Gutes Image für Öko- Lebensmittel aus regionaler Herkunft



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Transkript:

Ländlicher Raum 4/2004 1 Helmut Laberenz - Michaela Bähr Gutes Image für Öko- Lebensmittel aus regionaler Herkunft In Dänemark, Deutschland, Finnland, Frankreich, Großbritannien, Italien, Österreich und der Schweiz beteiligten sich rund 700 Verbraucher an über 70 Gruppendiskussionen zum Thema 'Konsum von ökologisch produzierten Lebensmitteln'. In diesen Focus-Gruppen diskutierten jeweils 8 bis 12 Teilnehmer etwa 2 Stunden lang unter Leitung eines erfahrenen Moderators über Gründe für und gegen den Kauf von Öko-Lebensmitteln. Ein Hauptaugenmerk lag dabei auf der Bedeutung der regionalen Herkunft von Lebensmitteln für die Konsumenten. Durch die Art der Moderation gelang es, Einsichten auch über Antriebskräfte und Widerstände des Konsumverhaltens zu gewinnen, die den Beteiligten möglicherweise nicht vollständig bewusst sind oder die sie in einer herkömmlichen Befragung nicht äußern. In jedem der 8 Länder wurden mindestens drei dieser Gruppen mit regelmäßigen Öko-Konsumenten und weitere drei mit Personen, die nie oder nur gelegentlich zu diesen Produkten greifen, durchgeführt. Regionalität ist ein Stück Heimatgefühl Eine Region wird als Einheit empfunden, die durch bestimmte Merkmale gekennzeichnet ist und von Nachbargebieten unterschieden werden kann, auch wenn die Grenzen oft nicht eindeutig definiert sind. Eine solche Region mag in den Köpfen der Verbraucher ein Bezirk oder eine Gemeinde sein, kann aber auch unabhängig von formalen Grenzen Teil einer politischen Verwaltungseinheit sein oder mehrere solcher Einheiten umfassen. Auf die Frage, was sie persönlich denn unter aus ihrer Region verstehen, liefern die Probanden eine Vielfalt von unterschiedlichen, teils widersprüchlichen Antworten. Es gibt fast so viele Ansichten zu dem Thema wie Mitwirkende an den Gruppengesprächen.... das Gemüse was hier wächst, das will ich auch hier kaufen aus... Schleswig Holstein oder so. DE Ich denke mir einmal Bioprodukte,..., dass diese Produkte sowieso aus der Region [kommen], Umkreis 200 km, Österreich, Süddeutschland, Norditalien. Deswegen ist die Herkunft für mich automatisch da in dem beschriebenen Umkreis von 200 km. AT Ich finde es wichtig, dass die Schweiz mehr machen sollte, um eigene Produkte zu verkaufen. CH

Ländlicher Raum 4/2004 2 Wir sind ja jetzt ein EU-Staat, und da finde ich, sollte man das schon europaweit ausdehnen. AT Wenn ich wählen kann, dann würde ich britische Produkte kaufen (buy British), andernfalls würde ich europäische Waren auswählen, denn ich glaube ganz stark an die europäische Idee. UK In den meisten der beteiligten Länder herrscht ein allgemeines Einverständnis unter den Teilnehmern, dass die Herkunft der Lebensmittel bei der Auswahl wichtig ist. Die überwiegende Mehrheit der befragten Verbraucher möchte erfahren, wo ihr Essen herkommt, vor allem bei frischen, schnell verderblichen Waren wie Milch, Obst und Gemüse oder Fleisch. Mir ist es nicht egal. Ich schaue beim Einkaufen auch darauf. Wenn immer möglich, bevorzuge ich ein Produkt aus der Schweiz. CH Sachen die jetzt auch hier wachsen die möchte ich auch von hier haben. Also, was hier zu der Zeit wächst,..., sollte man auch aus der Region nehmen. DE Als weniger verhaltensrelevant wird das Thema in den dänischen und italienischen Gesprächrunden betrachtet. Dort hat nach Ansicht der Diskutanten die Herkunft einen geringeren Einfluss auf die Kaufentscheidung. Der Bekanntheitsgrad und das Image des Markenamens oder des Herstellers stehen dort im Vordergrund. Eine eindeutige Herkunftsangabe wird zwar gewünscht, spielt dann aber in der realen Kaufsituation nur eine geringe Rolle. In den anderen beteiligten Staaten herrscht hingegen allgemeine Übereinstimmung unter den Probanden, dass regionale Produkte in der Einkaufssituation bevorzugt werden würden. Diese Präferenz ist unabhängig davon ob es sich um Bio- Produkte oder konventionelle Lebensmittel handelt. Wenn ich kann, kaufe ich Produkte aus meiner Region. Das ist für mich ein Heimatgefühl. CH Eine lokale Herkunft wird ganz überwiegend mit Positivem und Freundlichem assoziiert und dieses gute Gefühl wird auf die Lebensmittel übertragen. Den Herstellern in der eigenen Region wird Vertrauen entgegengebracht. Ihre Produkte werden als qualitativ hochwertiger angesehen, als dies den Anbietern aus anderen Gegenden oder gar aus dem Ausland der Fall ist. Allerdings ist überwiegend keine Bereitschaft zu erkennen, einen Mehrpreis für diese lokalen Produkte zu zahlen. Im Gegenteil, es wird eher postuliert, diese Produkte müssten auf Grund der kürzeren Transportwege günstiger sein als Güter, die über eine längere Strecke an den Einkaufsort herangeschafft werden.

Ländlicher Raum 4/2004 3 In vielen Gruppen wird ein enger Zusammenhang zwischen Ökologie und Regionalität hergestellt. Speziell in den Diskussionsrunden in Finnland, Großbritannien und Österreich wird betont, dass Öko gleichbedeutend mit regionaler Herkunft sei oder sie impliziere. Auch in den anderen beteiligten Ländern wird regelmäßig eine enge Beziehung zwischen den Konzepten ökologische Qualität und Regionalität beschrieben. Dabei zeigen sich deutliche individuelle Unterschiede. Ein Teil der Bio-Konsumenten gibt an, bei fehlendem Öko-Angebot aus der eigenen Region zu Bio-Lebensmitteln anderer Herkunft zu greifen, während andere in diesem Fall der regionalen Herkunft den Vorrang geben würden. Ich würde eher versuchen lokal als ökologisch zu kaufen, wenn ich die Wahl (hätte) zwischen Öko, das aus Kolumbien kommt und nicht-ökologischen Produkten, die von hier kommen. UK Lieber regional als biologisch und die Ware kommt von weiss ich nicht wie weit her. CH Bei mir ist es schon so, dass ich Joghurt, z. B. manchmal den Andechser kaufe, aber ich habe ein dummes Gefühl, weil ich weiß, dass liegt irgendwo bei München - ich finde das ziemlich bescheuert, ehrlich gesagt. Aber er schmeckt gut und das ist mein Bioladen DE Die Angabe der regionalen Herkunft wird üblicherweise geglaubt, die entsprechenden Deklarationen am Verkaufsstand oder der Ware werden in den Gruppendiskussionen nicht angezweifelt. Regionalität wird generell als Vertrauen erweckende Eigenschaft und damit die ökologische Qualität bestätigend oder unterstützend wahrgenommen. Hingegen wird das Charakteristikum der ökologischen Qualität oft hinterfragt. In der Mehrzahl der Gruppen wird die Befürchtung ausgedrückt, bei Öko-Lebensmitteln könne betrogen und falsch deklariert werden. Solche zweifelnden Aussagen fehlen bei den Herkunftsangaben fast völlig. Die können ja sonst was auf die Label schreiben. Wirtschaftsförderung durch Öko-Kauf aus der Region Die Motive für eine Beachtung der lokalen Herkunft kreisen vor allem um die Themen Umwelt, Qualität, Gesundheit und soziale Nähe. Besonders häufig wird auf Umweltaspekte verwiesen, konkret wird die Reduktion des Verkehrs ganz allgemein und der damit verbundenen Umweltbelastungen hervorgehoben (AT, UK, FI, DE). Gleichzeitig wird in den meisten Ländern (außer in Dänemark und der Schweiz) Regionalität mit besserer Qualität der Ware verbunden. Unter Produktqualität wird dabei die Reinheit, Frische bzw. Haltbarkeit und Freiheit von Chemikalien verstanden. Sie wird einerseits als direkte Konsequenz der Lebensmittel-Transportdauer gesehen, bei regionalen Waren werden kurze Transportwege

Ländlicher Raum 4/2004 4 und damit frischere und länger haltbare Lebensmittel erwartet. Zum anderen werden häufig den Angeboten aus der eigenen Region bestimmte Eigenschaften, bedingt durch die besondere Lage oder das Klima, die Anbautechnik oder spezielle Verarbeitungsverfahren, zugeschrieben. Besonders intensiv in Großbritannien und Frankreich und etwas weniger ausgeprägt in Deutschland und Österreich wird die soziale Nähe zur eigenen Region immer wieder als Argument dafür genannt, lokale Produkte zu bevorzugen. Die Teilnehmer geben an, aus Loyalität zur eigenen Region und den dort lebenden und wirtschaftenden Menschen zu handeln. Ich kann dazu beitragen, in unserer Region Jobs zu erhalten. DE Es macht Sinn, die lokale Wirtschaft zu unterstützen. UK Gelegentlich wird darauf hingewiesen, dass dieses Konsumverhalten ein gutes Gefühl oder Gewissen vermittelt. Wenn ich von Tirol-Milch kaufe, habe ich ein besseres Gefühl, als wenn ich irgendwelche deutschen [Milchprodukte kaufe]. AT Lokale/regionale Produkte ermöglichen in den Augen vieler Gruppenteilnehmer eine gesunde Ernährung, für die eigene Person ebenso wie für die Familie. Die geringen Transportwege vermitteln den Konsumenten das Gefühl, selbst aktiv zum Umweltschutz und zur nachhaltigen Entwicklung im eigenen Lebensraum beizutragen. Aufgrund der, für die eigene Region in der Regel pauschal vorausgesetzten artgerechten Tierhaltung auf Bauernhöfen in der eigenen Region, wird durch den Einkauf lokaler Produkte der Tierschutz unterstützt. Gleichzeitig fördert dieses Konsumverhalten die kleinen Agrarbetriebe in der Umgebung und die lokale Wirtschaft ganz allgemein. Einige Diskutanten äußern sogar das Gefühl, sich auf diesem Wege den großen multinationalen Unternehmen der Lebensmittelindustrie entgegen stellen zu können. Durch den direkten Kauf möchte ich den kleinen Produzenten eine Chance geben. und Ich kann ein bisschen dazu beitragen, etwas gegen die zunehmende Marktkonzentration zu tun. AT Lokale Kooperationen von Herstellern und Weiterverarbeitern zur Förderung der Produktion und des Absatzes von ökologischen Lebensmitteln werden in den Gruppendiskussionen grundsätzlich wohlwollen besprochen. Fast alle Teilnehmer erkennen einen positiven Einfluss solcher ökologischer Marketinginitiativen auf ihren Lebensraum. In erster Linie werden allgemeinere Aspekte hervorgehoben, so der Beitrag zur lokalen Wirtschaft im Rahmen durch Schaffung von Arbeitsplätzen. Ergänzend werden der Einfluss auf die Umwelt

Ländlicher Raum 4/2004 5 durch Reduktion von Transportkilometern und Vorteile durch die umweltfreundliche, ökologische Form der Landwirtschaft angeführt.... er sorgt für Beschäftigung hier in der Gegend und bei anderen Unternehmen auch in anderen Kleinunternehmen. UK Darüber hinaus werden solche Öko-Initiativen mit Aspekten assoziiert, die weniger häufig mit den konventionellen Formen der Lebensmittelproduktion verbunden werden. Dazu zählen beispielsweise die Eröffnung neuer Chancen für den Tourismus ebenso wie die Bewahrung von Kultur und Tradition bis hin zur Förderung eines Gemeinschaftssinns oder zur Animation weiterer Unternehmer zur Umstellung auf die ökologische Produktionsweise. Regionalität ist nicht alles Besonders in Deutschland und Großbritannien wird in den Diskussionsrunden häufiger angesprochen, dass Theorie und Praxis jedoch am Point-of-Sale häufig auseinander klaffen. Dementsprechend gestehen etliche Teilnehmer ein, dass die Beachtung der Herkunft für sie zwar theoretisch ein wichtiges und respektables Thema ist, jedoch dann in der Einkaufsrealität im Alltag oft nicht zu den entscheidenden Faktoren gehört. Ja, es ist wichtig. Es spielt eine Rolle. Allerdings wird es wird mich aber nicht davon abhalten, etwas zu kaufen. UK Dieser Aspekt wird in den anderen Ländern nicht explizit angesprochen. Die Berichte über die Einkaufsgewohnheiten, z.b. die Bevorzugung großer Supermarktketten um den gesamten Einkauf in einem Stop zu erledigen und die Präferenz von Discountern, um möglichst die Waren möglichst günstig zu erwerben, legen jedoch die Vermutung nahe, dass auch dort diese Kluft zwischen gewünschten und tatsächlichen Verhalten auftreten könnte. Auch Verbraucher, die Produkte aus der eigenen Region bevorzugen, machen bei bestimmten Produkten Ausnahmen. Als gemeinsamer Nenner in allen Gruppen ergibt sich die Bereitschaft zu Kompromissen vor allem bei fremden Spezialitäten oder tropischen Früchten. Dies gilt weiterhin für Produkte, die einer starken saisonalen Beschränkung unterliegen und auf die man ungern verzichten möchte. Die Äpfel, die aus Südafrika stammen... liebe ich nun außerordentlich, das sind meine Lieblingsäpfel und die kaufe ich auch. Ich kaufe auch Äpfel aus der Schweiz. Aber eben diese Sorte gibt es bei uns nicht. CH

Ländlicher Raum 4/2004 6 Österreichische Alpenmilch oder getrockneter Schinken aus Italien, das ist okay für mich. Wenn sie es als natürliches Produkt aus ihrer Region darstellen und mir ein Bild davon vermitteln, dann würde ich es kaufen. DK In den Gruppengesprächen wird auch deutlich, dass hat die Vorliebe für lokale Produkte vor allem bei Urprodukten wie Obst und Gemüse, Milch oder Fleisch sowie wenig-verarbeiteten Lebensmitteln (z.b. Wurst- und Backwaren, Milchprodukte) wirksam ist. Immer wieder betonen Teilnehmer, bei den meisten Halbfertig- und Fertigprodukten sei ein lokaler Einkauf weniger wichtig oder sogar unmöglich. Die möglichen Auswirkungen eines einheitlichen EU-weiten Siegels für ökologische Lebensmittel werden von den österreichischen Konsumenten intensiv diskutiert und auch in Großbritannien und Italien angesprochen. Es wird vermutet dass nach der Einführung eines solchen Öko-Siegels die Herkunft der Produkte beim Öko-Einkauf an Bedeutung verlieren könnte. Sagen wir, ich kaufe immer bei Sainsburys ein, und sie würden sagen, 'alle unsere Biolebensmittel sind Bio wo immer sie auch herkommen'. Wenn ich es dann kaufen würde, würde ich denken: 'Okay, das ist in Ordnung', also da würde ich mir keine Gedanken mehr machen UK Regionale Vorlieben bei ausgewählten Produktgruppen Nicht bei allen Produktgruppen wird die regionale Herkunft gleich wichtig eingeschätzt, bei Obst und Gemüse, Fleisch und Fleischprodukten, Milch und Milchprodukten sowie Getreide, Brot und Pasta ergeben sich teilweise deutliche motivationale Unterschiede. Die lokale oder regionale Herkunft hat bei Obst und Gemüse die stärkste Bedeutung beim Einkauf. Als herausragender Grund dafür wird der Wunsch genannt, die Umwelt durch die Reduzierung des Verkehrsaufkommens zu entlasten. In den österreichischen Interviews wird die lokale/regionale Herkunft von Obst und Gemüse außerdem mit gesunder Ernährung verbunden. Es wird damit argumentiert, dass kurze Transportwege den Kauf frischerer Produkte ermöglichen und somit der Vitamin- und Nährstoffverlust gering gehalten wird. Je näher der Hof ist, desto besser sind Qualität und Frische AT Wiederholt wird darüber hinaus darauf hingewiesen, dass bei Herstellern aus der Umgebung die Möglichkeit des direkten Kontakts und der Besichtigung besteht. Allein die Möglichkeit der persönlichen Kontrolle lässt viele Teilnehmer in den Diskussionsrunden an gesündere Produkte glauben. Das die Konsumenten die lokalen Produzenten kennen und überprüfen könnten erweckt den Eindruck, dass in der lokalen Produktion grundsätzlich weniger Zusätze

Ländlicher Raum 4/2004 7 und Chemie eingesetzt werden und auch die Öko-Landwirte vertrauenswürdiger sind als weiter entfernte Anbieter. Zudem wird vermutet, dass aufgrund der geringen Distanzen keine besondere Behandlung zu Erhöhung der Transportfähigkeit der Produkte erforderlich ist. Es ist keine chemische Behandlung notwendig, um es frisch aussehen zu lassen. AT Beim Kauf von ökologischem Fleisch und Fleischprodukten wird die lokale Herkunft nur in Österreich ausdrücklich erwähnt. Wenn die österreichischen Konsumenten in den Gruppen von lokaler oder regionaler Landwirtschaft sprechen, so denken sie in erster Linie an kleine Höfe, auf denen wenig Zusätze und Chemikalien eingesetzt werden und die Tiere ein gutes Leben mit natürlichem und gesundem Futter haben. Der Einkauf dieser Fleischprodukte stellt aus Verbrauchersicht einen Beitrag sowohl zur gesunden Ernährung als auch zum Tierschutz dar. In anderen Ländern, wie Dänemark, Finnland und Frankreich, kann ein lokales Angebot von konventionellem Fleisch sogar den Absatz von ökologischen Fleischprodukten erschweren. Die Fleischproduktion in der - pauschal als kleinstrukturiert wahrgenommenen konventionellen Landwirtschaft in der eigenen Umgebung wird grundsätzlich mit artgerechter Tierhaltung assoziiert. Das Fleisch wird als qualitativ gleichwertig wie die Produkte aus ökologischer Viehwirtschaft angesehen und diesem sogar vorgezogen. Nur in drei Ländern (AT, FI, UK) stellt die lokale Herkunft einen zusätzlichen Anreiz zum Kauf ökologischer Milchprodukte dar. Während Konsumenten in Österreich dadurch in erster Linie die Umwelt entlasten möchten, verfolgen Finnen und Briten bei Milch- Produkten eher das Ziel die lokale Wirtschaft zu unterstützen. Mit der Ausnahme von Dänemark und Deutschland erscheint den Teilnehmern an dieser Untersuchung hingegen bei Getreide, Brot und Pasta die Herkunft der Rohstoffe von geringer Bedeutung. Chancen und Risiken ausländischer Öko-Produzenten In allen Gruppen wurde auch über die Haltung zu Öko-Lebensmitteln, die aus anderen Staaten importiert werden, diskutiert. In allen beteiligten Ländern wird ein grundsätzliches Misstrauen gegenüber Bio-Produkten ausländischer Herkunft deutlich. Dieses Gefühl wird mit der Unsicherheit bezüglich ökologischer Standards und Zertifikationen in anderen Ländern begründet. Die überwiegende Mehrheit der Teilnehmer gibt an, keine Kenntnisse über die Bedingungen in anderen Ländern zuhaben. Ich denke, es ist eine generelle Sache, ob man ausländischen Produkten vertrauen kann. Von je weiter her sie kommen, desto misstrauischer wird man doch (...). Und es geht nicht nur darum, dass Finnland ein gutes und ehrliches Land ist, sondern in der

Ländlicher Raum 4/2004 8 gleichen Weise würden wohl auch die Griechen die finnischen Produkte bezweifeln. (...) Bei dieser Vertrauenswürdigkeit geht es um Distanzen. FI In Deutschland, Österreich und der Schweiz wird ergänzend auf den offensichtlichen Widerspruch zwischen den Prinzipien der ökologischen Landwirtschaft und langen Transportwegen hingewiesen, der die Akzeptanz importierter ökologischer Produkte erschwert. Als weiterer entscheidender Faktor für die fehlende Akzeptanz dieser Waren in der Einkaufssituation wird die persönliche Einstellung zu den Herkunftsländern der Öko-Waren angeführt. Die Aussagen beziehen sich auf die Ablehnung der Politik eines bestimmten Landes oder ethischer Werthaltungen, die durch den Boykott von Produkten aus anderen Ländern zum Ausdruck gebracht werden. Erwartungsgemäß werden zu dem Themenkomplex in den verschiedenen Gruppen sehr kontroverse Meinungen geäußert. Besonders häufig verweisen die Befragten in Deutschland, Finnland, Großbritannien, Österreich und der Schweiz in diesem Zusammenhang auf Israel (Palästina-Politik), die USA (Big Business = Umweltverschmutzung) und pauschal auf Entwicklungs-Länder (inhumane Arbeitsbedingungen). z.b. Grapefruits aus Israel. Das ist dann ein politisch motivierter Einkauf. Oder Nicht- Einkauf besser gesagt. AT Kein Land hat in den Augen aller Konsumenten generell ein positives oder negatives Image. Teilweise beziehen sich die Assoziationen auch nur auf bestimmte Produkte und Produktgruppen. Typisches Beispiel dafür ist das Image niederländischer Produkte, ökologischer ebenso wie konventioneller. Immer wieder erwähnt wird der besonders schlechte Ruf Hollands für Massenprodukte aus dem Gemüseanbau, aber gleichzeitig verweisen dieselben Verbraucher auf ein sehr positives Bild bezüglich der Kompetenz in der Käseproduktion. Gemüse aus Holland ist voll von Chemikalien! Die holländische Produktionsweise ist doch eine Wasser-Und-Ohne-Erde-Methode. Ich habe absolut kein Vertrauen in die holländische Öko-Produktion und würde keine holländischen Produkte kaufen auch wenn sie ein Biosiegel haben. AT In der Regel scheint der entscheidende Faktor für Akzeptanz oder Ablehnung importierter Lebensmittel das vorherrschende Image des Herkunfts-Landes zu sein, das es allgemein oder bezüglich bestimmter Produktgruppen erworben hat. Solange ein generell positives Image eines Landes, oder auch nur ein einzelner Aspekt dieses Images, als zu einem Produkt passend empfunden wird, kann die Erwartung von besonderer Qualität und gutem Geschmack mögliche Vorbehalte bezüglich einer ausländischen Herkunft des ökologischen

Ländlicher Raum 4/2004 9 Produkts aufwiegen. So wird beispielsweise Italien als idealer Anbieter für Pasta in allen Gruppendiskussionen erwähnt. Eine italienische Pasta macht schon viel mehr Spass als eine deutsche Pasta. Man spürt den geschmacklichen Unterschied. CH Regionalität und Öko das passt zusammen Der Konsum von Produkten aus der eigenen Region wird als erstrebenswert angesehen, das Vertrauen in die Herkunftsangaben ist ungebrochen. Oft wird Regionalität mit ökologischer Landwirtschaft gedanklich verknüpft, für einige Verbraucher ist die Herkunft sogar ein zentrales Kaufargument. Öko-Produzenten im eigenen Lebensumfeld werden durchgängig begrüßt, auch von Teilnehmern die selbst kaum Bio-Lebensmittel nachfragen. Die Akzeptanz ausländischer Bio-Produkte hängt stark vom Image der Herkunftsregion ab, so dass entsprechende Herkunftsdeklarationen durchaus absatzfördernde Wirkung entfalten können. Während einerseits eine standardisierte Angebotspalette in die Supermärkte aller europäischen Länder einzieht, eröffnen sich gleichzeitig für Nischenprodukte aus ökologischer und/oder regionaler Produktion beziehungsweise aus bestimmten Herkunftsgebieten Marktchancen. Grade bei frischen oder wenig verarbeiteten Lebensmitteln sollte die Herkunftsangabe auch bei Bio-Produkten stärker in den Vordergrund der Kommunikationspolitik gestellt werden. Regionale Initiativen öko wie auch konventionell können zur Verbreiterung und Verbesserung eines authentischen lokalen Images einen wertvollen Beitrag leisten. Die vorgestellten Ergebnisse stellen einen kleinen Ausschnitt der Erkenntnisse aus dem umfassend angelegten Forschungsprojekt OMIaRD (Organic Marketing Initiatives and Rural Development) dar. Weitere Informationen, z.b. zu regionalen Vermarktungsinitiativen, lassen sich im Internet (http://www.irs.aber.ac.uk/omiard/) abrufen. Autoren: Prof. Dr. Helmut Laberenz Dipl. oec. troph. Michaela Bähr Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg www.haw-hamburg.de

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