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Transkript:

Bericht über das Projekt Türkei erfahren Begegnung von Schülern der Klasse 5b der Aziz-Nesin-Schule mit Schülern der Klasse 5 der Mehmetcik İlköğretim Okulu in Balıkesir Die Aziz-Nesin-Grundschule ist eine Staatliche Europa-Schule mit der Sprachkombination Deutsch-Türkisch. Mit dem Hintergrund Schüler und Schülerinnen einer zweisprachigen Schule zu sein, die mit Beginn der ersten Klasse sowohl Türkisch- als auch Deutschunterricht erhielten und kulturspezifische Inhalte kennenlernten, lag es nahe, eine gemeinsame Klassenfahrt in die Türkei zu planen. Um das heutige Leben in der Türkei wirklich lebendig zu vermitteln, reicht es nicht aus, Kenntnisse aus verschiedenen Medien über die türkische Kultur und ihre Geschichte wieder zu geben und Sprachunterricht zu erteilen. Das türkische Berlin vermittelt einen ganz eigenen Eindruck über das Leben in der Türkei, vom Döner bis zur eigenen Rolle innerhalb der Familie. Viele Schüler haben Angehörige in der Türkei, die sie mehr oder weniger regelmäßig besuchen. Einige Schüler kannten die Türkei als Urlaubsland mit riesigen Hotelanlagen. Andere wiederum hatten gar eine ungenaue Vorstellung bzw. keinen Bezug zu dem Land Türkei, weil sie noch nie dort waren und nur das wussten, was ihnen berichtet wurde. Unterschiede hinsichtlich familiärer Hintergründe, sprachlicher und kulturbedingter Voraussetzungen innerhalb der Schülerschaft, die sich teils mit dem Leben und Aufwachsen in Deutschland begründen lassen, boten verschiedene Anknüpfungspunkte, das Projekt Türkei erfahren zu gestalten. Wie viel Türkisch ist in mir? Wie viel von mir ist Deutsch? Ist das Türkische in mir in der Türkei genauso Türkisch? Sind Deutsche in Deutschland anders als Deutsche in der Türkei? Wie merke ich, was typisch Deutsch oder typisch Türkisch ist? Wann spreche ich welche Sprache, wenn ich die Wahl habe? Diese und ähnliche Fragen der Schüler lenkten schließlich unseren Fokus auf die eigene Identität und die Aufgabe, durch die Begegnung mit den Schülern aus der Türkei die Chance zu nutzen, Gemeinsamkeiten festzustellen und Unterschiede wahrzunehmen. Die Begegnung mit der Klasse aus der Mehmetcik Schule wurde langfristig geplant. Bereits im Sommer 2010 wurden erste Kontakte per E-Mail geknüpft. Bis zum Winter hatten sich Freundschaften gebildet, die sich in regelmäßigen Telefongesprächen äußerten. Schließlich ergab es sich, dass der Besuch aus Balıkesir bereits im April 2011 nach Berlin kommen sollte. Schüler wie Eltern waren erleichtert, dass nicht sie den ersten Schritt machen und in die fremden Familien gehen mussten.

Im Rahmen des Projektes wurde die Begegnung in Berlin dazu genutzt, mit Hilfe der Gäste den Blick zu schärfen für das Vertraute und Bekannte, aber auch das Fremde, das uns täglich umgibt. So wurden Eindrücke von Straßen aus der Nachbarschaft gesammelt und im Rahmen eines Schreibprojektes in kleinen Gedichten verarbeitet. Ein Fotoprojekt in Zusammenarbeit mit der Berlinischen Galerie erlaubte sowohl den Gästen als auch unseren Schülern den verfremdeten Blick auf das sehr Vertraute. All diese vorbereitenden Erkundungen sollten den Blick schärfen dafür, in der Türkei das vermeintlich Vertraute kritisch zu hinterfragen, aber auch offen zu sein für das Unerwartete und Neue. İm Mai war es endlich Zeit für den Gegenbesuch in die Türkei. Der Flug nach Izmir und der Aufenthalt in Afacan und Balıkesir versetzten sowohl die Kinder als auch die Eltern in Aufregung. Bei der Ankunft in der Anlage in Afacan waren die Begeisterungsrufe kaum zurückzuhalten. Die Kinder wollten am liebsten gleich losrennen und die Anlage erkunden. Das konnten sie erst am nächsten Tag mit Hilfe einer Rallye, die uns eine Kollegin vorbereitet mitgab. In kleinen Gruppen zogen die Schüler los und lösten Rätsel um die Anlage. Dabei entdeckten sie all die Möglichkeiten, die sich ihnen für ihre Freizeitgestaltung boten und fühlten sich sehr zufrieden. Besonders die Hängematten wurden später zu einem Ort der Begegnung, zum Austauschen und genaueren Kennenlernen oder einfach zu einem ruhigen Rückzugsort. Für die Jungen war der Sportplatz ein Willkommensgeschenk. Am Wochenende sollten dort mehrere Spiele mit den Jungen aus der Begegnungsklasse und sogar ein Turnier stattfinden. Um die Rallye und somit auch die Entdeckungen unserer Schüler auszuwerten, nutzten wir die verschiedenen Räumlichkeiten der Anlage, die uns schließlich im Lauf der Woche so vertraut wurden, dass immer wieder Äußerungen wie Es ist so schön hier. Können wir nicht für immer hier bleiben? zu hören waren. Die Tatsache, dass wir während unseres Aufenthalts allein auf dem Gelände waren, steigerte den Wohlfühlfaktor und die Kinder betrachteten die Anlage als ihr eigenes Reich, in dem sie immer wieder Neues entdeckten. Dazu gehörte nicht nur die Meeranda, in der wir gemeinsam Unterricht, Gespräche, Planungen durchführten und Ergebnisse präsentierten. Die Bibliothek wurde ebenso intensiv genutzt, um Entdeckungen über verschiedene Autoren und neue Lieblingsbücher zu machen. Die tägliche Badezeit wurde von allen Kindern, Schwimmern wie Nichtschwimmern, intensiv genutzt, um Spiel und Spaß zu verbinden und miteinander noch weiter ins Gespräch zu kommen. Doch ganz besonders die türkische Teezeit am Nachmittag hatte es den Kindern angetan. Sie entwickelte sich zu einem festen Ritual, an dem nahezu alle Kinder teilnahmen und gesellig beieinander saßen. Die Küche musste sich darauf entsprechend

einstellen, denn es kam vor, dass die Erwachsenen bei dieser Nachfrage selbst nicht zum Teetrinken kamen oder auf Nachschub aus der Küche warten mussten. An dieser Stelle möchten wir unseren ganz besonderen Dank an das Personal aussprechen. Die Kinder erhielten jederzeit Antworten auf ihre Fragen und bekamen Hilfen. Die Mahlzeiten wurden von allen neugierig und mit großem Appetit angenommen, so dass wir die typische Mittelmeerküche mit vielen frischen Zutaten genießen konnten. Es wurde stets auf Wünsche eingegangen, die spezielle Ernährungsweisen erforderten. Auf einer Erkundungstour im näheren Umfeld der Afacan Anlage entdeckten die Kinder einen typischen kleinen Bakkal, der repräsentativ für die üblichen kleinen Einkaufsläden außerhalb von großen Orten war. Freudig erwartete uns der Verkäufer und war neugierig auf unsere Geschichte. Bei Eis und Sonnenblumenkernen gab es nette Gespräche, in denen alle Kinder ihre Türkischkenntnisse unter Beweis stellen konnten. Andere typische Einkaufsmöglichkeiten in der Türkei stellen die Wochenmärkte in größeren Orten dar. Ein vorbereiteter Ausflug sollte den Kindern Gemeinsamkeiten und Unterschiede zu denen in Deutschland verdeutlichen. So zogen sie in kleinen Gruppen los und recherchierten u.a. Preise, Angebote, übten sich im Feilschen und genossen das Lebensmittelangebot vor Ort. Ihre Eindrücke notierten sie regelmäßig in ihren vorbereiteten Reisetagebüchern. Weitere Höhepunkte unseres Aufenthalts in Afacan stellten die abendlichen Erzählrunden am Kamin dar, in denen u.a. Funde, Erlebnisse und Eindrücke unserer Ausflüge in Geschichten eingebaut wurden. Für unsere Klasse brachte die Zeit im Afacan Motel schon vor der Begegnung mit den Gästen aus der Mehmetcik Schule viele neue Erkenntnisse mit sich. Sei es, die Klassenkameraden in einem anderen Umfeld mit einem ganz anderen Blick zu betrachten, Freizeitmöglichkeiten gemeinsam zu nutzen, ausgelassen miteinander herumzutoben oder auch neue Seiten an sich selbst zu entdecken. Insgesamt erlebten wir die Klassengemeinschaft als sehr entspannt und glücklich, was uns bei der Abreise auch vom Personal bestätigt wurde. Nachdem wir uns in der ersten Woche in Afacan auf uns selbst und unsere neuen Erfahrungen konzentriert hatten, galt es nun die Begegnung mit den Kindern aus Balıkesir vorzubereiten. Für diese Aufgabe teilten sich die Schülerinnen und Schüler in mehrere Vorbereitungsgruppen, die in den unterschiedlichen Räumlichkeiten des Motels ungestört arbeiten konnten.

Die erste Gruppe entwarf, angeregt durch die Afacan-Willkommens-Rallye selbst ein kleines Erkundungsspiel, das von den Kindern aus Balıkesir gleich am ersten Nachmittag mit Freude aufgenommen wurde. Die zweite Gruppe bereitete einen Disco-Abend in der Meeranda vor, die dritte gestaltete und moderierte einen Spieleabend im Kaminzimmer sowie ein Fußballturnier. Bei dem abwechslungsreichen, von unseren Schülerinnen und Schülern entwickelten Programm gab es vielfältige Möglichkeiten, sich in gemischten Teams kennenzulernen und die eigenen sprachlichen wie non-verbalen Mitteilungsmöglichkeiten auszuprobieren. Natürlich wurde das Gelände von allen Kindern auch genutzt, um sich im Pool auszutoben oder sich an einem stilleren Ort zurückzuziehen. Am zweiten Tag wagten wir uns mit 40 Kindern schließlich über die große Küstenstraße, um dort noch einmal durch die wunderschönen Olivenberge zu wandern. Am Ende entdeckten wir sogar noch eine alte Schlossruine. Hier sei noch einmal anzumerken, dass das Überqueren der Küstenstraße wirklich sehr gefährlich ist und es sehr zu wünschen wäre, dass bei dem weiteren Ausbau die Bedürfnisse nicht nur der Jugendgruppen in der Begegnungsstätte, sondern auch der dortigen Landbevölkerung berücksichtigt werden. Am nächsten Tag ging es dann weiter über Bergama, Richtung Balıkesir. Den Besuch der Akropolis genossen unsere Schülerinnen und Schüler sehr. Vor allem das Amphitheater erkundeten sie genau, was eventuell darauf zurückzuführen ist, dass es als Schauplatz in dem Buch Momo, das zuvor im Unterricht bearbeitet worden war, eine große Rolle spielt. Nach unserem Eindruck hätten sie noch viele Stunden dort verbringen können, um die steilen Treppen hinauf- und herunter zu laufen oder die Stärke der eigenen Stimme auszuprobieren. Da wir aber noch einen weiten Weg vor uns hatten, verließen wir diesen magischen Ort, um uns dem zweiten Ziel unserer Begegnungsfahrt, der Stadt Balıkesir, zu nähern. Durch die vorbereitende Begegnung in Afacan und in Berlin fiel es den Kindern relativ leicht, sich in den Gastfamilien einzuleben. Die Tage in Balıkesir waren durch ein sehr umfangreiches, sorgfältig zusammengestelltes Besichtigungsprogramm geprägt, das uns bis nach Bursa und ans Marmarameer brachte. In der sich erst in Berlin anschließenden ausführlichen Reflexionsphase, erklärten unsere Schüler, dass sie Vieles zwar interessant fanden, gerne aber noch viel mehr freie Zeit mit ihrem Gastkind gehabt hätten. So mussten auch unsere Tagebuch-Aufgaben, die den vergleichenden Blick schulen sollten, während des Aufenthaltes in Balıkesir zurück gestellt werden. Insgesamt hatten wir das Gefühl, dass sicherlich in bester Absicht aber auf der Grundlage eines anderen pädagogischen Selbstverständnisses, unterschiedlichstes Wissen

angefangen beim Staatsgründer Atatürk über religiöse Vorbilder bis hin zu touristischen Attraktionen vermittelt werden sollte. Raum für eine aktiv-handelnde Auseinandersetzung mit diesen Themen war dabei kaum eingeplant. Auch war es von offizieller Seite nicht vorgesehen, einen kritisch-reflektiven Diskurs über das Lernen in der Begegnung der beiden Länder zu führen. Fruchtbarer waren für uns als Lehrerinnen in diesem Zusammenhang die vielen informellen und privaten Gespräche, die wir mit den Lehrern und ihren Freunden und Verwandten führen konnten. Unsere Schülerinnen und Schüler müssen diese eher einengende Atmosphäre gespürt haben, denn sie riefen nach dem Abschied einhellig: Endlich frei!!! Um entsprechend unseres Projektzieles Gemeinsamkeiten feststellen Unterschiede wahrnehmen arbeiten zu können, sollte zukünftig über eine alternative Projektgestaltung eventuell mit einem Jugendprojekt in der Nähe von Afacan nachgedacht werden. Dass unsere Schüler und Schülerinnen sich insgesamt doch sehr wohl und angenommen fühlten, so dass ein Schüler als Tipp für die folgenden Teilnehmer der Begegnungsfahrt schreibt: Nehmt Freude und Spaß mit, um dieses schöne, gastfreundliche Land zu ermutigen..., lag aus unserer Sicht auch und vor allem an dem herzlichen Engagement der Elternschaft der Mehmetcik İlköğretim Okulu in Balıkesir. Nalan Şahin & Sabine Schirop