Postitionspapier 06 / Irrtümer zum Thema Fussgängerstreifen.

Ähnliche Dokumente
Position. Häufig gestellte Fragen zu Fussgängerstreifen 2012/05

Postitionspapier 06 / Häufig gestellte Fragen zu Fussgängerstreifen.

Position. Handzeichen am Fussgängerstreifen? 2010/11. Klosbachstrasse Zürich Telefon Telefax

Position. Handzeichen am Fussgängerstreifen? 2010/11. Klosbachstrasse Zürich Telefon Telefax

Der Fussgängerstreifen als Teil des Fusswegnetzes

Position. Fussgängerstreifen in Tempo-30-Zonen 2010/11. Klosbachstrasse Zürich Telefon Telefax

Faktenblatt. Unfallgeschehen beim Queren ohne Fussgängerstreifen 2014/03

Die fahrzeugähnlichen Geräte (FäG) werden zum Fussverkehr gezählt.

VERHALTEN AM FUSSGÄNGERSTREIFEN

Richtlinie Fussgängerstreifen in Tempo-30-Zonen. Anwendungsbereich

Richtlinie Fussgängerstreifen. Anwendungsbereich

Faktenblatt. Öffentlicher Verkehr und Vortrittsregelung 2010/11

Stadtpolizei Baden Verkehrserziehung

Diese Richtlinie ergänzt die gesetzlichen Vorgaben der Signalisationsverordnung SSV für die Parkierung. Sie gilt auf allen Strassen im Kanton Luzern.

Queren der Fahrbahn durch Fußgänger

Bundesgesetz über Fuss- und Wanderwege

Position. Tramhaltestellen mit Ausstieg auf die Fahrbahn 2011/03

Der Stadtrat an den Gemeinderat

5. Massnahmenkatalog. 5.1 Netz. Trottoir. Fussgängerlängsstreifen

WEISUNG Fussgängerstreifen

Weisungen über besondere Markierungen auf der Fahrbahn

Handout. Rücksicht gegenüber Fussgängern Verhalten gegenüber Bus und Tram

Schulwegsicherheit Eine Infoveranstaltung der Elternräte und der Stadtpolizei

WEISUNG Fussgängerstreifen

Bringen E Bikes neue Konflikte für den Fussverkehr?

Ein Quiz für Einsteiger ADFC Gießen

in der Schweiz Thomas Schweizer, Geschäftsleiter Fussverkehr Schweiz Shared Space ein Konzept für lebenswerte öffentliche Strassenräume

Fusswegnetzplanung in der Gemeinde Analyse, Planung und Umsetzung

Mit Sicherheit ans Ziel Eine Aktion des ADAC zur Jugend-Verkehrssicherheit

Fussgängerstreifen: die sicherste Querungsmöglichkeit für Fussgänger?

Handout. Einspuren, Abbiegen, Richtungsänderung, Zeichengebung

Sichere Fussgängerstreifen aktueller Projektstand

Herzlich willkommen. Robert Jetter

Querungsstellen auf Kantonsstrassen

Vortritt. Rechtsgrundlagen. Office des ponts et chaussées du canton de Berne. Tiefbauamt des Kantons Bern. Bau-, Verkehrsund Energiedirektion

Fussgängerbereiche entlang von Kantonsstrassen IST. Arbeitshilfe. chaussées. Bau-, Verkehrsund Energiedirektion des Kantons Bern

ZU FUSS IM HOHEN ALTER SICHER IM STRASSENVERKEHR

Bericht des Gemeinderats zum Anzug Karl Ettlin und Kons. betreffend Fussgängerstreifen in Tempo-30-Zonen

Fachbroschüre. Begegnungszonen. bfu Beratungsstelle für Unfallverhütung

Aktion Sicherer Schulweg? Familientag Liestal

Hinweise für Eltern. Rhein-Sieg-Kreis Der Landrat Straßen-Verkehrs-Amt. Sicher zur Schule

Die Haltestelle in der StVO

Schulweg. Sicherung. Plan. Medien. ergreifen. Infobroschüre Schulwegsicherung für Eltern von Kindergartenkindern / Kindern der 1.

Medienmitteilung vom 17. Juni 2013

Antrag auf Verordnung eines Schutzweges

Kreisverkehre. Probleme blinder und sehbehinderter Fußgänger bei der Nutzung von Kreisverkehrsanlagen

Weisungen über besondere Markierungen auf der Fahrbahn

Kommentartext Verkehrszeichen

GRUNDSATZ: TOLERANZ, RESPECKT und WISSEN erteilt VORTRITT

Kinder auf dem Schulweg

Anwendungsbereich 2. Rechtliche Grundlagen 2 Was bedeutet das Signal Tempo-30-Zone? 3 Was bedeutet das Signal Begegnungszone? 4

Aufstellen von Geschwindigkeitsanzeigen am Strassenrand

Fussgängerstreifen. Arbeitshilfe. chaussées. (Ausgabe: ) Direction des travaux publics, des transports et de l'énergie du canton de Berne

Erste Schritte im Strassenverkehr

So kann sich der Zebrastreifen sehen lassen!

Richtlinie über neue punktuelle Querungsstellen an Staatsstrassen 1.1 vom 15. Mai

Der Grünpfeil. a) zügig auf die Kreuzung fahren und rechts abbiegen.

Handout. Bremsen, Halten, Parkieren

ZU FUSS IM HOHEN ALTER SICHER IM STRASSENVERKEHR

lyondellbasell.com Sicherheit bei Schulbeginn

Sicher zur Arbeit und nach Hause

Grundlagen 4: T30 Rothenburg

Rechtsvorbeifahren und Rechtsüberholen

Textblatt zum Film. Zu Fuß unterwegs. Sekundarstufe I

Tourenleiterkurs. Seniorenradler Kanton Schwyz 2014

Ü b e r h o l e n. 5 StVO. Selber Straßenteil. Verkehrsteilnehmer. warten. Überholen ist der

Als Fussgänger sicher unterwegs. Factsheet

Vor der Haustür. Hinweise!

Zu Fuss Gehen: Die Sensation des Alltäglichen!

Schluss mit der Erbsenzählerei

Stand: , Dietmar Nitsche, ADFC-Hildesheim

Wielandplatz reduziertes Projekt Anwohnerinformation vom 21. Januar 2016

Das ZeBra Malbuch. Unterwegs zur Schule

Trottoirüberfahrt. >> Bauliche Anforderungen und Markierung. Merkblatt

Sichere Fussgängerstreifen dank Swarovski-Perlen?

Begegnungszonen in der Schweiz

Mein sicherer. Schulweg zur Brunoschule

Tipps und Infos rund ums Blinken

Lotsen am Fussgängerstreifen! TCS-patrouilleur-ALL-2015.indd :15

Planungsinstrument Fuss- und Radwege- Konzept

Ministerium für Verkehr Baden-Württemberg. Gestaltungsmöglichkeiten bei der Anlage und Ausstattung von Fußgängerüberwegen

Lernen und Gesundheit. Das kleine Zebra. mit Oskar, Anna und Willi BUS. Folie 1.

1. Direkte Schulumgebung: Hans-Sachs-Weg / Brechtstraße / Hausschildweg

Tiefbauamt. Signalisationen und Markierungen

Radwegebenutzungspflicht

AG Fußverkehr 1) Fachliche Informationen

Radweg oder Fahrbahn???

Volle Konzentration beim Vortritt gefragt

Ordnungsbussenverordnung (OBV)

Faktenblatt 03 / Spielen und Velofahren von Kindern auf der Strasse.

Radfahrer sichere dich!

Schulweg. Langenwandschule. Albstadt-Tailfingen

Rücksicht hat Vortritt. Verhalten in Tempo-30-Zonen und Begegnungszonen > >

Charta für eine nachhaltige städtische Mobilität

Charta für eine nachhaltige städtische Mobilität

Transkript:

Postitionspapier 06 / 2015 Irrtümer zum Thema Fussgängerstreifen www.fussverkehr.ch

Impressum Herausgeber Fussverkehr Schweiz Klosbachstrasse 48 8032 Zürich Telefon +41 (0)43 488 40 30 Telefax +41 (0)43 488 40 39 info@fussverkehr.ch www.fussverkehr.ch Autor(en) Thomas Schweizer, dipl. Geograf, SVI / VSS Redaktion Thomas Schweizer, dipl. Geograf, SVI / VSS Titelbild Fussverkehr Schweiz Layout/Druck Fussverkehr Schweiz Zitationsvorschlag Schweizer, Thomas, Irrtümer zum Thema Fussgängerstreifen Fussverkehr Schweiz, Zürich, Positionspapier Juni 2015

Position 2015/06 Irrtümer zum Thema Fussgängerstreifen Fussverkehr Schweiz sieht sich immer wieder mit Behauptungen zum Thema Fussgängerstreifen konfrontiert, denen die fachliche Basis fehlt. In der Regel ist diesen Behauptungen gemein, dass sie aus der Optik der Motorfahrzeuglenkenden formuliert sind und dabei die Bedürfnisse und Voraussetzungen der Zufussgehenden ausblenden. Im Folgenden werden die wichtigsten Behauptungen aufgegriffen und entkräftet. Irrtum 1: Fussgängerstreifen bieten keine Sicherheit. Sie regeln nur den Vortritt. Fussgängerstreifen sind durchaus eine Sicherheitsmassnahme. Es ist davon auszugehen, dass die Fussgänger bei Fehlen eines Streifens nicht auf die Querung verzichten. Ist kein Streifen in unmittelbarer Nähe erfolgt die Querung in der Regel auf der Wunschlinie des Fussgängers. Die Sicherheitsaspekte des Fussgängerstreifens werden in diversen Studien belegt. Folgende Aspekte sind dabei relevant: Fussgängerstreifen zeigen den Zufussgehenden, wo sich die vortrittsberechtigte und verkehrstechnisch optimierte Querungsstelle befindet. Diese Gewissheit, am richtigen Ort zu queren bietet sowohl objektive als auch subjektive Sicherheit. Ohne diesen Hinweis queren die Fussgänger möglicherweise am falschen (gefährlichen) Ort. Fussgängerstreifen zeigen den Fahrzeuglenkenden an, dass hier eine Querungsstelle für Fussgänger besteht und dokumentieren, dass mit Fussgängern gerechnet werden muss. Das Strassenverkehrsgesetz schreibt in Art. 33 Abs. 2 SVG vor: «Vor Fussgängerstreifen hat der Fahrzeugführer besonders vorsichtig zu fahren und nötigenfalls anzuhalten, um den Fussgängern den Vortritt zu lassen, die sich schon auf dem Streifen befinden oder im Begriffe sind, ihn zu betreten.» Deshalb sind Fahrzeuglenkende bei Fussgängerstreifen grundsätzlich aufmerksamer und achten eher auf Fussgänger als an Orten, wo es keine Hinweise auf querende Fussgänger gibt. Fussgängerstreifen verpflichten Fahrzeuglenkende, dem Fussgänger den Vortritt zu gewähren. Diese Verpflichtung gilt für beide Fahrstreifen und wird von der grossen Mehrheit der Fahrzeuglenkenden (leider nicht von allen) eingehalten. Im Schutze der haltenden Autos ist eine sichere Querung möglich. An Orten ohne Fussgängerstreifen und somit ohne Verpflichtung auf beiden Fahrstreifen anzuhalten, muss der Fussgänger oder die Fussgängerin oft lange warten, entweder auf die Situation, dass die Fahrzeuge von beiden Seiten (freiwillig) anhalten oder dass eine genügende Zeitlücke zwischen den Fahrzeugen entsteht, die eine sichere Querung erlaubt. Je länger die Wartezeit dauert, desto grössere Risiken nehmen die Fussgänger in Kauf und nutzen oft zu knappe Zeitlücken, was zu gefährlichen Situationen führt. Fussverkehr Schweiz Tel. 043 488 40 30 Klosbachstr. 48 Fax 043 488 40 39 8032 Zürich www.fussverkehr.ch info@fussverkehr.ch

- 2 - Im Bereich von Fussgängerstreifen darf nicht überholt werden. Die Gefährdung durch überholende Fahrzeuge ist somit bei Fussgängerstreifen geringer als ohne Streifen. Fussgängerstreifen schliessen ein Halte- und Parkverbot mit ein. Dadurch wird die Gefahr, dass die Sicht auf den Fussgänger durch haltende oder parkierende Fahrzeuge eingeschränkt wird, verhindert. Querungsstellen ohne Fussgängerstreifen enthalten kein solches Halte- und Parkverbot. Fussgängerstreifen sind nicht nur eine gelbe Markierung, sondern gemäss VSS-Norm ein Infrastrukturelement, das wie alle anderen Bestandteile des Strassenraumes seriös geplant, projektiert und gebaut werden müssen. Für Querungsstellen ohne Vortritt bestehen noch keine Normen. Damit eine Querungsstelle ohne Vortritt die gleiche Sicherheit bietet wie ein Fussgängerstreifen, müssen ebenbürtige sicherheitstechnische Voraussetzungen erfüllt werden. Fussgängerstreifen sind für Sehbehinderte und Blinde wichtige Orientierungspunkte. Einerseits werden Blindenführhunde so trainiert, dass sie Fussgängerstreifen erkennen und Blinde damit zum richtigen Querungsort führen können. Andererseits können Personen mit stark eingeschränktem Sehvermögen die Konturen von Fussgängerstreifen erkennen nicht aber die gegenüberliegende Strassenseite. Der Fussgängerstreifen signalisiert den Sehbehinderten, dass sich auf der anderen Strassenseite ein gesicherter Ort befindet, wo sie nicht Gefahr laufen, auf ein parkiertes Auto oder eine Rabatte zu stossen. Irrtum 2: Schwach frequentierte Fussgängerstreifen sind gefährlich In der VSS-Norm 640 241 steht, dass Fussgängerstreifen eine Mindestfrequenz von 50 Personen in der Spitzenstunde aufweisen müssen oder über mehrere Stunden gleichmässig frequentiert sein sollen. Dahinter steht der Irrtum, dass Fussgängerstreifen, die diese Frequenzen nicht erreichen, gefährlich seien und deshalb abgesehen von begründeten Ausnahmefällen vermieden werden sollen. Auf dieser Basis werden zurzeit in der ganzen Schweiz Fussgängerstreifen, welche diese Frequenz nicht erreichen, entfernt. Mit der gleichen Argumentation werden von den Behörden zahlreiche Begehren für neue Fussgängerstreifen nicht bewilligt. Folgende Fakten stehen einer Aufhebung von schwach frequentierten Fussgängerstreifen entgegen: Es gibt keine Studie, welche nachweist, dass schwach frequentierte Fussgängerstreifen gefährlich sind. Im VSS-Forschungsbericht wird dazu festgehalten: Aus Sicherheitsgründen konnte die Notwendigkeit von Mindestwerten für die Anzahl von Fahrzeugen und querenden Fussgängern für die Anordnung von Fussgängerstreifen in keiner bisherigen Forschung nachgewiesen werden. 1 Und weiter: Zu diesem Thema liegen keine gesicherten Forschungsergebnisse vor. Es besteht jedoch ein grosser Konsens, dass bei Querungen mit einer hohen Bedeutung für besondere Benutzergruppen (Kinder, Schüler, Betagte, Behinderte) ein Fussgängerstreifen unabhängig von der Verkehrsbelastung und der Fussgängerfrequenzen markiert werden soll. 2 Die Querungsbedürfnisse der Zufussgehenden bleiben unverändert, unabhängig davon, ob ein Fussgängerstreifen markiert ist oder nicht. Die Kernfrage lautet damit: Kann die Sicherheit 1 Ivan Belopitov, Marc Laube, Steffen Niemann, Lukas Ostermayr, Gianantonio Scaramuzza, Forschungsarbeit VSS 2008/302, 2011, S. 11 2 Ivan Belopitov, Marc Laube, Steffen Niemann, Lukas Ostermayr, Gianantonio Scaramuzza, Forschungsarbeit VSS 2008/302, 2011, S. 85

- 3 - erhöht werden, wenn an einer relativ schwach frequentierten Querungsstelle durch Entfernung des Fussgängerstreifens dem Fussgänger der Vortritt entzogen wird und für den Fahrzeuglenker die Querungsstelle als solche nicht mehr erkennbar ist? Die Antwort lautet: Nein. Denn es ist zu bezweifeln, dass allein durch eine Demarkierung eines Fussgängerstreifens das Sicherheitsniveau der Querungsstelle erhöht werden kann. Die Querungsstelle ergibt sich aus der Logik einer Fusswegnetzplanung. In kleineren Gemeinden ist es naheliegend, dass die einzelnen Fussgängerstreifen relativ schwach frequentiert sind. Sollen Fussgänger in kleinen Gemeinden benachteiligt werden, in dem hier keine Fussgängerstreifen angeboten werden? Mit dem Fuss- und Wanderweggesetz FWG besteht eine Rechtsgrundlage, die festlegt, dass das Fusswegnetz sinnvoll verknüpft werden muss. Der Fussgängerstreifen ist Teil des Fusswegnetzes. Es müssen alle wichtigen Einrichtungen (Wohngebiete, Kindergärten und Schulen, Arbeitsplätzen, Haltestellen des öffentlichen Verkehrs, öffentlichen Einrichtungen, Erholungsanlagen, Einkaufsläden usw.) miteinander verbunden werden 3. Die Fussgängerfrequenzen spielen dabei keine Rolle. In einer parlamentarischen Anfrage hat der Bundesrat bekräftigt, dass Fusswegnetze zusammenhängend sein müssen und Fussgängerstreifen nur aufgehoben werden dürfen, wenn die zuständigen Behörden für angemessenen Ersatz sorgen (Ersatzpflicht) 4. Bei Kindern, älteren Leuten oder Menschen mit Behinderung besteht ein Konsens, dass für diese Benutzergruppen ein Fussgängerstreifen auch bei geringeren Frequenzen angezeigt ist. Es besteht somit eine Konsens, dass mit einem Fussgängerstreifen das Sicherheitsniveau für diese Gruppen erhöht werden kann. Es ist nicht einsichtig, warum das für andere Fussgänger nicht auch gelten soll. Die Mindestfrequenzen sind kein Sicherheitskriterium. Für die Sicherheit des einzelnen Fussgängers ist es unerheblich, wie viele Fussgänger am selben Tag oder in der selben Stunde den Fussgängerstreifen schon benutzt haben. Wichtig ist einzig die Interaktion zwischen Fahrzeuglenker und Fussgänger im konkreten Zeitpunkt der Querung. Irrtum 3: An Fussgängerstreifen treten Fussgänger überraschend auf die Fahrbahn und die Fahrzeuglenkenden können nicht mehr bremsen. In Einzelfällen ist es möglich, dass Fussgänger überraschend auf die Fahrbahn treten. Es ist jedoch unbestritten, dass: gemäss Unfallstatistik der überwiegende Teil der schweren Fussgängerstreifen-Unfälle die Motorfahrzeuglenkenden als alleinige Verursacher bezeichnet werden 5. Die detaillierte Unfallauswertung zeigt auch, dass ca. die Hälfte der Fussgänger auf der zweiten Fahrbahnhälfte verunfallt. In diesen Fällen kann sicherlich nicht von einem überraschenden Betreten des Streifens gesprochen werden. Der Querungsvorgang darf nicht nur aus der Optik des Fahrzeuglenkenden sondern muss auch aus der Optik des Fussgängers betrachtet werden muss. Das überraschende Betreten der Fahrbahn ist die Optik des Fahrzeuglenkenden. In der Optik des Fussgängers besteht die 3 Art. 2 FWG 4 14.3720 Interpellation Thomas Hardegger Rückbau von Fussgängerstreifen http://www.parlament.ch/d/suche/seiten/geschaefte.aspx?gesch_id=20143720 5 bfu-sicherheitsdossier Nr. 11, 2013, Seite 51

- 4 - Absicht zu queren. Er (oder sie) tut dies aus seiner Optik nicht überraschend und er hat auch nicht die Absicht den Fahrzeuglenkenden zu überraschen. Auch Fussgänger können von Autos überrascht werden, nämlich dann, wenn sie ihre Aufmerksamkeit beim Queren nicht auf den Fahrverkehr richten. Irrtum 4: Ohne Fussgängerstreifen achten die Fussgänger besser auf den Verkehr Auch hier ist sowohl die Optik des Fahrzeuglenkenden als auch die Optik des Fussgängers zu betrachten. Ohne Fussgängerstreifen achten die Fahrzeuglenkenden weniger auf die Fussgänger. Der Fussgängerstreifen erhöht die Verpflichtung des Fahrzeuglenkenden auf Fussgänger zu achten und anzuhalten, wenn diese queren wollen. Wird der Fussgängerstreifen weggelassen, fällt diese Verpflichtung weg. Die Verantwortung für die sichere Querung wird vom Fahrzeuglenkenden zum Fussgänger verlagert. Es ist dann die Aufgabe des Fussgängers vollumfänglich für die eigene Sicherheit zu schauen. Kinder und ältere Leute sind aber oft nicht in der Lage, die Verkehrssituation richtig einzuschätzen. Sie sind auf das Vortrittsrecht angewiesen. Für die Förderung des Fussverkehrs müssen Massnahmen ergriffen werden, welche den Fussverkehr begünstigen. Mit einer Aufhebung des Vortritts wird der Fussverkehr benachteiligt. Irrtum 5: Fussgänger sollen zu ihrer eigenen Sicherheit Umwege in Kauf nehmen. In Leitbildern und Zielsetzungen von Bund, Kantonen und Gemeinden wird die Förderung des Fussverkehrs als nachhaltige Mobilitätsform angestrebt. Dies kann nur durch direkte, attraktive und sichere Wege erreicht werden. Umwege stehen dieser Zielsetzung entgegen. Umwege werden von den Fussgängern nur schlecht akzeptiert und führen zu einer grossen Zahl von Regelmissachtungen bei der Strassenquerung. Ein Fussgängerstreifen, welcher im Abstand von 30 Meter von der gewünschten Querungsstelle entfernt liegt, führt bereits zu einem Umweg von 60 Metern, was einer Gehzeit von einer Minute entspricht. Umwege werden daher oft nicht akzeptiert, insbesondere, wenn die Umwege zusätzlich mit zusätzlichen Höhenunterschieden z.b. bei Unter- oder Überführung verbunden sind. Irrtum 6: Das Handzeichen am Fussgängerstreifen bringt Sicherheit und soll wieder eingeführt werden. Bezüglich Handzeichen sind sich die Verkehrssicherheitsfachleute aller Organisationen einig: Die Verpflichtung am Fussgängerstreifen ein Handzeichen zu geben, ist keine sinnvolle Verkehrssicherheitsmassnahme. ASTRA, bfu, TCS und VCS lehnen die Handzeichenpflicht mit ähnlichen Argumenten ab. Der Vortritt am Fussgängerstreifen gilt international und ist international nicht an eine zusätzliche Bedingung (Handzeichen) geknüpft. (Vgl. dazu auch die ausführliche Begründung im Faktenblatt Handzeichen am Fussgängerstreifen? http://www.fussverkehr.ch/publikationen/faktenblaetter-positionspapiere/ Juni 2015