Freiwilliges Engagement in Österreich Zahlen Daten Fakten Projekte und Vorhaben im Bereich Freiwilligenpolitik Bundesminister Dr. Erwin Buchinger Wien, 21. Jänner 2008
2 Erhebung zu Volumen und Struktur des freiwilligen Engagements in Österreich Zusatzerhebung zum Mikrozensus 2006, Statistik Austria Freiwilligenarbeit hat einen großen Stellenwert in Österreich. Die hohe Lebensqualität wird vom freiwilligen und unentgeltlichen Einsatz in der Nachbarschaftshilfe, in sozialen, pflegerischen und gesundheitlichen Diensten, in sportlichen und kulturellen Bereichen sowie in den Katastrophenhilfs- und Rettungsdiensten wesentlich mitbestimmt. Bei der Freiwilligenarbeit wird zwischen formeller und informeller Leistung unterschieden: Formelle Freiwilligenarbeit sind jene Aktivitäten, die im Rahmen einer Organisation, eines Vereines, einer Institution erfolgen. Informelle Freiwilligenarbeit, oft auch Nachbarschaftshilfe genannt, erfolgt aus persönlicher Initiative ohne institutionellen Rahmen. Freiwilligenarbeit wird in den verschiedensten gesellschaftlichen Bereichen ausgeübt: Formelle Freiwilligenarbeit: Katastrophenhilfs- und Rettungsdienste, sog. Blaulichtorganisationen (z.b. Freiwillige Feuerwehr, Berg- und Wasserrettung, Rotes Kreuz, Arbeitersamariterbund) Kunst, Kultur, Unterhaltung und Freizeit (z.b. Musikkapelle, Theatergruppe) Umwelt, Natur- und Tierschutz (z.b. WWF, Greenpeace) Kirchlicher, religiöser Bereich (z.b. Kirchenchor, Pfarrgemeinderat) Sozial- und Gesundheitsbereich (Hilfsorganisationen zur Betreuung anderer Personen, Pensionistenverband, Leitung von Selbsthilfegruppen) Politische Arbeit und Interessensvertretung (z.b. Politische Partei, Berufsverband)
3 Bürgerliche Aktivitäten und Gemeinwesen (z.b. Ortsentwicklungsverein, BürgerInnen-Initiativen) Bildung (z.b. Elternverein, Lernhilfezentrum) Sport und Bewegung (z.b. Sportverein, Bewegungsgruppe) Informelle Freiwilligenarbeit: Nachbarschaftshilfe: z.b. Haushaltsarbeiten, Einkaufen, Kinderbetreuung, Gartenpflege. Beteiligung an Freiwilligenarbeit 43,8% der österreichischen Bevölkerung ab 15 Jahren leisten in irgendeiner Form Freiwilligenarbeit. Der Anteil bei den Männern beträgt 47,1% und bei den Frauen 40,7%. Insgesamt leisten knapp über 3 Millionen ÖsterreicherInnen ab 15 Jahren Freiwilligenarbeit. Von den hochgerechnet 6,9 Mio. Personen ab 15 Jahren leisten 27,9% formelle (in Organisationen/Vereinen) und 27,1% informelle ( Nachbarschaftshilfe ) Freiwilligenarbeit, wobei informelle Freiwilligenarbeit von Frauen (27,3%) häufiger erbracht wird als von Männern (26,9%). Männer sind anteilsmäßig deutlich häufiger in Organisationen engagiert, bei der Nachbarschaftshilfe liegen die Anteile der Frauen über jenen der Männer. Besonders aktiv sind die 40- bis 59-Jährigen, die sich fast zu 50% für andere engagieren. Auch die 20- bis 24-Jährigen und 30- bis 39-Jährigen weisen mit je 47% hohe Werte auf. Deutlich unter dem Durchschnitt liegt der Anteil der freiwillig Tätigen bei den Personen ab 70 Jahren.
4 43% der jungen Menschen zwischen 15 und 19 Jahren sind prozentuell ebenso häufig freiwillig aktiv wie 43% der älteren Menschen zwischen 60 und 69 Jahren. Sogar knapp 20% der über 80-Jährigen sind nach wie vor freiwillig aktiv. Überdurchschnittlich aktiv sind bei den Männern auch die Absolventen einer Berufsbildenden mittleren bzw. höheren Schule, bei den Frauen jene mit abgeschlossener Allgemeinbildender höherer Schule. Generell ist das Engagement in ländlichen Regionen höher als im städtischen Bereich. An der Spitze der Bundesländer liegt Oberösterreich (49%) vor Tirol (48%) sowie Niederösterreich und Vorarlberg (je 47%). In Wien beträgt der Anteil 35%. Personen ab 15 Jahren: Beteiligung an Freiwilligenarbeit 43,8 47,1 40,7 Insgesamt Männer Frauen 33,0 in Prozent 27,9 27,1 23,2 26,9 27,3 Freiwilligenarbeit 1 ) Formelle Freiwilligenarbeit Informelle Freiwilligenarbeit 1) Formelle und/oder informelle Freiwilligenarbeit.
5 Freiwillige nach Alter 22% der Freiwilligen sind 40 bis 49 Jahre, 19% 30 bis 39 Jahre und 16% 50 bis 59 Jahre alt. Anteilsmäßig sind die meisten der in den jeweiligen Bereichen tätigen Freiwilligen 30 bis 59 (vor allem 40 bis 49) Jahre alt. Für Soziales engagieren sich auch verstärkt 60- bis 69-Jährige. Im Sozial- und Gesundheitsbereich engagieren sich mit 13,6% der 60- bis 69- Jährigen und 16,1% der 70- bis 79-Jährigen anteilsmäßig mehr als doppelt so viele Menschen wie in allen anderen Altersgruppen, 6% der 15- bis 19- Jährigen, 7,4% der 40- bis 49-Jährigen und 5,5% der 50- bis 59-Jährigen. Bei den Männern sind im Bereich Bildung auch relativ mehr 15- bis 19-Jährige tätig. Von den Frauen, die bei Rettungsdiensten helfen, ist nahezu die Hälfte im Alter von 25 bis 29 Jahren. Freiwillig Tätige: Alter 22,5 22,0 21,6 Insgesamt Männer Frauen 19,1 19,3 19,0 16,4 16,5 16,2 in Prozent 12,5 10,9 14,2 9,1 8,1 7,4 7,0 7,0 6,6 7,5 7,7 7,3 5,7 5,3 4,8 2,6 2,2 1,7 15-19 20-24 25-29 30-39 40-49 50-59 60-69 70-79 80+
6 Freiwillig Tätige nach Bereichen 62 % der freiwillig Tätigen ab 15 Jahren erbringen Leistungen im informellen Bereich, d.h. es dominiert generell die Nachbarschaftshilfe. Danach folgen Kunst, Kultur, Unterhaltung und Freizeit (kurz Kultur ) mit 17,1%, Sport und Bewegung (kurz Sport ) mit 15,7%, Kirchlicher und religiöser Bereich (kurz Kirche ) mit 14,2% und Katastrophenhilfs- und Rettungsdienste (kurz Hilfsdienste ) mit 13,7%. 4,8% betätigen sich im Bereich Bürgerliche Aktivitäten und Gemeinwesen (kurz Gemeinwesen ) und je 5,8% im Bereich Umwelt, Natur und Tierschutz (kurz Umwelt ) sowie Bildung. Bei den Jüngsten steht Kultur an zweiter Stelle, gefolgt von Hilfsdiensten. Bei den jungen Erwachsenen gewinnt auch Sport immer mehr an Bedeutung. Ab 50 Jahren steigt die Beteiligung im Bereich Kirche. Bei den Älteren ist auch der Sozial - und Gesundheitsbereich (kurz Soziales ) insbesondere für Frauen immer wichtiger. Geschlechtsspezifische Unterschiede Männer: Nachbarschaftshilfe (57%) sowie in den Bereichen Sport sowie Hilfsdienste mit je 22%, Kultur mit 18% und Politische Arbeit und Interessensvertretung (kurz Politik ) mit 11%. In allen anderen Bereichen liegen die Anteile unter 10%; Schlusslicht ist die Bildung mit nur 4% Aktiven. Frauen: 67% der freiwillig tätigen Frauen erbringen Leistungen im informellen Bereich (Nachbarschaftshilfe), gefolgt von Kirche mit 20% und Kultur mit 16%. Knapp unter 10% liegt der Anteil für Sport, aber nur 4% sind in den Bereichen Gemeinwesen sowie Umwelt aktiv.
7 Freiwillig Tätige: Bereiche 67,2 Insgesamt Männer Frauen 62 57,2 in Prozent 13,7 21,6 5,1 17,117,8 16,4 20,4 14,2 7,3 8,4 5,8 4,3 11,1 7,5 8,3 6,9 8,0 5,9 4,6 4,8 3,7 21,7 15,7 9,2 7,8 5,8 3,9 A B C D E F G H I J A - Katastrophenhilfs- und Rettungsdienste B - Kunst, Kultur, Unterhaltung und Freizeit C - Umwelt, Natur und Tierschutz D - Kirchlicher oder religiöser Bereich E - Sozial- und Gesundheitsbereich F - Politische Arbeit und Interessensvertretung G - Bürgerliche Aktivitäten und Gemeinwesen H - Bildung I - Sport und Bewegung J - Nachbarschaftshilfe und informeller Bereich Motive für formelle und/oder informelle Freiwilligenarbeit Macht mir Spaß stimmen 64% voll und 29% eher schon zu Möchte damit anderen helfen 58% voll und 35% eher schon Treffe Menschen und gewinne Freunde 49% voll, 34% eher schon Kann meine Fähigkeiten und Kenntnisse einbringen 41% voll, 40% eher schon Hilft mir, aktiv zu bleiben 43% voll und 33% eher schon Von nahezu 80% als überhaupt nicht zutreffend und von weiteren 15% als eher nicht zutreffend wurde das Motiv Hoffe, dass mir diese Tätigkeit hilft, einen bezahlten Job zu finden, beurteilt. Dieses Ranking gilt im Großen und Ganzen für Männer und Frauen.
8 Das Volumen der Freiwilligenarbeit in Österreich Zur Berechnung des Volumens der Freiwilligenarbeit in Österreich wurde einerseits die Zahl der in irgendeiner Form freiwillig Tätigen und andererseits der von ihnen erbrachte Zeiteinsatz herangezogen. Bereich Freiwillig Tätige insgesamt in 1.000 Durchschnittliche Stunden/Woche Gesamtstunden/ Woche Katastrophenhilfs- und Rettungsdienste 413,2 3,8 1.575,9 Kunst, Kultur, Unterhaltung und Freizeit 516,5 3,4 1.761,6 Umwelt, Natur und Tierschutz 176,4 2,0 349,9 Kirchlicher od. religiöser Bereich 428,5 2,4 1.026,1 Sozial- und Gesundheitsbereich 227,9 2,5 564,7 Politische Arbeit und Interessensvertretung 242,2 2,6 640,9 Bürgerliche Aktivitäten und Gemeinwesen 146,0 1,9 278,2 Bildung 174,3 1,7 302,9 Sport und Bewegung 474,7 3,0 1.418,4 Informell freiwillig Tätige 1.871,7 3,6 6.774,0 Summe 14.692,7 Wie der Übersicht zu entnehmen ist, wurden von den freiwillig tätigen Personen ab 15 Jahren insgesamt 14.692.679 Stunden Freiwilligenarbeit erbracht. Entsprechend der Mikrozensuserhebung wurden im 4. Quartal 2006 von den Erwerbstätigen nur in der Hauptbeschäftigung 1 Mrd. 787 Mio. Arbeitsstunden tatsächlich geleistet. Für die Unselbständigen beträgt der Wert 1 Mrd. 465 Mio. Arbeitsstunden. In Relation dazu entspricht die Freiwilligenarbeit 11% des Arbeitsvolumens pro Woche aller Erwerbstätigen und 13% der Unselbständigen. Quelle: Die Zahlen resultieren aus der Erhebung Struktur und Volumen der Freiwilligenarbeit in Österreich durch STATISTIK AUSTRIA als Zusatzerhebung zum Mikrozensus im 4. Quartal 2006.
9 Bericht zur Situation des freiwilligen Engagements in Österreich Auf Grundlage der Erhebung von Statistik Austria über Struktur und Volumen der Freiwilligenarbeit in Österreich wird ein 1. Bericht zur Situation des freiwilligen Engagements beauftragt. Dieser soll ein umfassendes Bild über die gesellschaftlichen, politischen und ökonomischen Rahmenbedingungen des freiwilligen Engagements in Österreich bieten. Insbesondere sollen u.a. die gesellschaftliche und ökonomische Bedeutung, politische Rahmenbedingungen, europaweite innovative Entwicklungen und Trends, verschiedene Bevölkerungs- und Altersgruppen und die Stadt-Land- Situation untersucht werden. Modellprojekt zur Professionalisierung des Freiwilligenmanagements Zur nachhaltigen Zukunftssicherung des freiwilligen Engagements in Österreich sollen die Menschen von Jung bis Alt zur Mitwirkung gewonnen werden. Junge Menschen stellen heute neue Ansprüche und wollen an konkreten Projekten mitarbeiten, ohne sich zu einer lebenslangen Vereinsmitgliedschaft zu verpflichten. Ältere Menschen finden nach Ausscheiden aus dem Berufsleben Sinnerfüllung und Selbstverwirklichung durch freiwilliges Engagement. In einem Modellprojekt in Zusammenarbeit mit dem oberösterreichischen Soziallandesrat Josef Ackerl sollen daher professionelle Strukturen des Freiwilligenmanagements zur Gewinnung und Begleitung von Freiwilligen erprobt werden. Einrichtung eines unabhängigen Freiwilligenzentrums mit folgenden Aufgaben: 1. Gewinnung und Begleitung der Freiwilligen 2. Vernetzung und Kommunikation mit regionalen/lokalen Freiwilligenbörsen und projekten
10 3. Aus- und Fortbildung von Freiwilligen und FreiwilligenkoordinatorInnen 4. Non-formales Lernen und Kompetenzerwerb durch freiwilliges Engagement 5. Modellprojekte in Zusammenarbeit mit den Gemeinden 6. Unfallversicherung für Freiwillige 7. Öffentlichkeitsarbeit und Lobbying Gesetz für ein Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ) Das Freiwillige Soziale Jahr für junge Menschen soll wie in anderen europäischen Ländern auch in Österreich gesetzlich verankert werden. In Österreich hat Bundesminister Erwin Buchinger mit Rücksicht auf die Bedeutung des Freiwilligen sozialen Jahres bei der Beruforientierung von Jugendlichen und jungen Menschen (zwischen 17 und 26 Jahren) als ersten Schritt die Sonderrichtlinie zur Förderung des Freiwilligen Sozialen Jahres für 2007/08 verlängert. Am FSJ 2006/2007 haben insgesamt 336 Personen teilgenommen und die Abwicklung des FSJ wird derzeit evaluiert mit dem Ziel, aus der Überprüfung der Anwendung der Sonderrichtlinie neue Erkenntnisse über die Durchführung des FSJ in der Zukunft zu gewinnen. Ein Freiwilliges Sozialjahr im Sinne der genannten Sonderrichtlinie ist ein Jahr, in dem sich eine Person bei einem geeigneten gemeinnützigen Träger der freien Wohlfahrtspflege vertraglich verpflichtet, einen freiwilligen Dienst außerhalb einer Berufsausbildung ohne Gewinnerzielungsabsicht zu leisten. Dieser ist derzeit hinsichtlich seines Ausmaßes mit einer Vollzeitbeschäftigung zu vergleichen. Gemäß der bestehenden Sonderrichtlinie werden derzeit drei Vereine, die das FSJ anbieten, nämlich der Verein zur Förderung freiwilliger Sozialer Dienste (Projekt Linz und Arge Soziale Berufsorientierung Vorarlberg) sowie die Diakonie Österreich gefördert. Die jährliche Fördersumme beläuft sich insgesamt auf rd. 750.000.-, der monatliche Zuschuss pro Teilnehmer auf rd. 230.-, da für
11 die Förderung als Gehaltsbestandteil Dienstnehmer- und -geberabgaben zur Sozialversicherung anfallen. Mittelfristiges Ziel ist daher die Auszahlung der Familienbeihilfe bei freiwilligem sozialem Engagement von Jugendlichen genauso wie für Jugendliche in Ausbildung oder Arbeitslosigkeit. Schließlich ist das Freiwillige Soziale Jahr eine Berufsorientierung und ein guter Einstieg in die stark nachgefragten Pflege- und Sozialbetreuungsberufe. Österreichischer Freiwilligenrat Der Österreichische Rat für Freiwilligenarbeit wird als Interessensvertretung der Freiwilligen und Beratungsinstrument der Freiwilligenpolitik aufgewertet. Die Mitglieder des Österreichischen Freiwilligenrates werden eingeladen, an der Umsetzung des Modellprojekts mitzuwirken, schließlich sind es die NPOs, die von diesem Modellprojekt besonders profitieren. Daher kommt den im Freiwilligenrat vertretenen NPOs bei der Ausdehnung dieser Initiativen auf ganz Österreich eine entscheidende Rolle zu. Die Detailergebnisse der Erhebung über Volumen und Struktur der Freiwilligenarbeit in Österreich können auf www.bmsk.gv.at nachgelesen werden. Rückfragehinweis: Bundesministerium für Soziales und Konsumentenschutz (BMSK) Mag. Oliver Gumhold Pressereferent-Öffentlichkeitsarbeit Büro des Sozialministers Tel. (01) 71100-2269 www.bmsk.gv.at