Aus den Diskussionen bei der Konferenz lassen sich aus Sicht der Präsidentschaft folgende Schlussfolgerungen ziehen:



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Transkript:

Schlussfolgerungen der deutschen Ratspräsidentschaft zur EU-Medienexpertenkonferenz Mehr Vertrauen in Inhalte - das Potenzial von Ko- und Selbstregulierung in den digitalen Medien vom 09. bis 11. Mai 2007 in Leipzig Mehr Vertrauen in Inhalte - das Potenzial von Ko- und Selbstregulierung in den digitalen Medien war das Thema der EU-Medienexpertenkonferenz der deutschen Ratspräsidentschaft, die vom 09. bis 11. Mai 2007 in Leipzig stattfand. Ziel des Seminars, das der deutsche Vorsitz in enger Zusammenarbeit und mit Unterstützung der Europäischen Kommission abhielt, war es, Wege zur Sicherung von Vertrauen in die Angebote und zur Gewährleistung von Vielfalt in den digitalen Medien aufzuzeigen. Damit knüpft die deutsche Ratspräsidentschaft an die Empfehlung des Rates und des Parlaments über den Schutz Minderjähriger und den Schutz der Menschenwürde und über das Recht auf Gegendarstellung sowie an die in der Richtlinie für Audiovisuelle Mediendienste neu enthaltenen Bestimmungen zur Selbst- und Ko- Regulierung an: Danach werden die Mitgliedstaaten ausdrücklich aufgefordert, den Einsatz von Instrumenten der Ko- und Selbstregulierung zu fördern. Die Konferenz leistete damit einen Beitrag dazu, dass bei der Umsetzung der Richtlinie in den einzelnen Mitgliedstaaten von diesen zukünftig immer wichtiger werdenden Regulierungsformen so weit wie möglich Gebrauch gemacht werden kann. Die deutsche Ratspräsidentschaft wollte mit dieser Konferenz auch das Thema Vertrauen in digitale Inhalte aufgreifen, das sowohl Gegenstand des Safer Internet plus Programm der Europäischen Union als auch der EU-Initiative zur Medienkompetenz ist. Eine Mitteilung der Europäischen Kommission zur Medienkompetenz ist für das Jahr 2007 geplant. Hierzu konnte die Konferenz noch einen wichtigen Diskussionsbeitrag leisten. Ausgangspunkt intensiver Diskussionen der mehr als 250 Medienexperten aus allen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union waren tief greifende Veränderungen der Medienwelt. Solche Entwicklungen zeigen sich exemplarisch in der wachsenden Bedeutung von Online-Angeboten gegenüber den traditionellen Medien, der neuen Rolle der Nutzer, die selbst zu Produzenten werden, der Gatekeeper-Funktion der Suchmaschinen und elektronischen Programmführern oder dem Wandel der bisherigen Transportunternehmen zu integrierten Unternehmen, die auch Inhalte anbieten.

Die Konferenz beleuchtete vier zentrale Fragen: Wie können mehr für Kinder geeignete Internetangebote geschaffen werden? Wie kann die Existenz verlässlicher und vielfältiger Informationen in der digitalen Welt gesichert werden? Welche Instrumente der Selbstregulierung haben sich bewährt? Welches Potenzial hat Ko-Regulierung bei digitalen Inhalten? Aus den Diskussionen bei der Konferenz lassen sich aus Sicht der Präsidentschaft folgende Schlussfolgerungen ziehen: Vertrauen durch kindgerechte Inhalte: 1. Kindern möglichst viele positive und ihrem Alter entsprechende Inhalte anzubieten, ist ein Erfolg versprechender Weg, ihnen die Chancen der digitalen Welt zu öffnen und sie gleichzeitig vor deren Gefahren zu bewahren. Positive Inhalte sollen Kinder befähigen, mit den digitalen Medien umzugehen und deren Möglichkeiten für Bildung, Kreativität und Kommunikation zu nutzen. 2. Im Internet einen so weit wie möglich von positiven Werten geprägten Raum für Kinder (children s sphere) zu schaffen, ist die Aufgabe von staatlichen und nicht-staatlichen Organisationen, der Medienindustrie, von Erziehungs- und Bildungsinstitutionen und Eltern. Initiativen auf Gemeinschaftsebene wie das Safer Internet plus Programms der Europäischen Union sind hierbei ein wichtiger Beitrag zur europäischen Netzwerkbildung. Die deutsche Präsidentschaft regt einen Austausch von best-practice Modellen und Erfahrungen unter den Anbietern von kindgerechten Inhalten innerhalb Europas an. Bereits bestehende Initiativen zur Verbesserung der Medienkompetenz von Kindern, wie das niederländische Projekt Mijn Kind Online, gilt es bekanntzumachen. Ein gutes Beispiel zur Bildung eines Netzwerkes von staatlichen Stellen, gesellschaftlichen Einrichtungen und Unternehmen ist die in Deutschland ins Leben gerufene Initiative Ein Netz für Kinder. Sie wird durch Einigung auf eine Positivliste (white list) mit einer Vielzahl von für Kindern geeigneten Angeboten, mit der Herstellung der technischen Voraussetzungen, um die Liste im Rahmen eines Benutzerprofils als abgeschlossenen Surfraum bestimmen zu können und mit einer staatlichen Förderung von Angeboten im Rahmen einer Public Private Partnership einen sicheren, umfangreichen und qualitätsvollen Surfraum für Kinder im Internet schaffen. 3. Bei der Erstellung von Angeboten für Kinder sollten diese von Beginn an einbezogen werden. In einem Raum für Kinder können sich Kinder frei und gefahrlos bewegen, sich über ihre Themen austauschen, sich ausprobieren und darstellen sowie sich mit Inhalten befassen, die an ihren Bedürfnissen orientiert sind. 2

4. So lange es keine Geschäftsmodelle für solche Inhalte gibt, ist deren Förderung und Unterstützung auch mit staatlichen Mitteln (materieller und immaterieller Art) aus Sicht der deutschen Ratspräsidentschaft eine Möglichkeit, den Umfang kindgerechter, positiver Inhalte zu erhöhen und den Zugang dazu zu ermöglichen. Darüber hinaus haben öffentlich finanzierte Anbieter elektronischer Medien in einer solchen Situation eine besondere Verpflichtung. 5. Initiativen können und sollen auf den Erfahrungen bestehender Institutionen aufbauen. Das gilt für solche, die sich im Internet engagieren, aber auch für Träger der Bildungsarbeit. Wie die EU etwa in ihren Policy Framework für i2010 festgestellt hat, bringt das Internet für Kinder gerade im Bildungsbereich große Chancen aber auch viele Risiken. Angesichts dieser Situation, und um Kindern aus allen Bevölkerungsschichten einen chancengleichen Zugang zu den Angeboten des Internets zu ermöglichen, kommt den Schulen als wichtigsten Vermittlern von Medienkompetenz eine Schlüsselstellung zu. Gemeinsam mit Kindergärten und anderen Erziehungseinrichtungen sind gerade Schulen Multiplikatoren und Treuhänder eines Raums für Kinder im Internet. Vor diesem Hintergrund regt der deutsche Vorsitz an, die Anstrengungen der Bildungspolitik im Bereich der Medienerziehung und der Vermittlung von Medienkompetenz, insbesondere in Schulen, zu verstärken. Dabei muss auch nach Wegen gesucht werden, beispielsweise über Elternabende, diejenigen Erziehungsberechtigten zu erreichen, deren Wissen und Problembewusstsein noch gering ausgeprägt sind. Vertrauenswürdige Anbieter: 6. Das veränderte Mediennutzungsverhalten vor allem junger Menschen fordert die traditionellen Medien, Rundfunkanstalten und Printmedien heraus, ihren gesellschaftlichen Auftrag der Information, Bildung, Beratung und Unterhaltung auch unter den Bedingungen der neuen Medien wahrzunehmen. Eine wesentliche Schwierigkeit dieser Transformation ergibt sich vor allem für privatwirtschaftliche Medienunternehmen, weil es offensichtlich immer noch wenig tragfähige Geschäftsmodelle für die Refinanzierung vielfältiger und verlässlicher Informationsangebote im Internet gibt. 7. Den verschiedenen Medien, insbesondere den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, sollte die Möglichkeit eingeräumt werden, ihre Aufgabe unter den Bedingungen neuer digitaler Medien zu erfüllen und zu diesem Zweck auch Online- Angebote zu machen. Die genaue Ausgestaltung des Auftrages muss angesichts der Unterschiede der Medienordnungen weiterhin dem jeweiligen Mitgliedstaat überlassen bleiben. Neue nichtkommerzielle Quellen für Informationen im öffentlichen Diskurs können möglicherweise ebenfalls einen Anspruch auf öffentliche Mittel geltend machen, um Dienste im Internet anzubieten. 3

8. Zu den bisherigen Garanten für vertrauenswürdige, relevante Informationsangebote und für Vielfalt der Offline-Medien treten in der Online-Welt neue Anbieter wie nicht-staatliche Organisationen, Initiativen oder der einzelne Nutzer hinzu. Neben der Herausforderung, die das für die etablierten Medien und ihre professionellen Standards bedeutet, bietet sich hierdurch auch eine nicht zu unterschätzende Chance auf mehr Partizipation und wachsende inhaltliche Vielfalt. Eine verstärkte Präsenz der etablierten Medien im Internet - ggf. begleitet durch staatliche Unterstützung - darf nicht dazu führen, dass neue Informationsanbieter verdrängt werden oder sich gar nicht erst entwickeln können. Etablierte Wissensknoten, wie Bibliotheken, Universitäten, Einrichtungen der politischen Bildung können zudem mit Blick auf Pluralismus, Vielfalt und Qualität als verlässliche alternative Inhalteanbieter eine wichtige Rolle im Netz spielen. Eine Unterstützung der Digitalisierungsstrategien dieser Einrichtungen erscheint der Präsidentschaft auch unter diesem Gesichtspunkt wichtig. 9. Neben den Diensten traditioneller Anbieter existieren neue Formen von für den öffentlichen Diskurs relevanten Informationsangeboten (z.b. nutzergenerierte Inhalte wie Weblogs) sowie Querverbindungen zwischen diesen alten und neuen Formen. Eine Herausforderung für die Mitgliedstaaten besteht darin, neue Anbieter in ihrer Rolle als Informationsvermittler zu stärken und sie anzuregen, durch Selbst- und Ko-Regulierungsmaßnahmen für Transparenz und die Implementierung journalistischer Standards zu sorgen und somit die Verlässlichkeit und Relevanz ihres Informationsangebotes zu erhöhen. 10. Das rasant wachsende Medienangebot gibt dem Nutzer mehr Wahlmöglichkeiten und verlangt ihm zugleich mehr Entscheidungen ab. Ein wesentliches Zugangshindernis ist die fehlende Nutzerkompetenz. Dieser Realität ist Rechnung zu tragen, ohne Anbieter und Provider aus ihrer Verantwortung zu entlassen. Aus Sicht des deutschen Vorsitzes sind deshalb Anstrengungen zu unternehmen, die die Medienkompetenz des Nutzers stärken und ihm so bewusste Entscheidungen ermöglichen. Vertrauen in die Industrie: 11. In vielen Mitgliedstaaten der europäischen Union wurden bereits Erfahrungen mit Selbstregulierungssystemen gesammelt. Die Konferenz hat die Stärken und Schwächen ganz unterschiedlicher Systeme im Dreieck von Staat, Wirtschaft und Nutzern beleuchtet. Als besondere Stärke der Selbstregulierung im Vergleich zu staatlicher Regulierung hat sich ihre Flexibilität und Schnelligkeit erwiesen, was im Bereich des Internet von großer Bedeutung ist. Zusammenschlüsse wie Inhope für Internet Provider spielen vor diesem Hintergrund eine immer wichtigere Rolle. 4

12. Selbstregulierung übernimmt eine eigenständige Funktion dabei, Vertrauen in digitale Medien zu schaffen, indem die Industrie selbst Verantwortung übernimmt. Sie kann aber auch die Umsetzung der Ziele von Europäischen Richtlinien unterstützen. Angesichts unterschiedlicher Begrifflichkeiten und Regulierungssysteme in den Mitgliedsstaaten ist entscheidend, ob ein adäquater Policy- Ansatz zur Lösung einer Regulierungsfrage gewählt wird. Der deutsche Vorsitz regt an, aufbauend auf bestehenden Erkenntnissen, Kriterien eine adäquate Wahl von Regulierungskonzepten zu entwickeln. Sie sollten auch eine Koordination der Kontrollsysteme, wenn möglich auch grenzüberschreitend, bei der Systemgestaltung berücksichtigen. 13. Systeme, die dem Nutzer helfen, aus der Fülle des Angebots die ihn interessierenden Inhalte heraus zu suchen (Suchmaschinen und Programmführer), haben einen erheblichen Einfluss auf seine Willensbildung (Gatekeeperfunktion). Informationsfreiheit, Chancengleichheit und diskriminierungsfreier Zugang sind aus Sicht der Präsidentschaft Werte, die diese Instrumente regieren müssen. Der deutsche Vorsitz regt daher an, Suchmaschinen oder Electronic Programme Guides zum Gegenstand von Selbstregulierung zu machen. Auch traditionelle Inhaltetransporteure wie Telekommunikationsunternehmen, die sich mehr und mehr zu integrierten Medienunternehmen entwickeln, die auch Inhalte anbieten, sollten einbezogen werden. 14. In der digitalen Welt werden mehr und mehr Inhalte durch Nutzerinnen und Nutzer statt durch Vertreter der journalistischen Berufe, die sich an ein Berufsethos gebunden fühlen, erzeugt. Selbstregulierung muss verstärkt auch diese neuen Informationsanbieter erfassen. Die deutsche Ratspräsidentschaft regt an, die Mittel der Selbstregulierung der Nutzer (wie z.b. die Nutzung von Filtersystemen und kollaborative Klassifizierungssysteme) zu stärken. Hierzu muss der Nutzer in seiner Kompetenz im Umgang mit den Medien und in seinem Verständnis für unabdingbare Grundwerte der Medienordnung gefördert werden. Damit geht ein rechtsbewusster Umgang mit geistigem Eigentum einher. 15. Die Fähigkeit, gemeinsame Werte zu entwickeln und sich diesen im Wege der Selbstregulierung unterzuordnen, ist ein wichtiges Erkennungsmerkmal für vertrauenswürdige Informationsanbieter. Selbstregulierung kann daher positive ökonomische Effekte für die Unternehmen erzeugen. Selbstregulierung zeigt, dass alle, die am Prozess der Informationsvermittlung beteiligt sind Hersteller von Inhalten, Zugangsprovider, Nutzerinnen und Nutzer auch dem Gemeinwohl ( public value in einem weiten Sinne) verpflichtet sind und sich nicht nur ökonomischen Interessen unterordnen. Der deutsche Vorsitz begrüßt alle Anstrengungen um Selbstregulierung, die diese Wahrnehmung von gesellschaftlicher Verantwortung fördert. Diese Initiativen sollten regelmäßig evaluiert werden. 5

Vertrauen in die Zusammenarbeit von Staat und Gesellschaft: 16. Die Teilnehmer der Konferenz begrüßten, dass insbesondere die Ko- Regulierung als Umsetzungsinstrument für die Regelungen zum Jugendschutz, zum Schutz der Menschenwürde und des Verbrauchers sowie hinsichtlich anderer durch die revidierte EG-Richtlinie Fernsehen ohne Grenzen koordinierter Bereiche, anerkannt werden. Ko-Regulierung stellt eine eigenständige Regulierungsform dar, die dazu geeignet ist, politische Regulierungsziele zur erreichen. 17. In einigen Mitgliedstaaten sind Ko-Regulierungsysteme bereits etabliert. Als good-practice-beispiele können unter anderem die Werberegulierung in Frankreich und Großbritannien, das niederländische System NICAM sowie die Ko- Regulierung im Bereich Rundfunk und Telemedien in Deutschland (Kommission für Jugendmedienschutz der Landesmedienanstalten) genannt werden. 18. Einzelne Abgrenzungsschwierigkeiten zwischen Ko- und Selbstregulierung können überwunden werden. Wichtig ist, dass gewisse Grundvoraussetzungen für ein funktionierendes und effektives Ko-Regulierungssystem eingehalten werden. Der deutsche Vorsitz regt eine Verständigung unter den Mitgliedstaaten auf Mindestvoraussetzungen an, die erfüllt sein müssen, damit durch Ko-Regulierung die Regulierungsziele effektiv erreicht werden können. Den einzelnen Mitgliedstaaten sollen aber Spielräume bei der Umsetzung bleiben, damit unterschiedlichen Regulierungskulturen Rechnung getragen werden kann. Aus Sicht des deutschen Vorsitzes sind folgende Elemente für ein funktionierendes Ko- Regulierungssystem wesentlich: Hinreichende Anreize für die Industrie, sich an einem Ko- Regulierungssystem zu beteiligen Offenheit für alle Beteiligten und Transparenz des Systems Effektives Sanktionssystem zur Durchsetzung der Vorgaben; dazu sind staatliche Überwachungsstellen im Hintergrund ( Hierachy shadows ) unabdingbar. Beschwerdesystem und Kampagnen zur Stärkung von Bewusstsein Gewährleistung eines rechtsstaatlichen Verfahrens Evaluation der Ergebnisse und ggf. Anpassung des Systems 19. Der deutsche Vorsitz regt an, auch bei neuen Medienfeldern wie Spielen und Handy-Angeboten medienpolitisch darauf hinzuwirken, dass sich vertrauenswürdige Strukturen aufbauen und Systeme der Selbst- und Ko-Regulierung entstehen. 6