Information für Lehrer/innen. Themenheft Mathematik Problemlösen Volksschule Grundstufe I + II



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Transkript:

Themenheft Mathematik Problemlösen Volksschule Grundstufe I + II www.bifie.at Leykam Buchverlag verlag@leykam.com www.leykamverlag.at ISBN 978--70-78- Information für Lehrer/innen Bildungsstandards für höchste Qualität an Österreichs Schulen

Themenheft Mathematik Problemlösen Volksschule Grundstufe I + II

Impressum Herausgeber: Bundesinstitut für Bildungsforschung, Innovation & Entwicklung des österreichischen Schulwesens Stella-Klein-Löw-Weg 5 / Rund Vier B 020 Wien in Kooperation mit dem Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur Abt. I/ Minoritenplatz 5 0 Wien Themenheft Mathematik Problemlösen. Volksschule Grundstufe I + II BIFIE (Hrsg.), Graz: Leykam, 20 ISBN 978--70-78- Einbandgestaltung: Die Fliegenden Fische, Salzburg & Andreas Kamenik, BIFIE I Zentrales Management & Services Layout & Satz: Nadine Landsrath & Ulrike L. Gamsjäger, BIFIE I Zentrales Management & Services Redaktion & Lektorat: Stefan Terler & Martina Wegerer, BIFIE I Zentrales Management & Services Druck: Medienfabrik Graz GmbH, 8020 Graz Vertrieb an den Buchhandel: Leykam Buchverlagsgesellschaft m.b.h. Nfg. & Co.KG Die angebotenen Texte und Beispiele zur Umsetzung im Unterricht können an österreichischen Schulen und an Pädagogischen Hochschulen in den Bereichen der Aus-, Fort- und Weiterbildung von Lehrerinnen und Lehrern in dem für die jeweilige Lehrveranstaltung erforderlichen Umfang von der Website des BIFIE (https://www.bifie.at) heruntergeladen, kopiert und verbreitet werden. Autorinnen und Autoren: Maria Fast Andrea Gerber Christina Haberfellner Maria Koth Rudolf Langer Franz Nösterer Franz Platzgummer Katharina Spiel Koordination: Brigitta Scheiber Brigitte Zöchlinger

Inhalt Vorwort 5 Problemlösen im Mathematikunterricht der Grundschule. Einen Zugang finden und das Problem bearbeiten 7 2 Problemlösen als Kompetenzbereich der Bildungsstandards für Mathematik,. Schulstufe 8 2. Problemaufgabe versus Routineaufgabe 8 2.2 Rahmen- und Lernbedingungen 9 2. Querverbindungen zwischen allgemeinen und inhaltlichen Kompetenzen 5 Unterrichtskultur, die das Problemlösen fördert 5. Aufgabenkultur.2 Umgang mit Fehlern 2 Möglichkeiten zur Umsetzung im Unterricht 2. Heuristische Hilfsmittel heuristische Strategien heuristische Prinzipien 5.2 Tipps zum Problemlösen 5 5 Aufgaben, die das Problemlösen unterstützen 5 5. Zahlenmauern 5 5.2 Zauberfiguren 5. Rechnen mit Platzhaltern 8 5. Pentominos 7 5.5 Würfelbauwerke und Würfelnetze 82 5. Blitzlichter 89 Literaturverzeichnis 9 7 Kommentierte Literaturempfehlungen 95 Anhang 95 Bildungsstandards für Mathematik,. Schulstufe 98 Rechtliche Grundlagen

Vorwort Das vorliegende Themenheft Mathematik zum allgemeinen Kompetenzbereich Problemlösen ist das dritte einer Reihe von Themenheften, die ergänzend zum Praxishandbuch Mathematik. Schulstufe vom Bundesinstitut für Bildungsforschung, Innovation & Entwicklung des österreichischen Schulwesens in Kooperation mit dem Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur herausgegeben werden. Der allgemeine Kompetenzbereich Problemlösen fordert von den Schülerinnen und Schülern, Gemeinsames bzw. Besonderes in mathematischen Aufgaben zu entdecken und mathematische Probleme zu lösen. Die selbstständige Auseinandersetzung mit solchen Aufgaben sowie das Erkennen und Lösen von innermathematischen Problemen stehen im Vordergrund, um das Verständnis für mathematische Strukturen zu fördern. Dieses Themenheft befasst sich gezielt mit dieser Handlungskompetenz und bietet Lehrerinnen und Lehrern eine fokussierte Unterstützung auf dem Weg zum kompetenzorientierten Mathematikunterricht in der Volksschule. Das Heft beinhaltet fachdidaktische Texte, in der Praxis erprobte Unterrichtsbeispiele und zahlreiche Vorschläge, um Problemlösekompetenzen der Kinder zu stärken. Diese Kombination von methodischen Anregungen und konkreten Hilfestellungen soll Lehrerinnen und Lehrern die Vorbereitung und Gestaltung des Unterrichts auf der Grundstufe I und Grundstufe II erleichtern. Wir hoffen, Sie mit dieser Publikation bei Ihrer anspruchsvollen Aufgabe unterstützen zu können, Ihren Schülerinnen und Schülern jene Kompetenzen zu vermitteln, die für deren weiteren Bildungsweg entscheidend sind. Mag. Dr. Isabella Benischek BIFIE I Bundesinstitut für Bildungsforschung, Innovation & Entwicklung des österreichischen Schulwesens

Themenheft Mathematik Problemlösen, Volksschule Grundstufe I + II 5 Problemlösen im Mathematikunterricht der Grundschule Die Neugier steht immer an erster Stelle eines Problems, das gelöst werden will. (Galileo Galilei) Im Mathematikunterricht der Grundschule sollte durch vielfältige Tätigkeiten auf das Erkunden von Zusammenhängen sowie auf das Herauslösen und Untersuchen von Strukturen großer Wert gelegt werden. Damit eng verbunden ist das Entwickeln von Problemlösekompetenz, indem die Schüler/innen mathematische Problemstellungen selbstständig bearbeiten (BIFIE & BMUKK, 20, S. ). Die Fähigkeit, mithilfe der Mathematik etwas Gemeinsames bzw. Besonderes in mathematischen Aufgaben zu entdecken bzw. echte mathematische Probleme zu lösen, wird in den Bildungsstandards im Kompetenzbereich Problemlösen gefordert. Dem Herstellen und Finden von Beziehungen zwischen Zahlen bzw. zwischen Figuren wird im Mathematikunterricht der Grundschule nicht immer ausreichend Beachtung geschenkt. Mit echten Problemen im rein innermathematischen Bereich werden die Kinder kaum konfrontiert. Häufig wird auf das Abarbeiten von Aufgaben ähnlicher Struktur wesentlich mehr Wert gelegt als auf das Lösen von Problemaufgaben. Doch vor allem die selbstständige Auseinandersetzung mit solchen Aufgaben sowie das Erkennen und Lösen von Problemen fördern das Verständnis für mathematische Strukturen. Selbst gefundene Lösungswege tragen zu einer positiven Einstellung gegenüber der Mathematik bei. Von einem Problem wird im Allgemeinen dann gesprochen, wenn ein Ausgangszustand gegeben und ein erwünschtes, aber noch nicht erreichtes Ziel gekennzeichnet ist, jedoch kein Weg zum Überführen des Ausgangszustands in den Zielzustand bekannt ist bzw. Barrieren die Transformation vom Anfangs- in den Zielzustand behindern (Hussy, 998, S. 20). Die Überwindung dieser Barrieren kann für einzelne Personen unterschiedlich schwierig sein. Beitrag der Mathematik zur Bildung aktuelle Situation Ausgang Barriere Ziel Abb. : Überwinden von Barrieren Um die bestehenden Hindernisse zu überwinden, kann auf die für die Lösung notwendigen mathematischen Grundlagen zurückgegriffen werden. Für den tatsächlichen Lösungsweg muss dieses Wissen allerdings neu geordnet und umstrukturiert werden. Problemaufgabe versus Routineaufgabe Kann dagegen der Ausgangszustand durch Abrufen eines bekannten Verfahrens zur Lösung direkt aus dem Gedächtnis in den Zielzustand überführt werden, handelt es sich nicht um eine Problem-, sondern um eine Routineaufgabe. Ob das zu lösende Beispiel für eine Schülerin/einen Schüler Aufgaben- oder Problemcharakter aufweist, ergibt sich individuell.

Themenheft Mathematik Problemlösen, Volksschule Grundstufe I + II Problemlösen in den Bildungsstandards Problemlösen als Kompetenz kann auf zwei Arten interpretiert werden: Problemlösen im weiteren Sinn bedeutet, dass alle Aufgabenstellungen im Mathematikunterricht, für die kein Lösungsverfahren unmittelbar auf der Hand liegt, in diese Kategorie fallen sowohl innermathematische als auch reale Probleme. Dies betrifft auch Mo dellierungsaufgaben. Problemlösen im engeren Sinn ist ein innermathematischer Vorgang. Es geht z. B. um das Finden von spezifischen Eigenschaften und Beziehungen zwischen den zu untersuchenden Zahlen oder Figuren bzw. um das Entdecken von mathematischen Regelmäßigkeiten und Mustern.. Einen Zugang finden und das Problem bearbeiten Problemlöseprozess In seiner Schule des Denkens (Originalausgabe: How to solve it,. Auflage 95) gibt George Polya einen Rahmenplan zur Lösung mathematischer Probleme in vier Phasen an: Phase Rückschau auf den Lösungsweg Phase Ausführen eines Plans Phase 2 Ausdenken eines Plans Phase Verstehen der Aufgabe Abb. 2: Lösung mathematischer Probleme (nach Polya, 995) Bedeutung des Problemlösens Im Vordergrund des Mathematikunterrichts steht nicht das schlichte Faktenwissen, sondern der flexible Umgang mit Wissen. Die Schüler/innen von heute werden als Erwachsene in einer Welt leben, deren Anforderungen wir derzeit nicht wirklich prognostizieren können. Sie benötigen daher die Fähigkeit, ihr Wissen auf neue, unbekannte Situationen zu übertragen.

Themenheft Mathematik Problemlösen, Volksschule Grundstufe I + II 7 2 Problemlösen als Kompetenzbereich der Bildungsstandards für Mathematik,. Schulstufe Problemlösen wird in den Bildungsstandards als eigener Kompetenzbereich innerhalb der allgemeinen mathematischen Kompetenzen definiert. Diese Kompetenzen betonen wichtige Aspekte des Mathematikunterrichts, die bisher wenig berücksichtigt wurden. Allgemeine mathematische Kompetenzen zeigen sich in der lebendigen Auseinandersetzung mit der Mathematik. Es handelt sich um prozessbezogene Kompetenzen, die Schüler/ innen in der Auseinandersetzung mit mathematischen Inhalten erwerben. Die angeführten Kompetenzen beschreiben Handlungen, die für die Bearbeitung und Nutzung der inhaltlichen Teilbereiche notwendig sind. (BIFIE & BMUKK, 20, S. 8) Kompetenzbereiche Operieren Kommunizieren Modellieren Problemlösen Allgemeine mathematische Kompetenzen Inhaltliche mathematische Kompetenzen Arbeiten mit Zahlen Arbeiten mit Ebene und Raum Arbeiten mit Operationen Arbeiten mit Größen Abb. : Kompetenzbereiche (BIFIE & BMUKK, 20, S. 7) In der Verordnung über Bildungsstandards im Schulwesen (BGBl. II, Nr. /2009) lautet der Text zum Kompetenzbereich Problemlösen (AK ): Mathematisch relevante Fragen stellen Kompetenz: Die Schülerinnen und Schüler können ein innermathematisches Problem erkennen und dazu relevante Fragen stellen. Auszug aus BGBI. II, Nr. /2009 Lösungsstrategien (er)finden und nutzen Kompetenzen: Die Schülerinnen und Schüler können geeignete Lösungsaktivitäten wie Vermuten, Probieren, Anlegen von Tabellen oder Erstellen von Skizzen anwenden, zielführende Denkstrategien wie systematisches Probieren oder Nutzen von Analogien einsetzen.

8 Themenheft Mathematik Problemlösen, Volksschule Grundstufe I + II 2. Problemaufgabe versus Routineaufgabe Die folgende Gegenüberstellung zeigt Unterschiede von Problemaufgaben und Routineaufgaben auf: Routineaufgabe Problemaufgabe Diese kann als bereits bekannte Aufgabe eines bestimmten Typs verstanden werden. Es ist möglich, eine verfügbare Lösungsprozedur abzurufen, der Lösungsweg erscheint klar. Ein rezeptartiges Abarbeiten einer bekannten Prozedur ist möglich. Die Aufgabe kann auch ohne tieferes Verständnis erfolgreich gelöst werden. Die Aufgabe wirkt abgeschlossen, d. h., sie löst im Allgemeinen keine weiterführenden Denkprozesse aus. Eine Barriere zwischen Fragestellung und Zielzustand verhindert das Entschlüsseln der Aufgabe. Die Suche nach einem Lösungsweg ist erforderlich. Spezielle Einfälle und neuartige Verbindungen der vorhan denen Wissensbestände werden benötigt. Zur Konstruktion eines Lösungswegs ist inhaltliches Denken unabdingbar. Ohne inhaltliches Verständnis ist kein Erfolg möglich. Die Aufgabe wirkt im Allgemeinen offen, sie provoziert meist zum Weiterdenken und Variieren. 2.2 Rahmen- und Lernbedingungen Die folgenden Rahmen- und Lernbedingungen sollen gute Voraussetzungen für das Problemlösen im Mathematikunterricht schaffen. 2.2. Den Kindern wird eine problemhaltige Situation angeboten Der Sachverhalt wird begleitet durch die Lehrerin/den Lehrer ausreichend geklärt. Schriftlich fixierte Informationen und unterschiedliche Materialien können die Klärung des Sachverhalts unterstützen. Diese Klärung kann im Plenum, in der Kleingruppe oder in Einzelarbeit erfolgen. 2.2.2 Die Kinder erkennen ein Problem Das Problem kann genau definiert oder offen sein. Ist das Problem offen, sollen die Kinder selbst zu eigenen Fragestellungen kommen. 2.2. Die Kinder lassen sich auf einen Lösungsprozess ein Nach der prinzipiellen Klärung der geforderten Problemstellung bzw. des Themenbereichs muss viel Zeit zum Explorieren und zum kreativen Bearbeiten gegeben werden, auch wenn sich vielleicht aus Sicht der Lehrerin/des Lehrers Irr- oder Umwege ergeben. Bei der Beschäftigung mit solchen Fragen entwickeln Kinder individuelle Lösungsansätze, die (innerhalb der Gruppe) diskutiert werden können. Jedes Kind notiert seinen bevorzugten Lösungsweg. Die Lehrerin/ der Lehrer bietet von sich aus keine Lösungsstrategien an. Sie/er lässt alle Problemlöseansätze zu.

Themenheft Mathematik Problemlösen, Volksschule Grundstufe I + II 9 2.2. Die Kinder stellen ihre Arbeitsergebnisse vor Ein Unterrichtsgespräch im Klassenverband ergibt sich erst nach der eigenständigen Arbeit. Dieses Gespräch lenkt zwar meist die Lehrperson, die Schüler/innen sind aber inzwischen kompetente Partner/innen bezüglich des gestellten Problems geworden und können den Erklärungen und Diskussionsbeiträgen mit größerem Verständnis folgen. Die Lösungswege und Ergebnisse werden in der Gruppe reflektiert und vervollständigt, wobei besonders die Problemlösekompetenzen und die unterschiedlichen Wege des Denkens der einzelnen Kinder deutlich gemacht werden sollten (Strategiekonferenz/Strategieplakat) (BIFIE & BMUKK, 20, S. 5). 2. Querverbindungen zwischen allgemeinen und inhalt lichen Kompetenzen Mathematische Kompetenzen im Rahmen der Bildungsstandards beinhalten zwei Komponenten: allgemeine mathematische Kompetenzen (AK) inhaltliche mathematische Kompetenzen (IK) Allgemeine mathematische Kompetenzen beziehen sich auf Mathematik als Tätigkeit und sind prozessorientiert. Inhaltliche mathematische Kompetenzen spiegeln die spezifischen Gegenstandsbereiche und Sachverhalte der Mathematik wider. Beide Komponenten sind untrennbar miteinander verbunden, weil für die Lösung einer mathematischen Aufgabenstellung beide benötigt werden (vgl. BIFIE & BMUKK, 20, S. 7). IK IK 2 IK IK AK AK 2 AK AK AK : Modellieren AK 2: Operieren AK : Kommunizieren AK : Problemlösen IK : Arbeiten mit Zahlen IK 2: Arbeiten mit Operationen IK : Arbeiten mit Größen IK : Arbeiten mit Ebene und Raum Abb. : Knoten AK / IK, IK 2, IK, IK Der allgemeine mathematische Kompetenzbereich Problemlösen kann mit allen inhaltlichen mathematischen Kompetenzen verknüpft werden.

0 Themenheft Mathematik Problemlösen, Volksschule Grundstufe I + II 2.. Problemlösen Arbeiten mit Zahlen IK : Arbeiten mit Zahlen AK : Problemlösen Abb. 5: Knoten AK / IK Finde eine Regel, nach der diese Zahlenfolge aufgebaut ist. Finde die fehlenden Zahlen. 7 0 9 In diesem Beispiel werden die folgenden Teilkompetenzen angesprochen: Die Schülerinnen und Schüler können zielführende Denkstrategien [ ] einsetzen (AK ), arithmetische Muster erkennen [ ] und fortsetzen (IK ). 2..2 Problemlösen Arbeiten mit Operationen IK 2: Arbeiten mit Operationen AK : Problemlösen Abb. : Knoten AK / IK 2

Themenheft Mathematik Problemlösen, Volksschule Grundstufe I + II Finde die fehlende Zahl. 08 : = 5 In diesem Beispiel werden die folgenden Teilkompetenzen angesprochen: Die Schülerinnen und Schüler können ein innermathematisches Problem erkennen [ ] (AK ), einfache Gleichungen mit Platzhaltern lösen (IK 2). 2.. Problemlösen Arbeiten mit Größen IK : Arbeiten mit Größen AK : Problemlösen Abb. 7: Knoten AK / IK Lara hat 2 in ihrer Geldbörse. Es sind dies Geldscheine und 7 Münzen. Welche Geldscheine und welche Münzen könnten es sein? Abb. 8: Anzahl der Geldscheine und Münzen In diesem Beispiel werden die folgenden Teilkompetenzen angesprochen: Die Schülerinnen und Schüler können zielführende Denkstrategien [ ] einsetzen (AK ), mit Größen rechnen (IK ).

2 Themenheft Mathematik Problemlösen, Volksschule Grundstufe I + II 2.. Problemlösen Arbeiten mit Ebene und Raum AK : Problemlösen IK : Arbeiten mit Ebene und Raum Abb. 9: Knoten AK / IK Aus wie vielen Würfeln besteht dieser Körper? Abb. 0: Würfelbauwerk In diesem Beispiel werden die folgenden Teilkompetenzen angesprochen: Die Schülerinnen und Schüler können zielführende Denkstrategien [ ] einsetzen (AK ), geometrische Figuren zerlegen [ ] (IK ).

Themenheft Mathematik Problemlösen, Volksschule Grundstufe I + II 2..5 Problemlösen Arbeiten mit Zahlen und Arbeiten mit Operationen IK : Arbeiten mit Zahlen IK 2: Arbeiten mit Operationen AK : Problemlösen Abb. : Knoten AK / IK, IK 2 Welche Operationszeichen ( +,,, : ) kannst du einsetzen, damit diese Rechnung stimmt? 0 2 > 0 0 In diesem Beispiel werden die folgenden Teilkompetenzen angesprochen: Die Schülerinnen und Schüler können zielführende Denkstrategien wie systematisches Probieren [ ] einsetzen (AK ), können Zahlen vergleichen [ ] (IK ), beherrschen sicher und schnell additive und multiplikative Grundaufgaben (IK 2).

Themenheft Mathematik Problemlösen, Volksschule Grundstufe I + II 2.. Problemlösen und Kommunizieren Arbeiten mit Zahlen IK : Arbeiten mit Zahlen AK : Kommunizieren AK : Problemlösen Abb. 2: Knoten AK, AK / IK Welche Zahlen, die größer als 5 000 sind, kannst du mit diesen Ziffernkärtchen bilden? Begründe deine Entscheidung. 7 8 Abb. : Ziffernkärtchen In diesem Beispiel werden die folgenden Teilkompetenzen angesprochen: Die Schülerinnen und Schüler setzen zielführende Denkstrategien wie systematisches Probieren [ ] ein (AK ), beschreiben und protokollieren ihre Vorgangsweisen (AK ), orientieren sich im Zahlenraum 00 000, vergleichen Zahlen und setzen diese in Relation (IK ).

Themenheft Mathematik Problemlösen, Volksschule Grundstufe I + II 5 Unterrichtskultur, die das Problemlösen fördert Ergänzend zu Abschnitt 2 sollen im Folgenden Aspekte aufgezeigt werden, die für das Problemlösen in Unterrichtssituationen förderlich sind. Dabei stehen zwei zentrale Fragen im Vordergrund, die behandelt und weitgehend geklärt werden sollen: Unter welchen Rahmenbedingungen findet Problemlösen so statt, dass es für die Schüler/innen und Lehrpersonen produktiv ist? Was ist zu berücksichtigen, wenn mit Schülerinnen und Schülern Problemlöseaufgaben bearbeitet werden? Folgende Aspekte können bei der Schaffung günstiger Bedingungen helfen: Vorkenntnisse berücksichtigen mittelschwere Aufgaben stellen minimale Hilfe durch die Lehrkraft im Sinne des Coachings anbieten passende Sozialform auswählen eine Fehlerkultur aufbauen Zeitfaktor berücksichtigen Vertrauen in die eigene Leistungsfähigkeit entwickeln gegenseitige Wertschätzung, gegenseitiges Vertrauen, Respekt entgegenbringen Unterricht ist ein Setting, ein lebendiger und formbarer Prozess, innerhalb dessen vieles offen und durchaus kreativ bearbeitet werden kann. Wird den am Unterricht Beteiligten (also sowohl den Lehrenden als auch den Lernenden) bewusst, dass das Geschehen im Unterricht selbst aktiv zu steuern und zu gestalten ist und jede/r Einzelne einen Beitrag dazu leistet, kann Unterricht gewinnbringend für alle stattfinden. Eine Grundvoraussetzung besteht darin, dass entsprechende Rahmenbedingungen für ein produktives und angenehmes Lernund Unterrichtsklima vorhanden sind. Dabei können Aspekte wie der Umgang mit Fehlern, der zeitliche Rahmen und vor allem das Vertrauen und die Wertschätzung untereinander nicht außer Acht gelassen werden. Wesentlich ist es, Bedingungen des Lernens zu schaffen, die dazu anregen, über eigene Lernprozesse nachzudenken, mögliche Fehlerquellen ausfindig zu machen und zu reflektieren sowie Zusammenhänge zu erforschen (vgl. Steinbring in Baum & Wielpütz, 200, S. 2). Bedingungen Mitgestaltung des Unterrichts durch die Lernenden Dazu bedarf es eines Unterrichts, der Aspekte der gegenseitigen Wertschätzung, des Vertrauens und auch des Respekts berücksichtigt. Es muss also den Schülerinnen und Schülern die Möglichkeit geboten werden, sich auszutauschen, untereinander Gespräche über mathematische Problemsituation zu führen, Lösungswege zu besprechen und im Anschluss an diesen Prozess als wesentliches Element des Unterrichts Ergebnisse zu präsentieren. In welcher Form die Präsentationen stattfinden, können die Lehrenden bestimmen. Idealerweise bieten sich Strategiekonferenzen, Abschlusspräsentationen in Form von mündlichen oder schriftlichen Feedbacks, Ausstellungen und dergleichen an.. Aufgabenkultur Grundprinzip für die Entwicklung veränderter Aufgabenstellungen im Mathematikunterricht soll die Sicherung der Nachhaltigkeit des Lernens sein. Aus fachdidaktischer Sicht heißt das, dass dem problemlösenden Vorgehen und dem kreativen Umgang mit Mathematik mehr Bedeutung beigemessen wird. Dabei stehen vermehrte Selbsttätigkeit und Eigenaktivität der Schüler/innen beim Mathematiklernen im Vordergrund. Die ebenfalls notwendigen Routineaufgaben werden etwas zurückgenommen, Problemlöseaufgaben, welche konkret auf den Erwerb von Fähigkeiten ausgerichtet sind, werden dagegen vermehrt eingesetzt. Mathematikunterricht soll sich nicht nur im Abarbeiten von Routineaufgaben erschöpfen, sondern Raum für das Entwickeln allgemeiner mathematischer Fähigkeiten, zum Beispiel in Form von Problemlöseaufgaben, geben. Selbstständigkeit und Eigenaktivität der Schüler/innen

Themenheft Mathematik Problemlösen, Volksschule Grundstufe I + II Individualisierung innerhalb der Aufgabenstellung Letztendlich geht es keineswegs darum, Aufgaben für den Mathematikunterricht schwieriger oder einfacher zu machen. Es wird vielmehr eine sich vom mathematischen Thema heraus entwickelnde Individualisierung angestrebt. Diese kann zum Teil durch Umformulierung oder Umgestaltung von Aufgabenstellungen erreicht werden. Anhand eines einfachen Beispiels soll erläutert werden, wie solche Aufgaben aussehen könnten: Lilia und Klara sind zusammen 8 Jahre alt, aber Klara ist 2 Jahre älter als Lilia. Wie alt ist Klara? Vor wie vielen Jahren war Klara doppelt so alt wie Lilia? (adaptiert nach Bruder & Collet, 20, S. 80) Das Anforderungsniveau bleibt im mittelschweren Bereich. Innerhalb dessen bewegen sich die Lernenden und die Lehrenden in einem sich aus der mathematischen Aufgabenstellung heraus entwickelnden individualisierenden und differenzierenden Prozess. Geöffnet werden die Aufgabenstellungen bezogen auf das Kind und sein persönliches Leistungsniveau. Es werden also einerseits Aufgabenstellungen gegeben, welche einen gestuften Aufbau hinsichtlich ihrer Anforderungen aufweisen. Damit werden begabte Schüler/innen gefördert, indem sie ihren Niveaus entsprechend auch über das Ziel der eigentlichen Aufgabenstellungen hinaus gehen können. Allerdings ist auch gewährleistet, dass normalbegabte und schwächer begabte Kinder im Rahmen des gestuften Aufbaus ihr jeweiliges Lernziel erreichen (siehe Abschnitt 5: Zauberfiguren, Pentominos). Andererseits gibt es im Bereich der Problemlöseaufgaben auch solche Aufgaben, in denen sich die Differenzierung erst aus der Aufgabe heraus entwickelt, also nicht durch einen gestuften Aufbau vorgegeben ist. Diese Aufgaben bieten somit Angebote zur Selbstdifferenzierung. Daraus entwickeln sich Möglichkeiten zur Gestaltung eines individuellen Lösungsfindungsprozesses, auf den die Lehrperson stärker eingehen und in dessen Rahmen nachhaltiges Lernen stattfinden kann..2 Umgang mit Fehlern Zulassen und Thematisieren von Fehlern In der Mathematik, besonders in der Grundschulmathematik, scheint oftmals alles klar und lösbar zu sein, wenn nur ein bestimmtes Schema zur Anwendung kommt. Dem Unterricht, der häufig nach dem Prinzip der kleinsten Schritte gestaltet wird, liegt vermutlich die Überlegung zugrunde, den Kindern Fehler zu ersparen. Dies ist jedoch nicht zu verwechseln mit Aufgabenstellungen, die einen gestuften Aufbau vorgeben, innerhalb dessen sich die Schüler/innen in ihren individuellen Tempi und Leistungsniveaus bewegen können. Treten bei den Kindern fehlerhafte Lösungen (hier bewusst unter Anführungszeichen) auf, werden diese oft sofort korrigiert, um deren mögliches Auftreten in Zukunft tunlichst zu vermeiden. Doch gerade das Zulassen, das Thematisieren von Fehlern und ihre Analyse sind wesentliche Grundlagen des Lernens. Um den passenden Weg zu finden, sei es durch ein System, eine vernetzte Struktur oder Ähnliches, ist der Fehler ein äußerst gewinnbringendes und lehrreiches Mittel zum Zweck. Es wäre kein Lernprozess möglich, wenn man keinen Fehler machen dürfte. Aus Angst davor, einen Fehler zu machen, flüchten sich die Lernenden in Automatismen, ohne jedoch die Gelegenheit zu erhalten Einsichten und Erkenntnisse zu gewinnen. Sehen wir doch den Fehler von seiner positiven Seite: Der Fehler motiviert uns, Neues auszuprobieren, der Fehler regt an zum Weiterlernen, zum Suchen und zum Entdecken von Zusammenhängen. (Spiegel & Selter, 200, S. 7)

Themenheft Mathematik Problemlösen, Volksschule Grundstufe I + II 7 Durch einen positiven Umgang mit Fehlern bekommen die Schüler/innen die Gelegenheit, für ihr Lernen selbst verantwortlich zu sein. Das bedeutet für die Lehrpersonen, dass es nicht ausreicht, Fehler beispielsweise farbig zu kennzeichnen oder durch Symbole wie f zu markieren. Fehlerhafte Lösungen sollen aufgegriffen und mit den Kindern thematisiert werden, damit diese daraus lernen können. Lena und Lisa wohnen 2 800 m voneinander entfernt. Sie fahren einander mit dem Fahrrad entgegen. Lisa fährt dabei um 00 m weiter als Lena. Wie weit ist Lisa gefahren, wie weit Lena? Abb. : Beispiel für eine Schülerlösung Nachdem Laura die Aufgabe mit Hilfe eines Zahlenstrichs falsch gelöst hatte, fand folgendes Lehrer-Schüler-Gespräch statt: Lehrer: Laura, das hast du gut mit dem Zahlenstrich zu lösen versucht. Überleg aber, um wie viele m Lisa bei deiner Lösung weiter gefahren ist. Laura: 800 m. Lehrer: Schau noch einmal auf die Angabe. Laura: 00 m äh, da hab ich falsch gezeichnet. Ich habe aber die Mitte genommen und Lisa ist um 00 m weiter gefahren als Lena und drum hab ich zu 00 die 00 dazugezählt und dann von 00 die 00 weggezählt. Lehrer: Wie könntest du zu einer richtigen Lösung finden?

8 Themenheft Mathematik Problemlösen, Volksschule Grundstufe I + II Laura: Ich streich das durch und zeichne es darunter noch einmal. Also wenn ich jetzt um 200 m zu viel heraus bekomme, dann probiere ich es mit 700 m und 00 m. Dann sind es zusammen 2 800 m (denkt nach) dann wären sie aber 00 m voneinander entfernt. Dann probier ich es halt mit 00 m und 200 m, das sind zusammen 2 800 m und sie sind 00 m voneinander entfernt. Laura zeichnet ihre gefundene Lösung und schreibt die Antwort auf. Was in diesem Zusammenhang an Eigenproduktivität und Denken aus der Sicht der Kinder möglich wird, soll hier anhand zweier Beispiele angeführt werden und gleichzeitig Lehrer/ innen ermuntern, ihren Schülerinnen und Schülern genau zuzuhören..2. Situation : Patricks Rechenweg Eigenproduktivität der Schüler/innen Von Kindern schickt jedes Kind einen Luftballon weg. 7 Kinder bekommen eine Antwort. Wie viele Kinder bekommen keine Antwort? Patrick: Das habe ich ganz einfach gemacht: Ich habe zuerst minus 20 gerechnet, das waren. Und dann habe ich erst plus 5 gerechnet, das waren 8, noch plus waren 7. Wie bitte? + 5 = 8 und 8 + = 7? Halten Sie ein wenig inne und überlegen Sie, wie Sie reagieren würden. Denn Patrick versucht, herauszufinden, wie viel man von subtrahieren muss, um 7 zu erhalten. Hierzu zieht er nacheinander Zahlen ab, erst 20, dann 5, schließlich und zählt diese Zahlen zusammen. In seinem zweiten Schritt zieht er also nicht nur 5 von ab und erhält 8, sondern zählt auch die 5 zu der 20 aus dem ersten Schritt hinzu. Bei der sprachlichen Beschreibung seines Vorgehens kombiniert er die beiden Vorgänge miteinander und so entsteht:. Und dann habe ich erst plus 5 gerechnet, das waren 8, noch plus waren 7. Wir sind es, die unterstellen, er habe + 5 = 8 und 8 + = 7 gerechnet. In Wirklichkeit hat er es weder getan noch gesagt. Er gibt an, er habe plus 5 gerechnet sowie noch plus zu welcher Zahl er addiert, darüber äußert er sich nicht. Aber weil er die Stützpunkte bzw. 8 nennt, hören wir heraus, er habe zu diesen Zahlen etwas hinzugezählt. (Beispiel aus Spiegel & Selter, 200, S. 9 0).2.2 Situation 2: Rosa und ihr Verhältnis zur Mathematik Wertschätzung von Schülerarbeiten Diese Situation beschreibt zwar kein mathematisches Thema im eigentlichen Sinn, aber eines mit Folgen für den Umgang des Kindes mit Mathematik. Es geht darum, aufzuzeigen, dass Wertschätzung von Schülerarbeiten wesentlicher Bestandteil des Unterrichts sein muss. Ohne Wertschätzung sinkt das Vertrauen der Schüler/innen in sich selbst und auch der Lehrperson gegenüber, wodurch der Zugang zum problemlösenden Vorgehen erheblich beeinflusst wird.

Themenheft Mathematik Problemlösen, Volksschule Grundstufe I + II 9 Rosa besucht die erste Schulstufe. Sie ist ein aufgewecktes und vermeintlich unbeschwertes Mädchen, das von den Anforderungen der Schule leistungsmäßig nicht überfordert scheint. Jedoch hat Rosa Probleme, und zwar bei der Selbstorganisation, beim Ordnunghalten, beim sauberen Arbeiten etc. Seit einem halben Jahr hört sie immer wieder: Das kannst du ordentlicher! Das kannst du schöner! In welche Richtung schauen die 7, die 9? Das hast du jetzt schon so oft gehört! usw. Das hat zur Folge, dass Rosa nicht mehr nur positive Assoziationen zur Schule hat. Die Eltern, Lehrer/innen und Erzieher/innen können Rosas Schwierigkeiten in Bezug auf Sauberkeit und Ordnung nicht ganz nachvollziehen. Rosa verbalisiert ihre Schwierigkeiten so: Schule ist fad. Ich bin immer gleich fertig und versteh auch alles, aber dann muss ich es noch mal machen, weil so viel ausradiert wird. Ich weiß nicht, was ich tun soll. Ich bin so schlampig und kann mich nicht dagegen wehren! Damit soll zum Ausdruck gebracht werden, dass durch zu massive Einflussnahme und stringente Vorgaben in Bezug auf formelle Dinge die Freude am Tun beeinträchtigt wird. Für ein Kind wie Rosa wird es zunehmend weniger attraktiv, kreative Lösungen zu finden, eigene Gedanken zu dokumentieren und außerhalb der Vorgaben zu rechnen. Dies wäre verbunden mit Eigenproduktionen, die nicht nach dem Schema eines Rechenhefts, Schulbuchs oder Arbeitsblatts gestaltet sind. In Letzteren ist durch Linien und Kästchen ein Rahmen vorgegeben, der eher Ordnung garantiert. Es besteht daher für das Kind nicht so sehr die Gefahr, alles noch einmal machen zu müssen, da im erwünschten Schema gearbeitet werden kann. Bei Eigenproduktionen und kreativen Ansätzen könnte es geschehen, dass das Ergebnis aufgrund des Arbeitsprozesses dem äußeren Erscheinungsbild wieder nicht gerecht wird. Es muss hier hinzugefügt werden, dass es keineswegs im Sinne der Mathematik ist, den Kindern keinen Ordnungsrahmen vorzugeben. Das äußere Erscheinungsbild und das saubere Arbeiten sind bei manchen Aufgaben durchaus notwendig. Hingewiesen werden soll lediglich darauf, dass es bei kreativen Arbeitsprozessen wie dem Problemlösen im Mathematikunterricht sein kann und darf, dass die äußere Form zugunsten einer intensiven und arbeitsreichen Produktion in den Hintergrund tritt.

Themenheft Mathematik Problemlösen, Volksschule Grundstufe I + II 2 Möglichkeiten zur Umsetzung im Unterricht Problemlösen umzusetzen bedeutet, einen Unterricht zu planen und zu gestalten, in dem der Lösungsweg bzw. die Lösung nicht im Vorhinein erklärt oder besprochen wird. Im Mittelpunkt stehen folglich Lerngelegenheiten, die den Problemlöseprozess entsprechend stützen, ohne den Kindern explizit zu sagen, wie es geht. Die Lehrperson setzt sich in der Planung vor allem damit auseinander, welche Aufgabenstellungen sich eignen, um Problemlöseprozesse zu initiieren, welche Materialien/Maßnahmen/Denkwerkzeuge/Impulse den Lösungsprozess unterstützen und wie diese angeboten werden sollen und welche Lösungsmöglichkeiten/kindlichen Denkprozesse sich ergeben können, um im Unterricht passend reagieren zu können. Planung von problemlösendem Unterricht Nachfolgend werden unterstützende Lerngelegenheiten, nämlich heuristische Hilfsmittel, heuristische Strategien, heuristische Prinzipien und Tipps zum Problemlösen, vorgestellt, die jeweils passend zur Problemaufgabe ausgewählt werden sollen. Geeignete Aufgabenstellungen und mögliche Lösungen von Kindern finden sich in Abschnitt 5.. Heuristische Hilfsmittel heuristische Strategien heuristische Prinzipien Das Wort Heuristik kommt vom griechischen heurískein und bedeutet finden, entdecken. Die Heuristik kann als die Lehre von den Wegen zur Gewinnung wissenschaftlicher Erkenntnisse definiert werden, sie ist ein Teilgebiet der allgemeinen Methodentheorie. Als Vater der Heuristik im Bereich der Mathematikdidaktik gilt George Polya. Er beschreibt die Heuristik folgendermaßen: Die Heuristik beschäftigt sich mit dem Lösen von Aufgaben. Zu ihren spezifischen Zielen gehört es, in allgemeiner Formulierung die Gründe herauszustellen für die Auswahl derjenigen Momente bei einem Problem, deren Untersuchung uns bei der Auffindung der Lösung helfen könnte. (Polya, 9, S. 5) Wege finden, um Probleme zu lösen Die Heuristik verbindet demnach die beiden Pole Problemstellung und Problemlösung: Problemstellung Problemlösung Heuristische Hilfsmittel Heuristische Strategien Heuristische Prinzipien Abb. 5: Heuristik

22 Themenheft Mathematik Problemlösen, Volksschule Grundstufe I + II In der folgenden Tabelle sind wichtige heuristische Vorgehensweisen im Überblick zusammengefasst: Heuristische Hilfsmittel: das Legen mit Material das Verwenden von Skizzen oder informativen Figuren das Verwenden von Tabellen das Einführen zweckmäßiger Bezeichnungen das Überführen der vorgegebenen Wortsprache in eine geeignete Symbolsprache Heuristische Strategien: systematisches Probieren Vorwärtsarbeiten Rückwärtsarbeiten Umstrukturieren des Problems Heuristische Prinzipien: Analogieprinzip Extremalprinzip (vgl. S. 50) Invarianzprinzip (vgl. S. 5).. Heuristische Hilfsmittel heuristische Hilfsmittel unterstützen den Lernprozess Heuristische Hilfsmittel helfen, eine Aufgabe so vorzubereiten, dass sie leichter gelöst werden kann. Sie tragen dazu bei, das Problem zu verstehen, zu strukturieren und eventuell auch zu visualisieren. Sie sind unabhängig von der konkreten Situation bei allen Aufgaben verwendbar, es hängt aber sehr wohl von der speziellen Aufgabe ab, welche Hilfsmittel besser geeignet sind. Für das Lösen mathematischer Problemstellungen sind die folgenden heuristischen Hilfsmittel von Interesse: das Einführen zweckmäßiger Bezeichnungen das Überführen der vorgegebenen Wortsprache in eine geeignete Symbolsprache das Verwenden von Tabellen das Verwenden von Skizzen oder informativen Figuren Im Mathematikunterricht der Grundschule kommen im Wesentlichen nur die letzten beiden Punkte, also das Verwenden von Skizzen und informativen Figuren sowie das Verwenden von Tabellen, zum Einsatz. Damit die Kinder heuristische Hilfsmittel selbstständig anwenden können, müssen diese zunächst im Unterricht anhand von Problemaufgaben vorgestellt und gemeinsam erprobt werden.

Themenheft Mathematik Problemlösen, Volksschule Grundstufe I + II 2 Aufgaben mit Material legen Bei vielen Aufgaben ist es nützlich, mit Hilfe von Materialien die Ausgangssituation, den möglichen Weg oder die Zielsituation darzustellen. Einsatz von Ziffern- bzw. Zahlenkarten Abb. : Ziffernkarten Die Schüler/innen haben Ziffernkarten von 0 bis 9. Sie sollen mit fünf Karten Muster legen, bei denen Folgendes gilt: Jeweils drei waagrechte und drei senkrechte Karten ergeben die gleiche Summe. Material: Ziffernkarten 0 bis 9, Vorlage mit den Mustern, Heft Abb. 7: Muster Abb. 8: Schülerlösungen

2 Themenheft Mathematik Problemlösen, Volksschule Grundstufe I + II Abb. 9: Ziffernkarten legen Finde mit den Ziffernkarten,, und für folgende Rechensätzchen Lösungen. Abb. 20: Lösungen finden

Themenheft Mathematik Problemlösen, Volksschule Grundstufe I + II 25 Abb. 2: Legeaufgaben bearbeiten Abb. 22: Legeaufgaben Schülerlösung Nachfolgend ist eine ähnliche Aufgabenstellung dargestellt, in der die Kinder mehrere Lösungsmöglichkeiten für eine vorgegebene Gleichung, unterstützt durch Zahlenkärtchen, finden sollen. Abb. 2: Rechensätzchen finden

2 Themenheft Mathematik Problemlösen, Volksschule Grundstufe I + II Abb. 2: Rechensätzchen Schülerlösungen Das Beispiel zeigt, wie Kinder systematisch vorgehen, um möglichst viele Lösungen zu finden. Aufgaben mit Bausteinen Baue Türme mit roten, gelben und blauen Bausteinen. Du sollst immer alle drei Farben verwenden. Wie viele verschiedene Türme kannst du bauen? Abb. 25: Turmbauen

Themenheft Mathematik Problemlösen, Volksschule Grundstufe I + II 27 Aufgaben mit Münzen Lege 50 Cent aus genau zehn Münzen. Du hast -Cent-Münzen, 5-Cent-Münzen, 0-Cent-Münzen und 20-Cent-Münzen zur Verfügung. Von jeder Münzsorte soll mindestens eine Münze verwendet werden. Abb. 2: Münzen legen Die Kinder legen die jeweilige Anzahl der Münzen und schreiben den Gesamtbetrag auf. Eine Schwierigkeit dieses heuristischen Hilfsmittels besteht darin, dass das Darstellen oder das Hantieren mit Materialien nicht selbstverständlich mathematisches Denken bewirkt. Immer wieder stellt sich die Frage, ob der Umgang mit Materialien informativ genug ist, um Wege zu einer mathematischen Bearbeitung aufzuzeigen. Enthält die Veranschaulichung z. B. keinerlei Abstraktion des gegebenen Sachverhalts, erzielt sie oft nicht die gewünschte orientierende Wirkung. Die Kinder hantieren zwar mit Geld oder Ähnlichem, erkennen jedoch nicht die dahinterliegende mathematische Struktur. Skizzen und informative Figuren Skizzen und informative Figuren dienen der Veranschaulichung einer vorgegebenen Problemstellung und helfen somit, die Lösung zu finden. Meist sind einfache Symbole, schematische Aufzeichnungen oder reduzierte Bilder hilfreich. In diesen Skizzen können gleichzeitig die gewählten Bezeichnungen und die Informationen über das Gegebene und das Gesuchte festgehalten werden.

28 Themenheft Mathematik Problemlösen, Volksschule Grundstufe I + II Tobias sagt: Ich bin größer als Willi und Martina. Martina sagt: Ich bin kleiner als Willi. Lena sagt: Ich bin von uns vieren die Größte. Hier der Lösungsvorschlag eines Kinds: Abb. 27: Körpergröße Ein Rechteck ist 0 cm lang und hat einen Umfang von 0 cm. Wie breit ist dieses Rechteck? Eine Skizze verdeutlicht den Sachverhalt und erleichtert damit das Finden der Lösung. u = 0 cm 0 cm? cm? cm 0 cm Abb. 28: Skizze zur Lösungsfindung

Themenheft Mathematik Problemlösen, Volksschule Grundstufe I + II 29 Familie Neuwirth fährt mit dem Auto nach Spanien. Am ersten Tag legt sie 752 km zurück. Am Abend des ersten Tages sagt Mutti: Wenn wir morgen noch km fahren, dann haben wir bereits drei Viertel der Strecke geschafft. Wie lang ist die gesamte Fahrtstrecke? Tipp: Überlege anhand der folgenden Skizze! Abb. 29: Fahrtstrecke Martins Schulweg ist 900 m lang und führt zuerst am Spielplatz und dann an der Kirche vorbei. Von Martins Haus bis zur Kirche sind es 50 m, der Spielplatz ist 0 m von der Schule entfernt. Wie weit sind Spielplatz und Kirche voneinander entfernt? Martins Haus Spielplatz Kirche Schule 50 m 900 m 0 m Abb. 0: Entfernung Der 0-jährige Markus fährt mit seinen Eltern und seinen beiden jüngeren Geschwistern mit der Bergbahn auf den Hirschenkogel. Die Fahrt kostet für einen Erwachsenen doppelt so viel wie für ein Kind. Zusammen bezahlen sie 2.

0 Themenheft Mathematik Problemlösen, Volksschule Grundstufe I + II Wie viel kostet die Fahrt für einen Erwachsenen, wie viel für ein Kind? Tipp: Das Diagramm hilft dir beim Finden der Lösung! 2 Abb. : Schaubild Mögliche Lösung: Jeder Erwachsene bezahlt so viel wie zwei Kinder, daher: Abb. 2: Schaubild 2 2 7 Kinder bezahlen 2. Kind bezahlt. Die Fahrt kostet 2 für einen Erwachsenen und für ein Kind. In Lisas Klasse haben 7 Kinder einen Hund und 5 Kinder ein Kaninchen. Davon haben Kinder einen Hund und auch ein Kaninchen. 2 Kinder haben weder einen Hund noch ein Kaninchen. Wie viele Kinder sind in der Klasse? Tipp: Eine Skizze hilft dir. Abb. : Hunde und Kaninchen

Themenheft Mathematik Problemlösen, Volksschule Grundstufe I + II Tabellen Tabellen können im Problemlöseprozess unter anderem die folgenden Funktionen erfüllen: Hilfe beim Finden und Dokumentieren eines Lösungsplans Hilfe beim systematischen Probieren Hilfe beim systematischen Erfassen aller möglichen Fälle bzw. beim Ausschließen unmöglicher Fälle Strukturieren der Aufgabenstellung durch übersichtliches Festhalten der gegebenen und der gesuchten Größen sowie der gegebenen Zusammenhänge Entdecken oder Überprüfen von Beziehungen zwischen Zahlen oder Größen Martins Mutter ist doppelt so schwer wie Martin. Sein Vater ist um 20 kg schwerer als die Mutter. Alle drei zusammen wiegen 200 kg. Wie schwer ist jeder von ihnen? Abb. : Tabelle zur Lösungsfindung Florian, Martin, Stefan und Tobias haben (in anderer Reihenfolge) die Familiennamen Bauer, Müller, Schmidt und Wagner. Folgendes ist bekannt: Martin heißt nicht Schmidt. Tobias heißt nicht Müller und nicht Wagner. Drei der Kinder haben im Mai Geburtstag, nämlich Florian, Martin und das Kind mit dem Familiennamen Müller. Drei der Kinder wohnen in derselben Straße, nämlich Stefan, Tobias und der Schüler Schmidt. Wie heißen die vier Buben mit vollständigem Namen?

2 Themenheft Mathematik Problemlösen, Volksschule Grundstufe I + II Tipp: Trage alle gegebenen Informationen in die Tabelle ein. Abb. 5: Familiennamen Sasa hat Stück 50-Cent-Münzen, Barbara 2 Stück 20-Cent-Münzen gesammelt. Ab heute gibt jedes der beiden Kinder täglich eine seiner Münzen aus. Nach wie vielen Tagen hat Barbara mehr Geld als Sasa? Variation : Abb. : Lösung mit Hilfe der Tabelle

Themenheft Mathematik Problemlösen, Volksschule Grundstufe I + II Variation 2: Sasa legte Stück 50-Cent-Münzen und ordnete sie zu je zwei Stück. So konnte er 7 erkennen. Barbara legte 2 Stück 20-Cent-Münzen, ordnete sie zu je fünf Stück und legte darunter die restlichen drei Stück. So konnte sie,0 erkennen. Sasa hatte also mehr Geld als Barbara. Nun nahmen die beiden Kinder jeweils ein Geldstück weg und verglichen ihre Geldmengen. Beim neunten Mal hatte Barbara mehr Geld als Sasa. Frage des Lehrers: Warum hat Sasa nun weniger Geld als Barbara? Barbara: Weil Sasa ja immer mehr Geld als ich weggenommen hat. Abb. 7: Lösungsfindung mit Hilfe von Münzen..2 Heuristische Strategien Im Unterschied zu einem Algorithmus liefern heuristische Strategien keine Lösungsgarantie für die vorgegebene Problemstellung. Heuristische Strategien geben stets nur wichtige Impulse zum Weiterdenken. Wichtige Beispiele heuristischer Strategien sind: Eine wichtige Problemlösestrategie der Grundschulmathematik ist das systematische Probieren. Häufig beginnen Grundschulkinder nach dem Hören bzw. Lesen einer Problemaufgabe recht schnell mit ersten spontanen Lösungsversuchen, die regelrecht mit den Verstehensbemühungen gekoppelt zu sein scheinen. Sie haben meist den Charakter des Probierens, indem spontan Zahlen verknüpft werden oder gezeichnet wird. Ausgehend von eher ungerichteten Probierversuchen soll zum systematischen Probieren übergegangen werden, inheuristische Strategien Impulse zum Weiterdenken systematisches Probieren Vorwärtsarbeiten Rückwärtsarbeiten Umstrukturieren des Problems Systematisches Probieren

Themenheft Mathematik Problemlösen, Volksschule Grundstufe I + II dem reflektiert und überlegt weitere Zahlen, Kombinationen etc. eingesetzt werden. Beim systematischen Bearbeiten der möglichen Fälle werden Strukturen des Problems offenbar und die Kinder gewinnen manchmal deutliche Hinweise auf eine allgemeine Lösung. Der Einsatz von heuristischen Hilfsmitteln (Skizzen und informative Figuren, Tabellen ) unterstützt das systematische Probieren. Die relevanten Informationen werden in Skizzen, Tabellen usw. gesammelt, geordnet und anschließend probierend weiterverarbeitet falls möglich systematisch. Systematisches Probieren liefert nicht sofort das exakte Ergebnis, es ist jedoch im Grundschulalter äußerst hilfreich auf dem Weg zur Lösung. Zahlenmauern nähere Erläuterungen in Abschnitt 5 Ergänze die fehlenden Zahlen in dieser Zahlenmauer. Abb. 8: Zahlenmauer In diesem Fall müssen die Kinder die fehlenden Steine durch systematisches Probieren finden. Werden für den fehlenden mittleren Grundstein der Reihe nach die Zahlen, 2,, eingesetzt, so sieht das Kind: und 2 führen auf einen kleineren Deckstein als 5 (und sind daher zu klein)., 5 ergeben einen größeren Deckstein als 5 (und sind daher zu groß). Also kommt nur als mittlerer Grundstein in Frage. Manche Aufgaben sind durch systematisches Probieren zu lösen. Abb. 9: Schülerlösung Lehrer: Wie bist du bei diesen beiden Aufgaben vorgegangen? Jasmin: Oben hab ich zuerst 5 + 0 = 5 probiert, aber dann wäre unten + 2 = 5 und 2 + 9, also hab ich es mit + 9 probiert und dann hat es überall gestimmt.

Themenheft Mathematik Problemlösen, Volksschule Grundstufe I + II 5 Manche Aufgaben können auch durch Ergänzungen bzw. Umkehraufgaben gelöst werden. Abb. 0: Schülerlösung 2 8 + = 7, plus 9. 8 = 5, und zum Schluss 5 + = 9, plus. Systematisches Probieren mit dem Hunderterfeld Die hier dargestellten Drillinge können entweder als Fenster oder als farbige Abdeckung (aus Folien) hergestellt werden. Diese unterstützen die Kinder bei der Arbeit mit dem Hunderterfeld. Abb. : Hunderterfeld

Themenheft Mathematik Problemlösen, Volksschule Grundstufe I + II Versuche, das Fenster so auf das Hunderterfeld zu legen, dass die drei Zahlen zusammen 5 ergeben. (Schreib die Rechnung dazu auf.) Abb. 2: systematisches Probieren mit dem Hunderterfeld Abb. : Drillinge Hunderterfeld

Themenheft Mathematik Problemlösen, Volksschule Grundstufe I + II 7 Manche Kinder können mehr als systematisches Probieren. Sie beginnen mit Rückwärtsarbeiten und setzen mit systematischem Probieren fort. Abb. : Rückwärtsarbeiten und systematisches Probieren

8 Themenheft Mathematik Problemlösen, Volksschule Grundstufe I + II Manche Kinder probieren einfach aus. Dieses Mädchen wurde durch die Aufgabenstellung motiviert, viele Additionen zu rechnen. Abb. 5: Probieren mit Additionen Pentominos nähere Erläuterungen in Abschnitt 5 Lege mit diesen zwei Pentominos einen Mehrling mit dem Umfang. Abb. : Pentominos

Themenheft Mathematik Problemlösen, Volksschule Grundstufe I + II 9 Abb. 7: Probieren mit Pentominos Systematisches Probieren mit Ziffernkärtchen Bilde aus diesen fünf Ziffern auf verschiedene Arten eine vierstellige Zahl und eine einstellige Zahl und multipliziere. Verwende diese 5 Ziffernkärtchen. Finde für folgende Aufgabe das kleinste Ergebnis. 2 8 9 Abb. 8: Das kleinste Ergebnis finden In diesem Beispiel wird systematisches Probieren zum Überprüfen des Ergebnisses eingesetzt. Abb. 9: systematisches Probieren

0 Themenheft Mathematik Problemlösen, Volksschule Grundstufe I + II Vorwärtsarbeiten Bei vielen Problemaufgaben ist es hilfreich, wenn unmittelbar von dem ausgegangen wird, was gegeben ist, und von dort aus Schritt für Schritt vorwärts gearbeitet wird. Eine Anfangssituation ist vorgegeben und ein bestimmtes Ziel wird angesteuert. Von den vorgegebenen Voraussetzungen wird ausgegangen, aus diesen werden schrittweise Erkenntnisse gewonnen. Darauf aufbauend werden weitere Schlüsse gezogen, bis (wenn man Glück hat) nach mehreren Schritten das gesuchte Ziel erreicht ist. Diese wichtige Problemlösestrategie wird als Vorwärtsarbeiten bezeichnet. Typische Fragen beim Vorwärtsarbeiten sind: Was ist gegeben? Was weiß ich über das Gegebene? Was kann ich daraus ermitteln? Welche Teilziele kann ich erreichen? Welche Hilfsmittel führen mich weiter? Kryptogramme Ersetze jedes der drei Symbole durch eine passende Zahl. = = = + = 50 + = 75 5 + = 00 Abb. 50: Kryptogramm Für die Lösung dieser Aufgabe bietet sich die Strategie des Vorwärtsarbeitens in idealer Weise an:. Schritt: Zunächst einmal kann berechnet werden, dass = 5 ist. 2. Schritt: Unter Verwendung dieses Teilergebnisses erhält man dann in der ersten Zeile 5 + = 50 und damit = 5.. Schritt: Nun folgt aus der zweiten Zeile, dass = 0 sein muss.

Themenheft Mathematik Problemlösen, Volksschule Grundstufe I + II Abb. 5: Vorwärtsarbeiten am Beispiel eines Kryptogramms Mit Massen (Gewichten) jonglieren Abb. 52: mit Massen jonglieren

2 Themenheft Mathematik Problemlösen, Volksschule Grundstufe I + II Magisches Quadrat nähere Erläuterungen in Abschnitt 5 8 7 2 9 Abb. 5: magisches Quadrat Ergänze die restlichen Zahlen von bis so, dass ein magisches Quadrat mit der magischen Zahl entsteht. Rückwärtsarbeiten Beim Rückwärtsarbeiten ist der Endzustand vorgegeben. Das Kind geht beim Bearbeiten vom Endzustand aus und arbeitet sich an den Anfangszustand zurück. Typische Fragen beim Rückwärtsarbeiten sind: Was ist gesucht? Was weiß ich über das Gesuchte? Was benötige ich, um das Gesuchte zu ermitteln? Im Mathematikunterricht wird die Strategie des Rückwärtsarbeitens unter anderem bei den sogenannten Umkehraufgaben verwendet. Ich denke mir eine Zahl und subtrahiere, multipliziere dann das Ergebnis mit 9, addiere anschließend noch 7 und erhalte die Zahl 00. Wie heißt die gesuchte Zahl? Tipp: Beginne bei 00 und rechne umgekehrt. Abb. 5: Umkehraufgabe

Themenheft Mathematik Problemlösen, Volksschule Grundstufe I + II Poldi muss als Hausaufgabe fünf Zahlen addieren. Er schreibt seine Rechnung zuerst auf einen Zettel und überträgt sie dann ins Heft. Dabei vergisst er eine Zahl. Nun steht Folgendes in seinem Heft: + 82 + 7 + 25 = 98 Das Ergebnis ist richtig. Welche Zahl hat Poldi vergessen? Manchmal werden im Lösungsprozess Vorwärts- und Rückwärtsarbeiten kombiniert. Die Kinder arbeiten vom Anfangszustand aus solange vorwärts, bis sich kein weiterer Weg ergibt. Dann arbeiten sie vom Endzustand aus rückwärts und verknüpfen die beiden Strategien. Das Rückwärtsarbeiten schafft Zwischenziele für das Vorwärtsplanen und umgekehrt. Ein Rechteck hat einen Flächeninhalt von 72 cm² und eine Breite von cm. Wie groß ist der Umfang des Rechtecks? Abb. 55: Rechteck Umfang Vorwärts- und Rückwärtsarbeiten sind Strategien, um den Beginn des Problemlöseprozesses strukturell zu erfassen. Gebraucht wird jedoch eine gute Idee im Sinne der heuristischen Prinzipien (siehe S. 7 5), um zu einer Lösung zu kommen. Umstrukturieren Manchmal ist es hilfreich, ein Problem von einem anderen Blickpunkt aus zu betrachten. Es geht darum, die Struktur der Aufgabe zu analysieren und die Ausgangssituation mit einer anderen Sichtweise durch eine besser geeignete Anordnung in eine Lösung zu überführen.