk und Webangebote gelten teils die Richtlinie für Telekommunikation, teils reine Verbraucherschutzvorschriften für den elektronischen Handel (e-commerce). Damit nicht genug weitaus komplexer stellen sich Regelungsprobleme im Zusammenhang internationaler Handelsverträge (GATT, GATS) dar. Innerhalb der Welthandelsorganisation machen sich namentlich die USA stark für rein handelsrechtliche Vorschriften auch für audiovisuelle Medien. Demgegenüber haben, ebenfalls auf internationaler Ebene, die Gegner einer rein marktliberalen Medienregulierung mit der UNESCO-Konvention zum Schutz und zur Förderung der kulturellen Vielfalt (Oktober 2005) einen wichtigen Teilerfolg errungen. Ein weitere Teilerfolg zeichnet sich mit der geplanten Herausnahme der audiovisuellen Dienste aus dem Geltungsbereich der so genannten Dienstleistungsrichtlinie ab. 2. Ein neuer Geltungsbereich lineare und nicht-lineare audiovisuelle Mediendienste Das grundlegend Neue des Richtlinienentwurfs liegt in der Unterscheidung von technischer Plattform einerseits und der Art des jeweiligen Kommunikationsweges andererseits. Die technische Plattform ist kein Unterscheidungsmerkmal mehr, es geht technisch neutral um Inhalte auf bestimmten Kommunikationswegen. Audiovisuelle Mediendienste sind alle Dienste, die bewegte Bilder mit oder ohne Ton anbieten, und zwar als Massenmedien in ihrer informierenden, unterhaltenden und bildenden Funktion. Dies schließt wiederum alle Dienste mit privatem Charakter (einschließlich elektronischer Post, auch wenn sie sich in begrenztem Umfang an eine Mehrzahl von Empfängern richtet) aus. Ebenfalls ausgeschlossen werden Dienste, deren Hauptzweck nicht die Verbreitung audiovisueller Inhalte ist. Dazu gehören beispielsweise Websites, die lediglich unter anderem so zu Präsentationszwecken auch abrufbare Video-Clips enthalten. Für den Geltungsbereich und auch in der Abstufung der Mindestvorschriften wird unterschieden zwischen linearen und nicht-linearen Diensten. Bei linearen Diensten handelt es sich um Angebote, die den Programmangeboten von Fernsehen entsprechen. Hierunter fallen analoges wie digitales klassisches Fernsehen, aber auch Streaming und Webübertragungen. Es geht um so genannte point-to-multipoint-übertragung nach einem vorgegebenen Programm, das sich an ein Publikum richtet. Ob es sich hierbei um frei zugängliche Sendungen beziehungsweise Übertragungen oder aber um bezahlte Dienste (wie etwa Pay-TV) handelt, spielt keine Rolle. Eine Fernsehsendung ist demnach ein linearer audiovisueller Mediendienst, bei dem ein Mediendienstanbieter den Zeitpunkt, zu dem ein bestimmtes Programm übertragen wird, und den Programmablauf festlegt. Damit wären für die Zukunft gleichermaßen Webübertragungen wie Übertragungen per Mobilfunk von der neuen Richtlinie erfasst. Demgegenüber gelten aber reine Abrufdienste (beispielsweise Video-on-demand) als nicht-lineare Dienste: Nicht-lineare Dienste unterscheiden sich von linearen Diensten darin, welche Auswahl- und Steuerungsmöglichkeiten der Nutzer hat und welche Auswirkungen sie auf die Gesellschaft haben. Auch hier spielt es keine Rolle, ob der Abruf via Web, Handy oder auf anderem Wege erfolgt. Entscheidend ist die Art der Nutzung im Verhältnis zum Angebot. Mit der Unterscheidung zwischen linearen und nicht-linearen Diensten soll vor allem eine unter- 3

schiedliche Regelungsdichte ermöglicht werden. Die Vorschriften für nicht-lineare Dienste gelten auch für lineare Dienste. Für diese wiederum gelten dann die weiter greifenden Vorschriften. Dies entspricht weitgehend deutschem Recht, dem Verhältnis von Telemediengesetz und Rundfunkstaatsvertrag. Für nicht-lineare und lineare Dienste sollen demnach gemeinsam als Mindeststandards gelten: Vorschriften zum Jugendschutz Verbot der Aufstachelung zum Hass Kennzeichnung des Mediendienstanbieters Kennzeichnung kommerzieller Kommunikation (Werbung) Rein qualitative Begrenzung kommerzieller Kommunikation (etwa für Fälle, in denen sich Werbung an Jugendliche richtet; aber auch das allgemeine Tabakwerbeverbot) Diese Mindeststandards sind für das Fernsehen im engeren Sinne nicht neu, werden nunmehr aber aus dem Geltungsbereich der bisherigen Richtlinie Fernsehen ohne Grenzen vollständig übertragen in den Geltungsbereich u.a. der Richtlinie für elektronischen Geschäftsverkehr,worin bislang Abrufdienste geregelt werden. Auch in Bezug auf Werbeverbote, wie sie schon in anderen Richtlinien festgelegt wurden, würde sich eine Ausweitung des Geltungsbereiches nun auch auf nicht-lineare audiovisuelle Mediendienste ergeben. 3. Streitfall: Werbevorschriften für lineare audiovisuelle Mediendienste Mit der Ausweitung des Geltungsbereichs der bisherigen Fernsehvorschriften auf alle linearen audiovisuellen Mediendienste und gleichzeitiger Öffnung der Werbevorschriften der Fernsehrichtlinie entsteht eine höhere Regulierung von bislang nicht erfassten audiovisuellen Mediendiensten. Dies ist naturgemäß auf Seiten der entsprechenden Anbieter umstritten, zumal hier noch im Einzelnen zu klären wäre, welches Angebot nun auch als linearer audiovisueller Mediendienst von nicht-linearen Angeboten zu unterscheiden ist. Nicht weniger umstritten aber sind andererseits die Deregulierungsvorschläge für Fernsehwerbung auch im herkömmlichen Sinne. Deregulierung quantitativer Werbebegrenzung Die bislang geltende Fernsehrichtlinie enthält qualitative und qualitative Begrenzungen von Fernsehwerbung. Die qualitativen Begrenzungen entsprechen im Wesentlich neben Werbeverboten (Tabakerzeugnisse, bestimmte Pharmaprodukute) den allgemeinen Vorschriften zum Jugendschutz, Schutz der Menschenwürde, Diskriminierungsverbot, Gesundheits- und Umweltschutz. Quantitative Begrenzungen gelten bislang für die gesamte Fernsehwerbung insoweit, wie ein Höchstanteil von Werbung täglich sowie an Sendungen unterschiedlicher Dauer festgelegt wurden. Besonders restriktive Vorschriften gelten für Nachrichten, Magazine, Dokumentarfilme und Sendungen für Kinder. Demgegenüber sieht der neue Richtlinienentwurf eine weit gehende Deregulierung vor nicht in qualitativer, aber in quantitativer Hinsicht. So werden Begrenzungen teils ganz aufgehoben, teils deutlich gelockert beziehungsweise das Unterbrechungsverbot für bestimmte Sendungen teilweise aufgehoben. Die Auffassungen über diese Deregulierung quantitativer Werbebegrenzungen gehen naturgemäß auseinander. Die Verfechter einer Deregulierung wenden ein, dass es sich bei den bisherigen Regelungen um eine Überregulierung handele. Tatsächlich sind übrigens nicht nur in Europa solche Höchstgrenzen bislang fast nie erreicht worden. Nicht nur in Deutschland hat das Nutzerverhalten ( Zappen") hier ein eindeutiges Verbrauchervotum abgegeben, dem sich weder Sender noch Werbekunden entziehen konnten. Eine Zerstückelung der Übertragung durch Werbeunterbrechungen wird in der Regel durch einen geringen Zuschaueranteil sanktioniert. Dies gilt freilich nur in grober Übersicht. Anders liegt der Fall bei ausgesprochen populären Sendungen und Veranstaltungen, zu denen es für die Verbraucher kein alternatives Angebot gibt. Insofern ist die 4

quantitative Begrenzung im bisherigen Maßstab nicht nur vertretbar, sondern auch sinnvoll. Im Übrigen sind hier noch spezifisch nationale Regelungen zu treffen. Denn so sagt es der Richtlinienentwurf: Die Mitgliedsstaaten sorgen dafür, dass durch in laufende Sendungen eingefügte Werbung (...) der Gesamtzusammenhang der Programme nicht beeinträchtigt wird. Grundsatzstreit über Produktplatzierung Erheblich mehr umstritten und damit auch Hauptthema der öffentlichen Kontroverse ist die im Entwurf vorgesehene Legalisierung von Produktplatzierung ( Product Placement ). Produktplatzierung ist demnach jede Form audiovisueller kommerzieller Kommunikation, die in der Einbeziehung eines Produkts, eines Dienstes oder der entsprechenden Marke bzw. der Bezugsnahme darauf besteht, so dass diese innerhalb eines audiovisuellen Mediendienstes erscheinen, üblicherweise gegen Entgelt oder eine ähnliche Gegenleistung. Folgende Vorschriften sollen gelten: Die redaktionelle Verantwortung und die Unabhängigkeit des Mediendienstanbieters dürfen nicht gefährdet werden. Es darf keine unmittelbare Aufforderung zum Kauf, zur Miete oder zur Pacht stattfinden. Es muss eindeutig auf die Produktplatzierung hingewiesen werden, und zwar bei Programmbeginn. Es darf keine Produktplatzierung durch Tabak- Unternehmen oder für Tabak-Produkte geben. Nachrichtensendungen und Sendungen zum aktuellen Zeitgeschehen dürfen keine Produktplatzierung enthalten. Gleiches gilt für Dokumentarfilme und Sendungen für Kinder. Keine dieser Vorschriften hat in der bisherigen Diskussion die Kritik an der Legalisierung von Produktplatzierung entkräften können. Dabei ist anzuerkennen, dass auch in der neuen Richtlinie Schleichwerbung nach wie vor verboten ist. Auch ist ein dezidierter Eingriff in Nachrichtenprogramme etwa zum Zwecke der Themenplatzierung nicht erlaubt. Aber die Kritik insbesondere (aber nicht nur) in Deutschland zielt zu Recht auf den grundsätzlichen Charakter der Legalisierung von Produktplatzierung, und zwar durch die Verschiebung des Trennungsgebots von Programm und Werbung hin zu einer Trennung zwischen Programmteilen. Die Negativliste der vorgesehenen Vorschriften lässt nur bedingt auf eine Begrenzung von legaler Produktplatzierung auf rein fiktionale Programme schließen. Und selbst wenn hier Trennschärfe gegeben wäre, würde die von der EU-Kommission gern beschworene kulturelle Vielfalt bedroht. Schließlich geht es nicht nur um Glaubwürdigkeit nachrichtlicher Information, sondern auch um einen Mindeststandard an gestalterischer Unabhängigkeit, eben nicht nur von Journalisten, sondern auch von Autoren. Der Verweis auf die in vielen Ländern übliche Praxis legaler Produktplatzierung kann sich am wenigstens auf Autoreninteressen berufen. So haben sich im vergangenen Jahr ausgerechnet in den USA Autorenvereinigungen kritisch zu Wort gemeldet gegen die weit gehenden kommerziell begründeter Eingriffe in die Gestaltung und Produktion von Filmen. Wenig stichhaltig sind darüber hinaus Erklärungen der EU-Kommission, Produktplatzierung finde ja bereits in Sendungen mit Filmen aus dem Ausland, so den USA, statt. Richtig ist zwar, dass die viel zitierten US-Filmproduktionen unbeschadet von diversen EU-Werbevorschriften via Fernsehen in den Mitgliedsstaaten der EU ungehindert ausgestrahlt werden. Daran ändert aber auch eine Legalisierung von Produktplatzierung nichts, schließlich unterliegen Produktionen aus Ländern außerhalb der EU nicht den selben Kennzeichnungspflichten, wie sie vom neuen Richtlinienentwurf vorgesehen sind. Die mehr herbei geredete als wirklich schwerwiegende Rechtsunsicherheit in solchen Fällen wäre durch die vorgeschlagene Regelung in keiner Weise aufgehoben. 4. Schutz europäischer und unabhängiger Werke, Kurzberichterstattungsrechte Länger in der Diskussion, aber letztlich kaum verändert haben sich die Bestimmungen zum Schutz europäischer und unabhängiger Werke. Dabei handelt es sich um eine bereits in der 5

Fernsehrichtlinie festgelegte Richtgröße, die sich in der Hauptsache auf das Verhältnis von europäischen und außereuropäischen Filmproduktionen bezieht. Laut Fernsehrichtlinie von 1989/1997 soll der Hauptanteil der Sendezeit, die nicht aus Nachrichten, Sportberichten, Spielshows oder Werbe-, Videotextleistungen und Teleshopping besteht, so genannten europäischen Werken eingeräumt werden. Eine Zeitlang war umstritten, ob diese Bestimmungen, die vor allem die Filmproduktion in Europa auch als Gegengewicht zur marktmächtigen US-amerikanischen Filmindustrie fördern sollte, auch auf die nicht-linearen Dienste auszuweiten sei. In der jetzigen Fassung ist es dabei geblieben, diese Regelung allein für nicht-lineare audiovisuelle Dienste, wie zuvor für das Fernsehen, festzuschreiben. Insgesamt haben sich diese Schutz- und Förderbestimmungen bewährt. Entgegen den noch Anfang der 1990er Jahre vorhandenen Bedenken seitens der Fernsehveranstalter hat sich durch die tatsächliche Fernsehnutzung und damit die Zuschaueranteile erwiesen, dass Eigenproduktionen einen hohen Stellenwert besitzen. Die vorgeschriebene Größenordnung also mindestens die Hälfte hauptsächlich fiktionaler Beiträge ist in Deutschland sogar überschritten worden. Im Fall der so genannten Kurzberichterstattung bei Ereignissen von öffentlicher Bedeutung sollen weiterhin allgemeine Schutzbestimmungen gelten. Demnach ist es Fernsehveranstaltern zwar erlaubt, Übertragungsrechte für Ereignisse, die von öffentlichem Interesse sind zu erwerben. Sie müssen aber anderen Veranstaltern beziehungsweise Berichterstattern die Möglichkeit einräumen, zu Nachrichtenzwecken auch kurze Auszüge von der Veranstaltung zu senden. Als allgemeine Richtgröße wird dabei von etwa anderthalb Minuten ausgegangen. Diese Vorschrift bezieht sich auf die Berichterstattung aus einem Mitgliedsstaat in einem anderen Mitgliedsstaat. Sie darf nicht verwechselt werden mit den jeweiligen nationalen Regelungen, gibt diesen lediglich ein Mindestmaß vor. 5. Vorläufiges Fazit Seit 2003 dauern die Verhandlungen über die Revision der Fernsehrichtlinie an. Die widerstrebenden Interessen schlagen sich dementsprechend auch in dem Entwurf der EU-Kommission nieder. Es hängt nun im Weiteren von den Beratungen zwischen EU-Kommission, Parlament und Rat der EU ab, damit natürlich auch von den weiteren Interventionen durch Verbände, Gewerkschaften und Vertretungen der Mitgliedsstaaten, wie weit dieser Richtlinienentwurf modifiziert und korrigiert zur endgültigen Richtlinie wird. Hauptziel muss sein, bereits auf EU-Ebene weitgehende Zugeständnisse auszuhandeln und möglichst wenige einzuräumen. Auf Grund des gegebenen Vorrangs des Gemeinschaftsrechts wird es ansonsten später sehr schwierig werden, auf der Ebene eines Mitgliedsstaates besondere Regelungen zu treffen, auch wenn der vorliegende Entwurf wie die bisherige Fernsehrichtlinie vorgibt, dass die Mitgliedsstaaten für die ihrer Rechshoheit unterliegenden Mediendiensteanbieter strengere oder ausführlichere Bestimmungen in den von dieser Richtlinie erfassten Bereichen vorschreiben können. Kontakt: Martin Dieckmann Referent für Medienpolitik beim ver.di-bundesvorstand Fachbereich Medien, Kunst und Industrie D-10112 Berlin E-Mail: martin.dieckmann@verdi.de V.i.S.d.P.: Frank Werneke stellvertretender ver.di-vorsitzender Leiter Fachbereich Medien, Kunst und Industrie Paula-Thiede-Ufer 10 10179 Berlin 6